Freitag, 28. Januar 2022
Massenmörder bittet um Gnade
Der Massenmörder von Utöya, der 77 Menschen an einem Tag tötet und zu lebenslanger Strafe verurteilt wurde, beantragt vorzeitige Haftentlassung.

Das ist das zweite Mal, dass er in ähnlicher Weise von sich Rede macht. Vor fünf Jahren beschwerte er sich über seine Haftbedingungen: Einzelzimmer mit Bad, Kraftraum, Fernsehen, Jura-Fernstudium und andere Vergünstigungen, die andere Häftlinge nicht genießen, waren ihm nicht genug. Er wollte an Gemeinschafts-Veranstaltungen und Hofgang teilnehmen, d.h. seine Isolation durchbrechen. Dumm gelaufen, denn die Justiz zeigt sich unzugänglich für seine Ansprüche.

Man konnte schon damals vermuten, dass der Mörder sein Jura-Praktikum am eigenen Fall absolvieren wollte. Das steckt wohl auch jetzt dahinter. Sein Antrag erscheint Beobachtern völlig aussichtslos, zumal er sich von seiner rechts-terroristischen Haltung nicht distanziert, sondern lieber gelegentlich den "Hitlergruß" zeigt und Nazi-Reden - Antisemitismus, Islamfeindlichkeit - schwingt.

Nach norwegischem Recht kann nach zehn Jahren eine Haftprüfung erfolgen. Die Höchstdauer ist 21 Jahre - allerdings kann der eine Art Sicherungsverwahrung folgen, die alle fünf Jahre verlängert werden kann. In diesem Fall mehr als wahrscheinlich, denn eine "Läuterung" ist nicht zu erwarten. Also: der Täter wird wohl bis zum Tode einsitzen. Recht so!

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Freitag, 14. Januar 2022
Verantwortungslosigkeit kostet 32 Menschenleben
Wir erinnern uns: Vor fast genau zehn Jahren ereignete sich ein Schiffsunglück vor der italienischen Westküste zwischen dem Festland und der Insel Giglio. 32 Passagiere verloren ihr Leben.

Das Schiff passierte von Cicitavecchia kommend die Insel. Ungeplant änderte es den vorgesehenen Kurs auf die Insel zu, schrammt über einen Felsen, lief leck und kenterte. Der Grund der Havarie war ein Befehl des Kapitäns - sein Name sei gelöscht - für die Kursänderung. Offensichtlich war er dabei mit anderem beschäftigt als dem verantwortungsbewussten Kommando. Es scheint, als wollte er seiner vorschriftswidrig auf der Brücke befindlichen Geliebten imponieren, indem er unverantwortlich dicht an die Felseninsel heranfuhr.

Das war aber nur ein Verfehlung, der weitere folgten, die die Katastrophe vervollständigten. Statt sich um die Evakuierung der über 3.000 Passagiere und über 1.000 Besatzungsmitglieder zu kümmern, enterte er das nächstbeste Rettungsboot und flüchtete auf die Insel. Die übrige Schiffsführung reagierte fast eine Stunde überhaupt nicht, war dann komplett kopflos, verließ größten Teils das Schiff und überließ die Passagiere und die Besatzung ihrem Schicksal. Man kann den Eindruck haben, dass vorgeschriebene Rettungsübungen nie oder nur nachlässig durchgeführt worden waren.

Die Küstenwache bekam das mit und forderte den Kapitän mehrfach und eindringlich auf, auf das Schiff zurückzukehren und seine Pflicht zu tun. Keine Reaktion des Kapitäns.

Videos vom Kapitän vervollkommnen das Bild. Auch in Uniform pflegte er das Hemd mindestens zwei Knöpfe zu weit offen zu tragen. Auf späteren Aufnahmen ist das Hemd mindestens einen weiteren Knopf geöffnet. Eine im Nacken überlange Mähne, eine dunkle Brille vervollkommnen das Bild eines Hamburger Loddels. Er mag ein Frauenheld gewesen sein, ein wirklicher Held sieht anders aus und handelt anders. Ein Held dagegen war der Erste Mechaniker, der Bulgare Petar Petroder, der als einer der letzten von Bord ging!

Immerhin wurde der Kapitän zu sechzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Nun hat er Zeit, über die Aufgaben eines Schiffsführers und Verantwortung nachzudenken.

