Samstag, 29. Februar 2020
Eine Reise durch das Land der Gegensätze: Marocco 2012 (8)
Die Nacht kann lang werden, wenn man schon um ½ 3 Uhr aufwacht und nicht mehr einschläft. Beim Aufstehen Überraschung: es regnet, nicht doll, aber im Laufe des Tages bis Mittag immer mal wieder tröpfchenweise oder heftiger.

Nach dem Frühstück muss ich Jussef sagen, wie hoch der Halb-Pensions-Preis ist und die Summe ausrechnen. Das andere Paar, das seit gestern im Haus war, erzählt, sie seien durch den Sandsturm im Süden festgehalten worden.

Wir fahren los, ich mit etwas mulmigem Gefühl wegen des Rumpel-Geräuschs. Es wird aber nicht schlimmer, also beschließen wir, nicht in Ouarzazate zum Verleiher zu fahren, sondern es darauf ankommen zu lassen. Bis Ouarzazate geht’s wieder wenig zügig wegen der vielen Ortschaften. Dort tanken wir, finden schnell die Ausfahrt nach Agdz und tauchen schnell in die wilde, kahle, schwarze Landschaft ein. Eine Kolonne von 4x4 will mit mir Rennen fahren.



Waghalsige Überholmanöver, eins nach dem anderen. Dann ein Unfall: zwei oder drei Fahrzeuge sind beteiligt. Genaues kann ich nicht sehen. Als wir im Stau stehen, fragt einer, ob er mitfahren darf nach Agdz. Die Leute am Unfallort murren schon lautstark, ich soll weiterfahren, also sage ich kurz entschlossen ja. Er erzählt uns etwas über die Landschaft, die Berber (er ist angeblich einer) usw. Beim kurzen Halt bewundern wir den Ausblick; der ist so fantastisch, dass man ihn eigentlich nicht fotografieren kann, zumal der Himmel grau bedeckt, also kein schönes Licht ist. Außerdem habe ich beim letzten Mal fotografiert.

Als wir in Agdz einfahren, lädt er uns wortreich zum Tee ein. Ich sage nein, er insistiert, ich sage nein. Am Abzweig nach Tiznith komplimentiere ich ihn hinaus. Wieder dieses völlig enttäuschte Gesicht. Wahrscheinlich wollte er gar nicht nach Agdz, sondern war nur ein Schlepper und jetzt muss er wieder zurück, ein neues Opfer zu suchen. Vielleicht wird er pro Opfer bezahlt? Gerhilds Theorie lautet, er könne enttäuscht sein, weil wir seine Einladung abgelehnt haben. Möglich, aber mir eher unwahrscheinlich.

Ein echtes Dilemma: nimmst du einen mit, kann’s ein Schlepper sein, oder er ist „harmlos“ wie vorgestern der Alte (nach Boumalne) oder der gestern in der Thodra-Schlucht. Die Chancen stehen wohl 50 : 50. Die Taktik der Schlepper ist übrigens immer dieselbe: zunächst einen unverbindlich ansprechen, dann durch Auskünfte im Gespräch eine persönliche Beziehung aufbauen, schließlich an das Ehrgefühl („die Gastfreundschaft eines Berbers abzulehnen ist unmoralisch“), oder an das Mitleid appellieren. Je aussichtsloser das Gespräch für sie wird, desto wortreicher werden sie.

Nach Agdz wird die Straße fast leer, schmal und streckenweise mit Schlaglöchern übersät. Macht aber nichts, denn die wilde Landschaft entschädigt uns reichlich. Einzelne wenige Winz-Ortschaften, völlig abgelegen in Oasen, die sich aus dem Wadi nähren. Auf halber Strecke kommen wir an einem Bergwerk vorbei, wo irgendwelche Mineralien, grün-türkis, abgebaut werden. Neben dem Werk elende Behausungen, wahrscheinlich für die Arbeiter, aber mit Familien, denn wir sehen zwei Mädchen, die uns irgendwas zurufen. Hinter dem Werk wird die Straße zunächst noch schlechter. Die Besiedlung bis Tazenakht ist noch dünner.

Der Ort ist ein Wildwestort des 20. Jahrhunderts, aber in der Art von „Dead Man“, dem Jim-Jarmusch-Film von 1995, nur der Schlamm ist hier Staub. Wir essen etwas und begucken das Treiben um uns. Schwere LKW, Mopeds, klapprige Transits oder Pick-Ups, laute Männer, Frauen mit Bündeln von Grünzeug, Eselkarren, alles bunt. Ein Touri-Kleinbus hält so kurz, dass vier Insassen ihr bestelltes Essen wieder abbestellen müssen, dafür kommen drei zu spät. Schon 1976 in Tunesien habe ich als Pauschaltourist die Freaks im VW-Bus beneidet.

Dann fahren wir auf der N 10 zügig weiter. Beschließen – weil’s unterwegs nichts zu gucken gibt – durchzufahren bis Tiout, wo wir am Anfang der Reise waren. Bis auf eine kurze Strecke bei Taliouine – dort gibt es wieder Dramatisches – ist die Landschaft platt und die Straße gerade. Wir kommen zügig voran und sind um ¼ vor 6 Uhr dort. Mme. Marie staunt, ist aber erfreut, fragt kurz, wo wir waren.

