Freitag, 26. Oktober 2018
Bauhaus im Niemandsland
jf.bremen, 17:54h
Hundert Jahre Bauhaus, die Geschichte einer Kunst- und Architekturschule, die – fast – alles veränderte. Das Bauhaus gab die wesentlichen Impulse, um Kunst und Wohnkultur aus der überkommenen und überholten Tradition des Kaiserreichs zu befreien. Seine Produkte in der Bau- wie der Wohnkultur überdauerten die Jahrzehnte, sogar den Faschismus.
Letzterer sah das Bauhaus als eine Gefahr für seine eigene Ideologie an, verbot das Institut und vertrieb seine Repräsentanten aus Deutschland, u.a. etliche aus politischen oder rassistischen Motiven.
Dieser Vertreibungsprozess hatte zu Folge, dass die Ideen und die Praxis des Bauhauses vor allem in der Architektur sich weltweit verbreiteten: in die beiden Amerikas, nach Skandinavien und Afrika, nach Australien und Ostasien.
Jüdische Emigranten gingen nach Palästina und bauten komplette Stadtviertel in Tel Aviv, Jerusalem und Haifa, aber auch in Kibbuzim und Kleinstädten. Die WIZO-Hochschule für Design und Bildung in Haifa lehrt noch immer im Geist des Bauhauses. Meine Gäste, StudentInnen der WIZO, waren überrascht über die vielen „Bauhäuser“ in Deutschland, als sie die so genannten Baumärkte sahen.
Den bemerkenswertesten Bau im Bauhaus-Stil sah ich im Niemandsland zwischen Israel und Jordanien.

Beide Länder unterzeichneten 1994 einen Friedenvertrag. Seitdem konnte das Kibbuz „En Gescher“ im Jordantal, seine Ländereien jenseits der Grenze wieder aufsuchen. Wir, eine deutsche Austausch-Gruppe, wurden 1995 dazu eingeladen. Mitten in dem schmalen Streifen zwischen israelisch-jordanischer Demarkationslinie („Vorsicht Minen“) und der eigentlichen Grenze, findet sich ein verlassenes Bahnhofs-Gebäude im Rohbau, das an einer geplanten, aber nie realisierten Eisenbahn-Linie zwischen Jordanien bzw. Syrien und Israel liegt.
Ein Betonbau im reinsten Bauhaus-Stil! Damit nicht genug. Wir trafen dort eine palästinensische Großfamilie, die genau da im Niemandsland ein Hochzeitsfest feierte. Der eine Teil der Familie lebte in Nazareth (Israel), der andere in Jordanien. Und dieser Bahnhof war DER ORT, an dem sie sich treffen konnten. Die Leute aus Nazareth durften nicht nach Jordanien reisen, die Jordanier nicht nach Israel!
Eine skurrile Kulisse für eine skurrile Situation.
Letzterer sah das Bauhaus als eine Gefahr für seine eigene Ideologie an, verbot das Institut und vertrieb seine Repräsentanten aus Deutschland, u.a. etliche aus politischen oder rassistischen Motiven.
Dieser Vertreibungsprozess hatte zu Folge, dass die Ideen und die Praxis des Bauhauses vor allem in der Architektur sich weltweit verbreiteten: in die beiden Amerikas, nach Skandinavien und Afrika, nach Australien und Ostasien.
Jüdische Emigranten gingen nach Palästina und bauten komplette Stadtviertel in Tel Aviv, Jerusalem und Haifa, aber auch in Kibbuzim und Kleinstädten. Die WIZO-Hochschule für Design und Bildung in Haifa lehrt noch immer im Geist des Bauhauses. Meine Gäste, StudentInnen der WIZO, waren überrascht über die vielen „Bauhäuser“ in Deutschland, als sie die so genannten Baumärkte sahen.
Den bemerkenswertesten Bau im Bauhaus-Stil sah ich im Niemandsland zwischen Israel und Jordanien.

Beide Länder unterzeichneten 1994 einen Friedenvertrag. Seitdem konnte das Kibbuz „En Gescher“ im Jordantal, seine Ländereien jenseits der Grenze wieder aufsuchen. Wir, eine deutsche Austausch-Gruppe, wurden 1995 dazu eingeladen. Mitten in dem schmalen Streifen zwischen israelisch-jordanischer Demarkationslinie („Vorsicht Minen“) und der eigentlichen Grenze, findet sich ein verlassenes Bahnhofs-Gebäude im Rohbau, das an einer geplanten, aber nie realisierten Eisenbahn-Linie zwischen Jordanien bzw. Syrien und Israel liegt.
Ein Betonbau im reinsten Bauhaus-Stil! Damit nicht genug. Wir trafen dort eine palästinensische Großfamilie, die genau da im Niemandsland ein Hochzeitsfest feierte. Der eine Teil der Familie lebte in Nazareth (Israel), der andere in Jordanien. Und dieser Bahnhof war DER ORT, an dem sie sich treffen konnten. Die Leute aus Nazareth durften nicht nach Jordanien reisen, die Jordanier nicht nach Israel!
Eine skurrile Kulisse für eine skurrile Situation.
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Sonntag, 5. August 2018
Attentate auf Hitler
jf.bremen, 22:32h
In der NDR-Info-Sendung „Echo des Tages“ am 20.07.18 wurde in der Anmoderation zum Bericht über die Feierlichkeiten zum 2. Juli 1944 – Attentat Oberst Graf Stauffenbergs auf Hitler – behauptet, der Anschlag sei „der einzig ernst zu nehmende Versuch des innerdeutschen Widerstands, Adolf Hitler umzubringen“.
