Sonntag, 3. Mai 2020
Der Tod der Frau B.
jf.bremen, 13:56h
Auch wenn die folgende Geschichte den Schluss nahe legen könnte, dass Einsamkeit ein Problem nur von Alten ist - das ist es nicht. Einsamkeit ist nicht altersabhängig. Bei Jüngeren wird es oft nur anders genannt. Von Kindern sagte man in der Corona-Krise: "Ihnen fehlen die anderen Kinder." Von anderen heißt es: "Das ist ein/e etwas Zurückgezogene/r." Das sind Euphemismen für Einsamkeit. Und letztlich ist Einsamkeit kein typisch Corona-bezogenes Phänomen, sondern eine Alltagserscheinung. Wie die folgende Geschichte zeigt.
Ich kam von einer einwöchigen Dienstreise zurück. Während der üblichen Tätigkeiten des Nach-Haus-Kommens fragte meine Frau: "Wann hast du eigentlich Frau B. das letzte Mal gesehen oder gehört?" Frau B. war unsere Nachbarin rechts - oder links, je nachdem wie herum man stand. Ich konnte mich nicht erinnern. Wir waren es gewohnt, sie gelegentlich in den direkt benachbarten Zimmern hantieren zu hören.
Meine Frau machte sich Sorgen: sie hatte länger nichts mehr gehört. "Ob ich besser die Polizei anrufen sollte?" - "Ja, wenn du denkst, einmal zu viel ist besser als einmal zu wenig." Das meinte auch der Polizist. "Wir schicken einen Streifenwagen", der auch kurz danach vor der Tür stand. Die Beamten klingelten bei Frau B., pochten an die Tür, riefen - keine Reaktion. Sie alarmierten die Feuerwehr. Die rückte mit einem Gerätewagen und einem Krankenwagen an und öffnete die Tür. Einer der Polizisten ging hinein, kam aber sofort wieder heraus. Im Haus stank es, und Frau B. lag tot am Fuß der Treppe mit Verletzungen am Kopf.
Das Weitere war Routine: Der Polizeiarzt kam, bestätigte den Tod. Er und die Polizisten sprachen mit uns, weil wir angerufen hatten. Der Arzt, befragt nach der Todesursache, erklärte, die sei nicht mehr festzustellen. Es könne sein, dass Frau B. gestürzt und an dem Sturz gestorben sei, oder sie sei gestorben und dann gestürzt und habe sich dabei die Verletzungen zugezogen. Den Todeszeitpunkt könne er momentan nicht feststellen. Wir machten uns Gedanken, ob Frau B. vielleicht lange verletzt dort ohne Hilfe gelegen hatte.
Denn Frau B. war sehr einsam. Nur sehr selten bekam sie gelegentlich Besuch von einer Taxifahrerin. Diese wurde über den Taxifunk informiert, war eine entfernte Verwandte und konnte Auskunft über die weitere Verwandtschaft geben.
Frau B. lebte ein skurriles Leben. Die Versorgungsunternehmen hatten ihr nach und nach das Wasser, das Gas, den Strom und das Telefon gesperrt. Sie hatte sich mit allen um kleine Beträge gestritten, die sie nicht bezahlt hatte. Ich erfuhr davon eines Abends im Winter. Wir saßen beim Abendbrot, als es klingelte. Eine junge Nachbarin stand mit Frau B. vor der Haustür: Ob ich helfen könne.
Frau B. war im Dunkeln durch die Gärten geirrt und konnte nicht in ihr Haus. Sie hatte in einem Parterre-Zimmer die ungesicherte Türklinke abgezogen, drückte bei dem Versuch, sie wieder einzustecken, die andere mit dem Vierkant nach außen. Durch das Fenster war sie über einen Tisch nach draußen geklettert und konnte nicht wieder zurück. Ich nahm den umgekehrten Weg, suchte und fand im Dunkeln den Lichtschalter, doch das Licht ging nicht an. Ich benutzte meine Taschenlampe, drehte mit einem großen Schraubendreher den Vierkant im Türschloss und öffnete die Tür. Das Nebenzimmer hat eine Tür nach draußen. Wieder betätigte ich ohne Erfolg den Lichtschalter, schloss die Außentür auf und ließ Frau B. herein. Ich stellte jetzt erstmalig fest: Im ganzen Haus gab es kein Licht.