Kurzes Ausruhen, Schwimmen im Pool, dies schreiben, jetzt warte ich aufs Abendessen. Das Wetter ist hier angenehm: leichte Briese, nicht zu warm, nur Federwolken am Himmel. Gerade erfahre ich: Mme. Marie hat keinen Wein mehr. Quel domage! Wie schade! Schließlich rückt sie eine angebrochene Flasche `raus: es ist unsere, die wir beim letzten Mal nicht ausgetrunken und vergessen haben mitzunehmen.

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Freitag, 28. Februar 2020
Musik in Marocco
Wie im Handel, der Sprache und ethnologisch ist die marokkanische Musik Ergebnis der Verbindungen nach Europa wie ins südsaharische Afrika. Klassische und moderne arabische Musik, andalusische Musik, Folklore der einzelnen Volksgruppen und die Musik südliche der Sahara sind heute präsent.
Letztere wurde nach Eroberungszügen der Araber nach Mali von Sklaven mitgebracht. Sie ist der malischen Musik infolgedessen sehr ähnlich, ebenso wie das Instrumentarium: langhalsige Lauten, Kastagnetten und Trommeln, Instrumente, die leicht zu transportieren sind. Jährlich findet in Essaouira ein Gnawa-Festival statt.
Auch die in Europa beliebte Weltmusik hat die marokkanische Musik entdeckt, so dass eine Art „Fusion-Music“ entstand. Die CD der deutschen Jazz-Rock-Gruppe Doldinger’s Passport „To Morocco“ ist dafür nur ein Beispiel.
Eine gegenwärtig unter Jugendlichen sehr populäre Musik ist der Rai, eine Art maghrebinischer Rap. Der europäische Einfluss ist unüberhörbar, aber durch orientalische Elemente angereichert. Vor allem die arabischen Texte drücken das Lebensgefühl vieler marokkanischer Jugendlichen aus.

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Eine Reise durch das Land der Gegensätze: Marocco 2012 (7)
Sehr wenig geschlafen. Morgens erhöhte Euphylong-Dosis wegen meiner Atemnot. Damit geht’s einigermaßen. Wir fahren in die Thodra-Schlucht. Landschaft zwischen Boumalne und Tinerir ist ganz anders: sehr weit und fast platt, ich vermute Schwemmland aus den Bergen von den beiden Flüssen abgetragen und hier abgelagert. Einmal nehmen wir einen Alten in Djelabba und Käppi mit, will wohl zum Markt.

Die Palmeraie hinter Tinerir ist für mich überraschend grün, na ja wie alles diesmal. Vor einem Haus hocken zehn bis zwölf Frauen um eine Schüssel und löffeln Couscous. Wir fahren durch bis zu den Hotels, stellen das Auto ab. Wenige Händler. Einer verspricht, aufs Auto aufzupassen, ich rechne damit, dass er hinterher Bakschisch haben will – ist aber nicht!
Wir gehen weiter durch die Schlucht und den Berg hoch. Wetter ist wunderbar: knallblauer Himmel, kaum Wind, aber immer noch kühl, wo die Sonne nicht hinkommt. Hinter der Schlucht wird’s kahl, nur im Flussbett einzelne Palmen und Sträucher. Die Straße schlängelt sich scheinbar unabsehbar hoch ins Gebirge.



Nach etwa einer Stunde kehren wir um, trinken noch etwas im Café, beobachten die Pauschal-Reisebusse bzw. ihre Insassen, die Leute im Café und am Stand gegenüber. Einer spricht uns an: woher? Erklärt, dass der Ruf des Muezzin aus dem Radio kommt, aber live!

Sehr viele Bockfahrer unterwegs aus verschiedenen Ländern, fahren überwiegend große BMW-GS.
Als wir losfahren, fragt uns der aus dem Café, ob er mitfahren darf. Ja, lachend, wenn er nichts verkaufen will. Gerhild gibt’s ernsthaft weiter, tut ihr hinterher Leid. Er fährt mit bis ins nächste Dorf, bedankt sich freundlich. Naja!

Auf der Rückfahrt fällt mir am Auto ein ziemlich laut dröhnendes Geräusch auf, wie ein defektes Lager. An Reifen und Lenkung kann ich nichts feststellen. Wenn das man gut geht!

Wir essen zusammen ein Omelette Berbère, ein Berber-Omelette, dann etwas lesen und schreiben. Gerhild führt mich in die geordnete Wildnis im Flussbett. Wir balancieren auf den kleinen Wällen zwischen den Feldern – oder besser Beeten? -, mit denen die Bewässerung reguliert wird. Getreide, Wildrosen, Schilf, Mandel- und Feigenbäume, alles über- und untereinander. Fieges Nutzvorgarten in Kiel scheint das Vorbild gegeben zu haben. Dazwischen sind Frauen emsig und schneiden Viehfutter oder Schilfrohr. Die Balanciererei in gebückter Haltung strengt mich sehr an, und ich schlage vor umzukehren.

Im Souterrain des Hotels probt der Frauengesangverein (Gerhild vermutet etwas Religiöses): eine Vorsängerin stimmt an, und der Chor verfällt in einen ziemlich eintönigen Singsang. Später kommen sie heraus, entdecken uns auf der Terrasse: „Bon jour, ça va? Quel est votre nom?“ Gekicher! Alte und Junge zerstreuen sich mit ihren Mappen unterm Arm in unterschiedliche Richtungen. Wir lesen eine Runde bis zum Abendessen.

