Sonntag, 5. September 2021
Usbekistan: Politik
Ein Jahr nach dem Austritt Usbekistans aus der Sowjetunion wurde eine Verfassung mit einem Präsidialsystem verabschiedet, die sich an westlichen Verfassungen orientiert, aber im Unterschied zu diesen eine starke Dominanz des Präsidenten bestimmt. Seit Islom Kamirov gewählt wurde, herrschte er auf allen Gebieten der Politik absolut und dachte nicht daran, sich in freien Wahlen bestätigen zu lassen. Eine Amtsperiode dauert verfassungsgemäß 7 Jahre, eine einmalige Wiederwahl war möglich. Tatsächlich herrschte er 25 Jahre ununterbrochen bis zu seinem Tod 2016. Sein Nachfolger Shavkat Mirziyoy verfolgt die gleiche Politik.

Die Bevölkerung besteht zu 74% aus Usbeken, 5,5% Russen, 4,2% Tadschiken, 2% Kasachen, 2% Krimtataren sowie einer kleinen deutschen Minorität.

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Samarkand - wie aus 1001 Nacht (3)
Am DRITTEN TAG fahren wir mit dem Zug zum weiter östlichen Kokand. Am Bahnhof gibt es eine doppelte Sicherheitskontrolle, die an Schärfe der auf Flugplätzen nicht nachsteht: Passkontrolle, Leibesvisitation, Gepäck wird durchleuchtet. Dafür muss man ausreichend Zeit einplanen. Hinzukommt, dass es nirgendwo eine Anzeigetafel mit Gleisnummer und Abfahrtzeit gibt. Unser Reiseführer fragt sich durch, wobei er Uniformierte meidet und von einer Putzfrau Auskunft bekommt.

Die Plätze sind reserviert und nummeriert. Die Wagennummer muss man raten. Wir zählen von der Lokomotive nach hinten, stellen aber fest, dass die niedrigste Nummer hinten ist. Die Bahnfahrt ist angenehm, wir könne die Landschaft in Ruhe betrachten. Den 2.268 m hohen Kamchik-Pass unterfahren wir in einem langen Tunnel.

In Kokand zeigt Shukhrat die prächtigen islamischen Bauwerke, den Palast von Chudoyar-Khan, 1871 vollendet, und die Dschuma-Moschee von 1812. Dort bewundern wir die Säulenhalle. Beim Modari-Chan-Mausoleum ist ein großer Friedhof mit vielen, teils sehenswerten Mausoleen. Das Besondere der Anlage sind die "Wunderheiler" vor dem Eingang. Wer seelisch oder körperlich leidet, kann sich dort behandeln lassen. Ein Heiler spricht mit einer einzelnen Person, also etwas wie ein Psychotherapeut. Ein anderer hat eine Zuhörerschaft um sich versammelt und erzählt etwas. Andere massieren auf einfachen Bänken die Patienten. Diese Dienstleistungen sind kostenlos, es wird aber Bakschisch gegeben und angenommen.

Mit dem Auto fahren wir weiter nach Rischtan - direkt an der Grenze zu Tadschikistan - zum Besuch einer Keramik-Werkstatt. Shukhrat führt uns sachkundig und zeigt uns zusammen mit den ArbeiterInnen die wichtigsten Arbeitsprozesse. Das Bemalen einer Schale zeigt uns der Meister selbst. Er zeichnet das Muster mit einem feinen Pinsel und schwarzer Tinte freihändig vor und füllt die so entstandenen Felder farbig aus.

Er führt uns vor das Haus. Wir sehen im Osten im Mittagsdunst das Pamir-Gebirge in Kirgisistan mit seinen 5-, 6- und 7000ern. Angeblich soll man bis nach China sehen können!

Dann fragt er nach der Politik in Deutschland. Auf Geschäftsreisen in Westeuropa - er vermarktet auf Messen seine Produkte - war er in Berlin und hat eine Anti-Merkel-Demonstration gesehen. Wir versuchen ihm etwas über Deutschland und die aktuelle Situation sowie die Geschichte zu erzählen. Die Frage, ob die deutsche Vereinigung positiv oder negativ bewertet wird, beschäftigt ihn. Ich antworte: "Das kommt darauf an, wen man fragt." Er hatte eine eindeutige Antwort erwartet und ich erkläre die Widersprüche in der gegenwärtigen Situation. Auch die Flüchtlingsfrage beschäftigt ihn. Aus seiner Sicht ist das alles schwer verständlich. Die Usbeken haben seit 1865 das Zarenreich, dann ab 1917 die Sowjetunion und seit 1991 die Autokratie von Islam Kamirov erlebt. Dass eine Bundeskanzlerin nur 40% Zustimmung bei Umfragen bekommt, dicht gefolgt von anderen Politikern, auch aus der Opposition, ist für ihn schwer nachvollziehbar. Zum Schluss bedankt er sich mit Handschlag bei mir und auch Shukhrat bedankt sich, er habe viel dazugelernt. Eine ähnliche Diskussion ergibt sich später mit einem Fahrer. Offensichtlich wird die Situation in Deutschland beobachtet, es fehlen aber Detailinformationen. - Wir fahren weiter nach Fergana, wo wir übernachten.

