Samstag, 29. April 2023
Internationale Bundeswehr?
jf.bremen, 12:57h
Die Bundeswehr plant, auch AusländerInnen eine Karriere in der Armee zu ermöglichen. Wozu die Führung der Personalmangel treibt! Die bisherigen Bemühungen sind so viel- wie einfältig. Sie haben es mit Plakatwerbung versucht: „Stolz auf Uniform und Geschichte“, mit „südländisch“ aussehendem Postermen (s. miniaturen 2.6.22). Sie haben die Totgeburt Heimatschutztruppe hervorgebracht. (s. miniaturen 7. April 21) Offensichtlich ohne messbaren Erfolg. Jede sechste Stelle kann nicht besetzt werden.
Und nun sind die Ausländer dran. Einwanderer sollen zur Bundeswehr dürfen, selbst wenn sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Das Lockmittel: durch ihren Wehrdienst können sie deutsche Bürger werden. Wie nun? JedeR AusländerIn kann DeutcheR werden, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt, die gerade reduziert wurden. Das kann ja nur heißen, dass ein Ausländer statt dieser Voraussetzungen den begehrten deutschen Pass bekommt, wenn er Soldat wird. Mal abgesehen davor, dass das ein Einfallstor für solche sein kann, die Übles im Sinn haben – wie können sie den Diensteid leisten? „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.“ Ziemlich viel verlangt für einen Immigranten. Oder nicht?
Und nun sind die Ausländer dran. Einwanderer sollen zur Bundeswehr dürfen, selbst wenn sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Das Lockmittel: durch ihren Wehrdienst können sie deutsche Bürger werden. Wie nun? JedeR AusländerIn kann DeutcheR werden, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt, die gerade reduziert wurden. Das kann ja nur heißen, dass ein Ausländer statt dieser Voraussetzungen den begehrten deutschen Pass bekommt, wenn er Soldat wird. Mal abgesehen davor, dass das ein Einfallstor für solche sein kann, die Übles im Sinn haben – wie können sie den Diensteid leisten? „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.“ Ziemlich viel verlangt für einen Immigranten. Oder nicht?
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Freitag, 21. April 2023
Hase und Igel beim Konsum
jf.bremen, 21:08h
Wir alle kennen das: Der Scherkopf vom Trockenrasierer ist beschädigt. Ersatz gibt es nicht, also muss ein neuer Rasierer her. Für den Nassrasierer gibt es keine Klingen mehr. Die Fernbedienung des CD-Players gibt seinen Geist auf. Mit großen Mühen wird übers Internet ein Ersatz besorgt, der aber nicht alles kann, was sein Vorgänger konnte. Die Spezialbatterie eines Elektro-Kleingeräts haucht ihren Geist aus. Ersatzbatterie? Gibt’s nicht. Das Gerät ist dadurch nutzlos.
Jetzt will die EU-Kommission Abhilfe schaffen: Ein Gesetz soll dem Verbraucher ein „Recht auf Reparatur“ verschaffen.
Aktuell gibt es – und darauf bezieht sich die Kommission u.a. – Lampen mit eingebauten LEG-Leuchten – Schreibtisch- oder Nachttisch-Lampen, Stehlampen fürs Wohnzimmer. Wenn die LED-Leuchte kaputt geht, ist die Lampe wertlos. Z.B. bei Fahrrädern: die neuen Scheinwerfer und Rückstrahler halten 10.000 km. Dann ist ein kompletter, neuer Satz fällig.
Eigentlich gab es das immer: Automotoren waren so auf Verschleiß gebaut, dass sie nach einer bestimmten Laufzeit den Geist aufgaben, meist bei 100.000 km, z.B. beim VW-Käfer. Karosserien hatten Schwingungsbäuche, an denen sie durchrosteten. Dagegen wurde gesetzlich vorgegangen. Dann wurden Saison für Saison neue Modell auf den Markt geworfen, die immer kompliziertere Aggregate hatten, von denen jedes Teil einzeln kaputt ging. Was früher repariert wurde, wird heute einfach und teuer ausgetauscht. Der alte KFZ-Mechaniker ist heute Teilewechsler.
Worum geht es im Grunde? Der Konsum soll im Namen des Profits angekurbelt werden. Marx hat das schon beschrieben. Weil die Profitrate tendenziell sinkt, müssen immer neue Waren auf den Markt, ob die Verbraucher sie brauchen oder nicht. Dass sie sie brauchen, wird ihnen durch Marketing- und Werbe-Kampagnen suggeriert.
Verbraucherschützer und Gesetzgeber hecheln immer wieder dem „technischen Fortschritt“ hinterher, ohne ihn je einholen zu können.
Jetzt will die EU-Kommission Abhilfe schaffen: Ein Gesetz soll dem Verbraucher ein „Recht auf Reparatur“ verschaffen.
Aktuell gibt es – und darauf bezieht sich die Kommission u.a. – Lampen mit eingebauten LEG-Leuchten – Schreibtisch- oder Nachttisch-Lampen, Stehlampen fürs Wohnzimmer. Wenn die LED-Leuchte kaputt geht, ist die Lampe wertlos. Z.B. bei Fahrrädern: die neuen Scheinwerfer und Rückstrahler halten 10.000 km. Dann ist ein kompletter, neuer Satz fällig.
Eigentlich gab es das immer: Automotoren waren so auf Verschleiß gebaut, dass sie nach einer bestimmten Laufzeit den Geist aufgaben, meist bei 100.000 km, z.B. beim VW-Käfer. Karosserien hatten Schwingungsbäuche, an denen sie durchrosteten. Dagegen wurde gesetzlich vorgegangen. Dann wurden Saison für Saison neue Modell auf den Markt geworfen, die immer kompliziertere Aggregate hatten, von denen jedes Teil einzeln kaputt ging. Was früher repariert wurde, wird heute einfach und teuer ausgetauscht. Der alte KFZ-Mechaniker ist heute Teilewechsler.
Worum geht es im Grunde? Der Konsum soll im Namen des Profits angekurbelt werden. Marx hat das schon beschrieben. Weil die Profitrate tendenziell sinkt, müssen immer neue Waren auf den Markt, ob die Verbraucher sie brauchen oder nicht. Dass sie sie brauchen, wird ihnen durch Marketing- und Werbe-Kampagnen suggeriert.
Verbraucherschützer und Gesetzgeber hecheln immer wieder dem „technischen Fortschritt“ hinterher, ohne ihn je einholen zu können.
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Montag, 13. Februar 2023
Finanzberater Scheuer
jf.bremen, 16:32h
Die Bundesregierung will 3 Milliarden Euro zum Ausbau von Fernwärme-Netzen zur Verfügung stellen. Wie schön! Nur leider kommt das für die Abwicklung zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) mit der Bearbeitung der Förderanträge nicht nach.
Investoren stehen mit ausgearbeiteten Projekten in den Startlöchern. Nur, solange sie keine Bewilligung vom Amt haben, können sie nicht anfangen. Das sieht – mit gutem Grund – das Haushaltsrecht vor.
Ein Ausweg wäre ein „vorzeitiger Maßnahmenbeginn“ in der Hoffnung auf Bewilligung durch das Bafa. Der Pferdefuß: das geschähe mit dem Risiko für den Investor bei Nichtbewilligung auf den Kosten sitzen zu bleiben.
...........................
Nun schlage ich vor, sich bei Ex-Verkehrsminister Scheuer zu erkundigen, wie man das Hindernis aus dem Weg räumen kann. Im Vorgriff auf eine erwartete Bewilligung durch den Bundestag hat er eine halbe Milliarde Euro für die Projektierung der Autobahnmaut verbrannt. Die Bewilligung kam nie und das Geld ist weg. Scheuer musste nicht einmal ein blaues Auge beklagen.
Investoren stehen mit ausgearbeiteten Projekten in den Startlöchern. Nur, solange sie keine Bewilligung vom Amt haben, können sie nicht anfangen. Das sieht – mit gutem Grund – das Haushaltsrecht vor.
