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Donnerstag, 7. Juni 2018
Geschichte geschieht.
jf.bremen, 18:39h
Im Fernsehen sehr beliebt sind sog. Spieldokumentationen oder Geschichts-Sendungen. Spitzenreiter ist Guido Knopp mit seinen History-Sendungen zum Nationalsozialismus.
Diese Sendungen halten überwiegend einer kritischen historischen Überprüfung nicht stand.
In einer Diskussion wurde neulich behauptet, der Kaiserschnitt heiße so, weil die Berliner Charité diese Methode im 19. Jahrhundert erfunden und zu Ehren Kaiser Wilhelms so benannt worden sei. Beleg: die „Geschichts“-Serie über die Charité in der ARD.
Alles Quatsch! Der Kaiserschnitt wurde bereits in der Antike angewandt und heißt nach Plinius so, weil angeblich Caesar so zur Welt gebracht wurde. Andere Quellen leiten das Wort von dem lateinischen Wort caedere = schneiden ab.
In der historischen Wissenschaft gibt es Quellen unterschiedlicher Wertigkeit.
• Die höchste Zuverlässigkeit bieten offizielle Dokumente wie Verträge, Akten, sonstige Dokumente.
• An zweiter Stellen kommen zeitgenössische Aufzeichnungen, z.B. Tagebücher.
• Memoiren sind weniger zuverlässig, weil eine zeitliche Distanz zwischen Ereignis und Aufzeichnung liegt. Die Erinnerung kann trügen. Der Blickwinkel ist subjektiv.
• Am unzuverlässigsten ist die oral history, also Zeitzeugen-Aussagen. Begründung wie oben.
Seriöse Geschichtsforschung kann – oder muss? – alle Quellen nutzen. Je unzuverlässiger eine Quelle ist, desto notwendiger muss die einzelne Aussage durch andere Quellen gegengeprüft werden. Das gilt insbesondere für oral history.
Die ZDF-History-Beiträge bedienen sich ausschließlich der Aussage von Zeitzeugen, die nur durch illustrierende Film-Dokumente unterbrochen werden. Ein wissenschaftlich höchst unpräzises Vorgehen.
Das müsste Guido Knopp wissen: Er hat an der Bremer Uni in Geschichte promoviert, und es ist kaum vorstellbar, dass er gerade Quellenkunde geschwänzt hat.
Seine Methode kann also nur Absicht sein, um ein bestimmtes Geschichtsbild zu transportieren. Die Zeitzeugen präsentieren sich überwiegend als unschuldige Opfer der Verhältnisse, nicht jedoch als Handelnde. Geschichte „geschieht“, wird aber nicht gemacht.
Die Schuldigen am Faschismus bleiben anonym.
Diese Sendungen halten überwiegend einer kritischen historischen Überprüfung nicht stand.
In einer Diskussion wurde neulich behauptet, der Kaiserschnitt heiße so, weil die Berliner Charité diese Methode im 19. Jahrhundert erfunden und zu Ehren Kaiser Wilhelms so benannt worden sei. Beleg: die „Geschichts“-Serie über die Charité in der ARD.
Alles Quatsch! Der Kaiserschnitt wurde bereits in der Antike angewandt und heißt nach Plinius so, weil angeblich Caesar so zur Welt gebracht wurde. Andere Quellen leiten das Wort von dem lateinischen Wort caedere = schneiden ab.
In der historischen Wissenschaft gibt es Quellen unterschiedlicher Wertigkeit.
• Die höchste Zuverlässigkeit bieten offizielle Dokumente wie Verträge, Akten, sonstige Dokumente.
• An zweiter Stellen kommen zeitgenössische Aufzeichnungen, z.B. Tagebücher.
• Memoiren sind weniger zuverlässig, weil eine zeitliche Distanz zwischen Ereignis und Aufzeichnung liegt. Die Erinnerung kann trügen. Der Blickwinkel ist subjektiv.
• Am unzuverlässigsten ist die oral history, also Zeitzeugen-Aussagen. Begründung wie oben.
Seriöse Geschichtsforschung kann – oder muss? – alle Quellen nutzen. Je unzuverlässiger eine Quelle ist, desto notwendiger muss die einzelne Aussage durch andere Quellen gegengeprüft werden. Das gilt insbesondere für oral history.
Die ZDF-History-Beiträge bedienen sich ausschließlich der Aussage von Zeitzeugen, die nur durch illustrierende Film-Dokumente unterbrochen werden. Ein wissenschaftlich höchst unpräzises Vorgehen.
Das müsste Guido Knopp wissen: Er hat an der Bremer Uni in Geschichte promoviert, und es ist kaum vorstellbar, dass er gerade Quellenkunde geschwänzt hat.
Seine Methode kann also nur Absicht sein, um ein bestimmtes Geschichtsbild zu transportieren. Die Zeitzeugen präsentieren sich überwiegend als unschuldige Opfer der Verhältnisse, nicht jedoch als Handelnde. Geschichte „geschieht“, wird aber nicht gemacht.
Die Schuldigen am Faschismus bleiben anonym.
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Multitasking ist eine Fiktion!
jf.bremen, 18:38h
Gegen konzentriert arbeitende Männer wird das Argument des Multitasking in Stellung gebracht, das angeblich Frauen perfekt beherrschen.
Warum hält sich dieses Märchen so konstant?
Bereits bevor das Telefonieren im Auto untersagt wurde, haben praktische Versuche mit telefonierenden AutofahrerInnen ergeben: sie fahren unkonzentriert und machen häufig Fehler. Ergebnis des vom ADAC durchgeführten Tests: Telefonieren am Lenkrad ist verboten.