Nichts ist falscher als das. Das Stauffenberg-Attentat war technisch dilettantisch ausgeführt: Die Aktentasche mit dem Sprengsatz war so positioniert, dass sie den geringst möglichen Schaden anrichten konnte.
Stauffenbergs „Widerstand“ erscheint fragwürdig: Immerhin hatte er bis dahin als Offizier der Reichswehr gedient; die Gruppe, die hinter ihm stand, zeichnete sich eher nicht als demokratisch orientiert aus. Erst als es drohte, dass der Krieg verloren ging, entschloss die Gruppe sich zum Handeln. Der Putsch erwies sich als „Rohrkrepierer“.
Richtig ist, dass bereits 1939 Georg Elser ein perfekt vorbereitetes und durchgeführtes Attentat gegen Hitler durchführte. Einzig der Fakt, dass Hitler seinen Zeitplan änderte und vorzeitig den Ort verließ, führte zum Misserfolg. Elser wurde beim Versuch, in die Schweiz zu fliehen, gefasst, gefoltert und schließlich Anfang 1945 ermordet.
Präzise Recherche hätte diese Fakten zu Tage fördern und eine derartige Anmoderation verhindern können. Also: Zur Wiedervorlage für das nächste Jahr.
Der NDR antwortete auf diesen Text wie folgt:
"Sehr geehrter Herr Fiege,
Sie haben recht, die angesprochene Formulierung ist insofern nicht ausreichend präzise, als dass sie nicht das von Georg Elser geplante Attentat einschließt. (....) Vielen Dank für das aufmerksame Zuhören und Ihre Rückmeldung.
Herzliche Grüße,
Kathrin Schmid"
Nichts ist falscher als das. Das Stauffenberg-Attentat war technisch dilettantisch ausgeführt: Die Aktentasche mit dem Sprengsatz war so positioniert, dass sie den geringst möglichen Schaden anrichten konnte.
Stauffenbergs „Widerstand“ erscheint fragwürdig: Immerhin hatte er bis dahin als Offizier der Reichswehr gedient; die Gruppe, die hinter ihm stand, zeichnete sich eher nicht als demokratisch orientiert aus. Erst als es drohte, dass der Krieg verloren ging, entschloss die Gruppe sich zum Handeln. Der Putsch erwies sich als „Rohrkrepierer“.
Richtig ist, dass bereits 1939 Georg Elser ein perfekt vorbereitetes und durchgeführtes Attentat gegen Hitler durchführte. Einzig der Fakt, dass Hitler seinen Zeitplan änderte und vorzeitig den Ort verließ, führte zum Misserfolg. Elser wurde beim Versuch, in die Schweiz zu fliehen, gefasst, gefoltert und schließlich Anfang 1945 ermordet.
Präzise Recherche hätte diese Fakten zu Tage fördern und eine derartige Anmoderation verhindern können. Also: Zur Wiedervorlage für das nächste Jahr.
Der NDR antwortete auf diesen Text wie folgt:
"Sehr geehrter Herr Fiege,
Sie haben recht, die angesprochene Formulierung ist insofern nicht ausreichend präzise, als dass sie nicht das von Georg Elser geplante Attentat einschließt. (....) Vielen Dank für das aufmerksame Zuhören und Ihre Rückmeldung.
Herzliche Grüße,
Kathrin Schmid"
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Dienstag, 17. Juli 2018
Was ist Despotie?
jf.bremen, 15:31h
„Ein Mann, der zehn Jahre lang eine fast grenzenlose Gewalt in den Händen gehabt hat, müßte ein Blödsinniger oder schon ein öffentlich verächtlicher Bösewicht sein, wenn er nicht Mittel finden sollte, sich wieder wählen zu lassen, und sodann nicht Mittel, die Wahl zum Vorteil seiner Kreaturen zu beherrschen. Kleine Bedienungen mögen und dürfen in einer Republik lebenslänglich sein; wenn es aber die großen sind, geht der Weg zur Despotie. Das lehrt die Geschichte.“
Nein, damit sind nicht Putin oder Erdogan oder andere zeitgenössische Bösewichter gemeint, sondern Napoleon. Und den Text schrieb vor über zweihundert Jahren Johann Gottfried Seume in „Spaziergang nach Syrakus“. Nicht nur wegen solcher Erkenntnisse ist das Buch auch heute höchst lesenswert.
Nein, damit sind nicht Putin oder Erdogan oder andere zeitgenössische Bösewichter gemeint, sondern Napoleon. Und den Text schrieb vor über zweihundert Jahren Johann Gottfried Seume in „Spaziergang nach Syrakus“. Nicht nur wegen solcher Erkenntnisse ist das Buch auch heute höchst lesenswert.
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Donnerstag, 7. Juni 2018
Geschichte geschieht.
jf.bremen, 18:39h
Im Fernsehen sehr beliebt sind sog. Spieldokumentationen oder Geschichts-Sendungen. Spitzenreiter ist Guido Knopp mit seinen History-Sendungen zum Nationalsozialismus.
Diese Sendungen halten überwiegend einer kritischen historischen Überprüfung nicht stand.
In einer Diskussion wurde neulich behauptet, der Kaiserschnitt heiße so, weil die Berliner Charité diese Methode im 19. Jahrhundert erfunden und zu Ehren Kaiser Wilhelms so benannt worden sei. Beleg: die „Geschichts“-Serie über die Charité in der ARD.
Alles Quatsch! Der Kaiserschnitt wurde bereits in der Antike angewandt und heißt nach Plinius so, weil angeblich Caesar so zur Welt gebracht wurde. Andere Quellen leiten das Wort von dem lateinischen Wort caedere = schneiden ab.
