Donnerstag, 18. Januar 2024
Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (2)
jf.bremen, 10:55h
2. Industrielle Hafenarbeit (1980)
Als ich zwanzig Jahre später nach einer längeren Unterbrechung wieder einen modernen Hafen sah, hatte sich alles verändert. Kaffeesäcke oder Baumwollballen kamen in Containern an. Der gesamte Container wurde mit einem Verladekran aus dem Laderaum gehievt, über die Pier zum Schuppen transportiert oder auf LKW oder Vancarrier geladen, die sie zum Stellplatz brachten. Die Kaffeesäcke lagen auf Paletten, die per Gabelstapler transportiert wurden. Lediglich kleinere Partien wurden per Hand zusammengestellt. Baumwolle musste im Schuppen zur Waage und zurück zum Lagerplatz mit der Sackkarre gefahren werden. Das waren die einzigen Handarbeiten. Alles andere war mechanisiert. Teile der Tally-Arbeiten - z.B. Verwaltung des Lagerplatzes, Ladelisten etc. - wurden per EDV erledigt. Zusammenarbeit wie in der vorindustriellen Phase gab es nicht mehr. Jeder Staplerfahrer, jeder Kranfahrer, der Lukenviez usw. arbeiteten sich gegenseitig zu, aber auch jeder für sich. Berührungspunkte waren allenfalls Anfang und Ende der jeweiligen Tätigkeit. Die Kommunikation z.B. zwischen Lukenviez und Kranfahrer lief per Funk. Kran- und Staplerfahrer waren speziell qualifiziert und ständig beschäftigt. Außerdem gab es das neue Berufsbild des Schiffsgüterkontrolleurs, der eine breite Qualifikation für alle im Hafen anfallenden Tätigkeiten vom Baumwollewiegen, über das Kran- und Staplerfahren bis zu den mehr verwaltenden Arbeiten des Tallymans hatte. Unständige Arbeiter gab es nur für wenige unqualifizierte Tätigkeiten wie Baumwolle-Wiegen, Säcke in kleinen Partien stapeln. Sie wurden meist über Zeitarbeit-Firmen geheuert. Die Arbeiter wurden nach ÖTV-Tarif bezahlt, allerdings gab es einen hohen Anteil an individueller Akkordarbeit. Der Akkord wurde wegen der hohen Produktivität der Arbeiter ständig erhöht. Z.B. stieg der Akkord für das Baumwollewiegen in zwei Jahren von 180 auf 220 Ballen pro Mann pro Schicht, weil die Arbeiter mit den 180 Ballen in kürzerer Zeit als eine Schicht fertig wurden, um früher Feierabend zu haben. In den 80er Jahren passierte im Bremer Containerhafen ein schwerer Unfall: ein Kran knickte um und fiel so unglücklich auf ein Schiff, dass die Fahrerkanzel genau auf einen Lukenrand traf und der Fahrer getötet wurde. Unglücksursache: Die Hiev war dreizehn Tonnen schwer, acht Tonnen waren für den Kran zugelassen. Mit solchen Hievs lässt sich in kürzerer Zeit mehr leisten, bis zur Grenze der Leistungskraft. Dies ist die industrielle Phase in der Hafenarbeit.
In der vorindustriellen Phase der Arbeit gibt es einen hohen Anteil direkter Kooperation und mangels technischer Kommunikationsmittel einen hohen Anteil direkter personeller Kommunikation. Die Qualifikation der Arbeiter hinsichtlich der Kooperation ergibt sich durch Alltagslernen. Wer etwas falsch macht, wird mit den Auswirkungen seines Fehlers hinsichtlich der Arbeit oder der Kollegen direkt konfrontiert; hierfür steht das Beispiel der Holzhiev: wegen des Schadens, den ich dem Kollegen zugefügt habe, drohte er mir Prügel an, d.h. ich merkte mir, dass ich so einen Fehler nie wieder machen durfte; wegen des Fehlers hinsichtlich der Arbeit zeigte derselbe Kollege mir, wie ich es richtig machen musste. Der Arbeitgeber, irgendein Vorgesetzter oder eine Berufsbildungsinstanz taucht in diesem System nicht einmal als Schatten auf. Extrafunktionale Qualifikationen (allgemeine Arbeitstugenden) in diesem System sind körperliche Kraft, Fleiß, Pünktlichkeit, Kooperation und direkte Kommunikation. Die Kontrolle über die Arbeitsleistung des einzelnen erfolgt durch die Gang (”der klotzt ran” gegen ”der macht uns den Akkord kaputt”). Interessanter Weise sind einige dieser Qualifikationen in der nachindustriellen Phase der Produktion wieder gefragt. So erfolgen Leistungskontrolle und -bewertung in modernen Industrie- und Dienstleistungsbetrieben eher nicht hinsichtlich der Einzelleistung, sondern eher über die Gruppenleistung.
In der industriellen Phase ist die Arbeit weitestgehend in Einzelschritte zerlegt, entsprechend die Spezialisierung der Arbeit vorangeschritten. Kooperation findet nur noch auf einer reduzierten Ebene der Arbeitsteilung statt . Die Spezialisierung der Arbeit erfordert spezifische Qualifikation entsprechend der jeweiligen Tätigkeit. Zwar kann die Qualifikation auch in anderen Arbeitsfeldern eingesetzt werden (der Kranfahrer kann auch auf einer Werft, der Staplerfahrer auch in einem Lagerhaus arbeiten), aber die spezifische Qualifikation kann in diesem Arbeitsbereich Hafen nur für eine Tätigkeit verwendet werden. Daneben gibt es eine umfassende Qualifikation des Schiffsgüterkontrolleurs, die er aber nur in diesem Arbeitsfeld Hafen verwenden kann. Allgemeine Arbeitstugenden (extrafunktionale Qualifikationen) in dieser Phase sind Schnelligkeit und Zuverlässigkeit ohne direkte Kontrolle. Indirekt wird die Arbeit über das Ergebnis im Nachhinein kontrolliert (Einzelakkord).
