Montag, 22. Januar 2024
Hunderttausende gegen rechts
…„ein äußerst ermutigendes Zeichen“ urteilte ein weichgespülter Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender, bei Caren Miosga gestern Abend über die zahlreichen Demos. Die Interviewerin war skeptisch, es seien prominente CDU-Politiker jedenfalls nicht in der ersten Reihe mitgegangen. Merz konterte schnell, so schnell, dass man jetzt sicher wusste: Er hatte die Frage erwarte. Er zählte zwei (!) Landesfürsten, Markus Söder (Bayern) (was nicht stimmt!) und Hendrik Wüst (NRW), auf.

In Bremen jedenfalls blieb die CDU unsichtbar, im Gegensatz zu SPD, Linke und Grüne.

Interessant war Merz‘ Mienenspiel: Locker und entspannt, lächelnd, wie man ihn sonst nicht kannte, wechselte er, als er von der Journalistin im Kreis massiv angegangen wurde, zur gewohnten Maske mit runtergezogenen Mundwinkeln und konnte die Attacke nicht mal parieren.

„ein äußerst ermutigendes Zeichen“ wiederholte Merz noch zweimal. Zur Vorbereitung und Durchführung der seit Jahren größten Demos haben die Konservativen aber wohl wenig beigetragen.

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Stasi-Erkenntnisse im Fernsehen
Ein Journalisten-Team recherchierte in einem Geheimtreffen von Individuen aus rechten Gruppierungen – u.a. AfD, Der Dritte Weg, CDU -, auf dem Mittel und Wege diskutiert wurden, Deutsche mit Migrationsgeschichte in ihre „Heimatländer“ zu „remigrieren“, d.h. deportieren. Die Empörung bei den demokratischen Parteien und in der Zivilgesellschaft war sehr groß und löste eine Demo-Welle mit hunderttausenden von Demonstranten aus.

Die Betroffenen heulten auf. Alice Weigel von der AfD verkündete auf der Bundespressekonferenz, die Journalisten seien „under cover“ in eine private Zusammenkunft eingedrungen und hätten rechtswidrig gefilmt.

Das seien Stasi-Methoden. Nanu, wundert sich der Zeitzeuge: Bisher war unbekannt, dass die Stasi ihre heimlich gewonnenen Erkenntnisse anschließend in den Medien veröffentlichte. Da weiß die Frau Weigel mehr als alle anderen.

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Bauernproteste – Kneipenschlägerei und Argumente
„Komm `raus, du Feigling“, grölte es aus der Menge, als der Bundesminister für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck, von seiner Urlaubsinsel in Schlüttsiel an Land gehen wollte. Mehrere hundert Bauern blockierten mit ihren Treckern den Fähranleger. Das klang mehr nach einer Kneipenschlägerei als nach dem Angebot einer Diskussion.

Habeck bot ein Gespräch an, was von den Randalierern abgelehnt wurde. Polizei und Sicherheitskräfte drängten den Mob gerade noch zurück, damit die Fähre wieder ablegen konnte.

Das Vorgehen der wütenden Bauern könnte als „landesüblicher Umgangston“ gewertet werden, wenn nicht der CDU-Vorsitzende, Friedrich Merz, den Ton vorgegeben hätte. Habeck warf er im Vorjahr vor, mit Kinderbüchern könne man ein Land nicht regieren, und er habe ihn beim Denken erwischt, soll wohl heißen untätig. (s. miniaturen 14.09.22) Wes Geistes Kind die „Protestierer“ sind, dürfte daran zu erkennen sein, dass sie ihren Fäuste besser vertrauen als dem Verstand und der Sprache. Das mögen rechtsextreme Krakeeler angeheizt haben.

Gängig wird über die Ursachen des Protests gerätselt. Zwei Dinge dürften klar sein: 1) wurden dringend notwenige Veränderungen in der Landwirtschaftspolitik seit zwanzig Jahren versäumt. 2) Wurden die Subventionen der Landwirtschaft völlig falsch gehandelt. 3) hat die Ampel zum falschen Zeitpunkt den falschen Hebel angesetzt. 1) und 2) gehen auf das Konto früherer Regierungen unter Führung der CDU/CSU, die jeweils die Landwirtschaftsminister stellten.

Die Subventionen vorwiegend aus Europa-Mitteln begünstigen Großbauern und Agrarholdings. Honoriert wird nach Fläche und nicht nach Produkt. Großkonzerne haben die ehemaligen LPGs im Osten übernommen und pflegen hochrentable Monokulturen. Kleinere Höfe, schon gar Vieh- und Gemüsebauern und die, die ökologisch wirtschaften, müssen sich mit den Brosamen abfinden. De Dübel schiet jümmer op`n größten Hupen.

Während die einen für den Export z.B. Getreide anbauen, wirtschaften die kleineren für den heimischen Markt. Insofern zielt das Argument des Bauernverbandes, sie seien im internationalen Maßstab nicht konkurrenzfähig, völlig am Kern vorbei. Die kleineren Betriebe mögen die Subventionen des Diesels und die Steuerfreiheit benötigen. Viel nötiger sind Subventionen für ökologische Produkte. Das aber haben frühere Landwirtschaftsminister nie gewollte. Sie fördern vor allem Großbetriebe, für die billiger Agrardiesel und die Kfz-Steuer Peanuts sind.

Die Shareholder von Agrarholdings wie z.B. die Münchner Rückversicherung gehen daher auch nicht auf die Straße. Sie benutzen die Kleinbauern als Stoßtrupp gegen die Ampelregierung und da vor allem die Grünen, die eine ökologische Landwirtschaft für den heimischen Markt wollen.