In der historischen Wissenschaft gibt es Quellen unterschiedlicher Wertigkeit.
• Die höchste Zuverlässigkeit bieten offizielle Dokumente wie Verträge, Akten, sonstige Dokumente.
• An zweiter Stellen kommen zeitgenössische Aufzeichnungen, z.B. Tagebücher.
• Memoiren sind weniger zuverlässig, weil eine zeitliche Distanz zwischen Ereignis und Aufzeichnung liegt. Die Erinnerung kann trügen. Der Blickwinkel ist subjektiv.
• Am unzuverlässigsten ist die oral history, also Zeitzeugen-Aussagen. Begründung wie oben.
Seriöse Geschichtsforschung kann – oder muss? – alle Quellen nutzen. Je unzuverlässiger eine Quelle ist, desto notwendiger muss die einzelne Aussage durch andere Quellen gegengeprüft werden. Das gilt insbesondere für oral history.
Die ZDF-History-Beiträge bedienen sich ausschließlich der Aussage von Zeitzeugen, die nur durch illustrierende Film-Dokumente unterbrochen werden. Ein wissenschaftlich höchst unpräzises Vorgehen.
Das müsste Guido Knopp wissen: Er hat an der Bremer Uni in Geschichte promoviert, und es ist kaum vorstellbar, dass er gerade Quellenkunde geschwänzt hat.
Seine Methode kann also nur Absicht sein, um ein bestimmtes Geschichtsbild zu transportieren. Die Zeitzeugen präsentieren sich überwiegend als unschuldige Opfer der Verhältnisse, nicht jedoch als Handelnde. Geschichte „geschieht“, wird aber nicht gemacht.
Die Schuldigen am Faschismus bleiben anonym.
Diese Sendungen halten überwiegend einer kritischen historischen Überprüfung nicht stand.
In einer Diskussion wurde neulich behauptet, der Kaiserschnitt heiße so, weil die Berliner Charité diese Methode im 19. Jahrhundert erfunden und zu Ehren Kaiser Wilhelms so benannt worden sei. Beleg: die „Geschichts“-Serie über die Charité in der ARD.
Alles Quatsch! Der Kaiserschnitt wurde bereits in der Antike angewandt und heißt nach Plinius so, weil angeblich Caesar so zur Welt gebracht wurde. Andere Quellen leiten das Wort von dem lateinischen Wort caedere = schneiden ab.
In der historischen Wissenschaft gibt es Quellen unterschiedlicher Wertigkeit.
• Die höchste Zuverlässigkeit bieten offizielle Dokumente wie Verträge, Akten, sonstige Dokumente.
• An zweiter Stellen kommen zeitgenössische Aufzeichnungen, z.B. Tagebücher.
• Memoiren sind weniger zuverlässig, weil eine zeitliche Distanz zwischen Ereignis und Aufzeichnung liegt. Die Erinnerung kann trügen. Der Blickwinkel ist subjektiv.
• Am unzuverlässigsten ist die oral history, also Zeitzeugen-Aussagen. Begründung wie oben.
Seriöse Geschichtsforschung kann – oder muss? – alle Quellen nutzen. Je unzuverlässiger eine Quelle ist, desto notwendiger muss die einzelne Aussage durch andere Quellen gegengeprüft werden. Das gilt insbesondere für oral history.
Die ZDF-History-Beiträge bedienen sich ausschließlich der Aussage von Zeitzeugen, die nur durch illustrierende Film-Dokumente unterbrochen werden. Ein wissenschaftlich höchst unpräzises Vorgehen.
Das müsste Guido Knopp wissen: Er hat an der Bremer Uni in Geschichte promoviert, und es ist kaum vorstellbar, dass er gerade Quellenkunde geschwänzt hat.
Seine Methode kann also nur Absicht sein, um ein bestimmtes Geschichtsbild zu transportieren. Die Zeitzeugen präsentieren sich überwiegend als unschuldige Opfer der Verhältnisse, nicht jedoch als Handelnde. Geschichte „geschieht“, wird aber nicht gemacht.
Die Schuldigen am Faschismus bleiben anonym.
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Sonntag, 13. Mai 2018
70 Jahre Staat Israel -
jf.bremen, 19:22h
- aus diesem Anlass habe ich eine alte, immer noch aktuelle Buchbesprechung hervorgeholt:
Ilan Pappe: Die ethnische Säuberung Palästinas, 4. Auflg., Frankfurt (Zweitausendeins) 2008
Dieses Buch ist schockierend,
• weil es mit dem lang gehegten Vorurteil aufräumt, Israel habe immer nur Verteidigungskriege gegen die übermächtigen arabischen Nachbarn geführt,
• wegen der darin wiedergegebenen Tatsachen,
• weil die Geschichte des Autors ein Licht auf die Wissenschaftspolitik in Israel wirft,
• weil es die Sicht des Rezensenten auf die Lage im Nahen Osten erschüttert.
---------------------------------
Unbestritten - wenn auch nur zögernd zugegeben - war bisher die Tatsache, dass die Terrorgruppen Irgun und Sternbande in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts Massaker an arabischen Einwohnern Palästinas verübt haben. Der Name des Dorfes Deir Yassin – knapp westlich von Jerusalem, heute Stadtteil Givat Shaul - stand dafür stellvertretend. Dort wurde am 9. April 1948 fast die gesamte arabische Bevölkerung von Irgun und Sternbande ermordet, Frauen wurden vergewaltigt. Die Angaben über Opfer-Zahlen schwanken, allgemein wird von 245 Toten ausgegangen. Interessant ist, dass die Hagana – offizielle „Selbstverteidigungsorganisation“ der zionistischen Gemeinschaft – das Massaker stillschweigend duldete. Die Führer von Irgun und Sternbande wurden teilweise einflussreiche Politiker im Staat Israel: z.B. Menachim Begin, Jitzak Schamir.
