Sonntag, 9. Mai 2021
Niki de Saint Phalle als Frauenschreck
Niki de Saint Phalle, das war die künstlerische Provokation der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Orientiert an dem Spanier Gaudi (u.a. Sagrada Familia, Parc Güell in Barcelona) schuf sie Plastiken und Architektur ganz eigener Façon. Mit der Figur der "Nana" wurde sie um 1965 weltweit berühmt. Die Nanas waren sinnliche, farbenfroh gestaltete voluminöse weibliche Körper. Ihre größte "Nana" präsentierte sie 1966 in Stockholm, eine 29 Meter lange liegende Plastik, die durch die Vagina betretbar war. Innen enthielt sie u.a. ein Kino, eine Liebesnische im Bein, eine Milchbar in der Brust und eine mechanische Gebärmutter im Bauch. Ein ironischer Kommentar zum tradierten Idealbild der Frau. De Saint Phalle nahm damit die Gesellschaftskritik der späteren Frauenbewegung vorweg.
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Eine briefmarkengroße Strichzeichnung der Plastik erschien wenig später in "r", der Zeitschrift des Bund Deutscher Pfadfinder (BDP) für die Juniorenstufe (16 - 17 Jahre). Etwa um die gleiche Zeit gab es Annäherungsversuche des BDP an die Pfadfinderinnen. Die erwähnte Zeichnung war der Anlass für den sofortigen Abbruch der Beziehungen seitens der weiblichen Bundesführung. Da der Verband sich inzwischen auch für weibliche Mitglieder geöffnet hatte, blieben die Pfadfinderinnen weiter unter sich.

Jahrzehnte später erwähnte ich in einer Diskussion diese Anekdote. Die Frauen in der Runde - nunmehr Teil der zweiten Frauen-Emanzipations-Bewegung - reagierten empört: "geschmacklos, sexistisch, frauenfeindlich" waren die Verdikte nicht nur für Niki de Saint Phalle, sondern auch für mich. In Nikis Nachbarschaft fühlte ich mich dabei wohler als in dieser Gesellschaft. Neben meinem Arbeitsplatz hängt seit langem eine 5 cm große Nana, ein Geschenk einer Freundin.

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