Ihren Wassermangel kompensierte Frau B. dadurch, dass sie Wassereimer, leere Yoghurt-Becher und andere Gefäße auf den Balkon stellte und das Regenwasser auffing. Dort wusch sie sich auch.
Mit den NachbarInnen hatte sie sich systematisch zerstritten. Ein Nachbar legte in seinem Garten einen kleinen Teich an. Frau B. alarmierte die Polizei: der Nachbar baue ein Schwimmbad. Ob das erlaubt sei. Die Polizei rückte an, begutachtete den Teich und fragte den Nachbarn, wie groß der denn noch werden solle. Dieser erklärte: "Der ist jetzt fertig."
Wir kamen von einer Urlaubsreise zurück, ich reinigte das Innere des Autos und hatte beide rechte Türen auf. Frau B. kam den Bürgerstein entlang. Damit sie das Auto passieren konnte, schloss ich die Türen. "Das ist aber nett, dass Sie mir Platz machen." Und ging weiter. Nach zwei Metern drehte sich um und schimpfte: "Schmeißen sie ja nicht Ihren Dreck vor mein Haus!"
Einmal behauptete sie, die Mauer zwischen unseren Balkons sei "verschoben". "Früher war sie so und so", sie fuchtelte mit den Händen in der Luft, "und jetzt ist sie so und so." Ich entgegnet, das könne nicht sein, versprach aber, der Sache nachzugehen. Ich inspizierte die Mauer, hantierte mit dem Zollstock eine Zeit und erklärte, die Mauer sei wie immer. "Na, dann ist es ja gut." Wenn ich einen Streit angefangen hätte, wäre das nicht so leicht gegangen. Aber so viel Langmut brachten nicht alle auf. Unsere Hauswirtin z.B. verließ jedes Mal fluchtartig den Garten, sobald Frau B. heraus kam. Diese züchtete dort Gemüse und Obst, das sie häufig gleich an Ort und Stelle aß. Sie hatte sich mit unserer Hauswirtin schon vor Jahren wegen einer Hecke zerstritten. Meine Frau beschimpfte sie im Garten unvermutet, sie sehe frech aus: "Die Augen sind's, und die Haare.'
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Wenn Frau B. das Haus verließ, war sie tip-top gekleidet und führte immer einen Stockschirm mit sich. Wollte sie den viel befahrenen Osterdeich überqueren, streckte sie den Schirm am langen Arm waagerecht aus und ging einfach los. Die Autos hielten mit quietschenden Reifen. Selten schimpfte ein Fahrer. Den Schirm brauchte sie auch für Fahrten mit der Straßenbahn. Sie fuchtelte damit herum, vertrieb andere Fahrgäste, indem sie behauptete: "Das da ist mein Platz!"
Als sie gestorben war, tauchten Verwandte vom Land auf, die wir noch nie gesehen hatten, und traten das Erbe an. Sie berichteten, außer dem Haus habe sie 250.000 Mark auf dem Konto. Uns wollten sie das Haus für 225.000 Mark verkaufen.
Häufig liest man in Zeitungen Klagen darüber, dass Großstadtmenschen völlig vereinsamt sterben und längere Zeit unentdeckt tot in ihren Wohnungen liegen. Frau B. starb, wie sie gelebt hatte: allein und wohl auch sehr einsam. Aus einer gewollten und selbst verursachten Einsamkeit kann niemand, auch nicht von gutwilligen Menschen, befreit werden.
Ich kam von einer einwöchigen Dienstreise zurück. Während der üblichen Tätigkeiten des Nach-Haus-Kommens fragte meine Frau: "Wann hast du eigentlich Frau B. das letzte Mal gesehen oder gehört?" Frau B. war unsere Nachbarin rechts - oder links, je nachdem wie herum man stand. Ich konnte mich nicht erinnern. Wir waren es gewohnt, sie gelegentlich in den direkt benachbarten Zimmern hantieren zu hören.
Meine Frau machte sich Sorgen: sie hatte länger nichts mehr gehört. "Ob ich besser die Polizei anrufen sollte?" - "Ja, wenn du denkst, einmal zu viel ist besser als einmal zu wenig." Das meinte auch der Polizist. "Wir schicken einen Streifenwagen", der auch kurz danach vor der Tür stand. Die Beamten klingelten bei Frau B., pochten an die Tür, riefen - keine Reaktion. Sie alarmierten die Feuerwehr. Die rückte mit einem Gerätewagen und einem Krankenwagen an und öffnete die Tür. Einer der Polizisten ging hinein, kam aber sofort wieder heraus. Im Haus stank es, und Frau B. lag tot am Fuß der Treppe mit Verletzungen am Kopf.
