Mittwoch, 16. Mai 2018
Jerusalem – Hauptstadt Israels?
Trump und Netanjahu feixen: Die US-Botschaft in Israel ist ab sofort in Jerusalem. Trump erklärt via Video-Botschaft, jedes Land habe das Recht, seine Hauptstadt hinzulegen, wohin es dem Staat beliebt.

So weit, so gut. Nur: Kein Land hat das Recht, seine Hauptstadt außerhalb seiner Grenzen zu verorten. Jerusalem gehört nach internationalem Völkerrecht eben NICHT zu Israel. 1967 hat Israel Ost-Jerusalem besetzt und später einseitig annektiert. Die UN dagegen haben eindeutig festgelegt, dass der Status Jerusalems durch ein FRIEDENSABKOMMEN geregelt werden muss, das bisher nicht existiert.

Israel kann seine Hauptstadt in die Negev oder Haifa, aber weder nach Kairo oder Amman, weder nach Beirut oder Damaskus, aber eben auch NICHT nach Jerusalem verlegen, weil Jerusalem bisher nur nach der einseitigen Sichtweise von Herrn Netanjahu und Herrn Trump zu Israel gehört. Schon deswegen nicht, weil Jerusalem von den Palästinenser ebenso berechtigt reklamiert wird. Und sie haben nach dem Völkerrecht alle Argumente auf ihrer Seite. Israel kann dagegen nur seine militärische Macht ins Feld führen.

Da steht die Position von Trump und Netanjahu auf tönernen Füßen.

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Sonntag, 13. Mai 2018
70 Jahre Staat Israel -
- aus diesem Anlass habe ich eine alte, immer noch aktuelle Buchbesprechung hervorgeholt:

Ilan Pappe: Die ethnische Säuberung Palästinas, 4. Auflg., Frankfurt (Zweitausendeins) 2008

Dieses Buch ist schockierend,
• weil es mit dem lang gehegten Vorurteil aufräumt, Israel habe immer nur Verteidigungskriege gegen die übermächtigen arabischen Nachbarn geführt,
• wegen der darin wiedergegebenen Tatsachen,
• weil die Geschichte des Autors ein Licht auf die Wissenschaftspolitik in Israel wirft,
• weil es die Sicht des Rezensenten auf die Lage im Nahen Osten erschüttert.

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Unbestritten - wenn auch nur zögernd zugegeben - war bisher die Tatsache, dass die Terrorgruppen Irgun und Sternbande in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts Massaker an arabischen Einwohnern Palästinas verübt haben. Der Name des Dorfes Deir Yassin – knapp westlich von Jerusalem, heute Stadtteil Givat Shaul - stand dafür stellvertretend. Dort wurde am 9. April 1948 fast die gesamte arabische Bevölkerung von Irgun und Sternbande ermordet, Frauen wurden vergewaltigt. Die Angaben über Opfer-Zahlen schwanken, allgemein wird von 245 Toten ausgegangen. Interessant ist, dass die Hagana – offizielle „Selbstverteidigungsorganisation“ der zionistischen Gemeinschaft – das Massaker stillschweigend duldete. Die Führer von Irgun und Sternbande wurden teilweise einflussreiche Politiker im Staat Israel: z.B. Menachim Begin, Jitzak Schamir.

Dies ist nach Ilan Pappe kein Zufall, denn die Zerstörung des Dorfs war Teil eines „Plan Dalet“, den eine Gruppe von Beratern um den späteren Ministerpräsidenten Israels, David Ben Gurion, zur „ethnischen Säuberung“ Palästinas seit 1947 entwarf. Das, was faktisch später geschah, wurde vorher systematisch geplant und von der Hagana - nach der Unabhängigkeitserklärung Israels am 14. Mai 1948 israelische Armee IDF (Israeli Defense Forces) - systematisch und plangenau umgesetzt. Sämtliche arabischen Dörfer sollten auf die eine oder andere Weise entvölkert und zerstört werden.