Dies ist nach Ilan Pappe kein Zufall, denn die Zerstörung des Dorfs war Teil eines „Plan Dalet“, den eine Gruppe von Beratern um den späteren Ministerpräsidenten Israels, David Ben Gurion, zur „ethnischen Säuberung“ Palästinas seit 1947 entwarf. Das, was faktisch später geschah, wurde vorher systematisch geplant und von der Hagana - nach der Unabhängigkeitserklärung Israels am 14. Mai 1948 israelische Armee IDF (Israeli Defense Forces) - systematisch und plangenau umgesetzt. Sämtliche arabischen Dörfer sollten auf die eine oder andere Weise entvölkert und zerstört werden.
Die Spur der Vertreibungen begann im Süden in Gaza, folgte der Mittelmeerküste nach Norden - mit „Abstecher“ nach Jerusalem - bis Haifa und Akko nach Nordgaliläa an die libanesische Grenze, über Safad wieder nach Süden durch das Jordantal über Tibarias bis Baysan. Schließlich wurden im äußersten Süden auch die Beduinen der Negev aus ihren angestammten Gebieten verdrängt. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Araber sich friedlich verhielten oder nicht, ob sie in guter Nachbarschaft mit jüdischen Siedlungen – überwiegend Kibbuzim – lebten oder nicht.
Das militärische Vorgehen in den einzelnen Dörfern folgte einer Systematik, von der selten abgewichen wurde. Zunächst wurde das Dorf von drei Seiten belagert und durch Artillerie, später durch Bomber angegriffen. Dann rückten die Bodentruppen nach, massakrierten die Bevölkerung – gelegentlich wurden Frauen vergewaltigt – oder vertrieben sie (dazu ließ man die vierte Seite offen); schließlich wurden die Gebäude zerstört, um eine Rückkehr der Flüchtlinge zu verhindern. Die Vertreibungen erfolgten über die Grenzen in die Nachbarländer oder in größere Städte wie Nazareth oder Schfar’Am. Dort entstand so ein städtisches Proletariat. Die Dörfer wurden später von Juden besiedelt.
Die militärische Gegenwehr der Araber war völlig hilflos. Es gab zwar arabische Freiwilligenverbände (Arab Liberation Army), die aber nach Zahl und Bewaffnung hoffnungslos unterlegen waren. Die arabischen Nachbarstaaten unterstützten sie halbherzig oder gar nicht. Die internationale Öffentlichkeit, vor allem die UNO, wussten von den Ereignissen, ließen aber alles ungerührt geschehen.
Die Vorbereitungen zur ethnischen Säuberung Palästinas setzten nicht etwa erst nach dem UN-Teilungsplan von 1947 oder mit dem Rückzug der Engländer als Mandatsmacht im Mai 1948 ein. Sie begannen teilweise auf Anregung und mit Duldung der britischen Mandatsmacht Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre. Topografen, Orientalisten und Geheimdienstlern der Hagana legten Dossiers über die arabischen Dörfer an, die Grundlage für das spätere militärische Vorgehen von Hagana und IDF waren.
Das sind keine Hirngespinste arabischer Extremisten oder Propagandalügen. Die offizielle israelische Lesart war lange: die arabische Bevölkerung hat den UN-Teilungsplan nicht akzeptiert, die arabischen Nachbarstaaten haben die palästinensische Bevölkerung durch Verbreitung von Gräuellügen zur Flucht animiert, Israel musste sich gegen eine militärische Bedrohung wehren. Die von Pappe zitierten Quellen reden eine andere Sprache und sie sind keineswegs obskur: er bezieht seine Kenntnisse u.a. aus den Archiven von Hagana, IDF und der UNO, den Tagebüchern David Ben Gurions, Korrespondenzen der Beteiligten u.a. im Ben-Gurion-Archiv, Erinnerungen damals beteiligter jüdischer Politiker und Militärs (Quellenkunde) sowie aus Sekundärliteratur. Ergänzt werden die Kenntnisse aus offiziellen Quellen durch Erinnerungen betroffener Araber (oral history).
Der Aufbau von Pappes Buch folgt streng historisch-wissenschaftlicher Methodik von der Definition der Begriffe über die Darstellung der Ereignisse bis zu deren Bewertung ist alles sauber hergeleitet und entspricht den Anforderungen moderner historischer Wissenschaft. Jede Tatsache ist genau belegt, jede Quelle wird durch mindestens eine zweite verifiziert, das gilt besonders für die persönlichen Erinnerungen (oral history), die nie für sich genommen für bare Münze gehalten, sondern durch Quellen aus offiziellen Archiven bestätigt werden.
An dieser Stelle sei eine Anmerkung des Rezensenten erlaubt. Ich (war) seit 1985 (bis 2007) im deutsch-israelischen Jugend- und Fachkräfteaustausch engagiert. Viele der Orte, die in Pappes Buch vorkommen, sind mir bestens vertraut. Z.B. das Latrun-Tal, das „gesäubert“ wurde, wo ich mehrfach mit Gruppen Gast des Neve Schalom (Friedensdorf) war. Z.B. der Ort Lydda, heute Lod, wo der Flughafen liegt, auf dem ich jedes Mal landete oder startete. Z.B. Yaad in Nordgaliläa, wo ich 1985 bei meiner ersten Reise mit dem AdB (Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten)
die Entwicklung Israels als Computer-Hochburg bewundert habe. Z.B. die Städte Nazareth, Safed und Schfar’Am - hier war ich mehrfach Gast des Jugendamtes, eines drusischen Scheichs und des (arabischen) „House of Hope“.