Die Zusammenarbeit der Arbeiter ist wegen der Zerteilung der Arbeit auf ein Minimum reduziert. Nur an den Übergabestellen z.B. vom Kran auf den Sattelschlepper oder vom Sattelschlepper auf den Vancarrier oder Stellplatz gibt es kurze Momente der Kommunikation. Im übrigen arbeitet jeder Mann für sich. Die Kommunikation erfolgt nur ausnahmsweise direkt personal, in der Regel verläuft sie indirekt über Funk. Die Ansprache erfolgt nicht über den Namen, sondern über die Funktion, z.B. Kranfahrer oder über eine Chiffre, z.B. K 14 für Kran Nr. 14. Die eingeschränkte direkte Kommunikation kann über längere Zeit und insbesondere in der Ausbildungsphase zu kommunikativer Dequalifizierung führen.
Als ich zwanzig Jahre später nach einer längeren Unterbrechung wieder einen modernen Hafen sah, hatte sich alles verändert. Kaffeesäcke oder Baumwollballen kamen in Containern an. Der gesamte Container wurde mit einem Verladekran aus dem Laderaum gehievt, über die Pier zum Schuppen transportiert oder auf LKW oder Vancarrier geladen, die sie zum Stellplatz brachten. Die Kaffeesäcke lagen auf Paletten, die per Gabelstapler transportiert wurden. Lediglich kleinere Partien wurden per Hand zusammengestellt. Baumwolle musste im Schuppen zur Waage und zurück zum Lagerplatz mit der Sackkarre gefahren werden. Das waren die einzigen Handarbeiten. Alles andere war mechanisiert. Teile der Tally-Arbeiten - z.B. Verwaltung des Lagerplatzes, Ladelisten etc. - wurden per EDV erledigt. Zusammenarbeit wie in der vorindustriellen Phase gab es nicht mehr. Jeder Staplerfahrer, jeder Kranfahrer, der Lukenviez usw. arbeiteten sich gegenseitig zu, aber auch jeder für sich. Berührungspunkte waren allenfalls Anfang und Ende der jeweiligen Tätigkeit. Die Kommunikation z.B. zwischen Lukenviez und Kranfahrer lief per Funk. Kran- und Staplerfahrer waren speziell qualifiziert und ständig beschäftigt. Außerdem gab es das neue Berufsbild des Schiffsgüterkontrolleurs, der eine breite Qualifikation für alle im Hafen anfallenden Tätigkeiten vom Baumwollewiegen, über das Kran- und Staplerfahren bis zu den mehr verwaltenden Arbeiten des Tallymans hatte. Unständige Arbeiter gab es nur für wenige unqualifizierte Tätigkeiten wie Baumwolle-Wiegen, Säcke in kleinen Partien stapeln. Sie wurden meist über Zeitarbeit-Firmen geheuert. Die Arbeiter wurden nach ÖTV-Tarif bezahlt, allerdings gab es einen hohen Anteil an individueller Akkordarbeit. Der Akkord wurde wegen der hohen Produktivität der Arbeiter ständig erhöht. Z.B. stieg der Akkord für das Baumwollewiegen in zwei Jahren von 180 auf 220 Ballen pro Mann pro Schicht, weil die Arbeiter mit den 180 Ballen in kürzerer Zeit als eine Schicht fertig wurden, um früher Feierabend zu haben. In den 80er Jahren passierte im Bremer Containerhafen ein schwerer Unfall: ein Kran knickte um und fiel so unglücklich auf ein Schiff, dass die Fahrerkanzel genau auf einen Lukenrand traf und der Fahrer getötet wurde. Unglücksursache: Die Hiev war dreizehn Tonnen schwer, acht Tonnen waren für den Kran zugelassen. Mit solchen Hievs lässt sich in kürzerer Zeit mehr leisten, bis zur Grenze der Leistungskraft. Dies ist die industrielle Phase in der Hafenarbeit.
In der vorindustriellen Phase der Arbeit gibt es einen hohen Anteil direkter Kooperation und mangels technischer Kommunikationsmittel einen hohen Anteil direkter personeller Kommunikation. Die Qualifikation der Arbeiter hinsichtlich der Kooperation ergibt sich durch Alltagslernen. Wer etwas falsch macht, wird mit den Auswirkungen seines Fehlers hinsichtlich der Arbeit oder der Kollegen direkt konfrontiert; hierfür steht das Beispiel der Holzhiev: wegen des Schadens, den ich dem Kollegen zugefügt habe, drohte er mir Prügel an, d.h. ich merkte mir, dass ich so einen Fehler nie wieder machen durfte; wegen des Fehlers hinsichtlich der Arbeit zeigte derselbe Kollege mir, wie ich es richtig machen musste. Der Arbeitgeber, irgendein Vorgesetzter oder eine Berufsbildungsinstanz taucht in diesem System nicht einmal als Schatten auf. Extrafunktionale Qualifikationen (allgemeine Arbeitstugenden) in diesem System sind körperliche Kraft, Fleiß, Pünktlichkeit, Kooperation und direkte Kommunikation. Die Kontrolle über die Arbeitsleistung des einzelnen erfolgt durch die Gang (”der klotzt ran” gegen ”der macht uns den Akkord kaputt”). Interessanter Weise sind einige dieser Qualifikationen in der nachindustriellen Phase der Produktion wieder gefragt. So erfolgen Leistungskontrolle und -bewertung in modernen Industrie- und Dienstleistungsbetrieben eher nicht hinsichtlich der Einzelleistung, sondern eher über die Gruppenleistung.
In der industriellen Phase ist die Arbeit weitestgehend in Einzelschritte zerlegt, entsprechend die Spezialisierung der Arbeit vorangeschritten. Kooperation findet nur noch auf einer reduzierten Ebene der Arbeitsteilung statt . Die Spezialisierung der Arbeit erfordert spezifische Qualifikation entsprechend der jeweiligen Tätigkeit. Zwar kann die Qualifikation auch in anderen Arbeitsfeldern eingesetzt werden (der Kranfahrer kann auch auf einer Werft, der Staplerfahrer auch in einem Lagerhaus arbeiten), aber die spezifische Qualifikation kann in diesem Arbeitsbereich Hafen nur für eine Tätigkeit verwendet werden. Daneben gibt es eine umfassende Qualifikation des Schiffsgüterkontrolleurs, die er aber nur in diesem Arbeitsfeld Hafen verwenden kann. Allgemeine Arbeitstugenden (extrafunktionale Qualifikationen) in dieser Phase sind Schnelligkeit und Zuverlässigkeit ohne direkte Kontrolle. Indirekt wird die Arbeit über das Ergebnis im Nachhinein kontrolliert (Einzelakkord).