Vorm Haus ein Kleiner: „Bonbon? Dirham? – Non.“ Später kommt er mit zwei Halbwüchsigen zurück, die € in Diham umtauschen wollen. Ich willige ein, und sie sind sogar sofort mit meinem Wechselkurs einverstanden. Eben kommen zwei Knirpse: „Stylo? – Non.“ Gelegentlich, wenn Kinder um Bonbon bitten, opfert Gerhild eins ihrer saugesunden Kaugummis.

Mir fällt noch mal der Junge von gestern ein, den wir mitgenommen haben, obwohl er nur Geld wollte. Als wir den geforderten siebenten DH nicht hatten, grenzenlose Enttäuschung im Gesicht, dabei hatte er sechs Dirham bekommen. Wie kommt das nur?

Auch der Mitschnacker in Mulai Brahim hatte am Ende diese enttäuschte Miene, statt zu sagen: „OK, ist nicht die Taube, aber immerhin der Spatz.“ Der Grund liegt womöglich in einer tief sitzenden Resignation, die aus der Armut und der ausweglosen Lage ohne Hoffnung resultiert, eine jahrhundertelange Erfahrung. Camus beschreibt das ähnlich in „Der erste Mensch“. Die Enttäuschung kommt wohl aus der Verzweiflung. Das ist auch das, was ich Gregor zu vermitteln versuchte, als er damals in Marrakesch den bettelnden armen Irren verhöhnte. Wir verwöhnten, reichen Europäer – und in den Augen der Afrikaner sind wir alle reich – können diese Verzweiflung wohl gar nicht nachvollziehen. Aber etwas Empathie sollten wir aufbringen können.

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Donnerstag, 27. Februar 2020
Eine Reise durch das Land der Gegensätze: Marocco 2012 (6)
Es hat die ganze Nacht gestürmt. Wir fahren Richtung Ouarzazate, sehen die dortigen, weltberühmten Filmstudios, biegen ab zur Kasbah Tiffoultoute. Gegen 20 Dirham Eintritt betreten wir den sorgfältig renovierten Bau. Schönes Atrium und Salons, traditionell eingerichtet mit flachen Tischen, Sitzkissen, Teppichen. Dort serviert uns ein freundlicher Alter Pfefferminztee und süßes Gebäck. Vorher erklimmen wir die Dachterrasse, wo uns der Sturm fast umweht. Der Storch auf dem höchsten Turm steht fast unbewegt, aber die Asiaten einer Reisegruppe halten sich krampfhaft die Mützen fest. Der weite schöne Rundblick entschädigt uns.



Weiterfahrt. In Ouarzazate – riesige Kasernenanlagen – finden wir mangels Ausschilderung erst nach mehrfachem Fragen den richtigen Ausschlupf nach Skoura. Dann: rechts der Stausee und der Oued Drâa, links weiter weg der Atlas, teils in Wolken, teils noch mit Schnee. Nach Skoura geht’s langsam voran: eine Kette kleiner Orte mit viel Gewimmel – zumeist Mini-Läden und Werkstätten, dann Andenkenläden, schließlich Rosenwasser.
Unterwegs ein kleiner Junge hält uns an. Wir nehmen ihn ein Stück mit, bis er aussteigen will. Da bittet er uns um Geld, wollte wohl eigentlich gar nicht mitfahren, sondern nur betteln.
In Boumalne de Dadès links ab zur Schlucht. Wir fahren an allen Kasbahs vorbei und finden schließlich die Auberge des doigts de singe und den Wirt Jussef, der uns von Alice empfohlen worden war. Doigts de singe heißt Affenfinger; die Felsen am gegenüberliegenden Hang sollen an Affen-Finger bzw. -Pfoten erinnern. Gerhild erklärt, wer wir sind: große Freude! Wir ruhen uns aus, essen eine total sättigende „Kleinigkeit“ an Salat, Omelette Berbère und Obst.
Nachher fahren wir durch die ganze Schlucht, weiter als vor zwei Jahren. Im Tal ist es total grün: ordentlich angelegte Getreide- und Gemüsefelder, Obstplantagen in sattem Grün. Im heftigen Kontrast die kahleren Bundsandsteinabhänge und weiter oben grauen Felsen. Ganz oben herrlicher Blick. Gerhild kauft von einem Jungen einen Ammoniten für 1 Dirham. Die Straße ist noch nicht zu Ende, wir kehren aber um, weil es zu spät wird. Unterwegs wieder zwei Jungen mitgenommen, sehr höflich. Gerhild macht noch einen Spaziergang im Flusstal, ich ruhe mich wegen Luftproblemen aus. Jussef bekocht uns abends. Wir essen drinnen, weil der Wind nicht nur stark, sondern kalt ist.