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Mittwoch, 1. September 2021
Usbekistan: Geschichte
Die zentrale Lage des Landes in Mittelasien sowie die nomadischen Strukturen in der Region führten zu immer wechselnden Einflüssen und Eroberungen durch Indien, Persien, China, Griechen, Mongolen und Araber. Das alles detailliert darzustellen geht nicht in der gebotenen Kürze. Seit 758 beginnen die Araber die Macht anzustreben und zu missionieren. Timur (auch Tamerlan genannt) versuchte 1336 - 1405 erstmalig mit militärischen Mitteln ein zusammenhängendes usbekisches Reich zu gründen, das nach seinem Tod allerdings schnell wieder zerfiel. Danach war Usbekistan wieder wechselnden Einflüssen unterworfen. Durchgängig war aber der Islam, bis das russische Zarenreich 1865 das Land unterwarf. Mit der Revolution in Russland und der Gründung der UdSSR wurde 1918 eine Republik gebildet, seit 1924 Sowjetrepublik. 1991 trat Usbekistan aus der Sowjetunion aus.

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Usbekistan: Regierungsfeindlicher Aufstand
Im Mai 2005 gab es im Fergana-Tal im Osten des Landes Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Islam Kamirov. Im Laufe mehrerer Tage eskalierten die Aktionen und die bewaffneten "Sicherheits"-Kräfte gingen mit äußerster Gewalt - u.a. mit gepanzerten Fahrzeugen - gegen die Demonstranten vor. Es wird geschätzt, dass 400 - 600 Menschen getötet wurden. Auslöser der Unruhen waren soziale und wirtschaftliche Unzufriedenheit und Beschränkungen der Handelsfreiheit. Vorwand waren Terroranschläge. Internationale Menschenrechtsorganisationen bemängeln seit Jahrzehnten das Fehlen von Meinungs- und Veröffentlichungsfreiheit, mangelnde Wahlfreiheit, die Kinderarbeit insbesondere bei der Baumwollernte und Mängel bei der Justiz.

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Samarkand - wie aus 1001 Nacht (1, 2)
VORBEMERKUNG: Bisher habe ich meine Reisetagebücher in "miniaturen" immer erst veröffentlicht, wenn sie als Radiosendungen auf Radio Weser TV gesendet worden waren. Da eine Radiosendung über mein Usbekistan-Tagebuch z.Zt. nicht realistisch ist, und wegen der Aktualität breche ich mit dieser Tradition. In den folgenden Wochen erscheint es daher an dieser Stelle.

SAMARKAND - das war für mich immer ein Ort in einem Märchen aus 1001 Nacht. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal dorthin reisen würde!
Und doch war es so. 2018 lernte ich eher zufällig eine usbekische Bekannte, Mira, kennen. Sie eröffnete mir ihr Heimatland unvorhergesehen als touristisches Reiseziel. Meine Frau Gerhild war sofort Feuer und Flamme, damit stand die Entscheidung fest. Im Mai 2019 flogen wir zu zweit nach Usbekistan.

Ich habe wie bei früheren Reise begonnen, Tagebuch zu schreiben. Aber nicht lange. Das Reiseprogramm war so dicht und die Begleitung durch unseren Reiseführer so eng, dass wenig Zeit und Muße blieben. Am zweiten Tag habe ich noch ausführlich geschrieben, dann nur noch Stichworte, die nach der Reise ausgeführt werden mussten.

Die Reise wurde von dem usbekischen Reiseveranstalter Doca-Tours veranstaltet. Unsere kleine Zweiergruppe hatte einen Reiseführer und wechselnde Fahrer mit ihren Autos, die uns überwiegend zur Verfügung standen. Die Reise von Taschkent nach Kokand machten wir mit der Eisenbahn. Von Samarkand nach Taschkent fuhren wir in einem Schnellzug die ca. 400 km in zwei Stunden. Von Taschkent nach Nukus, 1.500 km, sind wir geflogen.