Das Weitere war Routine: Der Polizeiarzt kam, bestätigte den Tod. Er und die Polizisten sprachen mit uns, weil wir angerufen hatten. Der Arzt, befragt nach der Todesursache, erklärte, die sei nicht mehr festzustellen. Es könne sein, dass Frau B. gestürzt und an dem Sturz gestorben sei, oder sie sei gestorben und dann gestürzt und habe sich dabei die Verletzungen zugezogen. Den Todeszeitpunkt könne er momentan nicht feststellen. Wir machten uns Gedanken, ob Frau B. vielleicht lange verletzt dort ohne Hilfe gelegen hatte.
Denn Frau B. war sehr einsam. Nur sehr selten bekam sie gelegentlich Besuch von einer Taxifahrerin. Diese wurde über den Taxifunk informiert, war eine entfernte Verwandte und konnte Auskunft über die weitere Verwandtschaft geben.
Frau B. lebte ein skurriles Leben. Die Versorgungsunternehmen hatten ihr nach und nach das Wasser, das Gas, den Strom und das Telefon gesperrt. Sie hatte sich mit allen um kleine Beträge gestritten, die sie nicht bezahlt hatte. Ich erfuhr davon eines Abends im Winter. Wir saßen beim Abendbrot, als es klingelte. Eine junge Nachbarin stand mit Frau B. vor der Haustür: Ob ich helfen könne.
Frau B. war im Dunkeln durch die Gärten geirrt und konnte nicht in ihr Haus. Sie hatte in einem Parterre-Zimmer die ungesicherte Türklinke abgezogen, drückte bei dem Versuch, sie wieder einzustecken, die andere mit dem Vierkant nach außen. Durch das Fenster war sie über einen Tisch nach draußen geklettert und konnte nicht wieder zurück. Ich nahm den umgekehrten Weg, suchte und fand im Dunkeln den Lichtschalter, doch das Licht ging nicht an. Ich benutzte meine Taschenlampe, drehte mit einem großen Schraubendreher den Vierkant im Türschloss und öffnete die Tür. Das Nebenzimmer hat eine Tür nach draußen. Wieder betätigte ich ohne Erfolg den Lichtschalter, schloss die Außentür auf und ließ Frau B. herein. Ich stellte jetzt erstmalig fest: Im ganzen Haus gab es kein Licht.
Ihren Wassermangel kompensierte Frau B. dadurch, dass sie Wassereimer, leere Yoghurt-Becher und andere Gefäße auf den Balkon stellte und das Regenwasser auffing. Dort wusch sie sich auch.
Mit den NachbarInnen hatte sie sich systematisch zerstritten. Ein Nachbar legte in seinem Garten einen kleinen Teich an. Frau B. alarmierte die Polizei: der Nachbar baue ein Schwimmbad. Ob das erlaubt sei. Die Polizei rückte an, begutachtete den Teich und fragte den Nachbarn, wie groß der denn noch werden solle. Dieser erklärte: "Der ist jetzt fertig."
Wir kamen von einer Urlaubsreise zurück, ich reinigte das Innere des Autos und hatte beide rechte Türen auf. Frau B. kam den Bürgerstein entlang. Damit sie das Auto passieren konnte, schloss ich die Türen. "Das ist aber nett, dass Sie mir Platz machen." Und ging weiter. Nach zwei Metern drehte sich um und schimpfte: "Schmeißen sie ja nicht Ihren Dreck vor mein Haus!"
Einmal behauptete sie, die Mauer zwischen unseren Balkons sei "verschoben". "Früher war sie so und so", sie fuchtelte mit den Händen in der Luft, "und jetzt ist sie so und so." Ich entgegnet, das könne nicht sein, versprach aber, der Sache nachzugehen. Ich inspizierte die Mauer, hantierte mit dem Zollstock eine Zeit und erklärte, die Mauer sei wie immer. "Na, dann ist es ja gut." Wenn ich einen Streit angefangen hätte, wäre das nicht so leicht gegangen. Aber so viel Langmut brachten nicht alle auf. Unsere Hauswirtin z.B. verließ jedes Mal fluchtartig den Garten, sobald Frau B. heraus kam. Diese züchtete dort Gemüse und Obst, das sie häufig gleich an Ort und Stelle aß. Sie hatte sich mit unserer Hauswirtin schon vor Jahren wegen einer Hecke zerstritten. Meine Frau beschimpfte sie im Garten unvermutet, sie sehe frech aus: "Die Augen sind's, und die Haare.'