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Mittwoch, 26. Februar 2020
Marokko ist eine konstitutionelle Monarchie.
Seit 1999 herrscht König Mohammed VI. Die Stellung des Königs ist zentral. Premierminister und der Ministerrat, das Kabinett, werden vom Parlament gewählt, müssen aber vom König bestätigt werden, was kein nur formaler Akt ist. Der König hat im Ministerrat den Vorsitz und kann einzelne Minister entlassen oder das Kabinett auflösen. Er ist zugleich oberster Religionshüter. Der Islam ist Staatsreligion, der nominell 98% der Bevölkerung angehören. Es gibt drei Tabu-Themen in Marokko: Erstens die unangefochtene und unanfechtbare Stellung des Königs, zweitens die Religion und drittens der Anspruch Marokkos auf die Westsahara. Diese ehemalige spanische Kolonie wurde 1975 handstreichartig auf Befehl von Hassan II. von marokkanischen Truppen besetzt. Der König kam damit einem von der UNO geforderten Referendum zuvor. Heute wird das Gebiet als Teil Marokkos beansprucht.

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Eine Reise durch das Land der Gegensätze: Marocco 2012 (5)
An die Muezzine um ½ 6 Uhr habe ich mich jetzt so gewöhnt, dass ich wieder einschlafen kann. Frühstück im Hof statt auf der Terrasse, „à l’ombrage“ – im Schatten -, wie der Wirt sagt, aber die Sonne scheint gar nicht, sondern es ist wieder dunstig. Gerhild vergleicht die Nebelschwaden in den Bergen mit Las Palmas. Wir packen und brechen auf. Der Wirt verabschiedet uns wortreich und freundlich. Bei Tahanaout biegen wir nicht rechtzeitig ab, weil Straßennummern auf der Karte nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Wir fahren zu weit und müssen wieder umkehren.

Der Boden scheint sehr fruchtbar zu sein – roter Lehm und wo Wasser ist, grünt und blüht es. Viele Getreidefelder, die Halme sind nur kniehoch. Aber so habe ich Marokko noch nicht erlebt.
Einmal steht ein Esel mitten auf der Fahrbahn. Ich halte, fürchte, ihn in den Gegenverkehr zu treiben, wenn ich ausweiche. Er schaut uns starr an. Endlich bewegt er sich zum linken Fahrbahnrand, da sehen wir, dass er auf beiden Hinterbeinen lahmt, sie quasi nachzieht, daher fast unbeweglich ist. Sein sehr ungepflegtes Fell, seine Magerkeit sprechen dafür, dass er ausgesetzt ist. Ich denke an den Bremer Esel.
Die Behandlung der Tiere ist schlimm. Gestern auf dem Weg zur Kasbah Tougbalt schleppte eine Frau ein Riesenbündel Grünzeug den Berg hoch, hatte zwei kleine Kinder dabei und trieb eine völlig verängstigte Kuh – verängstigt auch, weil ich sie überholen wollte – mit Sichelhieben vor sich her. Wer ist schlechter dran: die Kuh, die Frau oder die Kinder?

Wir fahren zum Tizi `n Tichka, dem Tichka-Pass, hoch, machen zweimal Halt: tolle Ausblicke auf die Berge und in die satt grünen Täler. Am Straßenrand überall Händler mit Ketten und Mineralien. Wer kauft das Zeug je? Einmal nehmen wir wieder einen kleinen Schuljungen mit. An anderer Stelle steht ein Auto mit offener Motorhaube, der Fahrer gestikuliert. Nee, den Trick kenne ich. Ein einheimisches Auto hält auch nicht. „Und wenn’s wirklich ein Problem gibt?“ fragt Gerhild. Dann sollen andere sich kümmern. You don’t get me twice! Auf der Südseite des Passes ändert sich das Wetter, kein Dunst, keine Wolken. Alles sehr viel trockener.



Einer von den uniformierten Wichtigtuern hält uns an, fragt nach meiner Nationalität. „Allemagne. – Haben Sie dort eine ökonomische Krise? – Ich: Ein bisschen. – Er: Angelika (sic!) Merkel hat gut gearbeitet? – Ich: Sie nicht, aber die anderen.“ Dann winkt er uns durch.

Auf den Straßen immer wieder streunende Hunde, einzeln oder zu zweit trotten sie von einem Ort zum anderen. Bei einer Rast laufen zwei an uns vorbei. Später kommt der größere allein zurück. Wir wundern uns. Bei der Weiterfahrt sehe ich auf der Fahrbahn eine platt gefahrene Kreatur. Ist das der andere? Ist allerdings schon ziemlich trocken.

Wir biegen ab zur Kasbah Aït Ben Haddou, also der Burg der Sippe von Ben Haddou, lassen das Auto stehen, queren den Oued oder Wadi, also Trockenfluss. Die Kasbah beherrscht imposant das Tal, sehr hoch, sehr groß, eine richtige kleine Stadt. Wirklich gut restauriert (Weltkulturerbe), mit einigen Macken. Wir streunen durch`s Gemäuer, klettern bis nach oben, wo uns der Sturm fast wegpustet. Ein „Berber“ erklärt uns seine einseitige Geige („Ar Rife“ genannt), lässt sich fotografieren, bekommt sein Bakschisch, ein Geldgeschenk, quasi seine Gage. Später bitter er uns, seine Euros in Dirham umzutauschen.