Ich werde mir die touristischen Attraktionen sparen. Die findet man in jedem Reiseführer und im Internet.
Zunächst meine Aufzeichnungen vom ZWEITEN TAG: Mir schwirrt der Kopf. Gestern Morgen waren wir noch in Bremen. Nachts hatte es leicht gefroren. Dann mittags Richtung Istanbul gestartet. Der neue Flughafen " Erdogans Prestigeobjekt " ein Konsum- und Technik-Albtraum. Wir legten eine Gedenkminute ein für die fünfzig beim Bau umgekommenen Arbeiter und die 150 für bessere Arbeitsbedingungen Streikenden, die als "Rädelsführer" ins Gefängnis geworfen wurden. Es ist - wie geplant - ein Drehkreuz zwischen Europa, Asien und Afrika. Man merkt es an den Menschen, die dort ein-, aus- und umsteigen.
Abends fliegen wir weiter nach Taschkent, die usbekische Hauptstadt, kommen spät nachts dort an. Die Zeitverschiebung zu Deutschland beträgt vier Stunden. Als wir ankommen, ist es zwei Uhr nachts, um drei sind wir im Hotel. Unser Reiseführer Shukhrat holt uns ab und begleitet uns von nun an bis zu unserem Abflug am 18. Tag. Das Hotel-Zimmer ist riesig, geschmackvoll und komfortabel.

Morgens um zehn Uhr sind wir schon wieder mit Shukhrat, unserem Guide, verabredet, und er stürzt uns in diese andere Welt. Auf den ersten Blick ist die Stadt mit über drei Millionen Einwohnern modern mit breiten, sechs- bis acht-spurigen Straßen, Hochhäusern, großzügigen Parkanlagen, viel Verkehr. Unser zweiter Blick wird auf sehr alte, aber auch moderne Sakralbauten gelenkt. Ein ganzer Stadtteil wird von Moscheen, Medressen und Mausoleen beherrscht. Neben wirklich alten Bauten ganz neue, teils noch im Entstehen, in Betonbauweise, aber im alten Stil verklinkert, auch mit Dekor. Einer der Neubauten fasst inklusive dem offenen Innenhof 10 - 12 Tausend Menschen.

Die neuen und der Unterhalt der alten Bauten werden samt Restaurierung vom Staat bezahlt. Eine Reaktion auf die Unterdrückung der Religion zu Sowjetzeiten und ein Ausdruck, die neue Unabhängigkeit zu betonen. Die wichtigsten Bauten stehen rund um den Khast-Imam-Platz: Barak-Khan-Medresse und Kaffal-Schaschi-Mausoleum aus dem 16. Jahrhundert, wo Abu Bakr Kaffal-Schaschi 926 begraben wurde.
Apropos begraben. Unser Reiseführer erwähnt in einem Stadtteil ein unterirdisches Gefängnis für "Terroristen". Er sagt das ohne Bewertung. Wir sind allerdings schockiert. Das scheint uns unmenschlich, ohne dass irgendeine Menschenrechtsorganisation darauf hinweist, vielleicht auch nicht einmal davon weiß. Mit Terroristen sind, laut Shukhrat, islamistische Attentäter gemeint. Ein zweites bei Oppositionellen gefürchtetes Gefängnis befindet sich im Westen des Landes, in der Wüste, in Jaslik. Eine Dokumentation berichtete darüber auf ARTE am 24.08.21 - in der Mediathek bis zum 21.11.21.

Im Kaffal-Schaschi-Mausoleum erwartet uns ein emotionaler Höhepunkt: der über 1000 Jahre alte Osman-Koran - ein Kunstwerk, das hier sorgfältig gehütet wird. 50 x 60 cm groß und mit großer Schrift quasi "gemalt", auf Hirschkuh-Leder mit Tinte aus natürlichen Farben. Das heilige Buch liegt in einer temperierten Vitrine, gegen zu viel Helligkeit oben abgedeckt mit einem Teppich. Der ganze Raum liegt in gedämpftem Licht. Hier weht uns ein Hauch von Ehrfurcht vor der Geschichte und dieser Kultur an. In den Seitenräumen bewundern wir eine Sammlung von Koran-Kopien aus allen Jahrhunderten in allen Größen, einer im Streichholz-Schachtel-Format. Daneben ebenso wertvolle Bücher aus anderen Fachgebieten: Medizin, Jura, Naturwissenschaften. Der Vergleich mit dem malischen Timbuktu und Tamegroute in Südmarokko drängt sich auf.