Die großen Lebensmittelkonzerne spielen die gleiche Melodie wie die Agrarholdings: Sie diktieren den Kleinproduzenten Abnahmepreise, bei denen so keine Gewinne hängen bleiben. Genau das versucht der Landwirtschaftsminister, Cem Özdemir, zu ändern. Kein Wunder, dass er Gegenwind vom Bauernverband bekommt. Der ist nämlich vor allem Sprachrohr der Großkonzerne.

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Höfesterben seit eh und je
Während die Bauern landauf landab demonstrieren und fröhlich steuerfreien Diesel verbrennen und den drohenden Fortfall der Steuerbefreiung gejammern, werden Zahlen des statistischen Bundesamts veröffentlicht: Seit 2010 bis 2023 sind insgesamt 45.000 Bauernhöfe aufgegeben worden. Dabei blieb die landwirtschaftlich genutzte Fläche annähernd konstant. Das bedeutet nichts anderes, als dass es eine massive Konzentration im Agrarbereich gegeben hat, zugunsten von Großbetrieben und Agrarholdings.

Wenn die Landwirte jetzt lautstark Neuwahlen einfordern, vergessen sie, dass das Höfesterben seit 2010 in die Regierungszeit fiel, als die CDU/CSU die Landwirtschaftsminister stellten. Und in dieser Zeit galten noch Diesel- und Steuer-Privilegien. Deren Fortfall wird die Konzentration sicher nicht maßgeblich beeinflussen. Konzentration gehört zu den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus, da ist die Landwirtschaft keine Ausnahme. Beschleunigt wurde die Konzentration vor wie nach der letzten Bundestagswahl zusätzlich durch die Subventionspolitik der EU und der Bundesregierung. Aber auch die gehört zur Marktwirtschaft (vulgo Kapitalismus).

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Die Ampel ist schuld?
Bei der täglichen Zeitungslektüre stößt der Leser auf ein immer wiederkehrendes Phänomen. Die Protestierer melden sich zu Wort in Fragen, die die gegenwärtige Regierung nicht zu verantworten hat. In Sachen Agrarpolitik wurde das bereits mehrfach belegt.

Hier ein anderes Beispiel: Der Branchenverband eMobilität klagt, dass die Stromnetze für den Bedarf an Ladestrom für E-Autos nicht ausreichen. Man habe das bereits vor fünfzehn Jahren angemahnt.

Aha, und wer stellte damals die Bundesregierung? CDU/CSU und SPD. Die Verkehrsminister stellten immer die Konservativen. Und wer bekommt jetzt die Prügel dafür: Die Ampel.

Die von den Bauern skandierte Parole "Die Ampel muss weg" beweist nichts als die Ignoranz der Bauern. Wollen sie die wählen, die für die Misere verantwortlich sind?

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Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (6)
5. Politisch-kulturelle Bildung und Schlüsselqualifikationen

Ich möchte nicht behaupten, dass sämtliche Schlüsselqualifikationen durch politisch-kulturelle außerschulische Bildung produziert werden, schon gar nicht in jeder Veranstaltung und in jedem Konzept. Dennoch leistet die außerschulische Bildung – und das nicht erst seit Kurzem – dazu ihren Beitrag. Das wurde inzwischen auch von anderen Bildungsinstitutionen erkannt.

Seit einigen Jahren gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Industriebetrieben und der außerschulischen Jugendbildung. Betriebe, deren gewünschtes Humankapital Tugenden wie Kreativität, Kooperation, Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit etc. beinhaltet, mussten feststellen, dass viele Auszubildende genau diese Qualifikationen nicht mitbrachten. Darüber hinaus sahen die Einstellungstests nicht vor, diese Fähigkeiten zu prüfen. Hilfsweise werden Kriterien wie soziales Engagement in der Freizeit (Jugendverband, Feuerwehr etc.) als Auswahlkriterium dazu genommen. Vor allem musste aber ein Versagen der meisten allgemeinbildenden Schulen konstatiert werden, die SchülerInnen entsprechend vorzubereiten. Das schulische Auswahlverfahren, besonders die Orientierung auf individuell zu erbringende fachliche Leistungen und die frühe Aufspaltung in unterschiedliche Schultypen, führt zu einer Isolation und individuellen Leistungsorientierung, die nur eine unter mehreren Bedingungen für eine moderne demokratische Gesellschaft und für betriebliche Erfordernisse ist.

Dagegen setzen einige Industrie- und Dienstleistungsbetriebe auf die durch die außerschulische Jugendarbeit angebotene Qualifikation. Der Jugendhof Steinkimmen z.B. bot seit 1999 für Auszubildende der Airbus GmbH in Bremen und Nordenham Seminare zur politisch-kulturellen Bildung an. Die Auszubildenden beschäftigen sich eine Woche lang mit einem sozialpolitischen Thema, das sie mit Hilfe der Medien Video, Theater, Fotografie, Zeitung oder Radio bearbeiten. Der Jugendhof Steinkimmen verfolgt dabei vorrangig Ziele der politischen und kulturellen Bildung , während der Betrieb allgemeine Qualifikationen seiner Auszubildenden im Blick hat.