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Montag, 15. November 2021
Rechtsstaat Israel?
Israelis reklamieren gern für sich, das "einzige demokratische Land im Nahen Osten" zu sein. Nun gut, wenn man sich an Syrien, Ägypten oder dem Iran misst, dann mag das gelten. Ich habe mich als - schlechter - Schüler auch an denen gemessen, die noch schlechter waren, um mein "relatives" Versagen zu beschönigen.

Gemessen an anderen demokratischen Ländern z.B. in Westeuropa, schneidet Israel durchaus schlecht ab. Nur ein Einzelbespiel. In den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten gibt es das Instrument der "Verwaltungshaft". Das bedeutet, dass des Terrorismus "verdächtige" Personen bis zu sechs Monaten inhaftiert werden können, ohne Anklage oder Prozess. Die Haft kann danach beliebig oft verlängert werden, jeweils um weitere sechs Monate. Das führt dazu, dass aktuell 482 Palästinenser im Gefängnis sitzen, ohne dass abzusehen ist, wann sie einen Prozess bekommen oder entlassen werden.

Ob in den Gefängnissen die Menschrechte, z.B. das auf körperliche Unversehrtheit oder das Recht, einen Anwalt zu sprechen oder Besuch zu empfangen, immer gewahrt werden, kann von außen nur unvollkommen beurteilt werden. Betroffene beklagen dagegen, dass ihre Menschen- und Freiheitsrechte immer wieder eingeschränkt werden.

Das sind keine antisemitischen Gräuelgeschichten, sondern sie werden von jüdisch-israelischen Menschenrechtsorganisationen wie z.B. B'Tselem bestätigt. Ein funktionierendes Justizsystem ist eins der Fundamente demokratischer Gesellschaften. Es wäre also durchaus angemessen, wenn z.B. die EU oder einzelne europäische Länder gegen die permanenten Verstöße Israels gegen demokratische und die Menschenrechte zu Protesten führen.

Der seit 122 Tagen dauernde Hungerstreik eines Palästinensers, der seit 2018 in Haft sitzt, und er ist nur einer von den 482 anderen "Verwaltungs-Häftlingen", von denen sich derzeit 60 Im Hungerstreik befinden, wäre ein Anlass für demokratische Staaten, bei der israelischen Regierung zu intervenieren.

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Mittwoch, 6. Oktober 2021
Tödliche Polizeitaktik
RUMS machte es und RUMS, RUMS, RUMS, RUMS, fünf Schüsse aus einer Polizeiwaffe trafen im August 2019 einen 19-Jährigen aus Afghanistan. Er habe die Polizisten in seiner Stader Wohnung mit einer "Hantelstange" bedroht. Ja, kann man da nichts anderes machen, um solchen "Angreifer" unschädlich zu machen? Ein gezielter Schuss ins Bein, wenn nicht vielleicht beruhigende Worte oder Nachkampftechnik hätten die Situation vielleicht auch klären können. Nein, ist die polizeiliche Logik, da droht uns doch einer, da hilft nur Attacke, möglichst massiv, mit garantiert tödlicher Treffsicherheit.

Es war nicht der letzte ähnliche Vorfall. Ein Jahr später streckten Bremer Polizisten einen Migranten nieder, er habe ein Messer in der Hand gehabt. Tod durch Erschießen. Auch hier wäre ein geordneter Rückzug die bessere Lösung gewesen.

Und jetzt wieder in Harsefeld bei Stade: In einem Flüchtlingsheim wird ein Sudanese erschossen. Auch er habe die Polizisten mit einem Messer bedroht. Und RUMS.

Es stellen sich Fragen: Kennen die Betreiber von Flüchtlingsheimen bei Konflikten nur die 110 oder gibt es noch andere Rufnummern von SpezialistInnen für psychisch Auffällige. Was macht denn die Security, die in den Heimen für Ruhe sorgen soll? Und warum muss die Polizei immer gleich das schärfste Mittel, die Feuerwaffe, einsetzen? Was ist mit Nachkampf, mit dem Gummiknüppel, Reizgas, Teaser? Aber nein: es muss geschossen werden und zwar mit tödlicher Treffsicherheit. Und jedes der Opfer ist dunkelhäutig.