Die Spur der Vertreibungen begann im Süden in Gaza, folgte der Mittelmeerküste nach Norden - mit „Abstecher“ nach Jerusalem - bis Haifa und Akko nach Nordgaliläa an die libanesische Grenze, über Safad wieder nach Süden durch das Jordantal über Tibarias bis Baysan. Schließlich wurden im äußersten Süden auch die Beduinen der Negev aus ihren angestammten Gebieten verdrängt. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Araber sich friedlich verhielten oder nicht, ob sie in guter Nachbarschaft mit jüdischen Siedlungen – überwiegend Kibbuzim – lebten oder nicht.

Das militärische Vorgehen in den einzelnen Dörfern folgte einer Systematik, von der selten abgewichen wurde. Zunächst wurde das Dorf von drei Seiten belagert und durch Artillerie, später durch Bomber angegriffen. Dann rückten die Bodentruppen nach, massakrierten die Bevölkerung – gelegentlich wurden Frauen vergewaltigt – oder vertrieben sie (dazu ließ man die vierte Seite offen); schließlich wurden die Gebäude zerstört, um eine Rückkehr der Flüchtlinge zu verhindern. Die Vertreibungen erfolgten über die Grenzen in die Nachbarländer oder in größere Städte wie Nazareth oder Schfar’Am. Dort entstand so ein städtisches Proletariat. Die Dörfer wurden später von Juden besiedelt.

Die militärische Gegenwehr der Araber war völlig hilflos. Es gab zwar arabische Freiwilligenverbände (Arab Liberation Army), die aber nach Zahl und Bewaffnung hoffnungslos unterlegen waren. Die arabischen Nachbarstaaten unterstützten sie halbherzig oder gar nicht. Die internationale Öffentlichkeit, vor allem die UNO, wussten von den Ereignissen, ließen aber alles ungerührt geschehen.

Die Vorbereitungen zur ethnischen Säuberung Palästinas setzten nicht etwa erst nach dem UN-Teilungsplan von 1947 oder mit dem Rückzug der Engländer als Mandatsmacht im Mai 1948 ein. Sie begannen teilweise auf Anregung und mit Duldung der britischen Mandatsmacht Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre. Topografen, Orientalisten und Geheimdienstlern der Hagana legten Dossiers über die arabischen Dörfer an, die Grundlage für das spätere militärische Vorgehen von Hagana und IDF waren.

Das sind keine Hirngespinste arabischer Extremisten oder Propagandalügen. Die offizielle israelische Lesart war lange: die arabische Bevölkerung hat den UN-Teilungsplan nicht akzeptiert, die arabischen Nachbarstaaten haben die palästinensische Bevölkerung durch Verbreitung von Gräuellügen zur Flucht animiert, Israel musste sich gegen eine militärische Bedrohung wehren. Die von Pappe zitierten Quellen reden eine andere Sprache und sie sind keineswegs obskur: er bezieht seine Kenntnisse u.a. aus den Archiven von Hagana, IDF und der UNO, den Tagebüchern David Ben Gurions, Korrespondenzen der Beteiligten u.a. im Ben-Gurion-Archiv, Erinnerungen damals beteiligter jüdischer Politiker und Militärs (Quellenkunde) sowie aus Sekundärliteratur. Ergänzt werden die Kenntnisse aus offiziellen Quellen durch Erinnerungen betroffener Araber (oral history).

Der Aufbau von Pappes Buch folgt streng historisch-wissenschaftlicher Methodik von der Definition der Begriffe über die Darstellung der Ereignisse bis zu deren Bewertung ist alles sauber hergeleitet und entspricht den Anforderungen moderner historischer Wissenschaft. Jede Tatsache ist genau belegt, jede Quelle wird durch mindestens eine zweite verifiziert, das gilt besonders für die persönlichen Erinnerungen (oral history), die nie für sich genommen für bare Münze gehalten, sondern durch Quellen aus offiziellen Archiven bestätigt werden.