Von jetzt an und später fällt uns auf, dass nur sehr wenige Frauen Kopftücher oder gar Schleier tragen. D.h. nicht, dass die Religion keine Rolle spielt, aber die äußeren Merkmale der religiösen Frauen sind viel seltener als z.B. in Marokko. Eine Ausnahme bildete später der Wallfahrtsort in Samarkand. Dort trugen die überwiegend weiblichen Pilgerinnen fast alle Kopftücher.

Im Innenhof einer Medresse spricht mich eine junge Frau an. Sie studiert Medien und hat die Aufgabe, Touristen mit Videoaufnahme zu interviewen. Ich sage zu, nehme die Sonnenmütze ab, lege die Kamera beiseite. Shukhrat schmunzelt und bemerkt, ich solle die typischen Accessoires eines Touristen behalten. Die Frau stellt einige unbeholfene Fragen, u.a. wie ich mit dem Internet zufrieden sei. Ich kann sie nicht beantworten, weil ich gerade erst angekommen bin und z.B. gar kein internetfähiges Gerät mitführe. Sie ist leider auf ihre vorformulierten Fragen fixiert und beendet das Interview.

Ein Kontrast sind die Basare: Handwerk, Lebensmittel, Obst bzw. Gemüse, Gewürze in riesiger Auswahl. Unter der großen Kuppel des Tschorsu-Basars summt es wie in einem Bienenkorb. Die umfangreichen und großen Bauten sind modern, aber gehandelt wird dort wie seit Jahrtausenden.

Die Neustadt, in der auch der Basar liegt, ist geprägt von einem Autoverkehr, in dem ich nicht fahren möchte: dicht gedrängt fahren die Autos schnell, wuselig, ständig dezent hupend, rechts und links überholend, sich vordrängelnd, abgedrängt werden, aber sicher und entspannt. Wir besuchen den Unabhängigkeitsplatz sowie den Baukomplex der "Trauernden Mutter," die beide wegen eines auswärtigen Staatsbesuchs weiträumig gesperrt sind. Wir erhaschen nur aus der Ferne Blicke darauf. Das Opernhaus beeindruckt uns wenig, dafür umso mehr die Grünanlage mit dem Standbild Amir Timurs - allerdings negativ. Amur Timur, der von 1336 bis 1405 lebte, gilt als Nationalheld und Begründer des usbekischen Reichs, obwohl dieses bereits nach seinem Tod wieder zerfiel. Er führte eigentlich ständig Kriege gegen die umliegenden Völker und Staaten und war dabei grausam bis zum Exzess.

Die noch aus Sowjetzeit stammenden Plattenbauten unterscheiden sich wenig von denen in Ostberlin und sonst wo, wenn man mal davon absieht, dass sie hier mit traditionalistischem Dekor versehen sind.
Im Straßenbild fallen Bettler wenig auf, die vorhandene Armut ist eher verborgen. Auch Behinderte sind selten. Abends beobachten wir vom Hotelfenster aus einen Mann, der die Müllcontainer ausräumt und "Mülltrennung" vornimmt: er sortiert nach Plastik-, Metall-, Flaschen, Rest-Müll. Später sehen wir ihn mit einem Handkarren, auf dem wohl verwertbarer Müll hoch gestapelt ist.

Abends essen wir in einem Großrestaurant, in dem parallel zwei Feiern mit hunderten von Personen und zwei Musikkapellen stattfinden. Ein Höllenlärm macht eine Unterhaltung fast unmöglich. Die Menschen sind für unseren Geschmack absurd aufgetakelt. Eine Erfahrung, die sich später in den anderen Großstädten wiederholt.

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Freitag, 27. August 2021
Afghanistan: 20 Jahre trügerische Ruhe
Dienstag, 11. September 2001 verbringe ich vormittags in meinem Büro. Am Nachmittag fahre ich nach Hause. Wie üblich schalte ich das Radio ein und erleben den ersten Schock: In New York und Washington sind zwei voll besetzte Passagier-Maschinen in das World-Trade-Center und das Pentagon gesteuert worden. Die Folgen sind bekannt.

Ich bin geschockt, schalte zuhause sofort den Fernseher an und kann nicht mehr weggucken: Immer wieder sehe ich die zusammenstürzenden Tower des WTC zunächst ohne Kommentar, dann höre ich die Details. Es sterben dreitausend Menschen. Als Täter werden islamistische Terroristen benannt. Die Sicherheitsdienste haben komplett versagt, keiner hat die Ereignisse vorhergesehen.