Die Zusammenarbeit der Arbeiter ist wegen der Zerteilung der Arbeit auf ein Minimum reduziert. Nur an den Übergabestellen z.B. vom Kran auf den Sattelschlepper oder vom Sattelschlepper auf den Vancarrier oder Stellplatz gibt es kurze Momente der Kommunikation. Im übrigen arbeitet jeder Mann für sich. Die Kommunikation erfolgt nur ausnahmsweise direkt personal, in der Regel verläuft sie indirekt über Funk. Die Ansprache erfolgt nicht über den Namen, sondern über die Funktion, z.B. Kranfahrer oder über eine Chiffre, z.B. K 14 für Kran Nr. 14. Die eingeschränkte direkte Kommunikation kann über längere Zeit und insbesondere in der Ausbildungsphase zu kommunikativer Dequalifizierung führen.
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Dienstag, 16. Januar 2024
Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (1)
jf.bremen, 11:49h
„...der Erwerb von Schlüsselqualifikationen – insbesondere der
sozialen und kulturellen Kompetenz – (ist) zu einer herausragenden
Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe geworden. Dieser Bildungsauftrag ergänzt das traditionelle Bildungssystem (...).
In der Präzisierung des Bildungsauftrags (... ) und der Kinder- und
Jugendarbeit wird dies besonders erkennbar. Diese Handlungsfelder sind zu Orten des sozialen Lernens geworden.“ (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2000)
1. Kommunikation am Arbeitsplatz - Vorindustrielle Hafenarbeit (1960)
Als ich um 1960 als Hafenarbeiter Geld verdiente, herrschte dort vorindustrielle Arbeitsweise. Jedes Teil musste beim Verladen einzeln in die Hand genommen werden: Kaffee- und Futtermittelsäcke lagen lose im Laderaum, mussten zu ”Hievs” von acht Säcken zusammengetragen, mit einem ”Stropp” (Seil) zusammengebunden und an den Kran ”angepickt” werden. Der Kran transportierte die Hievs auf Güter- oder Lastwagen oder in den Schuppen. Die notwendigen Handarbeiten konnten nur mindestens zu zweit bewältigt werden, weil die Säcke 1 ½ Zentner wogen. Der Kran war die einzige Maschine in diesem Arbeitsprozess.
Ähnlich lief das Verladen von Holz: die sechs oder acht Meter langen Bohlen wurden jeweils von zwei Mann zu mannshohen Hievs gestapelt, mit einem ”Kopf” versehen und an den Kran angepickt. Die einzelnen ”Gangs” (Kleingruppen, die zusammen arbeiten) mussten sich untereinander absprechen, wer in welchem Teil des Laderaums bzw. der Luk arbeitete. Maschinenteile waren in Kisten verpackt, die von zwei Mann gekantet wurden, während der dritte den Stropp unten durch führte. Zum Verladen von Eisenplatten waren sechs bis acht Mann notwendig, um die Platte an einer Seite anzuheben, während einer den Stropp unter der Platte durchführte (übrigens kein ungefährlicher Job). Die Arbeiter befanden sich im Laderaum. Die Kommunikation mit dem Kranführer lief per Handzeichen, teilweise mit Hilfe des ”Lukenviez”, der zugleich den Arbeitern Anweisungen gab und sie kontrollierte. Die Zusammenarbeit der Arbeiter, die an einer Hiev, im selben Laderaum, in der selben Luk oder im selben Schiff arbeiteten, wurde mündlich organisiert. Die Gangs mussten gut auf einander eingespielt sein. Die Vorarbeiter, die für die Einteilung der Gangs zuständig waren, mussten darauf achten, dass Leute zusammen arbeiteten, die ”miteinander konnten”.
Auf den Waagen oder im Schuppen leisteten ebenfalls Arbeiter Handarbeit und ein Angestellter der Reederei (Tallyman) verbuchte die Menge. Einziges Handwerkszeug war der ”Haken”, eine dreifingrige Kralle, mit der Säcke angepickt wurden. Die meisten Hafenarbeiter waren ”unständige Arbeiter”, die tageweise angeheuert und ausgezahlt wurden. Die Chance, morgens einen Job zu bekommen, hing vom Bedarf, also der Menge und Größe der Schiffe bzw. der Zahl der benötigten Arbeiter ab. Das Risiko, keinen Job zu erwischen, war relativ groß. Nur die Vorarbeiter, Lukenvieze, Tallymen usw. waren fest angestellt. Für größere Städte wurde im Rundfunk jeweils abends mitgeteilt, wie viele zusätzliche Arbeiter am nächsten Tag benötigt wurden. Die Normalschicht dauerte acht Stunden, beliebt waren Schichten von zehn, zwölf oder mehr Stunden, weil dann erst das ”Geld stimmte”. Es kam auch vor, dass die Schicht nur fünf oder sechs Stunden dauerte, bis nämlich das Schiff leer war. Wenn Aussicht bestand, das Schiff an einem Tag zu löschen (entladen), wurde die Schicht entsprechend verlängert. Nur wenn das am ersten Tag nicht geschafft wurde, wurde am folgenden weiter gearbeitet, dann hatten die Arbeiter am nächsten Tag ihren Job sicher. Bezahlt wurde nach Stunden (DM 2,17); wenn der Reeder oder der Kapitän die Arbeit beschleunigen wollte, wurde im Gruppen-Akkord pro Schiff gearbeitet; dann kam man umgerechnet bis auf DM 8,00 pro Stunde. Alle Hafenarbeiter waren unqualifiziert, die ”Einarbeitung” dauerte Minuten und wurde durch die Kollegen geleistet. Z.B. wurde mir als Neuling erst von einem Kollegen gezeigt, wie man einen ”Kopf” für eine Holzhiev baut, nachdem ihm mehrere Bretter ins Kreuz geflogen waren und er mich fast verprügelt hätte. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad war angesichts des hohen Anteils unständig Beschäftigter annähernd Null.
sozialen und kulturellen Kompetenz – (ist) zu einer herausragenden
Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe geworden. Dieser Bildungsauftrag ergänzt das traditionelle Bildungssystem (...).