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Wenn Frau B. das Haus verließ, war sie tip-top gekleidet und führte immer einen Stockschirm mit sich. Wollte sie den viel befahrenen Osterdeich überqueren, streckte sie den Schirm am langen Arm waagerecht aus und ging einfach los. Die Autos hielten mit quietschenden Reifen. Selten schimpfte ein Fahrer. Den Schirm brauchte sie auch für Fahrten mit der Straßenbahn. Sie fuchtelte damit herum, vertrieb andere Fahrgäste, indem sie behauptete: "Das da ist mein Platz!"
Als sie gestorben war, tauchten Verwandte vom Land auf, die wir noch nie gesehen hatten, und traten das Erbe an. Sie berichteten, außer dem Haus habe sie 250.000 Mark auf dem Konto. Uns wollten sie das Haus für 225.000 Mark verkaufen.
Häufig liest man in Zeitungen Klagen darüber, dass Großstadtmenschen völlig vereinsamt sterben und längere Zeit unentdeckt tot in ihren Wohnungen liegen. Frau B. starb, wie sie gelebt hatte: allein und wohl auch sehr einsam. Aus einer gewollten und selbst verursachten Einsamkeit kann niemand, auch nicht von gutwilligen Menschen, befreit werden.
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Samstag, 14. Dezember 2019
Die Spanne zwischen arm und reich – immer weiter
jf.bremen, 17:04h
Wie kann man jährlich eine Million Euro verdienen? Mit materieller oder geistiger Produktivität wohl eher nicht. Vielmehr durch Erbschaft – ist jährlich unwahrscheinlich, legt aber eine gesunde Grundlage. Dann aber: Zinsen (aktuell eher wenig), Dividenden (die umso mehr), Spekulation (sehr empfehlenswert), andere für sich arbeiten lassen (noch empfehlenswerter) und den Mehrwert einstreichen (best practice).
Die ca. einhundertfünfzig Bremer Einkommensmillionäre geben sich bei der Eingangsfrage eher verschlossen. Stattdessen präsentieren sie sich gerne mit z.B. den Statussymbolen zentimeterdicke Zigarre (nicht nur Klischee!) oder Kollier als Kunstmäzene. Sehr praktisch: das hilft Steuern sparen.
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Apropos Steuern: die werden von Millionären eher nicht gezahlt, entweder weil sie „vermieden“ werden oder weil es sie in Deutschland gar nicht gibt: Erbschaftsteuer auf das gesamte Erbe, Vermögenssteuer, Spitzensteuer, Reichensteuer, nur als Beispiele. Alles Steuern, die es in anderen europäischen Ländern gibt, ohne dass die Welt untergeht.
Gleichzeitig driften die Einkommen und Vermögen bei uns immer weiter auseinander: Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer, FAKT! Nicht Armutsbekämpfung - das Schlagwort gutwilliger Sozialpolitiker -, sondern Bekämpfung des Reichtums ist die richtige Parole.
Bei Erwähnung von Steuern zucken die Geldsäcke erschrocken zurück und winseln: „Neiddebatte!“ Mitnichten meine Herrschaften: Nicht Neid ist die Triebfeder dieser Debatte, sondern Gerechtigkeit. Wenn Satz zwei in der Einleitung stimmt, dann gehört das ganze Geld nicht den Reichen, sondern denen, die es erwirtschaften: materielle und geistige Produzenten. Und es geht auch nicht darum, dass der Reichtum einfach auf andere Personen umgeschichtet wird (das wäre Neid), sondern dass gesellschaftlich produzierter Reichtum auch der Gesellschaft zur Verfügung steht. Ja, für Schulen, Straßen, Kitas und alles, was bei uns im Argen liegt.
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Und das wünsche ich allen, die es brauchen, zu Weihnachten und fürs Neue Jahr.
Die ca. einhundertfünfzig Bremer Einkommensmillionäre geben sich bei der Eingangsfrage eher verschlossen. Stattdessen präsentieren sie sich gerne mit z.B. den Statussymbolen zentimeterdicke Zigarre (nicht nur Klischee!) oder Kollier als Kunstmäzene. Sehr praktisch: das hilft Steuern sparen.