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Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass sie einen derartigen Angriff von außen erleben. Die Großmacht ist nicht mehr unangreifbar. Einige Dutzend Menschen treffen die USA im Mark. Die Reaktion der Regierung ist entsprechend: Sie plant sofort Gegenangriffe auf islamistische Länder: zunächst Irak, später Afghanistan. Dort werden die Zentren des militanten Islamismus vermutet.

Die Folgen sind bekannt: Der Irak wird erobert, besetzt und der Diktator getötet. Das Land versinkt im Chaos.

Nicht anders Afghanistan. Die Taliban, die islamistische Regierung, werden zurückgedrängt. Nicht wie beabsichtigt und, im Nachherein offensichtlich, nicht besiegt. Nach den Gesetzen asymmetrischer Kriege, halten sie sich zurück und mit dem Zeitpunkt des Abzugs der USA und ihrer Verbündeten zwanzig Jahre später dringen sie mit unvorhergesehener Geschwindigkeit vor und erobern binnen weniger Wochen das ganze Land zurück. Das war erwartbar und wurde von den US-Sicherheitsdiensten vorausgesagt. Und niemand hat die notwendigen Konsequenzen gezogen.

Kurz vor Ende der Abzugsfrist - 31. August 2021 - detoniert eine gewaltige Bombe am Flughafen von Kabul und tötet mindestens achtzig Menschen, Zivilisten und US-Soldaten.

Nach einer zwanzigjährigen trügerischen und stets brüchigen Ruhephase, machen die Islamisten genau da weiter, wo sie - notgedrungen - 2001 aufhörten.

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Mittwoch, 25. August 2021
Wissenschaft und weltweite Katastrophen
Was wären wir ohne die Wissenschaftler? - Eine Bertelsmann-Studie hat jetzt herausgefunden, dass unsere Kitas personell unterversorgt sind. Sie belegen das mit beeindruckenden Zahlen.

Wie schön, dass die das jetzt auch schon gemerkt haben. Mütter und Väter von Kindern im Kita-Alter merken das jeden Morgen, wenn sie ihre Kinder zur Kita bringen, und schon wieder zwei ErzieherInnen krank und eine schwanger ist.

Da klettert der Betreuungsschlüssel rasch in fantastische Höhen. Die Kranken werden nicht vertreten, sondern die Kinder ihrer Gruppen werden auf die anderen verteilt. Das ist offensichtlich - im Wissenschafts-Jargon evident. Da braucht es keine Statistik, sondern nur ein Donnerwetter, damit die Verantwortlichen - meist Politiker - aufwachen und für ausreichendes und anständig bezahltes Personal sorgen. Die Lücken sind seit Jahren bekannt, und nichts geschieht.

Anderes Beispiel: Wiederum Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Flutkatastrophe im Südwesten "unter anderem" durch die Klimakatastrophe verursacht sei. Von was denn sonst, bitte sehr?
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Versiegelte Böden, kanalisierte Flüsse, höhere Durchschnittstemperaturen, extreme Wetter-Ereignisse, das wird von Klima-Aktivisten schon lange moniert. Und was machen die Verantwortlichen? Nichts, oder das falsche!

Unwetter weltweit, riesige Waldbrände auf allen Kontinenten, von der sibirischen Tundra bis zu den südamerikanischen Regenwäldern. Die Permafrost-Böden tauen auf und setzen CO2 frei. In der Schweiz nehmen seit Jahren Bergrutsche exponentiell zu. Warum? Weil extreme Regengüsse nicht nur die Berghänge erodieren, sondern ganzjährige Frostböden tauen, und Fels, Geröll und Erde ihren Halt verlieren. Da hat der sprichwörtliche Schmetterling in Peking leichtes Spiel, um Schaden in der Schweiz anzurichten.

Und immer noch gibt es Deppen, die die Klimakatastrophe leugnen. Selbst solche, die in Oregon/USA direkt neben einem brennenden Wald leben, glauben an Zufälle, bloß nicht an die evidente Fakten und ihre wechselseitigen Zusammenhänge.

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Samstag, 21. August 2021
Afghanistan - ein asymmetrischer Krieg
Beim Anschauen der aktuellen Bilder aus Afghanistan fällt auf: Die Taliban wirken wie eine zusammengewürfelte Chaostruppe: Keine Uniformen, keine einheitlichen Kennzeichen oder Dienstgradabzeichen, Vermummung, Rauschebärte. Aber: moderne Infanterie-Waffen (Maschinenpistolen, Schnellfeuergewehre, leichte MGs), keine Artillerie-Waffen, dafür moderne, leistungsfähige, aber ungepanzerte Geländefahrzeuge.