An dieser Stelle sei eine Anmerkung des Rezensenten erlaubt. Ich (war) seit 1985 (bis 2007) im deutsch-israelischen Jugend- und Fachkräfteaustausch engagiert. Viele der Orte, die in Pappes Buch vorkommen, sind mir bestens vertraut. Z.B. das Latrun-Tal, das „gesäubert“ wurde, wo ich mehrfach mit Gruppen Gast des Neve Schalom (Friedensdorf) war. Z.B. der Ort Lydda, heute Lod, wo der Flughafen liegt, auf dem ich jedes Mal landete oder startete. Z.B. Yaad in Nordgaliläa, wo ich 1985 bei meiner ersten Reise mit dem AdB (Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten)
die Entwicklung Israels als Computer-Hochburg bewundert habe. Z.B. die Städte Nazareth, Safed und Schfar’Am - hier war ich mehrfach Gast des Jugendamtes, eines drusischen Scheichs und des (arabischen) „House of Hope“.

En Hod ist ein Sonderfall. Dieses Dorf – arabisch Ayn Hawd 15 km südlich von Haifa am Hang des Carmel – wurde besetzt, die Bevölkerung vertrieben, aber, was ungewöhnlich war, es wurde nicht zerstört, „weil es in der Einheit, die den Ort besetzte, einige Bohemiens gab: Sie erkannten sofort das Potenzial des Dorfes“ (Pappe, S. 219) und machten daraus eine Künstlerkolonie, in der später „Israels bekannteste Künstler, Musiker und Schriftsteller, die meist zum ‚Friedenslager’ des Landes gehörten“ (a.a.O.), lebten. Hier drehte eine Jugendgruppe, mit der ich in den 90er Jahren dort war, einen Film, ohne den historischen Hintergrund des Ortes zu kennen.

Furaydis, ebenfalls ein Sonderfall, liegt in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Kibbuz und jetzigen Feriendorfs Nach Scholim, wo meine Partnerorganisation „Dialog“ ihren Standort hat. Mehrmals war ich dort mit Jugendlichen und Fachkräften Gast. Furaydis wurde von der IDF verschont: die Einwohner der benachbarten jüdischen Siedlungen setzten sich für seinen Erhalt ein, weil sie die arabischen Einwohner als ungelernte Arbeitskräfte benötigten.

Ganz in der Nähe lag auch der etwas größere Ort Tantura. Hier wurde am 22. Mai 1948 eins der schlimmsten Massaker angerichtet. Das Vorgehen der IDF, konkret der Alexandroni-Brigade, war hier untypisch. In diesem Verband war übrigens der spätere Premierminister Ariel Scharon Zugführer. Das Dorf wurde von vier Seiten eingekreist, so dass eine Flucht unmöglich war. Die Männer (im Alter zwischen 10 und 50 Jahren) wurden von den Frauen und Kindern getrennt; diese flohen ins nahe Furaydis. Nach vorbereiteten Listen wurden die Männer selektiert, in 10er Gruppen an den Strand, auf einen Friedhof und in eine Moschee geführt und hingerichtet. Soldaten zogen durch das Dorf, plünderten und zerstörten es. Der jüdische Bürgermeister des nahe gelegenen Zichron Yaakov versuchte die Soldaten zu stoppen, kam aber zu spät. Die genaue Zahl der Toten ist ungeklärt, es müssen aber hunderte gewesen sein.

Schockierend ist auch die Reaktion der „offiziellen“ Historiker in Israel auf die Forschungen von Pappe und anderen. Ein Student der Universität Haifa stieß bei Recherchen auf den Fall Tantura und führte Interviews mit Überlebenden. „Als es publik wurde, disqualifizierte die Universität nachträglich seine Doktorarbeit, und Veteranen der Alexandroni-Brigade verklagten (ihn) wegen Verleumdung.“ (a.a.O., S. 188)

Auch Pappe selbst blieb nicht ungeschoren. Er ist Jahrgang 1954, Sohn deutscher Emigranten aus Nazi-Deutschland, studierte Geschichte in Jerusalem und Oxford, war akademischer Leiter der Bildungs- und Begegnungsstätte Givat Haviva, mit der der AdB lange Jahre im Austausch war. Dann wurde er Professor an der Universität Haifa, geriet in fachlichen und politischen Konflikt mit der Universitätsleitung, resignierte schließlich und ging als Professor nach Großbritannien an die Universität Exeter. – Der Fall ist ein Beleg dafür, wie schwer man sich in Israel noch heute tut, die eigene Vergangenheit unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen, die eigene Geschichte zu reflektieren und sich von bequemen Interpretationen zu trennen.