Im Ort suchen und finden wir ein passables Hotel. Ausruhen, planen für morgen, Wasser und Zahnpasta kaufen. Dann Abendessen: Menü mit Riesenportionen. Gerhild bekommt ihr Couscous, ein Hirsegericht mit verschiedenem Gemüse mit oder ohne Fleisch bzw. Fisch und gewürzter Soße. Ich kriege meine Tagine Kebab nur gerade auf, in diesem Fall Fleischklößchen in einer sehr leckeren Soße, dazu Salat bzw. Suppe vorweg, danach Obst; würde woanders für `ne ganze Familie reichen. In arabischen Ländern gilt es als Gastfreundschaft, so reichlich anzubieten, dass eigentlich immer etwas übrig bleibt.

Kurzer Gang die Straße hoch: ein richtig kalter Sturm mit Wolken von Sand verdirbt das Vergnügen. Zurück im Hotel stelle ich fest: habe den Kopf voller feinem Staub. Bald zu Bett.

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Dienstag, 25. Februar 2020
Faschmeldung: "Fremdenhass"
Der Weser-Kurier vom 22.02.20 titelt "Mahnwachen gegen Fremdenhass".

Zehn Personen wurden in Hanau erschossen, von einem Täter mit rechtsextremen Motiven. Festzuhalten ist, dass alle zehn Deutsche waren. Es ist völlig unangemessen, in diesem Fall von Fremdenhass zu reden. Das Motiv ist Menschenhass!

Selbst wenn die Personen, die die Mahnwache organisierten, von Fremdenhass als Motiv ausgegangen sind, hätte der Begriff wenigstens in Anführungsstrichen gesetzt werden müssen. Wann verstehen Politiker, die Medien und ihre Macher, dass Deutschland seit mehr als einem halben Jahrhundert ein Einwanderungsland ist und dass alle Menschen, die hier leben und die deutsche Staatsbürgerschaft haben, Deutsche und keine Fremden sind? Auch wenn sie keinen deutsch klingenden Namen haben.

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Eine Reise durch das Land der Gegensätze:Marocco 2012 (4)
Wir haben uns entschlossen eine Nacht zu verlängern und einen Wandertag einzulegen. Nach dem Frühstück – süßes Fettgebäck, Berberbrot und thé à la menthe – fahren wir nach Imlil und weiter Richtung Tamaest-Pass, lassen den Wagen irgendwo stehen und gehen auf der (neuen?) Straße zum Pass hoch. Ich puste wegen meiner chronischen Bronchitis ziemlich, bin’s nicht mehr gewohnt und wir sind auch ziemlich hoch. Unterwegs und oben herrliche Aussicht, zunächst auf den Djebel Toubkal, das ist mit 4.167 m der höchste Berg Marokkos, dann ins Tal. Ein Schäfer mit zwei Bubis treibt seine Herde über den Hang, dann kehren die Bubis um, und Schafe und Schäfer verschwinden.
So grün habe ich Marokko nicht erlebt und so bunt. Alle Bäume in sattem Frühlingsgrün, knallgelber Ginster, kleine Windenart mit blauen Blüten und viele andere Blumen, aber alle klein. Oben machen wir Rast.



Gerhild hat sich über das Straße-Laufen beschwert, also schlage ich vor, den Eselspfad zurück zu nehmen. Leider hat sie die falschen Schuhe an, aber es geht. Viele auffällig farbige Felsen: blau, türkis, rot …. Auf dem Pfad ist man doch dichter dran an Geografie und Biologie. Unterwegs kreuzen wir immer wieder die Straße, schließlich gehen wir den Rest des Weges darauf, um das Auto nicht zu verpassen – und prompt stolpere ich und falle auf die „Schnauze“, ist aber nichts passiert. Zeitgleich poltert ein großer Stein zu Tal, als gäbe es einen ursächlichen Zusammenhang wie bei der Chaos-Theorie.

Wir fahren runter nach Imlil, stellen den Wagen ab und gehen `rauf zur Kasbah. Unterwegs Händler mit Souvenirs, Eseltreiber bieten ihren Dienst an. Oben wirklich schöner Ausblick auf den Toubkal und die anderen Berge, die noch Gletscherzungen lecken lassen. Beim Abstieg begegnen uns drei winzige Zicklein, zwei tollen herum, meckern, eins meckert nur und folgt mir wie ein kleiner Hund. Ich fürchte schon, ich werde es nicht mehr los, schiebe es mehrfach in die entgegen gesetzte Richtung. Endlich bleibt es zurück. Zurück zum Auto.

Uns fehlt noch Mulay Brahim. Kaum steht das Auto, ist auch der erste Mitschnacker zur Stelle. Wir lassen ihn stehen, gehen ins erstbeste Restaurant, er hinterher und nimmt die Bestellung auf. Langsam vermuten wir, es sei der Wirt oder so was. Er setzt sich zu uns, konversiert etwas, bietet einen Stadtbummel an. Wir lassen uns darauf ein. Er zeigt uns die Moschee, erklärt etwas zur Bedeutung, führt uns durch den Basar. Weil er bei uns ist, lassen die Händler uns in Ruhe. Auf den Treppenstufen des Basars hocken Gruppen von Frauen, die die Henna-Zeremonie praktizieren. Mit der rotbraunen, tintenähnlichen Flüssigkeiten dekorieren sich Frauen arabesk Hände und Füße.