Sie treten an gegen eine hochmodern ausgerüstete reguläre Armee mit Jagdflugzeugen, Drohnen, Artillerie, Nachrichtentechnik. Wie konnte diese Armee in wenigen Tagen von einer "Räuberbande" zur Kapitulation gezwungen werden?

Die Lösung besteht darin, dass weder die USA noch die Verbündeten, allen voran die Bundeswehr, aus den Lehren der Geschichte Konsequenzen gezogen haben. Die Lehre lautet: Keine noch so hoch-gerüstete Armee hat gegen eine hoch-MOTIVIERTE Guerilla eine Chance. Das spektakulärste Beispiel ist Vietnam, wo erst in den 50ern die Franzosen und dann in den 60er und 70er Jahren die USA keine Chance hatten.

Das "offizielle" Afghanistan von den Stammesältesten bis in die Regierung war nach allen Informationen hochgradig korrupt, - zerrissen durch ethnische Zersplitterung, Nepotismus, Partialinteressen lokaler Gruppen und Führer. Ein solches System hat keine Chance gegen eine durch religiösen Fanatismus hochmotivierte Truppe, die zudem entgegen dem äußeren Anschein offensichtlich sehr effektiv strukturiert und diszipliniert ist.

Der hastige, unerwartete Abzug der westlichen Truppen tat nur ein Übriges. Strategische Unfähigkeit, mangelnde Moral wegen mangelnder Motivation ein Weiteres. Die Taliban - genau in Guerilla-Manier -mussten nur warten, bis sie weg waren, und dann schnell, beherzt und effektiv zuschlagen. Die Tatsache, dass es keine äußeren Kennzeichen für Gemeinsamkeit oder Hierarchie gab, belegt, dass es einen INNEREN Zusammenhalt gibt, das was in der Bundeswehr als "Innere Führung" angestrebt, aber nicht erreicht wird.

Die Skrupellosigkeit gegenüber den Feinden der Taliban - von der Zivilbevölkerung über die staatlichen Organe bis zu den Ausländern - tut ein Übriges. Gefangene wurden nicht gemacht, sondern umstandslos exekutiert. Rache an ideologischen Gegnern - moderne Intellektuelle, Journalisten, Demokraten, Frauen - und an ihren Familien ist Programm. So funktioniert Terror, so gewinnt man einen asymmetrischen Krieg.

Vgl. den Artikel auf taz-de vom 21.08.21. "Das Kartenhaus" https://taz.de/Kollabierte-Armee-in-Afghanistan/!5792354/

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Samstag, 10. Juli 2021
Ende eines Einsatzes
Die Bundeswehr zog letzte Woche nach fast 20 Jahren aus Afghanistan ab. Erfolglos und unter Hinterlassung von 56 deutschen und ungezählten afghanischen Toten.

Zwar konnte das afghanische Regime eine Zeit lang gegen die Taliban gestützt werden, aber die haben nur im Hintergrund gelauert und inzwischen ca. 2/3 des Landes zurückerobert. Ein einziger fehlerhafter Befehl, übrigens gegen den Widerstand der verbündeten US-Truppen, kostete 142 Tote - Zivilisten, darunter Frauen und Kinder - das Leben. Falsch vermutete ein Oberst - inzwischen zum General befördert - an einem liegengebliebenen Tanklaster die Taliban. Wirklich hat die lokale Bevölkerung lediglich den Treibstoff für den Eigenbedarf "organisiert". Die vielen zivilen Opfer, die durch Überfälle der Taliban seit Jahren immer wieder entstanden, sind bisher ungezählt.

Zurückgelassen wurden tausende HelferInnen der Soldaten - vom Dolmetscher bis zur Küchenhelferin -, schutzlos der Rache der Taliban ausgesetzt. Versprochen wurde etwa 500 von ihnen die Ausreise nach Deutschland - auf eigene Kosten, versteht sich.

Bisher hat noch niemand - weder Militärs noch Politiker - eine ehrliche Bilanz des Einsatzes gezogen. Verfrüht? Nee, nach zwanzig Jahren könnte man das schon mal fragen. Sie drücken sich, denn eine EHRLICHE Bilanz wäre eine VERHEHRENDE Bilanz.