Die Lektüre dieses Buches ist erschütternd, vor allem für diejenigen, die im deutsch-israelischen Jugend- und Fachkräfteaustausch tätig sind. Aber gerade für sie sollte die Lektüre zur selbst auferlegten Pflicht werden, auch wenn man sich dabei von lieb gewonnenen Überzeugungen trennen muss. Aber: lernen ist immer schmerzlich.

In: Außerschulische Bildung, Nr. 4 – 2008, S. 444

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Donnerstag, 12. April 2018
Unsichtbare Opfer der Gasangriffe in Syrien
In den deutschen Medien kursieren erschütternde Bilder von den Opfern des Giftgasangriffs der Regierung Al-Assads gegen die eigene Zivilbevölkerung. Insbesondere Kinder sind betroffen.

Die Bilder, vom Syrischen Zivilschutz (Weißhelme, ad-difāʿ al-madanī s-sūrī) aufgenommen, zeigen jedoch nur die Opfer, die bereits medizinische und sonstige Hilfe erhalten: die Menschen werden vom Chlorgas auf der Haut gewaschen, mit Sauerstoffmasken beatmet und sonst wie medizinische versorgt.

Was die Bilder nicht zeigen, sind die Opfer, die keine Versorgung bekommen. Deren Aussehen, insbesondere der Leichen, dürfte weit schockierender sein.

Chlorgas wirkt „nur“ auf die Haut und neben den anderen äußeren Organen (vor allem die Augen) besonders auf die Lunge. Es bewirkt schreckliche Atemnot bis zum Tod. Es gibt geringe Möglichkeiten der Behandlung, wenn sie frühzeitig einsetzt.

Das zweite in Syrien eingesetzte Giftgas ist Sarin. Es gelangt über die Haut und die Lunge in den Körper und blockiert das zentrale Nervensystem. Es führt zu Lähmungen insbesondere der Atmung und führt unweigerlich zu einem qualvollen Tod.

Man kann sich vor beiden Gasen nur mit Gasmasken und gasdichten Ganzkörper-Anzügen schützen. Über beides verfügt die syrische Zivilbevölkerung nicht! Auch gasdichte Bunker, die einen gewissen Schutz bieten, stehen nicht zur Verfügung.

Im zweiten Weltkrieg wurden Kampfgase nicht oder nur vereinzelt eingesetzt, weil ihre Wirkung auf die eigenen Truppen nicht kalkulierbar ist. Das waren die Erfahrungen des ersten Weltkriegs.

Derlei Skrupel brauchen Assads Truppen nicht zu plagen, weil sie das Gas aus der Luft und ausschließlich gegen Zivilisten weitab von den eigenen Truppen einsetzen.
Dieser Zynismus ist unglaublich!

Man könnte ausnahmsweise Trumps Drohungen, einen Raketenangriff auf Assads Militärbasen zu starten, billigen. Wie sonst will man den Grausamkeiten ein Ende setzen?

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Sonntag, 21. Januar 2018
Was ist ein Tüftler?
Neulich im Sprachunterricht für Geflüchtete: Im Text kommt der Begriff „Tüftler“ vor. Mohammed fragt, was ein Tüftler ist. Ossama, der unbekannte Worte gern aus Bekanntem ableitet, erklärt, dass müsse wohl was mit Autos zu tun haben. Befragt warum, meint er das komme doch wohl von „TÜV“.

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Freitag, 12. Januar 2018
Skandal: Gewaltverbrecher darf ausreisen
Die Tatsachen sind bekannt, nur nicht die Verantwortlichkeit! Der frühere oberste Richter im Iran, wird in einer deutschen Klinik, in Hannover behandelt. Der Richter ist verantwortlich für skandalöse Urteile: So soll er Kinder zum Tode verurteilt haben, darunter vergewaltigte Mädchen unter der Anklage der Prostitution oder des Ehebruchs.

Der Chefarzt der Hannoveraner Klinik – gebürtiger Iraner – will nicht gewusst haben, wer der Patient war. Dabei begleitete er den deutschen Außenminister bei dessen letztem Iran-Besuch. Wie ignorant, dumm oder dreist darf so einer sein?