En Hod ist ein Sonderfall. Dieses Dorf – arabisch Ayn Hawd 15 km südlich von Haifa am Hang des Carmel – wurde besetzt, die Bevölkerung vertrieben, aber, was ungewöhnlich war, es wurde nicht zerstört, „weil es in der Einheit, die den Ort besetzte, einige Bohemiens gab: Sie erkannten sofort das Potenzial des Dorfes“ (Pappe, S. 219) und machten daraus eine Künstlerkolonie, in der später „Israels bekannteste Künstler, Musiker und Schriftsteller, die meist zum ‚Friedenslager’ des Landes gehörten“ (a.a.O.), lebten. Hier drehte eine Jugendgruppe, mit der ich in den 90er Jahren dort war, einen Film, ohne den historischen Hintergrund des Ortes zu kennen.
Furaydis, ebenfalls ein Sonderfall, liegt in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Kibbuz und jetzigen Feriendorfs Nach Scholim, wo meine Partnerorganisation „Dialog“ ihren Standort hat. Mehrmals war ich dort mit Jugendlichen und Fachkräften Gast. Furaydis wurde von der IDF verschont: die Einwohner der benachbarten jüdischen Siedlungen setzten sich für seinen Erhalt ein, weil sie die arabischen Einwohner als ungelernte Arbeitskräfte benötigten.
Ganz in der Nähe lag auch der etwas größere Ort Tantura. Hier wurde am 22. Mai 1948 eins der schlimmsten Massaker angerichtet. Das Vorgehen der IDF, konkret der Alexandroni-Brigade, war hier untypisch. In diesem Verband war übrigens der spätere Premierminister Ariel Scharon Zugführer. Das Dorf wurde von vier Seiten eingekreist, so dass eine Flucht unmöglich war. Die Männer (im Alter zwischen 10 und 50 Jahren) wurden von den Frauen und Kindern getrennt; diese flohen ins nahe Furaydis. Nach vorbereiteten Listen wurden die Männer selektiert, in 10er Gruppen an den Strand, auf einen Friedhof und in eine Moschee geführt und hingerichtet. Soldaten zogen durch das Dorf, plünderten und zerstörten es. Der jüdische Bürgermeister des nahe gelegenen Zichron Yaakov versuchte die Soldaten zu stoppen, kam aber zu spät. Die genaue Zahl der Toten ist ungeklärt, es müssen aber hunderte gewesen sein.
Schockierend ist auch die Reaktion der „offiziellen“ Historiker in Israel auf die Forschungen von Pappe und anderen. Ein Student der Universität Haifa stieß bei Recherchen auf den Fall Tantura und führte Interviews mit Überlebenden. „Als es publik wurde, disqualifizierte die Universität nachträglich seine Doktorarbeit, und Veteranen der Alexandroni-Brigade verklagten (ihn) wegen Verleumdung.“ (a.a.O., S. 188)
Auch Pappe selbst blieb nicht ungeschoren. Er ist Jahrgang 1954, Sohn deutscher Emigranten aus Nazi-Deutschland, studierte Geschichte in Jerusalem und Oxford, war akademischer Leiter der Bildungs- und Begegnungsstätte Givat Haviva, mit der der AdB lange Jahre im Austausch war. Dann wurde er Professor an der Universität Haifa, geriet in fachlichen und politischen Konflikt mit der Universitätsleitung, resignierte schließlich und ging als Professor nach Großbritannien an die Universität Exeter. – Der Fall ist ein Beleg dafür, wie schwer man sich in Israel noch heute tut, die eigene Vergangenheit unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen, die eigene Geschichte zu reflektieren und sich von bequemen Interpretationen zu trennen.
Die Lektüre dieses Buches ist erschütternd, vor allem für diejenigen, die im deutsch-israelischen Jugend- und Fachkräfteaustausch tätig sind. Aber gerade für sie sollte die Lektüre zur selbst auferlegten Pflicht werden, auch wenn man sich dabei von lieb gewonnenen Überzeugungen trennen muss. Aber: lernen ist immer schmerzlich.
In: Außerschulische Bildung, Nr. 4 – 2008, S. 444
Ilan Pappe: Die ethnische Säuberung Palästinas, 4. Auflg., Frankfurt (Zweitausendeins) 2008
Dieses Buch ist schockierend,
• weil es mit dem lang gehegten Vorurteil aufräumt, Israel habe immer nur Verteidigungskriege gegen die übermächtigen arabischen Nachbarn geführt,
• wegen der darin wiedergegebenen Tatsachen,
• weil die Geschichte des Autors ein Licht auf die Wissenschaftspolitik in Israel wirft,
• weil es die Sicht des Rezensenten auf die Lage im Nahen Osten erschüttert.