Es scheint also, dass die Möglichkeiten und Fähigkeiten der außerschulische Bildung von Betrieben erkannt und genutzt werden können. Davon profitieren beide Teile. Es zeigt aber auch, dass allgemein- und weiterbildende Schulen diese Möglichkeiten und Fähigkeiten nicht haben oder nicht nutzen. Uns ist allerdings in Seminaren mit Schulklassen aufgefallen, dass SchülerInnen von Gesamtschulen viel eher die politischen Tugenden bzw. Schlüsselqualifikationen aufweisen, die auch wir in der außerschulischen Bildung anstreben und die die Betriebe fordern. Es scheint also sinnvoll, gemeinsam zu diskutieren, wie diesem Missstand Abhilfe geschaffen werden kann. Es scheint angebracht, die PISA-Diskussion in diese Richtung zu lenken, statt ausschließlich auf weitere Leistungsmaximierung zu orientieren.
Zuerst in „Forum für Kinder- und Jugendarbeit“

Anmerkungen:
1. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hg.): Weiterentwickelte Empfehlung und Arbeitshilfe für den Ausbau und die Verbesserung der Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendhilfe mit der Schule. Frankfurt/Main 2001
2. Am weitest gehenden ist dieser Zerstückelung des Arbeitsprozesses in der Bandarbeit z.B. der Automobilproduktion fortgeschritten.
3. D. Martens: Schlüsselqualifikationen; in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt und Berufsforschung, 1974
4. Bereits in den 60er Jahren suchten Betriebe wie Siemens, Bosch oder Töpfer die Zusammenarbeit mit der außerschulischen politischen Bildung.
5. Oskar Negt: Die zweite Gesellschaftsreform, Göttingen 1994

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Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (5)
4. Schlüsselqualifikationen als politische Kategorie

Bei den VertreterInnen der außerschulischen politischen Bildung stehen derlei Qualifikationen schon immer in den Lernzielkatalogen. Allerdings aus einem ganz anderen Motiv. Kritikfähigkeit ist eine Voraussetzung, bestehende gesellschaftspolitische Verhältnisse zu hinterfragen. Sie taucht bereits in den 60er Jahren in den Lernzielkatalogen auf. Durchsetzungsvermögen, Verantwortungs- und Handlungskompetenz sind auch Voraussetzungen politischen Handelns. Kreativität, Zusammenarbeit und Kommunikation sind Stichworte in der außerschulischen politischen Bildung seit vierzig Jahren.

Unser Dilemma als politische Bildner war bisher, dass derlei Tugenden im letzten Jahrzehnt bei unserem Klientel eher als antiquiert und verstaubt galten. Kein Wunder: die menschlichen Produkte der industriellen Tätigkeit, der städtischen Wohnformen und der Freizeitindustrie zeichneten sich eher durch Individualität oder Isolation, Egoismus und Verantwortungsscheu als durch von uns postulierte politische Tugenden aus.

Kommt nun das Heil für die politische Bildung aus den Notwendigkeiten der nachindustriellen Produktion? Ja und Nein.

Offensichtlich hat die betriebliche Berufsbildung es als notwendig erkannt, extrafunktionale Qualifikationen zu funktionalen zu machen, d.h. allgemeine Arbeitstugenden für gleich wichtig zu halten wie die handwerklichen oder kognitiven Qualitäten. Da die Auszubildenden diese Qualitäten nicht aus der Schule und anderen gesellschaftlichen Sozialisationsinstanzen mitbringen und die Betriebe sie auch nicht oder nur eingeschränkt neben der funktionalen Qualifikation herstellen können oder wollen, greifen modernere Betrieben schon lange auf die Zuarbeit der außerschulischen Bildung zurück, allerdings eher punktuell und ausnahmsweise.

Die politische Bildung fortschrittlicher Konvenienz hat - vielleicht aus gutem Grund - bisher derartige Vereinnahmungsversuche empört zurückgewiesen. Diese Berührungsangst sollte allerdings kritisch und unvoreingenommen überprüft werden. Wenn die extrafunktionalen Qualitäten zur politischen Emanzipation von Individuen und Gruppen führt, so kann das der politischen Bildung nur Recht sein. Warum soll eine Gewerkschaftsgruppe nicht kritikfähig sein, nur weil der Arbeitgeber Kritikfähigkeit fordert, wenn so betriebliche Missstände im Interesse der Beschäftigten beseitigt werden können?

Oskar Negt hat (1994) einen Katalog sozialer Kompetenzen aufgestellt, der über den engeren Rahmen der ökonomischen Verwertbarkeit hinausweist: Er nennt:
1. den Umgang mit bedrohter und gebrochener Identität lernen (Kompetenz der Selbst- und Fremdwahrnehmung).
2. gesellschaftliche Wirkungen begreifen und Entscheidungsvermögen entwickeln (technologische Kompetenz).
3. der pflegliche Umgang mit Menschen und Dingen (ökologische Kompetenz)
4. Erinnerungs- und Utopiefähigkeit (historische Kompetenz)
5. Sensibilität für Enteignungsverfahren; Wahrnehmungsfähigkeit für Recht und Unrecht, Gleichheit und Ungleichheit (Gerechtigkeitskompetenz)