In der Präzisierung des Bildungsauftrags (... ) und der Kinder- und
Jugendarbeit wird dies besonders erkennbar. Diese Handlungsfelder sind zu Orten des sozialen Lernens geworden.“ (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2000)
1. Kommunikation am Arbeitsplatz - Vorindustrielle Hafenarbeit (1960)
Als ich um 1960 als Hafenarbeiter Geld verdiente, herrschte dort vorindustrielle Arbeitsweise. Jedes Teil musste beim Verladen einzeln in die Hand genommen werden: Kaffee- und Futtermittelsäcke lagen lose im Laderaum, mussten zu ”Hievs” von acht Säcken zusammengetragen, mit einem ”Stropp” (Seil) zusammengebunden und an den Kran ”angepickt” werden. Der Kran transportierte die Hievs auf Güter- oder Lastwagen oder in den Schuppen. Die notwendigen Handarbeiten konnten nur mindestens zu zweit bewältigt werden, weil die Säcke 1 ½ Zentner wogen. Der Kran war die einzige Maschine in diesem Arbeitsprozess.
Ähnlich lief das Verladen von Holz: die sechs oder acht Meter langen Bohlen wurden jeweils von zwei Mann zu mannshohen Hievs gestapelt, mit einem ”Kopf” versehen und an den Kran angepickt. Die einzelnen ”Gangs” (Kleingruppen, die zusammen arbeiten) mussten sich untereinander absprechen, wer in welchem Teil des Laderaums bzw. der Luk arbeitete. Maschinenteile waren in Kisten verpackt, die von zwei Mann gekantet wurden, während der dritte den Stropp unten durch führte. Zum Verladen von Eisenplatten waren sechs bis acht Mann notwendig, um die Platte an einer Seite anzuheben, während einer den Stropp unter der Platte durchführte (übrigens kein ungefährlicher Job). Die Arbeiter befanden sich im Laderaum. Die Kommunikation mit dem Kranführer lief per Handzeichen, teilweise mit Hilfe des ”Lukenviez”, der zugleich den Arbeitern Anweisungen gab und sie kontrollierte. Die Zusammenarbeit der Arbeiter, die an einer Hiev, im selben Laderaum, in der selben Luk oder im selben Schiff arbeiteten, wurde mündlich organisiert. Die Gangs mussten gut auf einander eingespielt sein. Die Vorarbeiter, die für die Einteilung der Gangs zuständig waren, mussten darauf achten, dass Leute zusammen arbeiteten, die ”miteinander konnten”.
Auf den Waagen oder im Schuppen leisteten ebenfalls Arbeiter Handarbeit und ein Angestellter der Reederei (Tallyman) verbuchte die Menge. Einziges Handwerkszeug war der ”Haken”, eine dreifingrige Kralle, mit der Säcke angepickt wurden. Die meisten Hafenarbeiter waren ”unständige Arbeiter”, die tageweise angeheuert und ausgezahlt wurden. Die Chance, morgens einen Job zu bekommen, hing vom Bedarf, also der Menge und Größe der Schiffe bzw. der Zahl der benötigten Arbeiter ab. Das Risiko, keinen Job zu erwischen, war relativ groß. Nur die Vorarbeiter, Lukenvieze, Tallymen usw. waren fest angestellt. Für größere Städte wurde im Rundfunk jeweils abends mitgeteilt, wie viele zusätzliche Arbeiter am nächsten Tag benötigt wurden. Die Normalschicht dauerte acht Stunden, beliebt waren Schichten von zehn, zwölf oder mehr Stunden, weil dann erst das ”Geld stimmte”. Es kam auch vor, dass die Schicht nur fünf oder sechs Stunden dauerte, bis nämlich das Schiff leer war. Wenn Aussicht bestand, das Schiff an einem Tag zu löschen (entladen), wurde die Schicht entsprechend verlängert. Nur wenn das am ersten Tag nicht geschafft wurde, wurde am folgenden weiter gearbeitet, dann hatten die Arbeiter am nächsten Tag ihren Job sicher. Bezahlt wurde nach Stunden (DM 2,17); wenn der Reeder oder der Kapitän die Arbeit beschleunigen wollte, wurde im Gruppen-Akkord pro Schiff gearbeitet; dann kam man umgerechnet bis auf DM 8,00 pro Stunde. Alle Hafenarbeiter waren unqualifiziert, die ”Einarbeitung” dauerte Minuten und wurde durch die Kollegen geleistet. Z.B. wurde mir als Neuling erst von einem Kollegen gezeigt, wie man einen ”Kopf” für eine Holzhiev baut, nachdem ihm mehrere Bretter ins Kreuz geflogen waren und er mich fast verprügelt hätte. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad war angesichts des hohen Anteils unständig Beschäftigter annähernd Null.
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Dienstag, 8. August 2023
Gegen Mittelkürzung für politische Bildung!
jf.bremen, 11:09h
Das passt ja wie die Faust aufs Auge: Die rechtsextreme AfD steigert ihre Umfragewerte auf über 20%, der Rechtsterrorismus wird immer aggressiver, Lehrer verlassen die Schule, weil sie keine Solidarität erfahren in der Bemühung, den Rechtsextremismus ihrer Schüler zu problematisieren.
Und dann das: Das Bundesinnenministerium kürzt die Mittel für die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) um ein Viertel. Als wüssten wir nicht, wie wichtig politische Bildung in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und zur Festigung der Demokratie ist.
Schon um 2000 gab es einmal eine massive Attacke auf die politische Bildung. Sie wurde immer stärker von Projektförderung geprägt: Nur einzelne Vorhaben wurden zeitlich begrenzt gefördert. Die globalen Mittel im Bund und den Ländern wurden gekürzt. Niedersachsen löste sogar die Landeszentrale auf.
In der Folge nahmen insbesondere unter Jugendlichen rechtsextremes Gedankengut und entsprechende Aktivitäten zu. Jetzt macht die Ampel-Koalition erneut den gleichen Fehler. Dabei hofften die Bildungsträger gerade bei dieser Koalition auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Aber nein, Frau Faeser darf machen, was sie will, und die Koalitionspartner drücken beide Augen zu.
Dabei ist die Front der Träger politischer Bildung geschlossen gegen die komplett kontraproduktiven Kürzungspläne. Das Gegenteil wäre angemessen: die Finanzierung der Träger – von Volkshochschulen über die bpb, die Jugendverbände und andere freie Träger - muss garantiert und möglichst ausgeweitet werden. Kontinuierliche Finanzierung und die Abschaffung von zeitlich begrenzter Projektförderung begründen den Erfolg.