Ein Ausweg wäre ein „vorzeitiger Maßnahmenbeginn“ in der Hoffnung auf Bewilligung durch das Bafa. Der Pferdefuß: das geschähe mit dem Risiko für den Investor bei Nichtbewilligung auf den Kosten sitzen zu bleiben.
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Nun schlage ich vor, sich bei Ex-Verkehrsminister Scheuer zu erkundigen, wie man das Hindernis aus dem Weg räumen kann. Im Vorgriff auf eine erwartete Bewilligung durch den Bundestag hat er eine halbe Milliarde Euro für die Projektierung der Autobahnmaut verbrannt. Die Bewilligung kam nie und das Geld ist weg. Scheuer musste nicht einmal ein blaues Auge beklagen.
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Keine Angst vor Putins Hund?
jf.bremen, 16:17h
Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht sorgen sich um den Weltfrieden. Immerhin gibt es gute Gründe dafür. Nur: Die Mittel und Wege, die sie dazu vorschlagen, sind leider wenig erfolgversprechend. Sie fordern den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine und die Aufnahme von Friedenverhandlungen mit Russland. Am 25. Februar wollen sie mit einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin ihren Forderungen Nachdruck verleihen.
Wovon träumen die Damen sonst noch? Wer kann der Ukraine Waffen zur eigenen Verteidigung ernsthaft und mit gutem Gewissen verweigern? Russland würde sich sehr gerne den verbleibenden Rest des Landes einverleiben. Was den BewohnerInnen dann droht, kann in Butscha und anderen Orten besichtigt werden.
.....................
Wer will mit Putin verhandeln, der notorisch lügt, sich an keine Vereinbarungen oder eigene Zusagen hält? Frauen nimmt er sowieso nicht ernst. Die sonst so couragierte Alice Schwarzer riskiert, dass er seinen Hund auf sie hetzt. Sie soll sich bei Angela Merkel erkundigen, wie sich das anfühlt.
Die beiden Damen laufen Gefahr, sich wieder einmal eine Niederlage einzuhandeln. Zuletzt scheiterte Frau Wagenknecht mit ihrer parteiinternen Rebellion „Aufstehen“, Frau Schwarzer scheiterte schon vor Jahren mit ihrer PorNo-Kampagne.
Wovon träumen die Damen sonst noch? Wer kann der Ukraine Waffen zur eigenen Verteidigung ernsthaft und mit gutem Gewissen verweigern? Russland würde sich sehr gerne den verbleibenden Rest des Landes einverleiben. Was den BewohnerInnen dann droht, kann in Butscha und anderen Orten besichtigt werden.
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Wer will mit Putin verhandeln, der notorisch lügt, sich an keine Vereinbarungen oder eigene Zusagen hält? Frauen nimmt er sowieso nicht ernst. Die sonst so couragierte Alice Schwarzer riskiert, dass er seinen Hund auf sie hetzt. Sie soll sich bei Angela Merkel erkundigen, wie sich das anfühlt.
Die beiden Damen laufen Gefahr, sich wieder einmal eine Niederlage einzuhandeln. Zuletzt scheiterte Frau Wagenknecht mit ihrer parteiinternen Rebellion „Aufstehen“, Frau Schwarzer scheiterte schon vor Jahren mit ihrer PorNo-Kampagne.
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Sonntag, 29. Januar 2023
Dummheit und Stolz
jf.bremen, 12:18h
Vor geraumer Zeit, noch zur Zeit der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, wurde die Freigabe von Cannabis diskutiert. Eine besonders gelungene Begründung dagegen lieferte eine CDU-Frau auf die Frage eines Journalisten, warum sie gegen die Freigabe sei: Sie sei dagegen, weil Cannabis verboten sei. Tautologie (d.i. ein „Weißer Schimmel“) als politisches Denkmodell.
Dies ist ein Beispiel für Denkfaulheit – oder vielleicht schlichte Dummheit. In eine ähnliche Kategorie fällt die aktuelle Haltung des BM für Verkehr, Volker Wissing. Er fordert den Bau weiterer Autobahnen mit der Begründung, das jetzige Netz sei überlastet und es sei mit einem weiteren Anwachsen des Verkehrs zu rechnen. Seine Kollegin für die Umwelt, Steffi Lemke, argumentiert mit dem Klimaschutz und will die Bahn weiter ausbauen. Jawohl, Herr Wissing, der Ausbau der Bahn würde die Straßen entlasten und den Verkehr in eine umweltfreundliche Richtung umlenken. Die starre Logik von Wissing schließt alternative Optionen aus.
Friedrich Merz (CDU-Fraktionsvorsitzender) geht aufs Ganze, er verdreht die Wahrheit mit polemischen und falschen Argumenten. Auf dem letzten Bundesparteitag warf er Robert Harbeck vor, mit Philosophie und Kinderbüchern könne man kein Land führen. Ach so, aber mit Geldscheffeln bei Blackrock, dem Pilotenschein und einem Privatjet ließe sich das machen? Immerhin hat Harbeck mehrere Jahre ein Ministerium geführt und war Vice-Ministerpräsident, während Merz die Politik als Zuschauer aus dem 3. Rang beobachtete.
Dies ist ein Beispiel für Denkfaulheit – oder vielleicht schlichte Dummheit. In eine ähnliche Kategorie fällt die aktuelle Haltung des BM für Verkehr, Volker Wissing. Er fordert den Bau weiterer Autobahnen mit der Begründung, das jetzige Netz sei überlastet und es sei mit einem weiteren Anwachsen des Verkehrs zu rechnen. Seine Kollegin für die Umwelt, Steffi Lemke, argumentiert mit dem Klimaschutz und will die Bahn weiter ausbauen. Jawohl, Herr Wissing, der Ausbau der Bahn würde die Straßen entlasten und den Verkehr in eine umweltfreundliche Richtung umlenken. Die starre Logik von Wissing schließt alternative Optionen aus.
Friedrich Merz (CDU-Fraktionsvorsitzender) geht aufs Ganze, er verdreht die Wahrheit mit polemischen und falschen Argumenten. Auf dem letzten Bundesparteitag warf er Robert Harbeck vor, mit Philosophie und Kinderbüchern könne man kein Land führen. Ach so, aber mit Geldscheffeln bei Blackrock, dem Pilotenschein und einem Privatjet ließe sich das machen? Immerhin hat Harbeck mehrere Jahre ein Ministerium geführt und war Vice-Ministerpräsident, während Merz die Politik als Zuschauer aus dem 3. Rang beobachtete.
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Freitag, 20. Januar 2023
Es gibt Gerechtigkeit in Israel - noch
jf.bremen, 17:01h
Das oberste israelische Gericht hat entschieden: einer der designierten Minister darf das Amt nicht einnehmen. Es geht um Arje Deri, der für den Posten des Innenministers vorgesehen ist. Er ist Chef der ultraorthodoxen Schas-Partei und mehrfach mit Gefängnisstrafen vorbestraft wegen Korruption, Steuervergehen, Betrugs und Amtsmissbrauchs. (s. miniaturen vom 08.01.23)
Das Gute an der Nachricht: es gibt dort offenbar noch eine funktionierende Justiz. Allerdings will der Täter sich nicht einschüchtern lassen, sondern erklärte, die Entscheidung nicht akzeptieren zu wollen. „Wenn sie (!) die Tür vor uns zuschlagen, werden wir durchs Fenster wieder einsteigen. Wenn sie die Fenster schließen, werden wir durch die Decke einbrechen, mit Gottes Hilfe“. Also Methode Rififi.
Soviel zum demokratischen Verständnis des Ministers in spe. Natanyahu, auf Gedeih und Verderb auf die Schas-Partei angewiesen, überlegt derweil, wie er auf „legalem“ Weg Deri halten kann. Legal heißt: er will das Gesetz so ändern, dass er freie Hand hat, auch im eigenen Interesse, denn ihm droht ebenfalls ein Gerichtsverfahren wegen Korruption.