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Samstag, 10. Juli 2021
Ende eines Einsatzes
Die Bundeswehr zog letzte Woche nach fast 20 Jahren aus Afghanistan ab. Erfolglos und unter Hinterlassung von 56 deutschen und ungezählten afghanischen Toten.

Zwar konnte das afghanische Regime eine Zeit lang gegen die Taliban gestützt werden, aber die haben nur im Hintergrund gelauert und inzwischen ca. 2/3 des Landes zurückerobert. Ein einziger fehlerhafter Befehl, übrigens gegen den Widerstand der verbündeten US-Truppen, kostete 142 Tote - Zivilisten, darunter Frauen und Kinder - das Leben. Falsch vermutete ein Oberst - inzwischen zum General befördert - an einem liegengebliebenen Tanklaster die Taliban. Wirklich hat die lokale Bevölkerung lediglich den Treibstoff für den Eigenbedarf "organisiert". Die vielen zivilen Opfer, die durch Überfälle der Taliban seit Jahren immer wieder entstanden, sind bisher ungezählt.

Zurückgelassen wurden tausende HelferInnen der Soldaten - vom Dolmetscher bis zur Küchenhelferin -, schutzlos der Rache der Taliban ausgesetzt. Versprochen wurde etwa 500 von ihnen die Ausreise nach Deutschland - auf eigene Kosten, versteht sich.

Bisher hat noch niemand - weder Militärs noch Politiker - eine ehrliche Bilanz des Einsatzes gezogen. Verfrüht? Nee, nach zwanzig Jahren könnte man das schon mal fragen. Sie drücken sich, denn eine EHRLICHE Bilanz wäre eine VERHEHRENDE Bilanz.

Und die FDP erdreistet sich, wohl auf der Suche nach WählerInnen unter den Streitkräften, für die Truppe einen "Großen Zapfenstreich" zu fordern. Wolfgang Neuss kalauerte aus anderem Anlass: Zapfenstreich sei das homosexuellste Wort, das er kenne. Ich denke, in diesem Fall ist es das onanistischste aller Rituale.

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Freitag, 25. Juni 2021
Alle mit Schwulen solidarisch
Auf einmal sind alle für Homosexuelle - in Ungarn versteht sich. Klar, Orban mit seinem Anti-Schwulen-Gesetz bietet eine prima Angriffsfläche. Aber mal ehrlich: Wie steht's mit den Schwulen bei uns, in Deutschland? Keine Pöbeleien, keine miesen Posts in den unsozialen Medien, keine Diskriminierung, keine Angriffe bis zum Totschlag? Schön wär's!

Und dann: Orhan mit seiner rechtsextremen Fides-Partei, die von deutlich über der Hälfte der Bevölkerung gewählt wurde, hätte und hat auch vorher schon genug Gründe geboten, seine demokratische, europäische und moralische Integrität ernsthaft zu bezweifeln. Außer Du-Du-Gebärden kam da wenig aus Brüssel und den europäischen Hauptstädten. Jetzt auf einmal wird Ungarn Artikel 50 des EU-Vertrags (Austritt aus der Gemeinschaft) empfohlen, wird gefordert, Europamittel für Ungarn zu streichen.

Kann mir mal jemand erklären, wieso gerade jetzt und wegen eines Homo-Gesetzes die Hütte brennt?

Übrigens: Was ist mit Polen, Tschechien und der Slowakei? Die segeln im Kielwasser von Orban, ohne Kritik am Kurs. Und Rumänien, Bulgarien glänzen auch nicht als demokratische Musterknaben. Nicht zu reden von den EU-Aspiranten auf dem Balkan. Wer guckt da eigentliche mal genauer hin, wie es dort mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht?

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Sonntag, 13. Juni 2021
Der lange Arm orientalischer Potentaten
Cansu Özdemir ist Fraktionsvorsitzende der Linken in der Hamburger Bürgerschaft. Sie stammt aus einer kurdischen Familie. Da liegt es nahe, dass sie sich für die Lage der Kurden im Nahen Osten interessiert. Also stellte sie eine Delegation zusammen, um nach Erbil, der autonomen kurdischen Region im Nordosten des Irak, zu reisen.
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Doch in Düsseldorf auf dem Flughafen endete die Reise. Sie wurde von der Bundespolizei festgenommen und stundenlang verhört, bis die Maschine ohne sie gestartet war. Die Bundespolizei begründete ihr Vorgehen damit, dass Verdacht bestünde, "die Interessen der Bundesrepublik" seien durch die Reise gefährdet. Die Immunität als Abgeordnete? Zählt nicht!