Der Richter durfte die Bundesrepublik verlassen, obwohl bereits Anzeige gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erstattet worden war.

Wer ließ den Mann rein? Wer führte das Skalpell? Wer pflegte ihn? Wer ließ ihn wieder raus? Wer schützte ihn?

Einer, der keine rechtsstaatlichen Prinzipien zu kennen scheint, konnte unter dem Schutz des Rechtsstaats wieder entweichen.

Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte!

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Mittwoch, 20. Dezember 2017
Antisemitismus-Vorwürfe
Jetzt wird sie wieder geschwungen, die Keule „Antisemitismus“ gegen Kritiker der israelischen Regierung.

Die unheilige Allianz zwischen Trump und Netanjahu hat ganz Jerusalem zur Hauptstadt Israels erklärt. Das ist gegen Beschlüsse der UNO und das internationale Völkerrecht. Es gefährdet den Frieden in und um Israel. Und es macht die Zweistaaten-Lösung mit einer palästinensischen Hauptstadt Ost-Jerusalem unmöglich.

Das muss kritisiert und skandalisiert werden. Zum Glück hat die EU Netanjahu mit seiner Forderung, dem Beispiel Trumps zu folgen, eine klare Abfuhr erteilt.

Aber nun wird in Deutschland der Vorwurf des „Antisemitismus“ gegen jede Kritik erhoben, und zwar von berufener wie nicht berufener Seite.

Es muss klar gemacht werden: Kritik an Netanjahu und der israelischen Regierung ist KEINE Kritik an Israel, schon gar nicht an der israelischen Bevölkerung und erst recht nicht an deutschen Juden oder Juden in der Welt!

Wer für die Juden und für Israel ist, MUSS Trump und Netanjahu kritisieren, um Schaden von Israel und den Juden abzuwenden.

Wir sollten uns durch den Antisemitismus-Vorwurf nicht einschüchtern und an unserer freien Meinungsäußerung hindern lassen!

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Freitag, 10. November 2017
Nochmal: Zuverlässige Quellen
Neulich wurde in einer Diskussion behauptet, der „Kaiser-Schnitt“ sei nach dem deutschen Kaiser Wilhelm II. (Regierungszeit 1888 – 1918) benannt. Als Quelle wurde die Spiel-Dokumentation „Charité“ angegeben, die vor einiger Zeit im Fernsehen lief (ARD 21. und 28.03.17).

Mir war aus meiner Schulzeit bekannt, dass angeblich Caesar durch Kaiserschnitt entbunden wurde. Daher stamme die Namensgebung.

Um den Widerspruch aufzulösen, habe ich recherchiert : im dtv-Lexikon von 1966 (auf Basis des Brockhaus-Lexikons), in Mayers Konversationslexikon von 1874 ff. und in Wikipedia. Und siehe da: alle bestätigten meine Schulweisheit. Dort erfuhr ich auch, dass bereits lange vor Caesar (100 – 44 v.u.Z.) derartige Operationen durchgeführt worden waren.

Also so viel zum Thema zuverlässige Quellen. Eine Spieldokumentation eignet sich wohl eher gar nicht, um Fakten zu recherchieren. Das viel geschmähte Wikipedia ist zumindest in diesem Fall so zuverlässig wie zwei prominente Lexika.