Dass das Gericht nicht ganz einsam ist, beweisen machtvolle Demonstrationen der Zivilgesellschaft gegen Netanyahus Pläne: Allein am 14.1.23 protestierten 80.000 Demonstranten dagegen, bei gut 9 Mio. Einwohnern.
Das Gute an der Nachricht: es gibt dort offenbar noch eine funktionierende Justiz. Allerdings will der Täter sich nicht einschüchtern lassen, sondern erklärte, die Entscheidung nicht akzeptieren zu wollen. „Wenn sie (!) die Tür vor uns zuschlagen, werden wir durchs Fenster wieder einsteigen. Wenn sie die Fenster schließen, werden wir durch die Decke einbrechen, mit Gottes Hilfe“. Also Methode Rififi.
Soviel zum demokratischen Verständnis des Ministers in spe. Natanyahu, auf Gedeih und Verderb auf die Schas-Partei angewiesen, überlegt derweil, wie er auf „legalem“ Weg Deri halten kann. Legal heißt: er will das Gesetz so ändern, dass er freie Hand hat, auch im eigenen Interesse, denn ihm droht ebenfalls ein Gerichtsverfahren wegen Korruption.
Dass das Gericht nicht ganz einsam ist, beweisen machtvolle Demonstrationen der Zivilgesellschaft gegen Netanyahus Pläne: Allein am 14.1.23 protestierten 80.000 Demonstranten dagegen, bei gut 9 Mio. Einwohnern.
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Freitag, 13. Januar 2023
Abschied von Gertrud Fiege
jf.bremen, 10:59h
Am 10. April 2022 starb Gertrud Fiege im Alter von 91 Jahren. Am 27. April fand in Marbach die Trauerfeier statt, auf der ihr Bruder Jürgen Fiege und ihr ehemaliger Chef Dr. Michael Davidis die Trauerrede hielten.
„Es ist alles immer schon so lange her.“ Diesen Satz prägte meine Schwester Gertrud Fiege vor einigen Monaten. Es könnte die Bilanz eines neunzigjährigen Lebens sein.
Wie schwierig das Altern ist, konnte man bei Gertrud sehen. Sie selbst hat vor Jahren gesagt: „Niemand hat uns gesagt, WIE schwer das ist.“ Die letzten Jahre konnte sie nicht mehr so recht. Es wurde immer weniger. Nicht nur der Körper versagte seinen Dienst, auch der Geist wollte nicht mehr so. Besonders litt sie darunter, dass sie sich nicht mehr aufs Lesen konzentrieren konnte. Das Fernsehen bot ihr nur wenige Möglichkeiten.
Ihr Lebensanfang war nicht gerade strahlend. „Am 3. Jan. 1931 wurde unsere Gertrud“ – drei Wochen zu früh – „geboren. Klein ist sie und sehr, sehr zart“, schrieb unsre Mutter in ihr Tagebuch. Es gab wenig Konstanz in dieser Zeit: Geboren in Denver in USA musste sie schon nach einem guten halben Jahr den Kontinent wechseln. Dann lebte die Familie einige Jahre in Göttingen, bis mein Vater 1936 nach Kiel zwangsversetzt wurde. In der Nähe besuchte sie erst die Dorfschule in Heikendorf. Zu den etwas gröber gestrickten Dorfkindern bekam sie – auch wegen deren plattdeutscher Sprache – wenig Kontakt. Dann – wieder nach einem halben Jahr – bekam die Familie eine Wohnung in Kiel, auf dem Knivsberg. Das wurde ihre Heimat für einige Jahre. Aber mitten im Krieg kam sie für mehr als ein Jahr in die Kinderlandverschickung. Zwei weitere Kriegsjahre verbrachte meine Mutter mit uns Kindern wegen der Bombenangriffe auf Kiel in Göttingen. Der Vater war Soldat. Im Dezember 1945 kehrten wir zurück nach Kiel. Sie liebte die Stadt und die Förde und die Ostsee. Das Rudern war ihre Leidenschaft.
Schon als Jugendliche und junge Frau hatte sie Gesundheitsprobleme. Die waren Folge u.a. der Überforderung während des und nach dem Krieg. In Göttingen war Mutter zur Fabrikarbeit verpflichtet worden, mit der ausdrücklichen Begründung, die Tochter, damals ein Teenager, könne auf mich aufpassen und den Haushalt führen. Die Schule lief quasi nebenher. Für mich war sie große Schwester und Mutterersatz in einem. Nach dem Krieg war Mutter viel krank, also musste Gertrud wieder einspringen. Schließlich wehrte sich ihr Körper durch Krankheit. Sie musste in der Schule ein Jahr lang aussetzen. Zusammen gerechnet mit einem Jahr Verlust durch die Kriegsfolgen – fast alle Kieler Schulen waren zerbombt oder stark beschädigt, Brennmaterial gab es nicht – ergab sich ein Verlust von zwei Jahren, so dass sie erst 1952, mit 21 Jahren das Abitur ablegte. Im Herbst 1951 war sie in Klausur zur Abi-Vorbereitung im kleinen Bauerndorf Lindhöft an der Eckernförder Bucht gegangen und hatte mich mitgenommen.
Im Sommersemester 1952 begann sie ein Studium der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Archäologie in Kiel. Jetzt begann eine Phase glücklicher Zeit. Die Kunst war ihr Leben. Ein bestimmtes Bild in der Kieler Kunsthalle – sie hat es mir Jahrzehnte später gezeigt, leider habe ich Maler und Titel vergessen – hat bei ihr den Wunsch ausgelöst, dieses Fach zu studieren. Unser Vater war liberal genug, ihr das nicht nur zu erlauben, sondern es auch zu finanzieren. Zwar machte er sich Sorgen, sie könne davon nicht leben, aber immerhin….
Während dieser Zeit nahm sie mich mit auf eine Tramptour durch Ostholstein, und ich durfte mit ihr fast alle irgendwie bedeutsamen Kirchen besichtigen: den Ratzeburger Dom, Neustädter und die Möllner Stadtkirche, die Lübecker Kirchen und, und, und …. Ein anderes Mal verbrachte sie mit mir eine Woche Ferien in Büsum, wieder am Meer, dem anderen.
Nach drei Semestern wechselte sie für zwei Semester nach Göttingen und wohnte dort bei ihrer geliebten Patentante Grete. Anschließend wechselte sie nach München, wo sie u.a. bei dem berühmte Kunsthistoriker Sedlmayr studierte – Stichwort: „Der Verlust der Mitte“. Von München aus startete sie auf dem Fahrrad mit der neu gewonnenen Freundin Irmgard zu Touren durch Oberbayern von einer Barockkirche zur anderen. Mit Irmgard machte sie auch eine Tramp-Tour nach Italien: Kunstgeschichte in Venetien und in der Toscana. Davon schwärmte sie auch im Alter immer wieder. „Die Uffizien“ und die Fahrt im Fiat 500 bei großer Hitze über den Apennin. Zwischendurch trampte sie in den Semesterferien quer durch Westdeutschland nach Hause und zurück.
Irgendetwas muss sie dabei überfordert haben. War es die Belastung durch ihre Unternehmungen, war es eine unglückliche Liebe? Ich konnte es als Teenager nur ahnen und war auch mit mir selbst beschäftigt. Jedenfalls wurde sie wieder krank und musste ihr Studium aussetzen, bzw. nach einigen Jahren abbrechen. In dieser Zeit hat sie wohl den ganzen Goethe gelesen (im Bücherschrank meiner Eltern standen die gesammelten Werke in 30 Bänden). In Erinnerung bleibt mir auch ihre Lektüre des aufgeklärten, liberal-katholischen Autors Reinhold Schneider, was zwischen uns zu kontroversen Diskussion über Religion führte. Sie wollte wohl der in sie injizierten Nazi-Ideologie etwas entgegensetzen.