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Unbestritten - wenn auch nur zögernd zugegeben - war bisher die Tatsache, dass die Terrorgruppen Irgun und Sternbande in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts Massaker an arabischen Einwohnern Palästinas verübt haben. Der Name des Dorfes Deir Yassin – knapp westlich von Jerusalem, heute Stadtteil Givat Shaul - stand dafür stellvertretend. Dort wurde am 9. April 1948 fast die gesamte arabische Bevölkerung von Irgun und Sternbande ermordet, Frauen wurden vergewaltigt. Die Angaben über Opfer-Zahlen schwanken, allgemein wird von 245 Toten ausgegangen. Interessant ist, dass die Hagana – offizielle „Selbstverteidigungsorganisation“ der zionistischen Gemeinschaft – das Massaker stillschweigend duldete. Die Führer von Irgun und Sternbande wurden teilweise einflussreiche Politiker im Staat Israel: z.B. Menachim Begin, Jitzak Schamir.
Dies ist nach Ilan Pappe kein Zufall, denn die Zerstörung des Dorfs war Teil eines „Plan Dalet“, den eine Gruppe von Beratern um den späteren Ministerpräsidenten Israels, David Ben Gurion, zur „ethnischen Säuberung“ Palästinas seit 1947 entwarf. Das, was faktisch später geschah, wurde vorher systematisch geplant und von der Hagana - nach der Unabhängigkeitserklärung Israels am 14. Mai 1948 israelische Armee IDF (Israeli Defense Forces) - systematisch und plangenau umgesetzt. Sämtliche arabischen Dörfer sollten auf die eine oder andere Weise entvölkert und zerstört werden.
Die Spur der Vertreibungen begann im Süden in Gaza, folgte der Mittelmeerküste nach Norden - mit „Abstecher“ nach Jerusalem - bis Haifa und Akko nach Nordgaliläa an die libanesische Grenze, über Safad wieder nach Süden durch das Jordantal über Tibarias bis Baysan. Schließlich wurden im äußersten Süden auch die Beduinen der Negev aus ihren angestammten Gebieten verdrängt. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Araber sich friedlich verhielten oder nicht, ob sie in guter Nachbarschaft mit jüdischen Siedlungen – überwiegend Kibbuzim – lebten oder nicht.
Das militärische Vorgehen in den einzelnen Dörfern folgte einer Systematik, von der selten abgewichen wurde. Zunächst wurde das Dorf von drei Seiten belagert und durch Artillerie, später durch Bomber angegriffen. Dann rückten die Bodentruppen nach, massakrierten die Bevölkerung – gelegentlich wurden Frauen vergewaltigt – oder vertrieben sie (dazu ließ man die vierte Seite offen); schließlich wurden die Gebäude zerstört, um eine Rückkehr der Flüchtlinge zu verhindern. Die Vertreibungen erfolgten über die Grenzen in die Nachbarländer oder in größere Städte wie Nazareth oder Schfar’Am. Dort entstand so ein städtisches Proletariat. Die Dörfer wurden später von Juden besiedelt.
Die militärische Gegenwehr der Araber war völlig hilflos. Es gab zwar arabische Freiwilligenverbände (Arab Liberation Army), die aber nach Zahl und Bewaffnung hoffnungslos unterlegen waren. Die arabischen Nachbarstaaten unterstützten sie halbherzig oder gar nicht. Die internationale Öffentlichkeit, vor allem die UNO, wussten von den Ereignissen, ließen aber alles ungerührt geschehen.
Die Vorbereitungen zur ethnischen Säuberung Palästinas setzten nicht etwa erst nach dem UN-Teilungsplan von 1947 oder mit dem Rückzug der Engländer als Mandatsmacht im Mai 1948 ein. Sie begannen teilweise auf Anregung und mit Duldung der britischen Mandatsmacht Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre. Topografen, Orientalisten und Geheimdienstlern der Hagana legten Dossiers über die arabischen Dörfer an, die Grundlage für das spätere militärische Vorgehen von Hagana und IDF waren.
Das sind keine Hirngespinste arabischer Extremisten oder Propagandalügen. Die offizielle israelische Lesart war lange: die arabische Bevölkerung hat den UN-Teilungsplan nicht akzeptiert, die arabischen Nachbarstaaten haben die palästinensische Bevölkerung durch Verbreitung von Gräuellügen zur Flucht animiert, Israel musste sich gegen eine militärische Bedrohung wehren. Die von Pappe zitierten Quellen reden eine andere Sprache und sie sind keineswegs obskur: er bezieht seine Kenntnisse u.a. aus den Archiven von Hagana, IDF und der UNO, den Tagebüchern David Ben Gurions, Korrespondenzen der Beteiligten u.a. im Ben-Gurion-Archiv, Erinnerungen damals beteiligter jüdischer Politiker und Militärs (Quellenkunde) sowie aus Sekundärliteratur. Ergänzt werden die Kenntnisse aus offiziellen Quellen durch Erinnerungen betroffener Araber (oral history).
Der Aufbau von Pappes Buch folgt streng historisch-wissenschaftlicher Methodik von der Definition der Begriffe über die Darstellung der Ereignisse bis zu deren Bewertung ist alles sauber hergeleitet und entspricht den Anforderungen moderner historischer Wissenschaft. Jede Tatsache ist genau belegt, jede Quelle wird durch mindestens eine zweite verifiziert, das gilt besonders für die persönlichen Erinnerungen (oral history), die nie für sich genommen für bare Münze gehalten, sondern durch Quellen aus offiziellen Archiven bestätigt werden.