Und dann das: Das Bundesinnenministerium kürzt die Mittel für die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) um ein Viertel. Als wüssten wir nicht, wie wichtig politische Bildung in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und zur Festigung der Demokratie ist.
Schon um 2000 gab es einmal eine massive Attacke auf die politische Bildung. Sie wurde immer stärker von Projektförderung geprägt: Nur einzelne Vorhaben wurden zeitlich begrenzt gefördert. Die globalen Mittel im Bund und den Ländern wurden gekürzt. Niedersachsen löste sogar die Landeszentrale auf.
In der Folge nahmen insbesondere unter Jugendlichen rechtsextremes Gedankengut und entsprechende Aktivitäten zu. Jetzt macht die Ampel-Koalition erneut den gleichen Fehler. Dabei hofften die Bildungsträger gerade bei dieser Koalition auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Aber nein, Frau Faeser darf machen, was sie will, und die Koalitionspartner drücken beide Augen zu.
Dabei ist die Front der Träger politischer Bildung geschlossen gegen die komplett kontraproduktiven Kürzungspläne. Das Gegenteil wäre angemessen: die Finanzierung der Träger – von Volkshochschulen über die bpb, die Jugendverbände und andere freie Träger - muss garantiert und möglichst ausgeweitet werden. Kontinuierliche Finanzierung und die Abschaffung von zeitlich begrenzter Projektförderung begründen den Erfolg.
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Mittwoch, 10. Mai 2023
Bayrische Hochschulpolitik vordemokratisch
jf.bremen, 11:54h
Allgemeine Studenten-Ausschüsse (ASTA) und Studentenparlamente (verfasste Studentenschaft) sind Erfindungen der frühen Bundesrepublik. Wie in anderen gesellschaftlichen Bereich sollten demokratische Strukturen in den Universitäten eingebaut werden. Anfangs beschränkte sich die Tätigkeit der Studentenparlamente und ASTEn auf die Wahrnehmung sozialer Interessen der Studierenden.
In den 60er Jahren wurden die Studies politischer, ein Höhepunkt wurde 1968 erreicht. Die universitären Gremien, in denen Studierende Einfluss hatten, wurden aktiver, also auch die ASTEn und Parlamente. Daneben bekamen basisdemokratische Formen zunehmend Einfluss – Vollversammlungen aller Studies von einzelnen Instituten, Fakultäten und ganzer Universitäten. Die universitären Strukturen wurden ausgebaut, z.B. durch angemessene Beteiligung aller – Studierende, sog. Mittelbau, ProfessorInnen. Das passierte mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen an allen Universitäten der Republik.
Kontrovers wurde die Frage diskutiert, ob die ASTEn sich nur mit studentischen bzw. universitären Fragen befassen durften, oder darüber hinaus auch mit allgemein-politischen Themen. Die Trennschärfe dazwischen ist nicht immer groß. Ist die Stellungnahme eines ASTA zum Haushalt eines Bundeslandes allgemein oder universitär? Immerhin war darin auch der Posten „Hochschulen“ enthalten. Der ging natürlich die Studieren existenziell an, war aber zugleich eine allgemein-politische Frage.
Das Land Bayern löste das Problem pragmatisch. 1974 wurde auf Initiative des Kultusministers Hans Maier die verfasste Studierendenschaft qua Landesgesetz verboten, man wolle „den linken Sumpf an den Unis trockenlegen“.
Will nur spielen:..
Das scheint bis heute zu gelten und – was schlimmer ist – zu funktionieren. Eine studentische Initiative der Münchner Uni – „Referat gegen Faschismus“ – plante eine Veranstaltung zur sozialen Lage der Studierenden. Sie bekam keinen Raum zur Verfügung. Eine spontane Hörsaalbesetzung Besetzung wurde durch die Androhung eines Polizeiansatzes rigoros verhindert.
Bayern steht also treu in der Tradition von vor 1949, bevor die verfasste Studentenschaft angedacht und realisiert wurde. Man kann gespannt sein wie – wenn überhaupt – der Konflikt weitergeht.
In den 60er Jahren wurden die Studies politischer, ein Höhepunkt wurde 1968 erreicht. Die universitären Gremien, in denen Studierende Einfluss hatten, wurden aktiver, also auch die ASTEn und Parlamente. Daneben bekamen basisdemokratische Formen zunehmend Einfluss – Vollversammlungen aller Studies von einzelnen Instituten, Fakultäten und ganzer Universitäten. Die universitären Strukturen wurden ausgebaut, z.B. durch angemessene Beteiligung aller – Studierende, sog. Mittelbau, ProfessorInnen. Das passierte mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen an allen Universitäten der Republik.
Kontrovers wurde die Frage diskutiert, ob die ASTEn sich nur mit studentischen bzw. universitären Fragen befassen durften, oder darüber hinaus auch mit allgemein-politischen Themen. Die Trennschärfe dazwischen ist nicht immer groß. Ist die Stellungnahme eines ASTA zum Haushalt eines Bundeslandes allgemein oder universitär? Immerhin war darin auch der Posten „Hochschulen“ enthalten. Der ging natürlich die Studieren existenziell an, war aber zugleich eine allgemein-politische Frage.
Das Land Bayern löste das Problem pragmatisch. 1974 wurde auf Initiative des Kultusministers Hans Maier die verfasste Studierendenschaft qua Landesgesetz verboten, man wolle „den linken Sumpf an den Unis trockenlegen“.
Will nur spielen:..

Das scheint bis heute zu gelten und – was schlimmer ist – zu funktionieren. Eine studentische Initiative der Münchner Uni – „Referat gegen Faschismus“ – plante eine Veranstaltung zur sozialen Lage der Studierenden. Sie bekam keinen Raum zur Verfügung. Eine spontane Hörsaalbesetzung Besetzung wurde durch die Androhung eines Polizeiansatzes rigoros verhindert.
Bayern steht also treu in der Tradition von vor 1949, bevor die verfasste Studentenschaft angedacht und realisiert wurde. Man kann gespannt sein wie – wenn überhaupt – der Konflikt weitergeht.