Es gibt eine Übereinstimmung in bestimmten Bereichen von Interessen moderner Industrie- und Dienstleistungs-Betriebe mit denen der politischen Bildung. Es ist die Funktion der politischen Bildung, Menschen zu befähigen, gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu erkennen und gegenzusteuern (Kritikfähigkeit, Handlungskompetenz). Politische Bildung hat einige Ansprüche, die darüber hinaus gehen, wie z.B. das Toleranzgebot. Es ist die Funktion der politischen Bildung, demokratische Austragungsformen bei Interessenkonflikten zu initiieren und zu organisieren (Verantwortungsbereitschaft und -Kompetenz). Es muss das Interesse der politischen Bildung sein, gesellschaftliches Konfliktpotential zu problematisieren und auszugleichen. Wenn farbige Mitbürger aus fahrenden S-Bahnen gestoßen, Häuser von MigrantInnen oder Flüchtlingen in Brand gesetzt werden oder geschasste Oberschüler Amok laufen, sind das Zeichen mangelnder politischer Bildung, mangelnder allgemeiner Qualifikationen wie z.B. Sozialkompetenz. Wenn moderne industrielle und Dienstleistungs-Betriebe den gleichen Bedarf zur Realisierung ihrer Ziele haben, zeigt das nur, dass es in diesem Punkt eine Interessen-Koinzidenz gibt. Warum soll es da nicht die Möglichkeit der Kooperation geben? Demokratische Bildung und Zivilcourage sind nicht auf das außerbetriebliche Leben reduziert.

Zugleich scheint mir aber auch eine Abgrenzung geboten. Wenn die Kooperation zwischen Betrieben und politischer Bildung zur Verwischung der Interessengegensätze zwischen Arbeitgebern und abhängig Beschäftigten führt, darf politische Bildung sich nicht zum Erfüllungsgehilfen betrieblicher Interessen machen, sondern muss die Interessengegensätze auch benennen können.

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Sonntag, 21. Januar 2024
Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (4)
3. Schlüsselqualifikationen in modernen Industrie- und Dienstleistungs-Betrieben

Schon Martens definiert 1974: „Schlüsselqualifikationen sind (...) solche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche nicht unmittelbaren und begrenzten Bezug zu bestimmten praktischen Tätigkeiten einbringen, sondern vielmehr
a) die Aneignung für eine große Zahl von Positionen und Funktionen als alternative Optionen zum gleichen Zeitpunkt und
b) die Eignung für die Bewältigung einer Sequenz von (meist unvorhersehbaren) Änderungen von Anforderungen im Laufe des Lebens.“
Schlüsselqualifikationen sind die Voraussetzung für die Anpassungsfähigkeit an nicht Prognostizierbares auf dem Arbeitsmarkt.

Gegenwärtig haben wir es mit einem beschleunigten technologischen Wandel besonders im IT-Bereich zu tun. Dies fordert von den Beschäftigten die Einstellung auf immer neue Arbeitsanforderungen, woraus die Notwendigkeit von „lebenslangem Lernen“ resultiert. In Lernzielkatalogen moderner Betriebe tauchen für die extrafunktionalen Qualifikationen die Begriffe Kommunikationsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Argumentationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Planungs-, Entscheidungs- und Handlungskompetenz auf. Es wäre nun zu untersuchen,
1. welche betrieblichen Arbeitsprozesse diese allgemeinen Qualifikationen notwendig machen;
2. für welche Berufsgruppen bzw. Funktionen sie vorausgesetzt werden;
3. wie die betriebliche Ausbildung sie hervorbringt;
4. ob und wenn ja wie die Schule bzw. bestimmte Schultypen auf die betrieblichen Anforderungen vorbereitet;
5. welche Möglichkeiten die außerschulische Bildung hat, entsprechende Qualifikationen zu fördern und ob sie auf die betriebliche Situation übertragbar sind;
6. ob derartige Qualifikationsprozesse nur spezifischen betrieblichen Bedürfnissen entsprechen oder auch allgemein gesellschaftlichen Nutzen haben.

Ich möchte mich an dieser Stelle auf die Diskussion der Punkte 5. und 6. beschränken. Es gibt ein Interesse moderner Industrie- und Dienstleistungs-Betriebe, dass Teams unterschiedlicher Größe miteinander kooperieren und kommunizieren (Teamfähigkeit). Um Arbeitsprozesse zu effektivieren, sollen die Mitglieder eines Teams kritikfähig sein; so lassen sich eingeschliffene Verfahrensweisen problematisieren und ändern sowie Innovationen denken. Innovation setzt auch Kreativität und Durchsetzungsvermögen voraus. Um arbeitsteilig im Team arbeiten zu können, muss der/die Einzelne bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Um ein Teamprojekt zu planen, brauchen seine Mitglieder Planungs- und Verantwortungskompetenz. Um im Rahmen einer vorgegebenen Aufgabe selbständig handeln zu können, müssen die Mitglieder eines Teams Handlungskompetenz entwickeln. Genau diese allgemeinen Arbeitstugenden oder extrafunktionalen Qualifikationen tauchen in den Lernzielkatalogen moderner Industrie- und Dienstleistungs-Betriebe auf.

Moderne Industrie- und Dienstleistungsbetriebe sind zunehmend auf Gruppenarbeit angewiesen. Es ist offensichtlich, dass diese einige der o.a. Schlüsselqualifikationen voraussetzt. Auch die Vorgesetzten müssen ein neues Verhältnis zu den MitarbeiterInnen entwickeln. Sie müssen neue Planungsaufgaben übernehmen und ihre Haltung zu ihren MitarbeiterInnen verändern: wenn drei KollegInnen zusammen stehen und reden, heißt das nicht notgedrungen, dass sie nicht arbeiten; es ist sehr wohl möglich, dass sie den Arbeitsablauf besprechen.

Auch sind Rationalisierungen in einem modernen Industriebetrieb nicht mehr durch technologische Innovationen zu erreichen, sondern nur noch über die Verbesserung der Arbeitsorganisation, dies wiederum setzt das Überwinden traditionellen Arbeitsverständnisses voraus.