Ihre Stützen waren während dieser Jahre unsere Mutter, die geduldig die täglichen Spaziergange – oft waren es nur ein-, zweihundert Meter – mit ihr absolvierte, und immer wieder die treue Irmgard, die sie regelmäßig besuchte.
Nach einer Art Kuraufenthalt mit Beschäftigungstherapie auf Sylt vermittelte Irmgard ihr den Kontakt zum Schiller-National- Museum in Marbach/Neckar. Hier bekam sie zunächst einen Werkvertrag in der Bildnis-Abteilung und arbeitete sich langsam nach oben. Über ihre Arbeit dort wird Michael Davidis berichten. Neben vielen anderen Anregungen verdanke ich ihr den Vorschlag, meine sporadisch für den Wandschmuck in meiner Studentenbude gehamsterten Plakate aufzuheben. So entstand der Grundstock für eine umfangreiche Sammlung, die ich später dem Literatur-Archiv übergab.
Der erste Aufenthalt auf Sylt legte den Grundstein für ihre lebenslange Liebe zu der Insel. Viele Jahre verbrachte sie ihren Urlaub in Klappholttal und nahm an Mal- und Schreibwerkstätten teil. Dort schloss sie auch dauerhafte Freundschaften.
Mir bleiben noch drei Dinge zu sagen: Erst als ich ihre Wohnung auflöste, wurde mir klar, wieviel sie neben ihrer Arbeit im Museum geleistet hat: Den Bestseller unter den rororo-Bildmonografien über Caspar David Friedrich mit elf überarbeiteten Auflagen à 10.000 Exemplaren, inzwischen als E-Book erhältlich
(Caspar_David_Friedrich.epub), viele Zeitschriften-Aufsätze, Gedichte. Die Bemühung, ihre Wohnadresse in Marbach zu ändern: Der Namensgeber war Nazi, und sie hat sich sehr stark gemacht, ihn durch einen anderen Autor zu ersetzen.
Dann: Intellektuell war sie ebenso wie physisch – Rudern, Radfahren, Wanderungen und Spaziergänge – sehr beweglich. Mit ihrer frühen Impfung durch Nazi-Gedankengut begann ihr Entwicklung. Nach dem Krieg dann die „Läuterung“ durch Reinhold Schneider und seit den 60er Jahren ihre linke Orientierung. Selbst zur Gewerkschafterin und Personalrätin hat sie sich gemausert.
Und schließlich eine Anekdote: Im NWDR lief sonntags um 18 Uhr klassische Musik. Dazu versammelte sich die Familie vor dem Radio. Bei den Ansagen wurde der Ton leise, wenn die Musik begann, laut gestellt. Und wir rieten, wer wohl der Komponist war. Der Musikgeschmack meiner Eltern reichte von Bach bis Brahms, Moderneres kam nicht vor. Und bei EINEM, einem jüdischen Komponisten, wurde abgeschaltet. Da holen wir etwas nach und hören jetzt Felix Mendelssohn-Bartholdys Andante aus der Symphonie Nr. 5.
Jürgen Fiege
Lieber Jürgen und liebe Gerhild Fiege, liebe Freunde und Bekannte, Kolleginnen und Kollegen von Gertrud Fiege
Die beruflichen Leistungen der Verstorbenen zu würdigen, ihre Rolle als Kollegin mit wenigen Worten zu umreißen, ist leicht und schwer zugleich. Es ist leicht, weil sie ihre Tätigkeit an einem einzigen Arbeitsplatz ausgeübt hat, in der Bildabteilung des Schiller-Nationalmuseums und Deutschen Literaturarchivs, der sie 32 Jahre lang, von 1961 bis 1993, angehört hat. Es ist schwer, weil ihr dortiges Aufgabengebiet ungemein vielfältig war. Es ist leicht, weil sie eine tüchtige, originelle und liebenswerte Kollegin war, und es ist schwer, weil jeder, der mit ihr zusammengearbeitet hat, nicht umhin kann, auch ihre Ecken und Kanten zu erwähnen.
Gertrud war die vielleicht letzte Vertreterin einer Generation, die ihre Arbeit schon in den ersten Jahren nach der Gründung des DLA aufgenommen hat, einer Generation, deren Jugend von Diktatur, Krieg und Wiederaufbau geprägt war. Gertruds Anstellung könnte man als ein Beispiel für die zuweilen unkonventionelle Personalpolitik Bernhard Zellers nehmen, dem es gelang, mit ihr eine kompetente und, da sie aus gesundheitlichen Gründen ihr Studium nicht hatte abschließen können, zugleich kostengünstige wissenschaftliche Kraft zu gewinnen. Erst sein Nachfolger Ulrich Ott hat sie in ihren letzten Dienstjahren leistungsgerecht eingestuft. Sie hat, und das war ihr Hauptverdienst, die Disziplin der Kunstgeschichte in Marbach etabliert und dort mehr als drei Jahrzehnte lang vertreten.
Die dafür erforderliche Fachkompetenz hatte sie schon in den ersten Studiensemestern an der Universität Kiel erworben, wo die Kustodin der organisatorisch mit der Universität verbundenen Kunsthalle, Lilli Martius, zu ihrer wichtigsten Lehrerin wurde. Für Martius und ihre Schüler stand die Arbeit mit Originalen und damit die Verbindung zur Museums-Praxis im Zentrum von Forschung und Lehre. Aus diesen frühen Erfahrungen resultierte unter anderem Gertruds Strenge in konservatorischen Fragen. Wer eine Graphik falsch anfasste, konnte ein regelrechtes Donnerwetter erleben. Auch beim längst überfälligen Aufbau eines funktionsgerechten Katalogs kamen ihr die Kieler Erfahrungen zugute. Die von ihr entwickelten Kategorien waren großenteils noch Jahrzehnte später, bei der Entwicklung des elektronischen Katalogs Kallías, maßgebend.
Mit sicherem Blick hat sie die besonderen Stärken der Sammlung erkannt und zur Geltung gebracht. Ich nenne nur ihre wichtigsten Leistungen auf diesem Gebiet:
Die Erstellung einer zwar auf den eigenen Bestand beschränkten, aber desto gründlicheren Schiller-Ikonographie, den gedruckten Katalog der Portrait-Unikate, das sogenannte Goldene Buch, und die Publikationen und Ausstellungen zu zwei bedeutenden künstlerischen Personalbeständen des Hauses, den Werken der Malerin Ludovike Simanowiz und der Scherenschneiderin Luise Duttenhofer. Neben dem Dienst hat sie für die Reihe "Rowohlts deutsche Enzyklopädie" den Band über Leben und Werk von Caspar David Friedrich verfasst, der es auf nicht weniger als 11 Auflagen brachte und seit kurzem sogar als E-book lieferbar ist. Bei all ihren Büchern, Aufsätzen und Ausstellungstexten war ihr wichtig, sich auch Nichtfachleuten verständlich zu machen.
Ihr besonderes Interesse galt der Plakatsammlung, insbesondere deren wertvollstem Teil, der Sammlung Marlinger, einem Bestand politischer Plakate aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, die sie wiederholt und mit großem Erfolg jugendlichen Besuchern präsentierte.
Das Archiv war für sie nicht nur Arbeitsplatz, sondern Lebenszentrum. Im Kollegenkreis war sie, auch durch ihre norddeutsche Prägung, eine aparte Erscheinung. Ohne ihre regelmäßigen kleinen Fluchten in den Norden, vor allem nach Klappholttal auf Sylt, wäre sie unglücklich geworden. In Schwaben ist sie nie so recht heimisch geworden, auch sprachlich nicht. Zum Amusement unseres Photographenmeisters verwendete sie zum Beispiel für das wichtigste Aufbewahrungsmittel von Graphiken stets das Wort "Schieblade". Und ein argloses Paar, das ihr voll Stolz eine Flohmarkt-Erwerbung präsentierte, erschreckte sie durch den spontanen Ausruf: "Dieses Bild ist ges-tohlen!" Es handelte sich tatsächlich um ein bei einem der vielen Magazin-Umzüge abhanden gekommenes kleines Gemälde aus dem Museumsbestand.