Mit einem Mal zieht unser Mitschnacker ein Bündel Ketten, alles Talmi, aus seiner Djelabba, dem weiten, fußlangen Mantel mit Kapuze, und preist sie an. Ich hatte ihm schon vorher erklärt, dass ich nichts kaufe, wiederhole es, er bleibt hartnäckig. Am Auto drücke ich ihm 20 DH mit Dank in die Hand. Ihm ist’s zu wenig, ich zeige ihm mein Kleingeld, er nimmt’s (3 oder 4 DH). Am Schluss sind alle unzufrieden: er, weil er kein besseres Geschäft gemacht hat, wir, weil’s wieder wie immer gelaufen ist, schlechtes Gewissen wegen seiner Armut. Aber ich kann nicht dauernd Sachen kaufen, die niemand haben will.

Zurück zur Villa d’Atlas, unsere Auberge, dies geschrieben. Planung für morgen. Zwischen den Obstbäumen huschen bunt gekleidete Frauen umher, die man mehr hört als sieht. Sie sind wohl mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigt, zwitschern wie die Schwalben und schwatzen. Meist quakt ein Kind, gestern stundenlang, und eine Frau versucht es durch lautes Schimpfen zu beruhigen, natürlich vergeblich.
Wetter: angenehme Temperatur, gelegentlich eine leichte Brise, aber sehr dunstig, so dass man den Tougbal meist nur ahnen kann, wenn überhaupt. Camus „Der erster Mensch“ zu Ende gelesen.

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Donnerstag, 13. Februar 2020
Eine Reise durch das Land der Gegensätze:Marocco 2012 (3)
Wir brechen relativ zeitig auf, tanken, holen Geld und fahren Richtung Tizi’n Test, den Tizi-Pass. Die Fahrt ist wieder atemberaubend. Vor allem sind alle Bäume grün, Büsche und Kakteen haben bunte Blüten. Im Frühjahr und in größerer Höhe ist Marokko am schönsten. Nach oben wird es zunehmend kühler und angenehmer. Die Straße ist in keinem guten Zustand, und die einheimischen Fahrer sind meistens sehr rücksichtslos, denken nicht daran auszuweichen.

Wir kehren wieder beim selben „Café“ wie vor zwei Jahren ein. Der sehr freundliche Wirt bringt uns Tee, fotografiert uns, nachdem ich ihn im Gespräch mit Gerhild fotografiert habe. Ich mache auch ein paar Aufnahmen von Blumen, Töpfen usw. Ich erzähle ihm, dass ich schon mal vor zwei Jahren bei ihm war, worauf er mich noch einmal mit Handschlag und erfreut begrüßt. Ich soll wiederkommen. Inschallah (so Gott will)!.



Weiter. Unterwegs halten wir immer wieder an, gucken, fotografieren. Das Restaurant am Pass hat sich vergrößert, ist schicker und hat dadurch an Charme verloren. Gerhild möchte auch keine Berber-Omelette, also fahren wir weiter.

An der Tin Mal Moschee waschen Frauen im Fluss und breiten die Wäsche zum Trocknen auf Boden und Büsche. An der Moschee ist gerade eine amerikanische Reisegruppe angekommen, also können wir auch `rein. Ein Junge am Eingang erklärt uns, dass es 20 Dirham (= 2 €) Eintritt kostet. Ist das vielleicht der Sohn des Mannes, der uns damals führte, den wir vorher im Auto mitgenommen hatten? Das Alter könnte stimmen. Diesmal macht die Besichtigung mehr Spaß ohne den Führer, der mir damals noch die Fotopositionen vorschrieb und ziemlich hetzte. Die Ami-Gruppe wird mit ausführlichen architektonischen Details traktiert.

Auf dem Rückweg zur Straße habe ich noch von oben die gewaschene Wäsche fotografiert und Kakteen. Mit Feuerholz und Viehfutter bepackte Frauen mühen sich den Berg `rauf. Und wir gurken hier zu unserem Vergnügen `rum. Nur: wenn wir’s nicht täten, hätten sie auch nichts davon.



Ach so: gestern hätte ich beinahe eine Ziege erwischt. Nur eine harte Notbremsung mit qualmenden Reifen rettete ihr Leben und Gesundheit. Heute war’s ein Hund.

Bergab nach Asni. Die bewaldeten Hänge sind grün. Der Stausee ist voll von türkisgrünem Wasser. In Asni finde ich den Einschlupf zu unserer Auberge zunächst nicht. Wir fahren bis zum Ortsende und darüber hinaus, kehren um, machen kurz Halt am Fluss. Ein Esel wird von zwei weißen Kuhreihern umsorgt. Männer im Flussbett buddeln Schwemmsand aus, als Düngemittel oder Baustoff.

Wir fahren zurück zum oberen Ortsende, finden die Straße und die Auberge. Der freundliche Wirt empfängt uns, Zimmer verfügbar, ebenso das Abendessen. Er zeigt uns stolz seinen Riesen–Obstgarten, eher eine Plantage und zählt alle Sorten auf. Wir duschen, relaxen, lesen, machen einen kurzen Gang durchs Dorf. Dann Abendessen: Tajine mit Huhn, diverse pürierte Gemüsesorten, köstlich gewürzt. Zum Nachtisch Wassermelone: aha, so können die schmecken. Katzen werden mit Hühnerknochen gefüttert. Dann noch auf der Terrasse gesessen. Moscheen mit obligaten Muezzins gibt’s ringsum ebenfalls, und der Hausherr kniet im Hof und betet.