An dieser Stelle sei eine Anmerkung des Rezensenten erlaubt. Ich (war) seit 1985 (bis 2007) im deutsch-israelischen Jugend- und Fachkräfteaustausch engagiert. Viele der Orte, die in Pappes Buch vorkommen, sind mir bestens vertraut. Z.B. das Latrun-Tal, das „gesäubert“ wurde, wo ich mehrfach mit Gruppen Gast des Neve Schalom (Friedensdorf) war. Z.B. der Ort Lydda, heute Lod, wo der Flughafen liegt, auf dem ich jedes Mal landete oder startete. Z.B. Yaad in Nordgaliläa, wo ich 1985 bei meiner ersten Reise mit dem AdB (Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten)
die Entwicklung Israels als Computer-Hochburg bewundert habe. Z.B. die Städte Nazareth, Safed und Schfar’Am - hier war ich mehrfach Gast des Jugendamtes, eines drusischen Scheichs und des (arabischen) „House of Hope“.
En Hod ist ein Sonderfall. Dieses Dorf – arabisch Ayn Hawd 15 km südlich von Haifa am Hang des Carmel – wurde besetzt, die Bevölkerung vertrieben, aber, was ungewöhnlich war, es wurde nicht zerstört, „weil es in der Einheit, die den Ort besetzte, einige Bohemiens gab: Sie erkannten sofort das Potenzial des Dorfes“ (Pappe, S. 219) und machten daraus eine Künstlerkolonie, in der später „Israels bekannteste Künstler, Musiker und Schriftsteller, die meist zum ‚Friedenslager’ des Landes gehörten“ (a.a.O.), lebten. Hier drehte eine Jugendgruppe, mit der ich in den 90er Jahren dort war, einen Film, ohne den historischen Hintergrund des Ortes zu kennen.
Furaydis, ebenfalls ein Sonderfall, liegt in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Kibbuz und jetzigen Feriendorfs Nach Scholim, wo meine Partnerorganisation „Dialog“ ihren Standort hat. Mehrmals war ich dort mit Jugendlichen und Fachkräften Gast. Furaydis wurde von der IDF verschont: die Einwohner der benachbarten jüdischen Siedlungen setzten sich für seinen Erhalt ein, weil sie die arabischen Einwohner als ungelernte Arbeitskräfte benötigten.
Ganz in der Nähe lag auch der etwas größere Ort Tantura. Hier wurde am 22. Mai 1948 eins der schlimmsten Massaker angerichtet. Das Vorgehen der IDF, konkret der Alexandroni-Brigade, war hier untypisch. In diesem Verband war übrigens der spätere Premierminister Ariel Scharon Zugführer. Das Dorf wurde von vier Seiten eingekreist, so dass eine Flucht unmöglich war. Die Männer (im Alter zwischen 10 und 50 Jahren) wurden von den Frauen und Kindern getrennt; diese flohen ins nahe Furaydis. Nach vorbereiteten Listen wurden die Männer selektiert, in 10er Gruppen an den Strand, auf einen Friedhof und in eine Moschee geführt und hingerichtet. Soldaten zogen durch das Dorf, plünderten und zerstörten es. Der jüdische Bürgermeister des nahe gelegenen Zichron Yaakov versuchte die Soldaten zu stoppen, kam aber zu spät. Die genaue Zahl der Toten ist ungeklärt, es müssen aber hunderte gewesen sein.
Schockierend ist auch die Reaktion der „offiziellen“ Historiker in Israel auf die Forschungen von Pappe und anderen. Ein Student der Universität Haifa stieß bei Recherchen auf den Fall Tantura und führte Interviews mit Überlebenden. „Als es publik wurde, disqualifizierte die Universität nachträglich seine Doktorarbeit, und Veteranen der Alexandroni-Brigade verklagten (ihn) wegen Verleumdung.“ (a.a.O., S. 188)
Auch Pappe selbst blieb nicht ungeschoren. Er ist Jahrgang 1954, Sohn deutscher Emigranten aus Nazi-Deutschland, studierte Geschichte in Jerusalem und Oxford, war akademischer Leiter der Bildungs- und Begegnungsstätte Givat Haviva, mit der der AdB lange Jahre im Austausch war. Dann wurde er Professor an der Universität Haifa, geriet in fachlichen und politischen Konflikt mit der Universitätsleitung, resignierte schließlich und ging als Professor nach Großbritannien an die Universität Exeter. – Der Fall ist ein Beleg dafür, wie schwer man sich in Israel noch heute tut, die eigene Vergangenheit unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen, die eigene Geschichte zu reflektieren und sich von bequemen Interpretationen zu trennen.
Die Lektüre dieses Buches ist erschütternd, vor allem für diejenigen, die im deutsch-israelischen Jugend- und Fachkräfteaustausch tätig sind. Aber gerade für sie sollte die Lektüre zur selbst auferlegten Pflicht werden, auch wenn man sich dabei von lieb gewonnenen Überzeugungen trennen muss. Aber: lernen ist immer schmerzlich.
In: Außerschulische Bildung, Nr. 4 – 2008, S. 444
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Samstag, 8. April 2017
Untaten der katholischen Kirche
jf.bremen, 14:44h
Mein Beitrag „Das angeblich friedfertige Christentum“ (Eintrag vom 23.4.16) hat Widerspruch hervorgerufen. Ein Vorwurf lautete, ich hätte mich auf längst vergessene und begrabene Untaten der Kirchen bezogen. Nun denn: wenn’s etwas aktueller sein soll, hier eine brandneue Information.