In betrieblichen Fragen konnte sie einen bemerkenswerten Kampfgeist entwickeln. Als Gewerkschaftsmitglied pochte sie konsequent auf Mitbestimmung, übernahm zeitweise auch Funktionen. So sorgte sie zum Beispiel dafür, dass für eine Urabstimmung unter weniger als einem Dutzend organisierter Angestellter eine Wahlurne aus dem Rathaus besorgt wurde. Dass sie energisch für Frauenrechte eintrat, versteht sich. Das schloss allerdings nicht aus, dass sie gegenüber ihren Kolleginnen bisweilen in ein gewisses Konkurrenzdenken verfiel. Mit Männern kam sie, so mein Eindruck, im Grunde besser zurecht.
Die für die Kunstbestände zuständige Abteilung betrachtete sie als eine unantastbare Korporation, die intern absolute Solidarität und nach außen hin ein geschlossenes Auftreten verlangte. Das war wohl auch der stets prekären Stellung dieser Arbeitsgruppe geschuldet, die, gemessen an den zu betreuenden Beständen und den zu bewältigenden Aufgaben, noch heute unterbesetzt ist. Aus der Tatsache, dass Gertruds langjähriger Chef Walter Scheffler wichtige Aufgaben außerhalb der Abteilung zu erfüllen hatte, erwuchs ihr eine gewisse Selbständigkeit und Leitungsverantwortung. Spannungen ließen sich da nie ganz vermeiden. Als Scheffler in den Ruhestand trat, war ihr, wie sie selbst zugab, die Arbeit längst über den Kopf gewachsen.
Für mich als Schefflers Nachfolger war es nicht ganz leicht, sie in ein neues Organisationskonzept einzubinden. Flexibilität war nicht gerade ihre hervorstechende Eigenschaft. Doch waren ihre kritischen Einwendungen immer bedenkenswert, und man konnte bis zuletzt viel von ihr lernen, auch als sie im Ruhestand noch regelmäßig im Benutzerraum arbeitete. Ihr Eigensinn, der erst im hohen Alter einer gewissen Toleranz gewichen war, hat sich ganz zuletzt doch noch bewährt, indem sie es schaffte, den ersehnten Abschied von einem Leben, das ihr zunehmend als Bürde erschien, durch eine konsequente Verweigerung der Nahrungsaufnahme zumindest ein wenig zu beschleunigen.
Was bleibt? Die Leistung von Museumsleuten verbirgt sich, sieht man von spektakulären Erwerbungen ab, in den von ihnen betreuten Sammlung, in deren Ordnung und Erschließung, und sie steckt zudem in den Arbeiten der von ihnen betreuten Benutzer. Das gilt auch für Gertrud Fiege als Kuratorin einer nicht unbedeutenden Kunstsammlung. Lassen Sie mich noch eine kleine Begebenheit schildern: Marbach besitzt einen relativ umfangreichen Teilnachlass des Malers Ludwig von Gleichen-Rußwurm, eines Enkels von Friedrich Schiller. Ihm hat Gertrud kurz nach ihrem Eintritt in den Ruhestand eine kleine Ausstellung im Marbacher Rathaus gewidmet. Nun ist gegenwärtig in Würzburg, aus Weimar übernommen, eine große Ausstellung dieses Künstlers zu sehen, und die Organisatoren haben mich eingeladen, zum Begleitprogramm einen Vortrag beizusteuern. Ich habe deshalb ein wenig geforscht und war mir sicher, dabei so manches Neue entdeckt zu haben. Beim Durchsehen des einschlägigen Bestands im Graphik-Magazin fiel mir, als Beilage zu einer Zeichnung Gleichen-Rußwurms, ein Zettel in die Hand, auf dem Gertrud in ihrer unverwechselbaren Handschrift einiges von dem vermerkt hatte, was mir so neu erschienen war. Sie hatte es längst vor mir herausgefunden, festgehalten und als Botschaft an die nach ihr Kommenden in die "Schieblade" praktiziert. Leider konnte ich ihr von diesem Fund nicht mehr berichten.
Ähnliche Zettel hatte ich schon während meiner Dienstzeit des Öfteren entdeckt, und mich mitunter über diese doch arg behelfsmäßige Art der Informationsspeicherung geärgert. Doch auch in solchen Formen der Weitergabe von Fachwissen beweist sich die für die Arbeit an einer musealen Sammlung unabdingbare Kontinuität. Mag Gertrud nach ihrem Wunsch auch anonym beigesetzt werden, im Deutschen Literaturarchiv hat sie eine deutliche Spur hinterlassen. Und wenn die Marbacher Kunstsammlungen, unabhängig davon, wie sie jeweils benannt werden oder organisiert sind, keinen ganz schlechten Ruf in der Welt der Kunst und Wissenschaft genießen, dann ist das zu einem guten Teil ihr zu verdanken.“
Dr. Michael Davidis
Jürgen Fiege: „An dieser Stelle möchte ich allen Weg-Gefährtinnen und –Gefährten von Gertrud danken, namentlich Annemarie und Jochen Meyer, Cäcilie und Michael Davidis und Gotthard Mann.
Zum Schluss hören wir auf Gertruds ausdrücklichen Wunsch: Franz Schubert ‚Du holde Kunst‘“.
„Es ist alles immer schon so lange her.“ Diesen Satz prägte meine Schwester Gertrud Fiege vor einigen Monaten. Es könnte die Bilanz eines neunzigjährigen Lebens sein.
Wie schwierig das Altern ist, konnte man bei Gertrud sehen. Sie selbst hat vor Jahren gesagt: „Niemand hat uns gesagt, WIE schwer das ist.“ Die letzten Jahre konnte sie nicht mehr so recht. Es wurde immer weniger. Nicht nur der Körper versagte seinen Dienst, auch der Geist wollte nicht mehr so. Besonders litt sie darunter, dass sie sich nicht mehr aufs Lesen konzentrieren konnte. Das Fernsehen bot ihr nur wenige Möglichkeiten.
Ihr Lebensanfang war nicht gerade strahlend. „Am 3. Jan. 1931 wurde unsere Gertrud“ – drei Wochen zu früh – „geboren. Klein ist sie und sehr, sehr zart“, schrieb unsre Mutter in ihr Tagebuch. Es gab wenig Konstanz in dieser Zeit: Geboren in Denver in USA musste sie schon nach einem guten halben Jahr den Kontinent wechseln. Dann lebte die Familie einige Jahre in Göttingen, bis mein Vater 1936 nach Kiel zwangsversetzt wurde. In der Nähe besuchte sie erst die Dorfschule in Heikendorf. Zu den etwas gröber gestrickten Dorfkindern bekam sie – auch wegen deren plattdeutscher Sprache – wenig Kontakt. Dann – wieder nach einem halben Jahr – bekam die Familie eine Wohnung in Kiel, auf dem Knivsberg. Das wurde ihre Heimat für einige Jahre. Aber mitten im Krieg kam sie für mehr als ein Jahr in die Kinderlandverschickung. Zwei weitere Kriegsjahre verbrachte meine Mutter mit uns Kindern wegen der Bombenangriffe auf Kiel in Göttingen. Der Vater war Soldat. Im Dezember 1945 kehrten wir zurück nach Kiel. Sie liebte die Stadt und die Förde und die Ostsee. Das Rudern war ihre Leidenschaft.