Der Status der kurdischen Region ist unsicher. Zwar retteten kurdische Kämpfer die Region vor dem Zugriff des "IS", aber vor allem der benachbarten Türkei ist das nicht geheuer. Sie intervenieren immer wieder militärisch, weil sie eine starke kurdische Region mit Einfluss auf die kurdischen Gebiete in der Türkei fürchtet.

Interessant wäre nun: Wer hat den Polizeieinsatz und die illegale Arretierung von Frau Özdemir veranlasst? Die werden doch wohl - hoffentlich! - nicht auf eigene Faust gehandelt haben? Die Bundespolizei untersteht dem Bundesinnenministerium. Doch nicht etwa Herr Seehofer? Oder vielleicht Herr Erdogan? Dessen langer Arm reichte schön früher gelegentlich weit, sehr weit und auch bis in die Bundesrepublik. Man denke nur an seinen letzten Wahlkampf in Deutschland.

Nun darf man gespannt sein, wie sich die Verantwortlichen aus der Bredouille `rauswinden.

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Samstag, 22. Mai 2021
Milliarden-Betrüge und Lausbubenstreiche
Gerne und mit Recht regt sich die Öffentlichkeit über korrupte Politiker auf: Plagiatsaffäre, Maskenaffäre u.a. Ein Blick in die Wirtschaft lässt derlei Fälle als Peanuts erscheinen, wie gerade (22.05.21) KONTEXT: Wochenzeitung - Das Onlinemagazin aus Stuttgart berichtet.

Nicht nur dass bei prominenten, angeblich "honorigen" Finanzinstituten in Größenordnung von Millionen bis Milliarden Euro betrogen wird und selbst die staatliche Aufsichtsbehörde BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht) unsaubere Geschäfte deckt, sondern sogar deren MitarbeiterInnen beteiligen sich am Beschiss. Z.B. ein "Leitender Finanzdirektor" (das ist ganz weit oben in der Hierarchie) hat mit Scheinrechnungen über sechs Millionen Euro ins eigene Portmonee gewirtschaftet. Man kauft eine Ware, die nie und nirgendwo existiert, rechnet das Geld mit irgendwem ab und kassiert. Sven Gigold (Grüne, MdEP) zählt 71 Betrugs-Fälle mit je mindestens 1 Mio. Euro bis mehrere Mrd. , bei denen die BaFin untätig geblieben ist. Dunkelziffer: unbekannt!

Unter den betroffenen Geldinstituten sind: WestLB, Hypo Real Estate, Sal. Oppenheim, HSH Nordbank, Debeka, Warburg, Deutsche Bank - teilweise über Jahre.

Wie gut die Bafin arbeitet, lässt sich am o.a. Fall des Lt.Rg.Dir. aufzeigen. Er führte einen Dr.-Titel, den er nicht hatte, er hatte nicht einmal ein Abitur oder ein Studium absolviert. Die vorgelegten Dokumente waren allesamt gefälscht. Und keiner hat's gemerkt, nicht mal die AUFSICHTS-Behörde BaFin! Aufgefallen war es dem Bundesrechnungshof. In anderen Fällen waren Journalisten findiger als die Behörde.

KONTEXT schreibt dazu: "Enkeltrick und Hütchenspiele wirken (dagegen) wie handzahme Lausbubenstreiche."

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Mittwoch, 12. Mai 2021
Scheuer: Mein Name ist Hase
Scheuer lügt, erinnert sich nicht, hat seine Ministerialbürokratie nicht im Griff und kein Unrechtsbewusstsein. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Debakel mit der PKW-Maut hat seinen Bericht veröffentlicht. Die Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne haben ein Sondervotum verfasst und kommen zu dem Ergebnis, Verkehrsminister Scheuer muss zurücktreten oder entlassen werden.
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Er leugnet, dass die Firmen, die die Maut eintreiben sollten, ihn gewarnt haben, ohne Zustimmung des Bundestags Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe einzugehen. Das Ministerium selbst war nicht in der Lage, die Gesetzgebungsinitiative voranzubringen, weswegen für externe Berater 40 Millionen Euro bezahlt wurden.