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Samstag, 20. Januar 2024
Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (3)
2.Nachindustrielle Arbeit: Kommunikation und Kooperation (2000)

In bestimmten anderen industriellen Arbeitsbereichen, vor allem aber im Dienstleistungssektor haben sich inzwischen ”nachindustrielle” Arbeitsverhältnisse herausgebildet. Diese sind durch komplexe Arbeitszusammenhänge gekennzeichnet und erfordern ein neues Maß an Kooperation und Kommunikation. Statt der weitgehenden Arbeitsteilung, der Zerlegung der unterschiedlichen Tätigkeiten in kleinste Arbeitseinheiten werden neue Formen der Kooperation entwickelt, die komplexe Arbeitsprozesse organisieren. Die industrielle Produktion hat durch Spezialisierung und Zerteilung der Arbeit dazu geführt, dass die Menschen nur noch eingeschränkt kooperations- und kommunikationsfähig sind. Dieser Prozess wird durch Wohnformen und Freizeitverhalten beschleunigt. Die Anonymität städtischer Wohnsiedlungen führt ebenso zu Kommunikationsunfähigkeit wie die Vereinzelung in der Familie. Die umfassende Versorgung einzelner Haushalte mit mehreren identischen Geräten der Unterhaltungselektronik führt dazu, dass eine Familie sich nicht mehr über das Fernseh- oder Radioprogramm auseinandersetzen und einigen muss, sondern jedeR in seinem Zimmer sein Programm sehen / hören kann. Wie können da Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Kompromiss- oder Kritikfähigkeit ausgebildet werde? Günther Anders hat bereits in den 50er Jahren konstatiert: ”Wir leben im Zeitalter der Solistik.”

Ähnliches gilt für die Schule. Die Individualisierung des/r einzelnen Schülers/in durch die Notengebung ist ein konstituierendes Element des Systems. Gute Noten bekommt der/die SchülerIn nur im Vergleich und in Abgrenzung zu seinen MitschülerInnen. Zwar mag es Ansätze kooperativen Lernens und Arbeitens in Schulen geben, sie sind aber immer im Verdacht, lediglich Spielwiesen zu sein, denn wenn das ”Eigentliche”, nämlich Notengebung und Selektion ansteht, ist jedeR auf sich selbst zurückgeworfen.

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Donnerstag, 18. Januar 2024
Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (2)
2. Industrielle Hafenarbeit (1980)

Als ich zwanzig Jahre später nach einer längeren Unterbrechung wieder einen modernen Hafen sah, hatte sich alles verändert. Kaffeesäcke oder Baumwollballen kamen in Containern an. Der gesamte Container wurde mit einem Verladekran aus dem Laderaum gehievt, über die Pier zum Schuppen transportiert oder auf LKW oder Vancarrier geladen, die sie zum Stellplatz brachten. Die Kaffeesäcke lagen auf Paletten, die per Gabelstapler transportiert wurden. Lediglich kleinere Partien wurden per Hand zusammengestellt. Baumwolle musste im Schuppen zur Waage und zurück zum Lagerplatz mit der Sackkarre gefahren werden. Das waren die einzigen Handarbeiten. Alles andere war mechanisiert. Teile der Tally-Arbeiten - z.B. Verwaltung des Lagerplatzes, Ladelisten etc. - wurden per EDV erledigt. Zusammenarbeit wie in der vorindustriellen Phase gab es nicht mehr. Jeder Staplerfahrer, jeder Kranfahrer, der Lukenviez usw. arbeiteten sich gegenseitig zu, aber auch jeder für sich. Berührungspunkte waren allenfalls Anfang und Ende der jeweiligen Tätigkeit. Die Kommunikation z.B. zwischen Lukenviez und Kranfahrer lief per Funk. Kran- und Staplerfahrer waren speziell qualifiziert und ständig beschäftigt. Außerdem gab es das neue Berufsbild des Schiffsgüterkontrolleurs, der eine breite Qualifikation für alle im Hafen anfallenden Tätigkeiten vom Baumwollewiegen, über das Kran- und Staplerfahren bis zu den mehr verwaltenden Arbeiten des Tallymans hatte. Unständige Arbeiter gab es nur für wenige unqualifizierte Tätigkeiten wie Baumwolle-Wiegen, Säcke in kleinen Partien stapeln. Sie wurden meist über Zeitarbeit-Firmen geheuert. Die Arbeiter wurden nach ÖTV-Tarif bezahlt, allerdings gab es einen hohen Anteil an individueller Akkordarbeit. Der Akkord wurde wegen der hohen Produktivität der Arbeiter ständig erhöht. Z.B. stieg der Akkord für das Baumwollewiegen in zwei Jahren von 180 auf 220 Ballen pro Mann pro Schicht, weil die Arbeiter mit den 180 Ballen in kürzerer Zeit als eine Schicht fertig wurden, um früher Feierabend zu haben. In den 80er Jahren passierte im Bremer Containerhafen ein schwerer Unfall: ein Kran knickte um und fiel so unglücklich auf ein Schiff, dass die Fahrerkanzel genau auf einen Lukenrand traf und der Fahrer getötet wurde. Unglücksursache: Die Hiev war dreizehn Tonnen schwer, acht Tonnen waren für den Kran zugelassen. Mit solchen Hievs lässt sich in kürzerer Zeit mehr leisten, bis zur Grenze der Leistungskraft. Dies ist die industrielle Phase in der Hafenarbeit.