Schon als Jugendliche und junge Frau hatte sie Gesundheitsprobleme. Die waren Folge u.a. der Überforderung während des und nach dem Krieg. In Göttingen war Mutter zur Fabrikarbeit verpflichtet worden, mit der ausdrücklichen Begründung, die Tochter, damals ein Teenager, könne auf mich aufpassen und den Haushalt führen. Die Schule lief quasi nebenher. Für mich war sie große Schwester und Mutterersatz in einem. Nach dem Krieg war Mutter viel krank, also musste Gertrud wieder einspringen. Schließlich wehrte sich ihr Körper durch Krankheit. Sie musste in der Schule ein Jahr lang aussetzen. Zusammen gerechnet mit einem Jahr Verlust durch die Kriegsfolgen – fast alle Kieler Schulen waren zerbombt oder stark beschädigt, Brennmaterial gab es nicht – ergab sich ein Verlust von zwei Jahren, so dass sie erst 1952, mit 21 Jahren das Abitur ablegte. Im Herbst 1951 war sie in Klausur zur Abi-Vorbereitung im kleinen Bauerndorf Lindhöft an der Eckernförder Bucht gegangen und hatte mich mitgenommen.
Im Sommersemester 1952 begann sie ein Studium der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Archäologie in Kiel. Jetzt begann eine Phase glücklicher Zeit. Die Kunst war ihr Leben. Ein bestimmtes Bild in der Kieler Kunsthalle – sie hat es mir Jahrzehnte später gezeigt, leider habe ich Maler und Titel vergessen – hat bei ihr den Wunsch ausgelöst, dieses Fach zu studieren. Unser Vater war liberal genug, ihr das nicht nur zu erlauben, sondern es auch zu finanzieren. Zwar machte er sich Sorgen, sie könne davon nicht leben, aber immerhin….
Während dieser Zeit nahm sie mich mit auf eine Tramptour durch Ostholstein, und ich durfte mit ihr fast alle irgendwie bedeutsamen Kirchen besichtigen: den Ratzeburger Dom, Neustädter und die Möllner Stadtkirche, die Lübecker Kirchen und, und, und …. Ein anderes Mal verbrachte sie mit mir eine Woche Ferien in Büsum, wieder am Meer, dem anderen.
Nach drei Semestern wechselte sie für zwei Semester nach Göttingen und wohnte dort bei ihrer geliebten Patentante Grete. Anschließend wechselte sie nach München, wo sie u.a. bei dem berühmte Kunsthistoriker Sedlmayr studierte – Stichwort: „Der Verlust der Mitte“. Von München aus startete sie auf dem Fahrrad mit der neu gewonnenen Freundin Irmgard zu Touren durch Oberbayern von einer Barockkirche zur anderen. Mit Irmgard machte sie auch eine Tramp-Tour nach Italien: Kunstgeschichte in Venetien und in der Toscana. Davon schwärmte sie auch im Alter immer wieder. „Die Uffizien“ und die Fahrt im Fiat 500 bei großer Hitze über den Apennin. Zwischendurch trampte sie in den Semesterferien quer durch Westdeutschland nach Hause und zurück.
Irgendetwas muss sie dabei überfordert haben. War es die Belastung durch ihre Unternehmungen, war es eine unglückliche Liebe? Ich konnte es als Teenager nur ahnen und war auch mit mir selbst beschäftigt. Jedenfalls wurde sie wieder krank und musste ihr Studium aussetzen, bzw. nach einigen Jahren abbrechen. In dieser Zeit hat sie wohl den ganzen Goethe gelesen (im Bücherschrank meiner Eltern standen die gesammelten Werke in 30 Bänden). In Erinnerung bleibt mir auch ihre Lektüre des aufgeklärten, liberal-katholischen Autors Reinhold Schneider, was zwischen uns zu kontroversen Diskussion über Religion führte. Sie wollte wohl der in sie injizierten Nazi-Ideologie etwas entgegensetzen.
Ihre Stützen waren während dieser Jahre unsere Mutter, die geduldig die täglichen Spaziergange – oft waren es nur ein-, zweihundert Meter – mit ihr absolvierte, und immer wieder die treue Irmgard, die sie regelmäßig besuchte.
Nach einer Art Kuraufenthalt mit Beschäftigungstherapie auf Sylt vermittelte Irmgard ihr den Kontakt zum Schiller-National- Museum in Marbach/Neckar. Hier bekam sie zunächst einen Werkvertrag in der Bildnis-Abteilung und arbeitete sich langsam nach oben. Über ihre Arbeit dort wird Michael Davidis berichten. Neben vielen anderen Anregungen verdanke ich ihr den Vorschlag, meine sporadisch für den Wandschmuck in meiner Studentenbude gehamsterten Plakate aufzuheben. So entstand der Grundstock für eine umfangreiche Sammlung, die ich später dem Literatur-Archiv übergab.
Der erste Aufenthalt auf Sylt legte den Grundstein für ihre lebenslange Liebe zu der Insel. Viele Jahre verbrachte sie ihren Urlaub in Klappholttal und nahm an Mal- und Schreibwerkstätten teil. Dort schloss sie auch dauerhafte Freundschaften.
Mir bleiben noch drei Dinge zu sagen: Erst als ich ihre Wohnung auflöste, wurde mir klar, wieviel sie neben ihrer Arbeit im Museum geleistet hat: Den Bestseller unter den rororo-Bildmonografien über Caspar David Friedrich mit elf überarbeiteten Auflagen à 10.000 Exemplaren, inzwischen als E-Book erhältlich
(Caspar_David_Friedrich.epub), viele Zeitschriften-Aufsätze, Gedichte. Die Bemühung, ihre Wohnadresse in Marbach zu ändern: Der Namensgeber war Nazi, und sie hat sich sehr stark gemacht, ihn durch einen anderen Autor zu ersetzen.
Dann: Intellektuell war sie ebenso wie physisch – Rudern, Radfahren, Wanderungen und Spaziergänge – sehr beweglich. Mit ihrer frühen Impfung durch Nazi-Gedankengut begann ihr Entwicklung. Nach dem Krieg dann die „Läuterung“ durch Reinhold Schneider und seit den 60er Jahren ihre linke Orientierung. Selbst zur Gewerkschafterin und Personalrätin hat sie sich gemausert.
Und schließlich eine Anekdote: Im NWDR lief sonntags um 18 Uhr klassische Musik. Dazu versammelte sich die Familie vor dem Radio. Bei den Ansagen wurde der Ton leise, wenn die Musik begann, laut gestellt. Und wir rieten, wer wohl der Komponist war. Der Musikgeschmack meiner Eltern reichte von Bach bis Brahms, Moderneres kam nicht vor. Und bei EINEM, einem jüdischen Komponisten, wurde abgeschaltet. Da holen wir etwas nach und hören jetzt Felix Mendelssohn-Bartholdys Andante aus der Symphonie Nr. 5.
Jürgen Fiege
Lieber Jürgen und liebe Gerhild Fiege, liebe Freunde und Bekannte, Kolleginnen und Kollegen von Gertrud Fiege
Die beruflichen Leistungen der Verstorbenen zu würdigen, ihre Rolle als Kollegin mit wenigen Worten zu umreißen, ist leicht und schwer zugleich. Es ist leicht, weil sie ihre Tätigkeit an einem einzigen Arbeitsplatz ausgeübt hat, in der Bildabteilung des Schiller-Nationalmuseums und Deutschen Literaturarchivs, der sie 32 Jahre lang, von 1961 bis 1993, angehört hat. Es ist schwer, weil ihr dortiges Aufgabengebiet ungemein vielfältig war. Es ist leicht, weil sie eine tüchtige, originelle und liebenswerte Kollegin war, und es ist schwer, weil jeder, der mit ihr zusammengearbeitet hat, nicht umhin kann, auch ihre Ecken und Kanten zu erwähnen.
Gertrud war die vielleicht letzte Vertreterin einer Generation, die ihre Arbeit schon in den ersten Jahren nach der Gründung des DLA aufgenommen hat, einer Generation, deren Jugend von Diktatur, Krieg und Wiederaufbau geprägt war. Gertruds Anstellung könnte man als ein Beispiel für die zuweilen unkonventionelle Personalpolitik Bernhard Zellers nehmen, dem es gelang, mit ihr eine kompetente und, da sie aus gesundheitlichen Gründen ihr Studium nicht hatte abschließen können, zugleich kostengünstige wissenschaftliche Kraft zu gewinnen. Erst sein Nachfolger Ulrich Ott hat sie in ihren letzten Dienstjahren leistungsgerecht eingestuft. Sie hat, und das war ihr Hauptverdienst, die Disziplin der Kunstgeschichte in Marbach etabliert und dort mehr als drei Jahrzehnte lang vertreten.