Und die FDP erdreistet sich, wohl auf der Suche nach WählerInnen unter den Streitkräften, für die Truppe einen "Großen Zapfenstreich" zu fordern. Wolfgang Neuss kalauerte aus anderem Anlass: Zapfenstreich sei das homosexuellste Wort, das er kenne. Ich denke, in diesem Fall ist es das onanistischste aller Rituale.

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Donnerstag, 8. Juli 2021
Strandgut weitab vom Meer
Im Badischen ist mir ein delikates Fündlein geglückt. Auf einem Groß-Container fand ich einen amtlichen Aufkleber: "Gemischter Siedlungsabfall (Restmüll)". "GEMISCHTER SIEDLUNGSABFALL" ist schon sehr speziell, und damit es jeder, auch der norddeutsche Reisende, versteht - in Klammern "Restmüll". Behördlicher Fantasie sind eben keine Grenzen gesetzt.

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Freitag, 25. Juni 2021
Alle mit Schwulen solidarisch
Auf einmal sind alle für Homosexuelle - in Ungarn versteht sich. Klar, Orban mit seinem Anti-Schwulen-Gesetz bietet eine prima Angriffsfläche. Aber mal ehrlich: Wie steht's mit den Schwulen bei uns, in Deutschland? Keine Pöbeleien, keine miesen Posts in den unsozialen Medien, keine Diskriminierung, keine Angriffe bis zum Totschlag? Schön wär's!

Und dann: Orhan mit seiner rechtsextremen Fides-Partei, die von deutlich über der Hälfte der Bevölkerung gewählt wurde, hätte und hat auch vorher schon genug Gründe geboten, seine demokratische, europäische und moralische Integrität ernsthaft zu bezweifeln. Außer Du-Du-Gebärden kam da wenig aus Brüssel und den europäischen Hauptstädten. Jetzt auf einmal wird Ungarn Artikel 50 des EU-Vertrags (Austritt aus der Gemeinschaft) empfohlen, wird gefordert, Europamittel für Ungarn zu streichen.

Kann mir mal jemand erklären, wieso gerade jetzt und wegen eines Homo-Gesetzes die Hütte brennt?

Übrigens: Was ist mit Polen, Tschechien und der Slowakei? Die segeln im Kielwasser von Orban, ohne Kritik am Kurs. Und Rumänien, Bulgarien glänzen auch nicht als demokratische Musterknaben. Nicht zu reden von den EU-Aspiranten auf dem Balkan. Wer guckt da eigentliche mal genauer hin, wie es dort mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht?

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Dienstag, 22. Juni 2021
Pazifismus schützt nicht vor Unwissenheit
Wer vom Militär spricht, sollte Ahnung davon haben. Keine Ahnung hat, wer behauptet, Soldaten oder gar Polizisten hätten ein "Maschinengewehr vor der Brust hängen oder im Anschlag". Das geht nicht, dafür ist ein MG viel zu unhandlich und zu schwer. (s. Beitrag vom 18.03.19 "KDV - kein Grund für Unwissenheit in Sachen Militär").--------------------
Aktuell wird debattiert, ob Deutschland "Defensivwaffen" in Krisengebiete, z.B. die Ukraine liefern soll. Klartext: Defensivwaffen gibt es nicht. Waffen können defensiv wie offensiv eingesetzt werden.

1. Beispiel: Für die Wehrmacht wurde ein 8,8-cm-Geschütz entwickelt, das der Flugabwehr dienen sollte. Sehr schnell entdeckten Artilleristen wie Infanteristen, dass es wegen seiner Treffgenauigkeit und "Handlichkeit" hervorragend für den Erdkampf geeignet war.
2. Beispiel: Die Panzerfaust dient der Abwehr von Panzern. Die gibt's in unterschiedlichen Größen. Eins haben alle gemeinsam: sie lassen sich hervorragend im Häuserkampf einsetzen. Sie zerstören Häuser wie Panzer.
3. Beispiel: Drohnen wurden zunächst zur Aufklärung eingesetzt. Aufklärung dient dazu, feindliche Stellungen und Bewegungen zu beobachten, um sie dann zu bekämpfen. Eine alte Militär-Devise heißt: Was geht, wird gemacht. Defensiv?
4. Beispiel: Drohnen können sehr einfach zu Angriffswaffen durch Waffen oder Bomben oder Gasgranaten aufgerüstet werden. Sie ermöglichen besondere Zielgenauigkeit.