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Mittwoch, 1. März 2023
Beethoven komponierte noch, als er bereits taub war
jf.bremen, 16:40h
Die Kulturminister diskutieren die Benotung der SchülerInnen in den Fächern Kunst, Musik und Sport. Bisher werden die Schüler nach „objektiven“ Leistungskriterien benotet. Wer also die 100 m in 13,6 sec zurücklegt, bekommt eine Eins. Wer die Töne C – F – A unterscheiden und auch singen kann, wird ebenso positiv bewertet. In Kunst zählt das exakte Zeichnen eines Baumes.
Diese Arithmetik stimmte noch nie. Als ich Schüler war, erreichte ich die Leistungen für eine Urkunde bei den Bundeswettspielen nie: Kurzstreckenlauf, Kugelstoßen und Hochsprung. Im Geräteturnen erbrachte ich die geforderten Leistungen an Barren, Reck und Ringen wegen meiner schwachen Arme nie. Außer und nach der Schule wanderte ich, schwamm und fuhr Rad, spielte Hand- und Basket-Ball. Später schaffte ich umstandslos die 400 m in der vom Sportabzeichen geforderten Zeit, schwamm die 100 m in 100 sec. Und konnte 25 km Fahrrad fahren. Das Sportabzeichen und die Lebensrettungs-Leistung erbrachte ich ohne besondere Mühe. Nur leider gab es dafür keine Noten. Aber Spaß an der Bewegung hatte ich immer und das war mir das Wichtigste. Auch die heutigen Jugendlichen, denen es sehr an Bewegung fehlt, sollten dazu motiviert werden.
Ähnliches gilt für Kunst und Musik. Wer nicht singen kann, wird auch seine Leistungsbereitschaft nicht nachweisen können, ohne sich lächerlich zu machen.
Die fortschrittlicheren der Kultusminister schlagen vor, statt der absoluten Leistungen die Leistungs-„Bereitschaft“ der SchülerInnen zu benoten. Gute Idee, aber wie kann das gemessen werden? Die Bewertung wäre dann von der subjektiven Meinung
der Lehrer abhängig.
Man könnte allenfalls auf die Theorie ausweichen und Kenntnisse z.B. in Kunstgeschichte oder Harmonielehre abfragen. Dass dadurch das Vergnügen an Musik und Kunst gefördert wird, darf bezweifelt werden.
Eine Lösung wäre, zumindest für diese Fächer die Noten ganz abzuschaffen!
Diese Arithmetik stimmte noch nie. Als ich Schüler war, erreichte ich die Leistungen für eine Urkunde bei den Bundeswettspielen nie: Kurzstreckenlauf, Kugelstoßen und Hochsprung. Im Geräteturnen erbrachte ich die geforderten Leistungen an Barren, Reck und Ringen wegen meiner schwachen Arme nie. Außer und nach der Schule wanderte ich, schwamm und fuhr Rad, spielte Hand- und Basket-Ball. Später schaffte ich umstandslos die 400 m in der vom Sportabzeichen geforderten Zeit, schwamm die 100 m in 100 sec. Und konnte 25 km Fahrrad fahren. Das Sportabzeichen und die Lebensrettungs-Leistung erbrachte ich ohne besondere Mühe. Nur leider gab es dafür keine Noten. Aber Spaß an der Bewegung hatte ich immer und das war mir das Wichtigste. Auch die heutigen Jugendlichen, denen es sehr an Bewegung fehlt, sollten dazu motiviert werden.
Ähnliches gilt für Kunst und Musik. Wer nicht singen kann, wird auch seine Leistungsbereitschaft nicht nachweisen können, ohne sich lächerlich zu machen.
Die fortschrittlicheren der Kultusminister schlagen vor, statt der absoluten Leistungen die Leistungs-„Bereitschaft“ der SchülerInnen zu benoten. Gute Idee, aber wie kann das gemessen werden? Die Bewertung wäre dann von der subjektiven Meinung
der Lehrer abhängig.
Man könnte allenfalls auf die Theorie ausweichen und Kenntnisse z.B. in Kunstgeschichte oder Harmonielehre abfragen. Dass dadurch das Vergnügen an Musik und Kunst gefördert wird, darf bezweifelt werden.
Eine Lösung wäre, zumindest für diese Fächer die Noten ganz abzuschaffen!
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Donnerstag, 23. Februar 2023
Fakten-Büffeln – falsches Mittel in der politischen Bildung
jf.bremen, 11:59h
Dreiviertel der jungen Leute finden es wichtig, sich mit der Vergangenheit, besonders mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Ein schöner Erfolg der jahrzehntelangen schulischen und außerschulischen politischen Bildung! Damit können wir sehr zufrieden sein, ohne uns tatenlos zurückzulehnen. Politische Bildung ist ein permanent notwendiger Prozess.
Nun scheinen die Statistiker der Stiftung „Erinnerung Verantwortung Zukunft“ von Pädagogik nicht viel zu verstehen. Der bisherige Erfolg ist nicht erreicht durch das Einpauken von Zahlen und Fakten, sondern durch Entwickeln eines Problembewusstseins und einer Haltung. Dieses Ergebnis darf auf keinen Fall gefährdet werden, indem Namen, Daten und Ereignisse gebüffelt werden. Wie wir Älteren aus der Schule wissen, verdirbt diese Paukerei die Lust an Erkenntnissen und Kritik. Theorie und Praxis der politischen Bildung haben das lange erkannt. Wenn aus irgendeinem Grund sog. Fakten wichtig werden, kann jeder sie schnell in Internet und Lexika herausfinden. Auswendiglernen ist das grundfalsche Mittel, das Erreichte zu stabilisieren.
Nun scheinen die Statistiker der Stiftung „Erinnerung Verantwortung Zukunft“ von Pädagogik nicht viel zu verstehen. Der bisherige Erfolg ist nicht erreicht durch das Einpauken von Zahlen und Fakten, sondern durch Entwickeln eines Problembewusstseins und einer Haltung. Dieses Ergebnis darf auf keinen Fall gefährdet werden, indem Namen, Daten und Ereignisse gebüffelt werden. Wie wir Älteren aus der Schule wissen, verdirbt diese Paukerei die Lust an Erkenntnissen und Kritik. Theorie und Praxis der politischen Bildung haben das lange erkannt. Wenn aus irgendeinem Grund sog. Fakten wichtig werden, kann jeder sie schnell in Internet und Lexika herausfinden. Auswendiglernen ist das grundfalsche Mittel, das Erreichte zu stabilisieren.