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Freitag, 27. Oktober 2017
Was ist eine zuverlässige Quelle?
Konservative Medienkritiker misstrauen dem Internet zutiefst. Auch Wikipedia ist als Quellenangabe verpönt. Diese Kritiker sind meist ungenügend über die Regeln von Wikipedia informiert.
Dagegen werden Bücher als seriöse Quellen betrachtet. Nun habe ich gerade zwei lustige Beispiele dafür gefunden, dass die mindestens ebenso richtig oder falsch sind.
Das Programmheft von arte für November 2017 behauptet auf Seite 60, Clint Eastwood sei durch seine Rolle in „Spiel mir das Lied vom Tod“ von 1968 bekannt geworden. Nun habe ich diesen Film wohl an die zwanzigmal gesehen, ohne auch nur in einer winzigen Nebenrolle Clint Eastwood entdeckt zu haben. Auch laut Wikipedia (!) taucht er in keiner Besetzungsliste für diesen Film auf.
Eastwoods erster Kinofilm war „Für eine Handvoll Dollar“ von 1964. Das einzige gemeinsame der beiden Filme ist der Regisseur Sergio Leone.
Und nun das andere Beispiel:
In dem Buch von Hanns Zischler „Kafka geht ins Kino“ heißt es auf Seite 65 in einem Bericht von Georg Christoph Lichtenberg: „Stellen Sie sich eine Strase vor etwa so breit als die [durch Göttingen fließende] Weender, …“
Mit die „Weender“ ist für jeden Göttinger, also auch für Lichtenberg, die WEENDER STRASSE gemeint, die von den Wallanlagen im Norden bis zu den Wallanlagen im Süden die Altstadt durchquert, war also zur Zeit des Autors die Hauptstraße.
Es gibt nur einen Fluss, der Göttingen durchquert, und das ist die Leine, die allerdings weit westlich der Altstadt fließt. Ein Gewässer, das die Altstadt touchiert, ist der künstliche Mühlengraben, der allerdings nicht fließt.
Ein Blick auf einen Göttinger Stadtplan oder ins Internet (z.B. google maps oder Wikipedia) hätte genügt!
Was ist also eine zuverlässige Quelle? Zuverlässig ist eine Quelle, die weder der Wirklichkeit noch anderen Quellen widerspricht – egal ob Buch oder Internet.

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Freitag, 13. Oktober 2017
Strandgut I
Es gibt Menschen, die einem immer durch ihre Hilfsbereitschaft im Wege stehen. Tati hat diesen Menschen Denkmäler in seinen Filmen errichtet. Z.B. Tati in „Die Ferien des M. Hulot“. Kirsten Fuchs berichtet von einer Hilfestellung für ihre Tochter. Diese kommt einfach nicht aus dem Quark, die Zeit drängt irgendwie. Sie fummelt der Tochter dazwischen. Darauf die: „Hilf mir mal bitte kurz, indem du mich in Ruhe lässt.“ Bingo!

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Samstag, 7. Oktober 2017
Strandgut
ist das, was die Ozeane und deren Nebenmeere nach Stürmen und Orkanen an die Gestade spülen. Der Strandspaziergänger übersieht sie leicht, ja gelegentlich bringen sie Verdruss. Dann aber sind gelegentlich echte Fundstücke darunter: Schöne Steine oder Muscheln, sogar mal ein Bernstein, eine Flaschenpost oder Alraunen, Zeugen untergegangener Zeiten und Kulturen. Z.B. von der Eiszeit herangerollte und abgeschliffene Felsen oder Steine aus Skandinavien, steinzeitliche Werkzeuge oder tote Tiere.

Im Reich der Worte und Bücher, auch des Theaters sind es einzelne „aus dem Zusammenhang gerissene“ Zitate, literarische Fundstücke, also Strandgut. Wem ging es nicht schon so: Man sieht im Fernsehen oder auf der Bühne Kabarett oder Theater. „Wo hat der Kerl bloß die vielen Zitate her?!“ Man denkt: Das merke ich mir, das kann ich in Gesprächen und Diskussionen mal nebenbei einfließen lassen – mit Autorenangabe, versteht sich.

An der Garderobe oder beim Gang zur Toilette grübelt man: Wie war das eben noch? Will mir einfach nicht einfallen. Das Feuerwerk der Bonmots und „Zitate“ überwältigt uns.

In Sternstunden erinnert man sich dann manchmal. Ich habe eine Methode gefunden, diese Erfahrung öfter zu machen. Ich schreibe mir den Satz, den Aphorismus, den Begriff GLEICH auf. Habe dazu immer Block und Stift zur Hand.

Hier eine Kostprobe meiner Sammelwut. Kirsten Fuchs hat ein Buch geschrieben: „Kaum macht man mal was falsch, ist es auch wieder nicht richtig.“ Das könnte das Motto einer Zweier-Beziehung sein.

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