Das genaue Gegenteil ist der Panzer, z.B. Typ Marder. Panzer sind a priori Angriffswaffen. Aber eingebuddelt bis auf den Turm, können sie wie Artillerie defensiv eingesetzt werden.

Ergo: Defensivwaffen gibt es nicht. Der Begriff dient nur der Verschleierung.

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Sonntag, 13. Juni 2021
Der lange Arm orientalischer Potentaten
Cansu Özdemir ist Fraktionsvorsitzende der Linken in der Hamburger Bürgerschaft. Sie stammt aus einer kurdischen Familie. Da liegt es nahe, dass sie sich für die Lage der Kurden im Nahen Osten interessiert. Also stellte sie eine Delegation zusammen, um nach Erbil, der autonomen kurdischen Region im Nordosten des Irak, zu reisen.
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Doch in Düsseldorf auf dem Flughafen endete die Reise. Sie wurde von der Bundespolizei festgenommen und stundenlang verhört, bis die Maschine ohne sie gestartet war. Die Bundespolizei begründete ihr Vorgehen damit, dass Verdacht bestünde, "die Interessen der Bundesrepublik" seien durch die Reise gefährdet. Die Immunität als Abgeordnete? Zählt nicht!

Der Status der kurdischen Region ist unsicher. Zwar retteten kurdische Kämpfer die Region vor dem Zugriff des "IS", aber vor allem der benachbarten Türkei ist das nicht geheuer. Sie intervenieren immer wieder militärisch, weil sie eine starke kurdische Region mit Einfluss auf die kurdischen Gebiete in der Türkei fürchtet.

Interessant wäre nun: Wer hat den Polizeieinsatz und die illegale Arretierung von Frau Özdemir veranlasst? Die werden doch wohl - hoffentlich! - nicht auf eigene Faust gehandelt haben? Die Bundespolizei untersteht dem Bundesinnenministerium. Doch nicht etwa Herr Seehofer? Oder vielleicht Herr Erdogan? Dessen langer Arm reichte schön früher gelegentlich weit, sehr weit und auch bis in die Bundesrepublik. Man denke nur an seinen letzten Wahlkampf in Deutschland.

Nun darf man gespannt sein, wie sich die Verantwortlichen aus der Bredouille `rauswinden.

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Kolonie Ostdeutschland?
Vor wenigen Monaten - genau am 3.Oktober - jährt sich das Datum der formellen Vereinigung der beiden deutschen Staaten zum 30. Mal. Vor und nach diesem Datum wurden immer wieder Stimmen laut, die diesen Vorgang für die "Kolonisierung" Ostdeutschlands durch Westdeutschland hielten.

Der Begriff ist schief. Kolonisierung trifft z.B. für Namibia zu: Dort wurden zunächst christlich-protestantische Geistliche aktiv, dann Kaufleute und schließlich die kaiserliche deutsche Regierung. Die Bevölkerung des damaligen "Deutsch-Südwest-Afrika" wurde nie gefragt, stattdessen aufs Grausamste unterdrückt. Als sie sich wehrte, setze der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts ein. Zwischen 50- und 100tausend Menschen wurden ermordet. So sah Kolonisierung aus. Wäre Kaiser Wilhelm II. nach "Deutsch-Südwest" gereist, hätten die einheimischen Völker ihn sicher nicht mit "Wilhelm, Wilhelm"-Rufen begrüßt.

Ganz anders in Deutschland 1990. Bei seinem ersten Besuch in Ostdeutschland wurde Bundeskanzler Kohl von Demonstranten in ostdeutschen Städten mit begeisterten "Helmut, Helmut"-Rufen begrüßt. Im Gegenzug versprach er ihnen "blühende Landschaften". Ein erster Schritt zur Vereinigung war die sog. Wirtschafts-, Währungs- und Sozial-Union im Frühsommer 1990, mit der die Grundlagen für die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West erreicht werden sollte. Erreicht ist das bis heute nicht. Löhne und Renten sind im Osten immer noch niedriger als im Westen.

Im Dezember 1990 wurden Bundestagswahlen in ganz Deutschland durchgeführt, bei denen die CDU und Kohl souverän gewannen. Die Wiederwahl Kohls war vorher in Westdeutschland durchaus unsicher. Es waren die ostdeutschen Wählerstimmen, die ihm die erneute Kanzlerschafft retteten. So weit sah alles demokratisch aus.

Aber dann kamen die Kolonisatoren in Form der "Treuhand-Gesellschaft" und westdeutschen Kapitals. Und zwar erst dann. Der ganze Prozess lief also genau umgekehrt als in Namibia.

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