In der vorindustriellen Phase der Arbeit gibt es einen hohen Anteil direkter Kooperation und mangels technischer Kommunikationsmittel einen hohen Anteil direkter personeller Kommunikation. Die Qualifikation der Arbeiter hinsichtlich der Kooperation ergibt sich durch Alltagslernen. Wer etwas falsch macht, wird mit den Auswirkungen seines Fehlers hinsichtlich der Arbeit oder der Kollegen direkt konfrontiert; hierfür steht das Beispiel der Holzhiev: wegen des Schadens, den ich dem Kollegen zugefügt habe, drohte er mir Prügel an, d.h. ich merkte mir, dass ich so einen Fehler nie wieder machen durfte; wegen des Fehlers hinsichtlich der Arbeit zeigte derselbe Kollege mir, wie ich es richtig machen musste. Der Arbeitgeber, irgendein Vorgesetzter oder eine Berufsbildungsinstanz taucht in diesem System nicht einmal als Schatten auf. Extrafunktionale Qualifikationen (allgemeine Arbeitstugenden) in diesem System sind körperliche Kraft, Fleiß, Pünktlichkeit, Kooperation und direkte Kommunikation. Die Kontrolle über die Arbeitsleistung des einzelnen erfolgt durch die Gang (”der klotzt ran” gegen ”der macht uns den Akkord kaputt”). Interessanter Weise sind einige dieser Qualifikationen in der nachindustriellen Phase der Produktion wieder gefragt. So erfolgen Leistungskontrolle und -bewertung in modernen Industrie- und Dienstleistungsbetrieben eher nicht hinsichtlich der Einzelleistung, sondern eher über die Gruppenleistung.

In der industriellen Phase ist die Arbeit weitestgehend in Einzelschritte zerlegt, entsprechend die Spezialisierung der Arbeit vorangeschritten. Kooperation findet nur noch auf einer reduzierten Ebene der Arbeitsteilung statt . Die Spezialisierung der Arbeit erfordert spezifische Qualifikation entsprechend der jeweiligen Tätigkeit. Zwar kann die Qualifikation auch in anderen Arbeitsfeldern eingesetzt werden (der Kranfahrer kann auch auf einer Werft, der Staplerfahrer auch in einem Lagerhaus arbeiten), aber die spezifische Qualifikation kann in diesem Arbeitsbereich Hafen nur für eine Tätigkeit verwendet werden. Daneben gibt es eine umfassende Qualifikation des Schiffsgüterkontrolleurs, die er aber nur in diesem Arbeitsfeld Hafen verwenden kann. Allgemeine Arbeitstugenden (extrafunktionale Qualifikationen) in dieser Phase sind Schnelligkeit und Zuverlässigkeit ohne direkte Kontrolle. Indirekt wird die Arbeit über das Ergebnis im Nachhinein kontrolliert (Einzelakkord).

Die Zusammenarbeit der Arbeiter ist wegen der Zerteilung der Arbeit auf ein Minimum reduziert. Nur an den Übergabestellen z.B. vom Kran auf den Sattelschlepper oder vom Sattelschlepper auf den Vancarrier oder Stellplatz gibt es kurze Momente der Kommunikation. Im übrigen arbeitet jeder Mann für sich. Die Kommunikation erfolgt nur ausnahmsweise direkt personal, in der Regel verläuft sie indirekt über Funk. Die Ansprache erfolgt nicht über den Namen, sondern über die Funktion, z.B. Kranfahrer oder über eine Chiffre, z.B. K 14 für Kran Nr. 14. Die eingeschränkte direkte Kommunikation kann über längere Zeit und insbesondere in der Ausbildungsphase zu kommunikativer Dequalifizierung führen.

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Dienstag, 16. Januar 2024
Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (1)
„...der Erwerb von Schlüsselqualifikationen – insbesondere der
sozialen und kulturellen Kompetenz – (ist) zu einer herausragenden
Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe geworden. Dieser Bildungsauftrag ergänzt das traditionelle Bildungssystem (...).
In der Präzisierung des Bildungsauftrags (... ) und der Kinder- und
Jugendarbeit wird dies besonders erkennbar. Diese Handlungsfelder sind zu Orten des sozialen Lernens geworden.“ (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2000)


1. Kommunikation am Arbeitsplatz - Vorindustrielle Hafenarbeit (1960)

Als ich um 1960 als Hafenarbeiter Geld verdiente, herrschte dort vorindustrielle Arbeitsweise. Jedes Teil musste beim Verladen einzeln in die Hand genommen werden: Kaffee- und Futtermittelsäcke lagen lose im Laderaum, mussten zu ”Hievs” von acht Säcken zusammengetragen, mit einem ”Stropp” (Seil) zusammengebunden und an den Kran ”angepickt” werden. Der Kran transportierte die Hievs auf Güter- oder Lastwagen oder in den Schuppen. Die notwendigen Handarbeiten konnten nur mindestens zu zweit bewältigt werden, weil die Säcke 1 ½ Zentner wogen. Der Kran war die einzige Maschine in diesem Arbeitsprozess.