Die dafür erforderliche Fachkompetenz hatte sie schon in den ersten Studiensemestern an der Universität Kiel erworben, wo die Kustodin der organisatorisch mit der Universität verbundenen Kunsthalle, Lilli Martius, zu ihrer wichtigsten Lehrerin wurde. Für Martius und ihre Schüler stand die Arbeit mit Originalen und damit die Verbindung zur Museums-Praxis im Zentrum von Forschung und Lehre. Aus diesen frühen Erfahrungen resultierte unter anderem Gertruds Strenge in konservatorischen Fragen. Wer eine Graphik falsch anfasste, konnte ein regelrechtes Donnerwetter erleben. Auch beim längst überfälligen Aufbau eines funktionsgerechten Katalogs kamen ihr die Kieler Erfahrungen zugute. Die von ihr entwickelten Kategorien waren großenteils noch Jahrzehnte später, bei der Entwicklung des elektronischen Katalogs Kallías, maßgebend.
Mit sicherem Blick hat sie die besonderen Stärken der Sammlung erkannt und zur Geltung gebracht. Ich nenne nur ihre wichtigsten Leistungen auf diesem Gebiet:
Die Erstellung einer zwar auf den eigenen Bestand beschränkten, aber desto gründlicheren Schiller-Ikonographie, den gedruckten Katalog der Portrait-Unikate, das sogenannte Goldene Buch, und die Publikationen und Ausstellungen zu zwei bedeutenden künstlerischen Personalbeständen des Hauses, den Werken der Malerin Ludovike Simanowiz und der Scherenschneiderin Luise Duttenhofer. Neben dem Dienst hat sie für die Reihe "Rowohlts deutsche Enzyklopädie" den Band über Leben und Werk von Caspar David Friedrich verfasst, der es auf nicht weniger als 11 Auflagen brachte und seit kurzem sogar als E-book lieferbar ist. Bei all ihren Büchern, Aufsätzen und Ausstellungstexten war ihr wichtig, sich auch Nichtfachleuten verständlich zu machen.
Ihr besonderes Interesse galt der Plakatsammlung, insbesondere deren wertvollstem Teil, der Sammlung Marlinger, einem Bestand politischer Plakate aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, die sie wiederholt und mit großem Erfolg jugendlichen Besuchern präsentierte.
Das Archiv war für sie nicht nur Arbeitsplatz, sondern Lebenszentrum. Im Kollegenkreis war sie, auch durch ihre norddeutsche Prägung, eine aparte Erscheinung. Ohne ihre regelmäßigen kleinen Fluchten in den Norden, vor allem nach Klappholttal auf Sylt, wäre sie unglücklich geworden. In Schwaben ist sie nie so recht heimisch geworden, auch sprachlich nicht. Zum Amusement unseres Photographenmeisters verwendete sie zum Beispiel für das wichtigste Aufbewahrungsmittel von Graphiken stets das Wort "Schieblade". Und ein argloses Paar, das ihr voll Stolz eine Flohmarkt-Erwerbung präsentierte, erschreckte sie durch den spontanen Ausruf: "Dieses Bild ist ges-tohlen!" Es handelte sich tatsächlich um ein bei einem der vielen Magazin-Umzüge abhanden gekommenes kleines Gemälde aus dem Museumsbestand.
In betrieblichen Fragen konnte sie einen bemerkenswerten Kampfgeist entwickeln. Als Gewerkschaftsmitglied pochte sie konsequent auf Mitbestimmung, übernahm zeitweise auch Funktionen. So sorgte sie zum Beispiel dafür, dass für eine Urabstimmung unter weniger als einem Dutzend organisierter Angestellter eine Wahlurne aus dem Rathaus besorgt wurde. Dass sie energisch für Frauenrechte eintrat, versteht sich. Das schloss allerdings nicht aus, dass sie gegenüber ihren Kolleginnen bisweilen in ein gewisses Konkurrenzdenken verfiel. Mit Männern kam sie, so mein Eindruck, im Grunde besser zurecht.
Die für die Kunstbestände zuständige Abteilung betrachtete sie als eine unantastbare Korporation, die intern absolute Solidarität und nach außen hin ein geschlossenes Auftreten verlangte. Das war wohl auch der stets prekären Stellung dieser Arbeitsgruppe geschuldet, die, gemessen an den zu betreuenden Beständen und den zu bewältigenden Aufgaben, noch heute unterbesetzt ist. Aus der Tatsache, dass Gertruds langjähriger Chef Walter Scheffler wichtige Aufgaben außerhalb der Abteilung zu erfüllen hatte, erwuchs ihr eine gewisse Selbständigkeit und Leitungsverantwortung. Spannungen ließen sich da nie ganz vermeiden. Als Scheffler in den Ruhestand trat, war ihr, wie sie selbst zugab, die Arbeit längst über den Kopf gewachsen.
Für mich als Schefflers Nachfolger war es nicht ganz leicht, sie in ein neues Organisationskonzept einzubinden. Flexibilität war nicht gerade ihre hervorstechende Eigenschaft. Doch waren ihre kritischen Einwendungen immer bedenkenswert, und man konnte bis zuletzt viel von ihr lernen, auch als sie im Ruhestand noch regelmäßig im Benutzerraum arbeitete. Ihr Eigensinn, der erst im hohen Alter einer gewissen Toleranz gewichen war, hat sich ganz zuletzt doch noch bewährt, indem sie es schaffte, den ersehnten Abschied von einem Leben, das ihr zunehmend als Bürde erschien, durch eine konsequente Verweigerung der Nahrungsaufnahme zumindest ein wenig zu beschleunigen.
Was bleibt? Die Leistung von Museumsleuten verbirgt sich, sieht man von spektakulären Erwerbungen ab, in den von ihnen betreuten Sammlung, in deren Ordnung und Erschließung, und sie steckt zudem in den Arbeiten der von ihnen betreuten Benutzer. Das gilt auch für Gertrud Fiege als Kuratorin einer nicht unbedeutenden Kunstsammlung. Lassen Sie mich noch eine kleine Begebenheit schildern: Marbach besitzt einen relativ umfangreichen Teilnachlass des Malers Ludwig von Gleichen-Rußwurm, eines Enkels von Friedrich Schiller. Ihm hat Gertrud kurz nach ihrem Eintritt in den Ruhestand eine kleine Ausstellung im Marbacher Rathaus gewidmet. Nun ist gegenwärtig in Würzburg, aus Weimar übernommen, eine große Ausstellung dieses Künstlers zu sehen, und die Organisatoren haben mich eingeladen, zum Begleitprogramm einen Vortrag beizusteuern. Ich habe deshalb ein wenig geforscht und war mir sicher, dabei so manches Neue entdeckt zu haben. Beim Durchsehen des einschlägigen Bestands im Graphik-Magazin fiel mir, als Beilage zu einer Zeichnung Gleichen-Rußwurms, ein Zettel in die Hand, auf dem Gertrud in ihrer unverwechselbaren Handschrift einiges von dem vermerkt hatte, was mir so neu erschienen war. Sie hatte es längst vor mir herausgefunden, festgehalten und als Botschaft an die nach ihr Kommenden in die "Schieblade" praktiziert. Leider konnte ich ihr von diesem Fund nicht mehr berichten.