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Mittwoch, 12. Februar 2020
Eine Reise durch das Land der Gegensätze: Marocco 2012 (2)
Nach dem Frühstück fahren wir in den Anti-Atlas. Dort möchte ich eine mehr oder minder große Rundfahrt machen. Wir brauchen aber schon für die Hinfahrt – schlechte Straßen, schlechte Ausschilderung, Umwege, Entfernung - so lange, dass wir in Tafraout beschließen nicht weiterzufahren. Immerhin ist die Strecke ab Aït Baba landschaftlich reizvoll: Arganbäume mit Ziegen, tiefe Schlucht, wir fahren oben und genießen wundervolle Ausblicke.



Rast und Imbiss in Tafraoute, kurzer Bummel, die Stadt ist ausdruckslos wie fast alle hier. Ein Junge spricht uns deutsch auf meinen Reiseführer an, behauptet, die Autorinnen zu kennen und – lädt uns in seinen Souvenirshop ein. Wir danken und kehren um. Die Rückfahrt ist wieder sehr weit, geht aber durch tolle Landschaft. Wir einigen uns, dass dieser Ausflug nicht so gelungen war wie erwartet. Es wäre besser gewesen, in Tafraoute Quartier zu nehmen und von dort Ausflüge zu machen. Naja, nächstes Mal?
In Tiout werden wir nacheinander von zwei Männern – erst französisch, dann deutsch – sehr höflich angesprochen, ob sie uns die Palmeraie zeigen dürfen, ein Palmenhain mit anderen Obstbäumen und Gemüsebeeten, fast paradiesisch. Als wir ablehnen – wir sind ziemlich erschöpft – ziehen sie sich ohne weiteres zurück. Erfrischung im Schwimmbad, Abendessen. Früh zu Bett. Diesmal schlafe ich mit Oropax durch.

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Dienstag, 11. Februar 2020
Muezzins
sind Geistliche, die fünfmal täglich, davon dreimal in der Nacht, zum Gebet rufen, meist nicht sehr wohltönend und durch miserable Lautsprecher verstärkt. Der Ruf beginnt mit Allah u akbar (=Gott ist groß), das ständig wiederholt wird.

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Eine Reise durch das Land der Gegensätze:Marocco 2012 (1)
Im Mai 2012 machte ich meine dritte Reise nach Marokko. Das erste Mal war ich 1965 dort. Mit dem VW-Käfer meines Freundes fuhren wir über Frankreich und Spanien bis Algeciras, setzten mit der Fähre über nach Ceuta. Von dort startete unsere ca. sechswöchige Reise zunächst entlang der Mittelmeerküste bis Oujda an der algerischen Grenze. Quer durch das Land reisten wir bis zu den Königsstädten Fès und Meknes und weiter über den Hohen Atlas nach Marrakesch. Die Rückreise verlief über Casablanca, Rabat, Tanger nach Spanien. Durch Frankreich und die Schweiz kehrten wir nach Deutschland zurück. Insgesamt legten wir 13.000 km zurück und waren zwei Monate unterwegs. An- und Abreise dauerten allein zwei Wochen.

Jahrzehnte später war unsere Nenn-Tochter Alice mit einem jungen Marokkaner, Younes, liiert. Alice und ihr Bruder Gregor sind in unserem Haus geboren und wir wohnten mit der ganzen Familie in einer Hausgemeinschaft. Das war 2009 ein Grund erneut nach Marokko, diesmal Südmarokko zu reisen. Jetzt, im Mai 2012, sollte die Hochzeit gefeiert werden. Zu diesem Anlass reisten wir zu sechst nach Essaouira, der Heimatstadt von Younes.


Essaouira Fischhafen

Meine Frau Gerhild und ich reisen allein an. In der Berliner S-Bahn greift uns eine Kontrolletta ab: Wir haben die Fahrkarte nur für den Stadtbereich gelöst. Arger!
Am Flughafen ein Labyrinth von Gängen durch Läden. Dass es ein Flughafen ist, merkt man nur an den Rollkoffern. Dann alles wie gewohnt bis zur Landung nach vier Stunden in Agadir. Wie anders wir heute im Gegensatz zu 1965 reisen!
In Agadir bläst ein Backofenwind. Es dauert endlos, bis wir das Mietauto bekommen, überraschend ein Dacia Logan. Zügig geht’s nach Tiout, das wir leicht finden. Dort hatten wir in einer Oase ein Zimmer bei der Wirtin Marie gebucht, die uns freundlich begrüßt. Duschen, auspacken soweit nötig, ausruhen, zum Abendbrot im Freien. Marie zeigt uns drei Mini-Schildkröten in einem großen Blumentopf und füttert sie mit Tomate. Außer uns noch ein französisches Paar mit Leih-Motorrad, boah, da werde ich neidisch. Es ist sehr warm, annähernd 40°. Die Betten quasi vorgewärmt, wir schlafen fast nackt ohne Zudecke. Nachts stören abwechselnd Muezzins verschiedener Moscheen zeitversetzt, Esel, Hundegebell, Hahnenschreie, wieder Muezzins. Ich schlafe fast nicht.