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Donnerstag, 17. November 2022
Arbeitslosigkeit - kein individuelles Problem
jf.bremen, 19:01h
Die CDU/CSU hat den bizarre Streit um das von der Ampel-Koalition geplante Bürgergeld vor allem angezettelt, um ein Vorhaben der SPD zu torpedieren: Einmal will die SPD die Scharte von 2005 (Hartz IV) auswetzen, andererseits will sie inhaltlich die Sozialpolitik auf die Höhe der Zeit bringen. Vor allem sollen die überwiegend unterqualifizierten Langzeitarbeitslosen in Aus- und Weiterbildungen und damit in Jobs gebracht werden. Dazu sollen die Betroffenen motiviert und nicht abgestoßen werden. Dem dient der Abbau von Hindernissen wie z.B. überzogenen Sanktionen.
Die Blockade-Politik der Konservativen arbeitet mit Halb- und Unwahrheiten. Alle Sanktionen sollen abgebaut werden - falsch! Das Bürgergeld spanne ein bequemes Netz auf, ohne dass Leistung gefordert werde - falsch! Usw.
Das ist die vordergründige Ebene der Einwendungen. Dahinter verbirgt sich ein generelles Missverständnis: Es scheint so, als ob Arbeitslosigkeit individuell verschuldet, also ein persönliches Problem ist, dem man mit Sanktionen gegen Individuen beikommen muss.
Natürlich ist Arbeitslosigkeit von Anfang an ein gesellschaftlich verursachtes Problem. War es grundsätzlich der Mangel an Arbeitsplätzen, so ist es heute der grundsätzliche Mangel an Qualifikation. Der wiederum ist durch die technologische Entwicklung der Produktionskräfte verursacht. Und darüber hinaus durch ein Versagen von allgemeiner und beruflicher Bildung. Arbeitslosigkeit ist also in erster Linie gesellschaftlich und erst dann individuell verursacht. Der Regierungsentwurf des Gesetzes trägt dem weitgehend Rechnung, während die CDU/CSU, gewollt oder nicht, diese Seite negiert.
Die Blockade-Politik der Konservativen arbeitet mit Halb- und Unwahrheiten. Alle Sanktionen sollen abgebaut werden - falsch! Das Bürgergeld spanne ein bequemes Netz auf, ohne dass Leistung gefordert werde - falsch! Usw.
Das ist die vordergründige Ebene der Einwendungen. Dahinter verbirgt sich ein generelles Missverständnis: Es scheint so, als ob Arbeitslosigkeit individuell verschuldet, also ein persönliches Problem ist, dem man mit Sanktionen gegen Individuen beikommen muss.
Natürlich ist Arbeitslosigkeit von Anfang an ein gesellschaftlich verursachtes Problem. War es grundsätzlich der Mangel an Arbeitsplätzen, so ist es heute der grundsätzliche Mangel an Qualifikation. Der wiederum ist durch die technologische Entwicklung der Produktionskräfte verursacht. Und darüber hinaus durch ein Versagen von allgemeiner und beruflicher Bildung. Arbeitslosigkeit ist also in erster Linie gesellschaftlich und erst dann individuell verursacht. Der Regierungsentwurf des Gesetzes trägt dem weitgehend Rechnung, während die CDU/CSU, gewollt oder nicht, diese Seite negiert.
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Dienstag, 15. November 2022
Jürgen Seevers ist tot
jf.bremen, 17:04h
Zuletzt trafen wir uns im September 2016 auf der Bundesdelegiertenversammlung des Bund Deutscher PfadfinderInnnen in Bremen. David Templin stellte sein Buch "Freizeit ohne Kontrollen" über die Jugendzentrumsbewegung vor. Jürgen Seevers und ich waren als Zeitzeugen eingeladen, die die JZ-Bewegung - er in Niedersachsen, ich auf Bundesebene - seinerzeit halfen zu vernetzen.
Jürgen kam aus der Bewegung in der niedersächsischen Provinz, hatte tausend Kontakte und kannte - fast - alle Details sowohl in einzelnen Häusern wie in der Bewegung.
Irgendwann nahm er Kontakt zu den Pfadfinderfreunden in Bremen/Niedersachsen auf, die ebenfalls JZ durch Seminare, Treffen und Pfingstlager unterstützen.
Konsequent nahm er auch Kontakt zum Bundesverband auf, und so begegneten wir uns. Schnell waren die Bremer/Niedersachsen und der Bund einig, dass Jürgen als "Regionalsekretär" ein bescheidenes Honorar bekam und so "hauptamtlich" seine Arbeit im BDP fortsetzen konnte.
Wir trafen uns auf einer zweiten Schiene. Jürgen wie ich waren Zeitsoldaten im Abstand von ca. zehn Jahren gewesen und engagierten uns inzwischen in der antimilitaristischen Bewegung. Auch auf diesem Gebiet verfügte er über umfangreiche Kontakte. Von ihm kam die Idee, einen bundesweiten Kongress antimilitaristischer Gruppen durchzuführen. Das Treffen fand im März 1977 im Jugendhof Bessunger Fortst mit ca. 60 aktiven Soldaten - überwiegend Wehrpflichtige - und Reservisten statt und diente dem Erfahrungsaustausch antimilitaristischer Gruppen und Individuen in der Bundeswehr und außerhalb.
Eine dritte Schiene ergab sich, als ich 1978 meine Tätigkeit im Jugendhof Steinkimmen begann. Für mich war klar: ich wollte auch von hier aus die JZ-Bewegung unterstützen. Jürgen stand sofort als Teamer zu Verfügung und brachte wiederum seine zahlreichen Kontakte mit ein.
Später trennten sich unsere Wege wieder, aber wir haben uns nie ganz aus den Augen verloren. Jürgen konzentrierte sich auf die Entwicklung von Konzepten für sanften Tourismus, zunächst im Elbe-Weser-Dreieck, zunehmend auf ganz Niedersachsen ausgedehnt.
Diese Arbeit wurde nun jäh durch seinen überraschenden Tod unterbrochen.
Jürgen war ein Freund, ein guter Kollege und Pfadfinder im besten Sinn: er suchte und fand immer wieder neue Pfade, die die linke Bewegung voranbrachten.