Ähnlich lief das Verladen von Holz: die sechs oder acht Meter langen Bohlen wurden jeweils von zwei Mann zu mannshohen Hievs gestapelt, mit einem ”Kopf” versehen und an den Kran angepickt. Die einzelnen ”Gangs” (Kleingruppen, die zusammen arbeiten) mussten sich untereinander absprechen, wer in welchem Teil des Laderaums bzw. der Luk arbeitete. Maschinenteile waren in Kisten verpackt, die von zwei Mann gekantet wurden, während der dritte den Stropp unten durch führte. Zum Verladen von Eisenplatten waren sechs bis acht Mann notwendig, um die Platte an einer Seite anzuheben, während einer den Stropp unter der Platte durchführte (übrigens kein ungefährlicher Job). Die Arbeiter befanden sich im Laderaum. Die Kommunikation mit dem Kranführer lief per Handzeichen, teilweise mit Hilfe des ”Lukenviez”, der zugleich den Arbeitern Anweisungen gab und sie kontrollierte. Die Zusammenarbeit der Arbeiter, die an einer Hiev, im selben Laderaum, in der selben Luk oder im selben Schiff arbeiteten, wurde mündlich organisiert. Die Gangs mussten gut auf einander eingespielt sein. Die Vorarbeiter, die für die Einteilung der Gangs zuständig waren, mussten darauf achten, dass Leute zusammen arbeiteten, die ”miteinander konnten”.

Auf den Waagen oder im Schuppen leisteten ebenfalls Arbeiter Handarbeit und ein Angestellter der Reederei (Tallyman) verbuchte die Menge. Einziges Handwerkszeug war der ”Haken”, eine dreifingrige Kralle, mit der Säcke angepickt wurden. Die meisten Hafenarbeiter waren ”unständige Arbeiter”, die tageweise angeheuert und ausgezahlt wurden. Die Chance, morgens einen Job zu bekommen, hing vom Bedarf, also der Menge und Größe der Schiffe bzw. der Zahl der benötigten Arbeiter ab. Das Risiko, keinen Job zu erwischen, war relativ groß. Nur die Vorarbeiter, Lukenvieze, Tallymen usw. waren fest angestellt. Für größere Städte wurde im Rundfunk jeweils abends mitgeteilt, wie viele zusätzliche Arbeiter am nächsten Tag benötigt wurden. Die Normalschicht dauerte acht Stunden, beliebt waren Schichten von zehn, zwölf oder mehr Stunden, weil dann erst das ”Geld stimmte”. Es kam auch vor, dass die Schicht nur fünf oder sechs Stunden dauerte, bis nämlich das Schiff leer war. Wenn Aussicht bestand, das Schiff an einem Tag zu löschen (entladen), wurde die Schicht entsprechend verlängert. Nur wenn das am ersten Tag nicht geschafft wurde, wurde am folgenden weiter gearbeitet, dann hatten die Arbeiter am nächsten Tag ihren Job sicher. Bezahlt wurde nach Stunden (DM 2,17); wenn der Reeder oder der Kapitän die Arbeit beschleunigen wollte, wurde im Gruppen-Akkord pro Schiff gearbeitet; dann kam man umgerechnet bis auf DM 8,00 pro Stunde. Alle Hafenarbeiter waren unqualifiziert, die ”Einarbeitung” dauerte Minuten und wurde durch die Kollegen geleistet. Z.B. wurde mir als Neuling erst von einem Kollegen gezeigt, wie man einen ”Kopf” für eine Holzhiev baut, nachdem ihm mehrere Bretter ins Kreuz geflogen waren und er mich fast verprügelt hätte. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad war angesichts des hohen Anteils unständig Beschäftigter annähernd Null.

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Montag, 15. Januar 2024
Neuwahlen? Ja, wen denn, bitte?
Bei den aktuellen Bauern-Demos wurden zunächst vereinzelt und zaghaft, inzwischen zunehmend lauter und häufiger „Neu-Wah-len“ gefordert. Was kann das heißen? Zunächst soll das heißen, wir wollen die aktuelle Regierung nicht. Das korrespondiert mit Plakaten, auf denen eine Verkehrsampel an einem Galgen hängend gezeigt wird. Schon diese Metapher ist verräterisch. Statt der Ampel wollen die Plakatträger Politiker aufhängen.

Davon zunächst mal abgesehen, beweist die Forderung nach Neuwahlen erhebliche Defizite in politischer und historischer Bildung. Welche Politiker und Parteien wollen sie denn statt der Ampel? Vielleicht die CDU/CSU, also die Parteien, die in den letzten Jahrzehnten die Landwirtschaftsminister stellten und damit das aktuelle Elend der Landwirtschaft verursacht haben? Oder wollen sie gar die rechtsextreme bis faschistische AfD in der Regierung? Mehr Alternativen gibt es nicht! Das also ist der Kern der Forderung nach Neuwahlen.

Es ist schon eine merkwürdige Konstellation. Fast gleichzeitig mit dem Bauernprotest fand in Berlin eine Demonstration gegen die AfD und allgemein gegen Rechtsextreme mit zehntausenden Teilnehmenden statt. Ihre Parolen: „AfD-Verbot for Future“, „Bunt ist hübscher als Braun“, „Wir sind die Brandmauer“ und „Alle hassen Nazis“ oder „Nie wieder ist jetzt.“ In vielen anderen Städten demonstrierten breite Bündnisse ebenfalls gegen rechts.

Was sind da schon ein paar tausend Bauern mit ihren angeberischen Treckern, ihren ewig gestrigen Forderungen und dem verkümmerten politischen Bewusstsein?

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Sonntag, 7. Januar 2024
Bauernproteste – die falsche Kuh gemolken
Wenn der Staat Steuern erhebt, werden diese nach unterschiedlichen Kriterien berechnet. Ein Kriterium scheint zu sein, Steuern da zu erheben, wo am meisten zu holen oder der geringste Widerstand zu erwarten ist. Eins dieser Kriterien scheint aktuell bei der KFZ-Steuer der Fall zu sein.