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Samstag, 8. Februar 2020
Woher kommt unser Strom?
Die Beteiligung der Bürger an der politischen Willensbildung ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Dieses Recht nehmen immer mehr Bürger für sich in Anspruch. Regierung und Parteien fühlen sich inzwischen in ihren Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt. Ja, sie planen sogar Gesetze, die die Bürgerbeteiligung einschränken sollen. Dagegen rührt sich nun umgekehrt Widerstand.

Wo liegen die Probleme? Ein Problem liegt darin, dass inzwischen fast immer PARTIKULARINTERESSEN gegen GESAMTGESELLSCHAFTLICHE Bedürfnisse stehen. Konkret: Soll ein Baum gefällt werden, um eine Straßenkurve übersichtlich zu machen und so die Verkehrssicherheit zu erhöhen: Anlieger bilden eine Bürgerinitiative (BI), das zu verhindern. Ein vergleichsweise marginaler Fall.

Dagegen die großen Probleme: In Bremen soll angesichts zu erwartenden höheren Wasserstände (Klimawandel!) ein Deich erhöht werden. Dazu muss eine lange Reihe von Bäumen gefällt werden - heftiger Protest der Anlieger. Die zuständige Fach-Behörde begründet die Notwendigkeit der Maßnahme. Die BI meint, ein alternatives, genauso gutes Konzept zu haben.

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Eine Stadtautobahn wird seit Jahren nicht weiter gebaut, weil erst einige Anwohner ihre Grundstücke für einen Tunnelbau nicht hergeben wollen, dann andere Bürger mit dem gleichen Argument den Verlauf des Neubaus kritisieren. Derweil quält sich der starke LKW-Verkehr von der rechten Flussseite, aus einem Hafen und einem Güterzentrum durch das Stadtzentrum und bewohntes Gebiet.



Unterstellt, dass die Planer das gesellschaftliche Gesamtinteresse verfolgen – flüssiger Verkehr, geringere Emissionen –, steht hier wieder das Partialinteresse einzelner Bewohner oder Bewohnergruppen in Opposition.

Ganz paradox wird es bei der Energiewende. Vor einigen Jahren war es Konsens, dass Energie nicht mehr aus fossilen Brennstoffen und Atomkraftwerken, sondern aus regenerativen Quellen gewonnen werden soll. Stichworte: Solar- und Windenergie.

Das ist gesamtgesellschaftlich fraglos richtig. Aber nun: regt sich auch Widerstand. Hier will eine BI keine Hochspannungsleitung über ihrem Dorf, dort will ein Bauer keine Erdleitung unter seinem Acker, ein anderer Ort wehrt sich gegen Windräder. Immer werden „Argumente“ – Elektrosmog, Hitze im Boden, Geräusche – gegen die Anlagen ins Feld geführt. Besonders auf dem Land ist der Widerstand gegen diese Neuerungen heftig.

Dabei fallen zwei Motivationen ins Auge: die traditionelle Landbevölkerung ist meist konservativ und wehrt sich gegen die Modernisierung bzw. Industrialisierung. Aber auch neu zugezogene Land-Bewohner sind dagegen. Sie sind doch gerade aus der Stadt aufs Land gezogen, weil sie „ihre Ruhe haben wollen“. Dafür nehmen sie weite Arbeitswege – meist mit dem Auto - in Kauf, „weil kein Bus fährt“, besuchen die stadtrandnahen Einkaufszentren, nehmen Schulen, Kliniken und andere Versorgungseinrichtungen in Anspruch, die leider auch nur mit dem Auto erreichbar sind. D. h. sie belasten zusätzlich die Stadtbevölkerung mit ihren Emissionen. Die Staus auf den Einfallstraßen, jeweils zur Rush-Hour, sind vorprogrammiert. Aber zuhause haben sie dafür ihre Ruhe: Also keine Windräder, keine Erd- oder Hochspannungsleitungen, natürlich auch weder fossile noch Atom-Kraftwerke. Ein alter Spruch aus den Kämpfen der 1970er Jahre gegen AKWs bekommt neue Aktualität: „Wieso Windräder? Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose!“
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Samstag, 1. Februar 2020
Eheanbahnungsinstitut Erdogan
Das neue Eherechtsgesetz der Türkei macht es möglich: Vergewaltige eine Minderjährige und schon hast du eine Braut!

Das Gesetz, das die Erdogan-Regierung auf den Weg gebracht hat, sieht vor, dass Vergewaltiger ihr Opfer heiraten können und damit straffrei bleiben. In der ganzen zivilisierten Welt wird Vergewaltigung von Frauen und besonders von Kindern und Jugendlichen bestraft, und zwar in der Regel mit mehrjährigen Gefängnisstrafen. Der Europa-Anwärter Türkei, der für seinen Aufnahmeantrag auch noch Geld bekommt, macht da ab sofort eine unrühmliche Ausnahme.

Der Täter wird dort nicht nur NICHT BESTRAFT, sondern das Opfer wird dazu verurteilt, den Vergewaltiger lebenslang an seiner Seite und in seinem Bett zu ertragen.

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Nicht nur internationale Frauenrechtsvereinigungen protestieren dagegen energisch. Es ist dringend erforderlich, dass die Regierungen der zivilen Staaten – nicht nur in Europa, sondern darüber hinaus – dagegen energisch protestieren und, falls möglich, Sanktionen gegen die Türkei beschließen.

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