Wenn Autos durch unregelmäßiges Fahren – Schlangenlinien, unterschiedliches Tempo, Fehler – auffallen, sitzt nicht notwendig ein Betrunkener am Steuer. Meist ist es eine – oft weibliche – Person, die mit einem/r BeifahrerIn heftig gestikulierend und seitwärts guckend spricht.
Später wurde in Tests festgestellt, Menschen am Computer sind unkonzentriert, arbeiten langsamer und machen Fehler, wenn sie IRGENDWIE abgelenkt werden: durch Besucher, Telefonate, Radio u.ä.
Ein Psychologe schreibt in „Psychologie heute“, es sei hirnphysiologisch nachweisbar, dass Multitasking nicht funktionieren KANN.
Multitasking ist eine Fiktion!
Warum hält sich dieses Märchen so konstant?
Bereits bevor das Telefonieren im Auto untersagt wurde, haben praktische Versuche mit telefonierenden AutofahrerInnen ergeben: sie fahren unkonzentriert und machen häufig Fehler. Ergebnis des vom ADAC durchgeführten Tests: Telefonieren am Lenkrad ist verboten.
Wenn Autos durch unregelmäßiges Fahren – Schlangenlinien, unterschiedliches Tempo, Fehler – auffallen, sitzt nicht notwendig ein Betrunkener am Steuer. Meist ist es eine – oft weibliche – Person, die mit einem/r BeifahrerIn heftig gestikulierend und seitwärts guckend spricht.
Später wurde in Tests festgestellt, Menschen am Computer sind unkonzentriert, arbeiten langsamer und machen Fehler, wenn sie IRGENDWIE abgelenkt werden: durch Besucher, Telefonate, Radio u.ä.
Ein Psychologe schreibt in „Psychologie heute“, es sei hirnphysiologisch nachweisbar, dass Multitasking nicht funktionieren KANN.
Multitasking ist eine Fiktion!
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Zensoren sind blind
jf.bremen, 18:36h
Vor Jahren wurde uns in einem Film-Seminar von einem kritischen Regisseur aus der DDR ein Film vorgeführt als Beispiel für Methoden, die Zensur zu unterlaufen:
Gezeigt wird ein Ost-Berliner Friedhof. Menschen sitzen auf Bänken und lesen, essen ihr Pausenbrot, flanieren, unterhalten sich gedämpft. Man hört Schritte auf Kies, Vögel zwitschern und singen, Windgeräusche in den Bäumen.
Gefilmt wird mit subjektiver Kamera aus der Sicht eines Besuchers. Dann verlässt er den Friedhof durch das schmiedeeiserne Tor: Straßenlärm, das typische Trabant-Geräusch, eine triste Straße mit ebenso tristen Altbauten. Man riecht förmlich den Braunkohlen- und 2-Takt-Mief.
Die Botschaft: Auf dem Friedhof ist Leben, Stille und Frieden, draußen ist öde DDR. – Der Regisseur versicherte uns, das Publikum habe die Botschaft verstanden. Nur nicht die Zensoren, denn es wird nicht ein kritisches Wort über die DDR gesprochen. Der Film jedoch passierte ungeschoren sämtliche Zensur-Instanzen.
Aktuelles Beispiel: „Der Geschmack von Zement“. Ein düsterer – wenn auch Farb-Film – über syrische Fremdarbeiter im Libanon. Der Film kommt fast ohne Worte aus, mit Ausnahme von Kommentaren des Regisseurs und fiktiven Tagebucheinträgen. Bild und Ton sagen alles über die Situation der dargestellten Bauarbeiter. Warum diese Kargheit des gesprochenen Wortes? Weil der Bauunternehmer Interviews mit den Arbeitern verboten hat!
Worte hätten hier nur gestört. Die Botschaft ist visuell und akustisch – auch durch Musik – eindeutig, aber da Worte fehlen, kann die Zensur nicht eingreifen.
Aber zum Glück sind Zensoren blind.
Gezeigt wird ein Ost-Berliner Friedhof. Menschen sitzen auf Bänken und lesen, essen ihr Pausenbrot, flanieren, unterhalten sich gedämpft. Man hört Schritte auf Kies, Vögel zwitschern und singen, Windgeräusche in den Bäumen.
Gefilmt wird mit subjektiver Kamera aus der Sicht eines Besuchers. Dann verlässt er den Friedhof durch das schmiedeeiserne Tor: Straßenlärm, das typische Trabant-Geräusch, eine triste Straße mit ebenso tristen Altbauten. Man riecht förmlich den Braunkohlen- und 2-Takt-Mief.
Die Botschaft: Auf dem Friedhof ist Leben, Stille und Frieden, draußen ist öde DDR. – Der Regisseur versicherte uns, das Publikum habe die Botschaft verstanden. Nur nicht die Zensoren, denn es wird nicht ein kritisches Wort über die DDR gesprochen. Der Film jedoch passierte ungeschoren sämtliche Zensur-Instanzen.
Aktuelles Beispiel: „Der Geschmack von Zement“. Ein düsterer – wenn auch Farb-Film – über syrische Fremdarbeiter im Libanon. Der Film kommt fast ohne Worte aus, mit Ausnahme von Kommentaren des Regisseurs und fiktiven Tagebucheinträgen. Bild und Ton sagen alles über die Situation der dargestellten Bauarbeiter. Warum diese Kargheit des gesprochenen Wortes? Weil der Bauunternehmer Interviews mit den Arbeitern verboten hat!
Worte hätten hier nur gestört. Die Botschaft ist visuell und akustisch – auch durch Musik – eindeutig, aber da Worte fehlen, kann die Zensur nicht eingreifen.
Aber zum Glück sind Zensoren blind.
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