Ähnliche Zettel hatte ich schon während meiner Dienstzeit des Öfteren entdeckt, und mich mitunter über diese doch arg behelfsmäßige Art der Informationsspeicherung geärgert. Doch auch in solchen Formen der Weitergabe von Fachwissen beweist sich die für die Arbeit an einer musealen Sammlung unabdingbare Kontinuität. Mag Gertrud nach ihrem Wunsch auch anonym beigesetzt werden, im Deutschen Literaturarchiv hat sie eine deutliche Spur hinterlassen. Und wenn die Marbacher Kunstsammlungen, unabhängig davon, wie sie jeweils benannt werden oder organisiert sind, keinen ganz schlechten Ruf in der Welt der Kunst und Wissenschaft genießen, dann ist das zu einem guten Teil ihr zu verdanken.“
Dr. Michael Davidis
Jürgen Fiege: „An dieser Stelle möchte ich allen Weg-Gefährtinnen und –Gefährten von Gertrud danken, namentlich Annemarie und Jochen Meyer, Cäcilie und Michael Davidis und Gotthard Mann.
Zum Schluss hören wir auf Gertruds ausdrücklichen Wunsch: Franz Schubert ‚Du holde Kunst‘“.
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Sonntag, 8. Januar 2023
Wann ist man alt?
jf.bremen, 06:05h
Manche sagen, man sei alt, wenn man beim Bücken sucht, ob es etwas außer der heruntergefallenen Zeitung gibt, was man zugleich aufheben kann.
Ich sage, man ist alt, wenn einem in kurzem Abstand zwei Ärzte ähnliche Diagnosen liefern. Neulich ließ ich – wie alle fünf Jahre – eine Darmspiegelung machen. Der Arzt beruhigte mich, es sei alles in Ordnung. Ich versicherte ihm, ich würde in fünf Jahren, also mit 85, wiederkommen. Darauf er: „In dem Alter machen wir das nicht mehr.“
Wenig später ging ich mit Zahnschmerzen zu meinem Zahnarzt. Diagnose: Unter dem Zahn befinde sich eine Entzündung. Die könne er lindern, aber nicht beseitigen. Wenn die Schmerzen anhalten, müsse der Zahn gezogen werden. Ich schlug vor, dann einen Stiftzahn zu implantieren. Darauf er: „Nein in Ihrem Alter macht man das nicht mehr.“
Genau. Ein Schrottauto wird auch nicht mehr repariert.
Ich sage, man ist alt, wenn einem in kurzem Abstand zwei Ärzte ähnliche Diagnosen liefern. Neulich ließ ich – wie alle fünf Jahre – eine Darmspiegelung machen. Der Arzt beruhigte mich, es sei alles in Ordnung. Ich versicherte ihm, ich würde in fünf Jahren, also mit 85, wiederkommen. Darauf er: „In dem Alter machen wir das nicht mehr.“
Wenig später ging ich mit Zahnschmerzen zu meinem Zahnarzt. Diagnose: Unter dem Zahn befinde sich eine Entzündung. Die könne er lindern, aber nicht beseitigen. Wenn die Schmerzen anhalten, müsse der Zahn gezogen werden. Ich schlug vor, dann einen Stiftzahn zu implantieren. Darauf er: „Nein in Ihrem Alter macht man das nicht mehr.“
Genau. Ein Schrottauto wird auch nicht mehr repariert.
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Freitag, 25. November 2022
Beruf: Schönfärber
jf.bremen, 22:41h
Wenn man ein negatives Phänomen positiv beschreibt, nennt man das einen Euphemismus. Deutsch kann man das als Schönfärberei übersetzen. Unsere Gegenwart ist besonders erfinderisch bei Euphemismen.
Der russische Überfall auf die Ukraine ist kein Krieg, sondern eine "militärische Spezialoperation". Was, bitte, ist dann ein Krieg? Wer in Russland von Krieg spricht, wird mit Gefängnis bestraft. Was, wenn man den Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion als militärische Spezialoperation bezeichnet, der 22 Millionen Sowjetbürger das Leben kostete?
Harmlosere Beispiel sind: Schulden heißen jetzt im Politikersprech "Sondervermögen". Früher hieß sowas schwarze Kasse und war streng verboten. Das Sondervermögen muss nur groß genug sein - so einige hundert Milliarden - dann geht das in Ordnung.
Auch der vertrackte Hartz IV, unter dem hunderttausende ächzen, heißt jetzt Bürgergeld und ist 50 Euro mehr, die aber reichlich von der Inflation aufgebraucht werden. Ein Null-Summen-Spiel.
Der russische Überfall auf die Ukraine ist kein Krieg, sondern eine "militärische Spezialoperation". Was, bitte, ist dann ein Krieg? Wer in Russland von Krieg spricht, wird mit Gefängnis bestraft. Was, wenn man den Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion als militärische Spezialoperation bezeichnet, der 22 Millionen Sowjetbürger das Leben kostete?
Harmlosere Beispiel sind: Schulden heißen jetzt im Politikersprech "Sondervermögen". Früher hieß sowas schwarze Kasse und war streng verboten. Das Sondervermögen muss nur groß genug sein - so einige hundert Milliarden - dann geht das in Ordnung.
Auch der vertrackte Hartz IV, unter dem hunderttausende ächzen, heißt jetzt Bürgergeld und ist 50 Euro mehr, die aber reichlich von der Inflation aufgebraucht werden. Ein Null-Summen-Spiel.
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Donnerstag, 24. November 2022
Kleinigkeiten statt Kirchen-Reform
jf.bremen, 13:31h
800.000 Menschen stehen im Dienst der katholischen Kirche. Da sind diejenigen, die z.B. wie Pastoren "verkündigungsnah" arbeiten, nicht eingeschlossen. Für diese 800.000 gelten bestimmte allgemeine gesetzliche Regeln nicht. Das sind Ärzte, ErzieherInnen, PflegerInnen u.a.
Das Dienstverhältnis wird durch den sog "Dritten Weg" geregelt, der von einem harmonischen Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgeht. Sie dürfen z.B. nicht streiken, haben keine Arbeitnehmervertretung, wie sie im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen ist. (Das gilt auch für die evangelischen Kirchen.)
Hinzu kommen besondere Regeln: Gleichgeschlechtlich Lebende dürfen nicht beschäftigt werden. Alle müssen Mitglied der Kirche sein. Wer nach einer Scheidung wieder heiratet, wird entlassen. Das gilt ebenso für jemanden, der sich "kirchenfeindlich betätigt". Ein ganz schwammiger, interpretierbarer Begriff. Darunter kann gemeint sein, wer die Kirche kritisiert.
Nun verkündete ein Kirchenmann stolz, man habe einige Regeln geändert, z.B. das Verbot gleichgeschlechtlicher Heirat oder der Heirat nach einer Scheidung. Gut, das sind Krümel, aber noch lange nicht das ganze Brot.
Problematisch ist auch die Umsetzung. Die bleibt den Bistümern überlassen. Lasst uns mal sehen, was zwischen Altötting und Paderborn passiert.
Das Dienstverhältnis wird durch den sog "Dritten Weg" geregelt, der von einem harmonischen Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgeht. Sie dürfen z.B. nicht streiken, haben keine Arbeitnehmervertretung, wie sie im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen ist. (Das gilt auch für die evangelischen Kirchen.)
Hinzu kommen besondere Regeln: Gleichgeschlechtlich Lebende dürfen nicht beschäftigt werden. Alle müssen Mitglied der Kirche sein. Wer nach einer Scheidung wieder heiratet, wird entlassen. Das gilt ebenso für jemanden, der sich "kirchenfeindlich betätigt". Ein ganz schwammiger, interpretierbarer Begriff. Darunter kann gemeint sein, wer die Kirche kritisiert.
Nun verkündete ein Kirchenmann stolz, man habe einige Regeln geändert, z.B. das Verbot gleichgeschlechtlicher Heirat oder der Heirat nach einer Scheidung. Gut, das sind Krümel, aber noch lange nicht das ganze Brot.
Problematisch ist auch die Umsetzung. Die bleibt den Bistümern überlassen. Lasst uns mal sehen, was zwischen Altötting und Paderborn passiert.
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