Ich werde ihn vermissen!
Jürgen kam aus der Bewegung in der niedersächsischen Provinz, hatte tausend Kontakte und kannte - fast - alle Details sowohl in einzelnen Häusern wie in der Bewegung.
Irgendwann nahm er Kontakt zu den Pfadfinderfreunden in Bremen/Niedersachsen auf, die ebenfalls JZ durch Seminare, Treffen und Pfingstlager unterstützen.
Konsequent nahm er auch Kontakt zum Bundesverband auf, und so begegneten wir uns. Schnell waren die Bremer/Niedersachsen und der Bund einig, dass Jürgen als "Regionalsekretär" ein bescheidenes Honorar bekam und so "hauptamtlich" seine Arbeit im BDP fortsetzen konnte.
Wir trafen uns auf einer zweiten Schiene. Jürgen wie ich waren Zeitsoldaten im Abstand von ca. zehn Jahren gewesen und engagierten uns inzwischen in der antimilitaristischen Bewegung. Auch auf diesem Gebiet verfügte er über umfangreiche Kontakte. Von ihm kam die Idee, einen bundesweiten Kongress antimilitaristischer Gruppen durchzuführen. Das Treffen fand im März 1977 im Jugendhof Bessunger Fortst mit ca. 60 aktiven Soldaten - überwiegend Wehrpflichtige - und Reservisten statt und diente dem Erfahrungsaustausch antimilitaristischer Gruppen und Individuen in der Bundeswehr und außerhalb.
Eine dritte Schiene ergab sich, als ich 1978 meine Tätigkeit im Jugendhof Steinkimmen begann. Für mich war klar: ich wollte auch von hier aus die JZ-Bewegung unterstützen. Jürgen stand sofort als Teamer zu Verfügung und brachte wiederum seine zahlreichen Kontakte mit ein.
Später trennten sich unsere Wege wieder, aber wir haben uns nie ganz aus den Augen verloren. Jürgen konzentrierte sich auf die Entwicklung von Konzepten für sanften Tourismus, zunächst im Elbe-Weser-Dreieck, zunehmend auf ganz Niedersachsen ausgedehnt.
Diese Arbeit wurde nun jäh durch seinen überraschenden Tod unterbrochen.
Jürgen war ein Freund, ein guter Kollege und Pfadfinder im besten Sinn: er suchte und fand immer wieder neue Pfade, die die linke Bewegung voranbrachten.
Ich werde ihn vermissen!
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Samstag, 24. September 2022
Deutsch-israelischer Jugendaustausch
jf.bremen, 13:15h
Es hat lange gedauert, bis der deutsch-israelische Jugendaustausch im Deutsch-Israelischen Jugendwerk eine Struktur bekam. Die Meldungen über diesen Fakt versäumen zu berichten, dass es bereits seit Jahrzehnten Jugend-Austauschprogramme gibt.
Schon vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen (1965) wagte ein Pionier gegen den Widerstand im eigenen Land erste Austauschprogramme mit der BRD. Es war Israel Szabo, der im Pinchas-Rutenberg-Haus in Haifa bereits um 1960 erstmalig Jugendliche aus den beiden Ländern in Kontakt bracht. Auf deutscher Seite waren u.a. Gewerkschaften, Jugendverbände und der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten seine Partner. Gefördert wurden diese Programme vom Bundesjugendplan.
2001 übernahm auf Anregung von Bundespräsident Rau ConAct die Organisation der Programme. Das ist zu erwähnen. Auch der Autor diese der miniaturen hat über zwanzig Jahre deutsch-israelische Austausch-Programme mit Jugendlichen organisiert.
Schon vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen (1965) wagte ein Pionier gegen den Widerstand im eigenen Land erste Austauschprogramme mit der BRD. Es war Israel Szabo, der im Pinchas-Rutenberg-Haus in Haifa bereits um 1960 erstmalig Jugendliche aus den beiden Ländern in Kontakt bracht. Auf deutscher Seite waren u.a. Gewerkschaften, Jugendverbände und der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten seine Partner. Gefördert wurden diese Programme vom Bundesjugendplan.
2001 übernahm auf Anregung von Bundespräsident Rau ConAct die Organisation der Programme. Das ist zu erwähnen. Auch der Autor diese der miniaturen hat über zwanzig Jahre deutsch-israelische Austausch-Programme mit Jugendlichen organisiert.
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Donnerstag, 9. Juni 2022
Virtuelle Realität ist nicht gleich Realität
jf.bremen, 15:36h
Das ist noch mal gut gegangen, hätte aber auch sehr bös enden können. Eine Wandergruppe von 99 SchülerInnen mit ihren LehrerInnen ist in den Alpen in Bergnot geraten. Der "Wanderweg" stellte sich als alpine Kletterroute heraus, die nur mit großer alpiner Erfahrung und Ausrüstung zu bewältigen gewesen wäre. Zudem war das Wetter widrig. Die Gruppe musste von Hubschraubern gerettet werden.
Die Lehrer hatten sich im Internet (!) beraten lassen, um die Route auszusuchen. Dort war sie als "Sonntagsspaziergang" gekennzeichnet worden. Kritischer Unterricht über das Internet scheint in der Schule nicht auf dem Lehrplan zu stehen. Wie konnten die Verantwortlichen sich auf DIESE Auskunft verlassen? Das mindeste wäre gewesen, sich spätestens vor Ort von einheimischen Bergführern beraten zu lassen. Merke: Nicht alles, was im Internet steht, stimmt! Umgekehrt ist grundsätzliches Misstrauen angebracht: das meiste stimmt eben nicht.
Die Lehrer hatten sich im Internet (!) beraten lassen, um die Route auszusuchen. Dort war sie als "Sonntagsspaziergang" gekennzeichnet worden. Kritischer Unterricht über das Internet scheint in der Schule nicht auf dem Lehrplan zu stehen. Wie konnten die Verantwortlichen sich auf DIESE Auskunft verlassen? Das mindeste wäre gewesen, sich spätestens vor Ort von einheimischen Bergführern beraten zu lassen. Merke: Nicht alles, was im Internet steht, stimmt! Umgekehrt ist grundsätzliches Misstrauen angebracht: das meiste stimmt eben nicht.
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