Es ist Grundprinzip für die öffentliche Verwaltung, dass keine Verträge oder Ausgaben getätigt werden dürfen, bevor die Mittel - in diesem Fall vom Parlament - bewilligt und freigegeben sind. Den beauftragten Firmen sind Einnahmen entgangen und Kosten entstanden: über eine halbe Milliarde Euro, die sie nun erstattet haben wollen. Na und, denkt Scheuer - ich lüge, habe keine Ahnung und keine Schuld, aber der Bundeshaushalt wird das schon hergeben. Persönliche Haftung? Gibt`s in der Größenordnung wohl nicht.---------------------------------------------------------- Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts, lebe auf dem Feld und fresse Kohl.

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Montag, 3. Mai 2021
Von "Spiegelaffäre" und "Lügenpresse"
Nicht nur 1962, sondern auch lange vorher und lange nachher galt das Nachrichtenmagazin "Spiegel" als erfolgreichstes Investigativ-Medium der alten Bundesrepublik. Ein Höhepunkt war die sog. "Spiegelaffäre". Das Blatt veröffentlichte die Ergebnisse des Nato-Manövers "Fallex 61" unter der Überschrift "Bedingt abwehrbereit". Das Manöver, das von einem sowjetischen Angriff auf Westeuropa ausging, kam zu dem vernichtenden Ergebnis, das im Titel des Berichts zusammengefasst wurde. Die Bonner Politik lief Amok, Bundeskanzler Adenauer sprach von einem "Abgrund von Landesverrat". Der weitere Verlauf der Affäre soll hier nicht erörtert werden.

Festzuhalten ist, dass der "Spiegel" nicht nur in diesem Fall vor den Gerichten umfassend Recht bekam. Die Recherchen des Magazins waren regelmäßig so gut, dass Politiker, die gegen sie betreffende Artikel klagten - allen voran der CSU-Vorsitzende und Verteidigungsminister Strauss - regelmäßig den Kürzeren zogen.

Ein anderes seriöses Blatt war die "Zeit", die Pflichtlektüre für linksliberale Intellektuelle, die die Zeitung gern deutlich sichtbar unter dem Arm trugen, in der Straßenbahn, in Unis und im Flugzeug.

Die Verhältnisse haben sich gründlich geändert, sehr zum Nachteil, vor allem für den Ruf der deutschen Qualitätspresse. Ein aktuelles Beispiel ist die sog. "BAMF-Affäre". Die Leiterin der Bremer BAMF-Filiale, Ulrike B., wurde schwer beschuldigt - der Rechtsbeugung, Bestechung u.a. Vergehen. Sie habe, so zunächst Medien, dann die Staatsanwaltschaft, mehrere tausend rechtswidrige Asylbescheide zugunsten von Flüchtlingen ausgestellt. Der weitere Verlauf der Affäre soll hier nicht erörtert werden.

Festzuhalten ist, dass durchaus als seriös geltende Medien von den Nürnberger Nachrichten über die Süddeutsche Zeitung, den NDR, Radio Bremen, Zeit online bis zum Spiegel unhinterfragt Falschmeldungen kolportierten. Die Bremer Staatsanwalt beteiligte sich aktiv an dem Kesseltreiben gegen Ulrike B. Damit nicht genug: Als sich schon abzeichnete, dass die Anklagen gegen die BAMF-Leiterin wie Seifenblasen zerplatzten, verbreiteten Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft von deren Leiter bis zum Pressesprecher Unwahrheiten, Diffamierungen, die auch unter die Gürtellinie zielten, in einem "Hintergrundgespräch" mit "Zeit online". Den Inhalt des Gesprächs gaben wiederum andere "seriöse" Medien ohne Gegenprobe wieder, darunter Agenturen und die Qualitätspresse bis zum "Spiegel".

Ulrike B. wurde inzwischen in allen Anklagepunkten - die zuletzt von über tausend auf zwölf geschrumpft waren - rechtskräftig freigesprochen. Jetzt muss sie noch um ihre disziplinarische Rehabilitierung kämpfen. Der "BAMF-Skandal" hat sich als Medien- und Rechtsskandal herausgestellt. Wie können die Verantwortlichen in den Medien und der Justiz so dumm sein, den Rechtsextremen eine solche Steilvorlage z.B. für die Parole "Lügenpresse" zu liefern?

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