„…. Während der mehrmonatigen Massaker (…) 1994 (…) (boten) zahlreiche Kirchen im sehr katholisch geprägten Ruanda zunächst verfolgten Tutsi Zuflucht“, die „dann ihre Grabstätten wurden, weil sie (die Kirchen) ihre Tore den Mordmilizen öffneten.“
„Über 100 Priester und Kirchenverantwortliche Ruandas gelten als mitschuldig.“ Der katholische Priester Seromba – vom UN-Völkermordtribunal für Ruanda zu lebenslanger Haft verurteilt – hat „1.500 Tutsi in der Kirche der Gemeinde Nyange versammelt und dann den Befehl gegeben, das volle Gebäude mit einem Bulldozer einzuebnen.“ Der Priester Munyseshyaka soll sich nach Aussagen Überlebender an Massakern an Tutsi in einer Kirche in Kigali beteiligt haben. Zwei Nonnen, von der belgischen Justiz verurteilt, haben den Hutu-Milizionären Benzinkanister überlassen, mit denen diese Garage und Pflegestation ihres Klosters mit 2.000 Tutsi anzündeten. (Vgl. taz 7. April 2017)
Das sind drei Einzelfälle von vielen anderen. Wenn jetzt – nach Jahren des Leugnens und Verharmlosens durch Kirchenvertreter – mehr als zwei Jahrzehnte später Papst Franciscus von „Verfehlungen der Kirche und ihrer Mitglieder“ spricht, dann ist das gemessen an früheren Reaktionen der Kirche auf historisches Unrecht – Holocaust, Hexenverbrennungen, Massaker in Südamerika – früh. Den eine Million Opfern, den Überlebenden und der politischen und sozialen Situation in Ostafrika ist das höchstens eine kleine Genugtuung.
Die anderen Verfehlungen der Kirche in Afrika – u.a. Verbot von Verhütung und Geburtenkontrolle – bestehen unwidersprochen weiter, sind höchst aktuell.
„…. Während der mehrmonatigen Massaker (…) 1994 (…) (boten) zahlreiche Kirchen im sehr katholisch geprägten Ruanda zunächst verfolgten Tutsi Zuflucht“, die „dann ihre Grabstätten wurden, weil sie (die Kirchen) ihre Tore den Mordmilizen öffneten.“
„Über 100 Priester und Kirchenverantwortliche Ruandas gelten als mitschuldig.“ Der katholische Priester Seromba – vom UN-Völkermordtribunal für Ruanda zu lebenslanger Haft verurteilt – hat „1.500 Tutsi in der Kirche der Gemeinde Nyange versammelt und dann den Befehl gegeben, das volle Gebäude mit einem Bulldozer einzuebnen.“ Der Priester Munyseshyaka soll sich nach Aussagen Überlebender an Massakern an Tutsi in einer Kirche in Kigali beteiligt haben. Zwei Nonnen, von der belgischen Justiz verurteilt, haben den Hutu-Milizionären Benzinkanister überlassen, mit denen diese Garage und Pflegestation ihres Klosters mit 2.000 Tutsi anzündeten. (Vgl. taz 7. April 2017)
Das sind drei Einzelfälle von vielen anderen. Wenn jetzt – nach Jahren des Leugnens und Verharmlosens durch Kirchenvertreter – mehr als zwei Jahrzehnte später Papst Franciscus von „Verfehlungen der Kirche und ihrer Mitglieder“ spricht, dann ist das gemessen an früheren Reaktionen der Kirche auf historisches Unrecht – Holocaust, Hexenverbrennungen, Massaker in Südamerika – früh. Den eine Million Opfern, den Überlebenden und der politischen und sozialen Situation in Ostafrika ist das höchstens eine kleine Genugtuung.
Die anderen Verfehlungen der Kirche in Afrika – u.a. Verbot von Verhütung und Geburtenkontrolle – bestehen unwidersprochen weiter, sind höchst aktuell.
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Donnerstag, 14. April 2016
Entweihung von Holocaust-Mahnmal?
jf.bremen, 11:43h
Henryk M. Broder ist immer gut für eine Provokation ebenso dafür, dass er Antisemitismus aufspürt, selbst bei Juden. Vor einiger Zeit posierte er mit einer Bockwurst im Holocaust-Mahnmal in Berlin. Er wollte damit gegen die – seiner Meinung nach – Entweihung des Mahnmals durch Touristen protestieren, die dort ihren Reiseproviant verzehrten.
In der Foto-Ausstellung „Grenzen“ im Kito in Bremen-Nord fand ich ein entsprechendes Foto. Skandal? Ich bin nicht sicher. Zum Totenkult in Mexiko gehört das jährliche Treffen der Familie am Grab eines verstorbenen Verwandten mit Musik und Essen.
Überlebende Roma und Sinti des KZs Auschwitz musizierten vor Jahren nach einem Besuch der Gedenkstätte vor dessen Eingang.
Vor Jahren besuchten wir das KZ-Mahnmal Salaspils in Lettland. Irritiert waren wir davon, dass inmitten der Anlage sich eine Hochzeitsgesellschaft zum Fototermin versammelt hatte. Zunächst schockiert überlegten wir dann, ob nicht gerade dort ein Neuanfang in Form einer Hochzeit angemessen sein könnte.
In der Foto-Ausstellung „Grenzen“ im Kito in Bremen-Nord fand ich ein entsprechendes Foto. Skandal? Ich bin nicht sicher. Zum Totenkult in Mexiko gehört das jährliche Treffen der Familie am Grab eines verstorbenen Verwandten mit Musik und Essen.
Überlebende Roma und Sinti des KZs Auschwitz musizierten vor Jahren nach einem Besuch der Gedenkstätte vor dessen Eingang.
Vor Jahren besuchten wir das KZ-Mahnmal Salaspils in Lettland. Irritiert waren wir davon, dass inmitten der Anlage sich eine Hochzeitsgesellschaft zum Fototermin versammelt hatte. Zunächst schockiert überlegten wir dann, ob nicht gerade dort ein Neuanfang in Form einer Hochzeit angemessen sein könnte.
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