Zu den Privilegierten zählen bislang Bauern. Sie brauchen für ihre Landmaschinen keine KFZ-Steuern zu zahlen und tanken zudem steuerfrei Treibstoff. Nun plant die Regierung, diese Subventionen zu streichen. Eine mächtige Protestwelle der Bauern war die Folge.

Zu Hunderten reisten sie mit ihren Maschinen und Traktoren nach Berlin und in den Bundesländern zu Protestveranstaltungen an. Jetzt müsste man mal ausrechnen, wieviel steuerfreien Diesel die Bauern dafür verpulvern. So werden nicht nur die Arbeitsgeräte subventioniert, sondern auch der Protest. So schlecht scheint es den Bauern dann doch nicht zu gehen, wenn sie das leisten können.

Die Bundesregierung scheint das Widerstandspotential unterschätzt zu haben. Sie knickte schnell ein, halbierte die geplanten Subventionen und bewies damit, dass sie prinzipiell erpressbar ist. Dennoch wurden weitere Proteste angekündigt, denen sich Rechtsradikale inzwischen anschlossen.

Bei all dem ist zu fragen, ob der ganze Aufwand sich lohnt. Kann der Bundeshaushalt so gerettet werden? Gäbe es nicht wirklich effektivere Mittel? Warum werden teure Dienstwagen und deren Betrieb nicht subventioniert? Dort hat man wohl eher mit Widerstand gerechnet, obwohl damit sehr viel mehr Geld ins Staatssäckel geflossen wäre.

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Dienstag, 2. Januar 2024
Zick-Zack-Söder
Söder warnt in der „Kanzlerfrage“ vor einer verfrühten Diskussion. Damit macht er genau das, wovor er unmittelbar vorher gewarnt hat. Das scheint sein hervorstechendes Charaktermerkmal zu sein: innerhalb von Sekunden zwei sich widersprechende Aussagen machen, je nach Großwetterlage und Tagesform.

Mit der Taktik - wenn man davon reden kann - hat er vor zwei Jahren seinen Kokurrenten um die Kanzlerkandidatur, Armin Laschet, aus dem Feld geschlagen und die Wahl vergeigt.

Vor der Landtagswahl in Bayern im Herbst tönte Söder vollmundig „mein Platz ist in Bayern“ und wies Spekulationen über seine Absicht zurück, die Kandidatur als Kanzler anzustreben. Kaum ist er als Ministerpräsident in Bayern gewählt, meldete er, die K-Frage müsse zwischen ihm und CDU-Chef Merz geklärt werden. Großzügig übersieht er die Tatsache, dass es weitere mögliche Kandidaten in der CDU gibt - Hendrik Wüst (NRW) und Daniel Günther (SH).

Angesichts des Wahlergebnisses (37%) kann man Söder Größenwahnsinn unterstellen. Auf den Bund hochgerechnet wären das ~ 5%, womit der Einzug der CSU in den Bundestag stark gefährdet wäre.

Da Söder das Wechselspiel immer neuer Ansagen nicht auf Dauer fortsetzen kann, plädiert er für „eine Neuwahl so schnell wie möglich“. Er darf den Bogen auch nicht überspannen.

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Donnerstag, 21. Dezember 2023
Gleiches Recht für alle!
Bauern haben in den letzen Tagen bundesweit und wiederholt den Straßenverkehr erheblich behindert.

Wenn die Gerichte dem Vorbild der bayrischen Justiz in Sachen „Letzte Generation“ folgen, wird das für die Bauern teuer. Da muss nur eineR den ersten Stein werfen.

Es sei denn, der Letzten Generation wird die 3/4 Million erlassen. Wäre die bessere Lösung.

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Mittwoch, 20. Dezember 2023
Bayern lehnt Grundgesetz ab!
Das ist schon lustig: zum 75. Jahrestag des Verfassungskonvents auf der bayrischen Insel Herrenchiemsee präsentierte im August der bayrische MP Söder zusammen mit dem Bundespräsidenten nebst Begleitung Bayern als Wiege der Verfassung. Tatsächlich hatte sich der Konvent quasi ins Konklave zurückgezogen, um äußere Einflüsse abzuwenden.

Das komische an Söders Machtdemonstration liegt darin: Bayern hat dem Grundgesetz nie zugestimmt. Die Abstimmung im bayrischen Landtag am 20. Mai 1949 ergab 64 Jastimmen und 101 Neinstimmen. Damit war das GG für Bayern abgelehnt. Diese Entscheidung wurde nie revidiert. (s. taz 20.12.23)

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Und sie bewegt sich doch, ganz wenig
Das Weihnachtswunder kam jetzt aus Rom: Der Papst genehmigt die Segnung homosexueller Paare. Aber Gemach - auch nur mit Einschränkungen: nicht als Sakrament und nicht im Rahmen von Gottesdienst. Ist also ein Segen zweiter Güte.

Man kann sich wundern, dass Schwule und Lesben sich darauf einlassen. Wie kann man überhaupt in einem Verein bleiben, der gestern Homos noch offiziell und ex cathedra verfolgte, es sei denn es wären Geistliche. Und munter mit einer eigenen Justiz. Die werden nicht einmal verfolgt, wenn sie Kinder und Abhängige missbrauchen. Motto: Trennung von Kirche und Staat? Nicht mit dem Papst und der allein selig machenden Kirche.

Könnte es sein, dass, wer sich segnen lässt, auf eine Art Rückversicherung hofft? Es könnte ja vielleicht doch was dran sein an den Höllenstrafen.

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