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Apropos Steuern: die werden von Millionären eher nicht gezahlt, entweder weil sie „vermieden“ werden oder weil es sie in Deutschland gar nicht gibt: Erbschaftsteuer auf das gesamte Erbe, Vermögenssteuer, Spitzensteuer, Reichensteuer, nur als Beispiele. Alles Steuern, die es in anderen europäischen Ländern gibt, ohne dass die Welt untergeht.
Gleichzeitig driften die Einkommen und Vermögen bei uns immer weiter auseinander: Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer, FAKT! Nicht Armutsbekämpfung - das Schlagwort gutwilliger Sozialpolitiker -, sondern Bekämpfung des Reichtums ist die richtige Parole.
Bei Erwähnung von Steuern zucken die Geldsäcke erschrocken zurück und winseln: „Neiddebatte!“ Mitnichten meine Herrschaften: Nicht Neid ist die Triebfeder dieser Debatte, sondern Gerechtigkeit. Wenn Satz zwei in der Einleitung stimmt, dann gehört das ganze Geld nicht den Reichen, sondern denen, die es erwirtschaften: materielle und geistige Produzenten. Und es geht auch nicht darum, dass der Reichtum einfach auf andere Personen umgeschichtet wird (das wäre Neid), sondern dass gesellschaftlich produzierter Reichtum auch der Gesellschaft zur Verfügung steht. Ja, für Schulen, Straßen, Kitas und alles, was bei uns im Argen liegt.
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Und das wünsche ich allen, die es brauchen, zu Weihnachten und fürs Neue Jahr.
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Dienstag, 3. Dezember 2019
Alltägliche Beschimpfungen
jf.bremen, 15:32h
A….loch ist eine ziemlich üble und übliche Beschimpfung. Ihr inzwischen inflationärer Gebrauch macht es auch nicht besser - auch wenn es inzwischen selbst in seriösen Zeitungen auftaucht.
Es reduziert einen Menschen auf EINEN Körperteil, zumal auf einen besonders verächtlichen. Das kann nicht für erlaubt gehalten werden.
Wenn ich einen Menschen ganzheitlich betrachte, verbietet sich der Gebrauch des Wortes von selbst. Wir sagen ja auch nicht die „Du Schweißfuß“. Abgesehen davon, dass es ganz ungebräuchlich ist, ist es auch sinnlos, genauso wie das A-Wort.
Und was ist mit Mama? Auch ein weiblicher Körperteil, nämlich die Brust, die auf Lateinisch eben mama heißt. Auch diese Reduzierung eines Menschen auf einen Körperteil, zumal ein sekundäres Geschlechtsmerkmal, ist frauenfeindlich und ebenso menschenfeindlich wie das andere verpönte Wort. Es wird eher noch inflationärer verwendet, was an sich nicht schlimm ist, aber schlimm ist: es wird völlig unreflektiert verwendet.
Und nun dürft ihr mich als Sprachpuristen bezeichnen. Und da habt ihr Recht und ich empfinde es nicht als Beleidigung!
Es reduziert einen Menschen auf EINEN Körperteil, zumal auf einen besonders verächtlichen. Das kann nicht für erlaubt gehalten werden.
Wenn ich einen Menschen ganzheitlich betrachte, verbietet sich der Gebrauch des Wortes von selbst. Wir sagen ja auch nicht die „Du Schweißfuß“. Abgesehen davon, dass es ganz ungebräuchlich ist, ist es auch sinnlos, genauso wie das A-Wort.
Und was ist mit Mama? Auch ein weiblicher Körperteil, nämlich die Brust, die auf Lateinisch eben mama heißt. Auch diese Reduzierung eines Menschen auf einen Körperteil, zumal ein sekundäres Geschlechtsmerkmal, ist frauenfeindlich und ebenso menschenfeindlich wie das andere verpönte Wort. Es wird eher noch inflationärer verwendet, was an sich nicht schlimm ist, aber schlimm ist: es wird völlig unreflektiert verwendet.
Und nun dürft ihr mich als Sprachpuristen bezeichnen. Und da habt ihr Recht und ich empfinde es nicht als Beleidigung!
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Mittwoch, 21. August 2019
MAD ist nicht Stasi
jf.bremen, 19:27h
Nach dem Fall der Berliner Mauer hatten nicht nur Ex-DDR-Bürger die Möglichkeit, in den Stasi-Unterlagen ihre Akten einzusehen. Da ich von den 60er bis in die 80er Jahre immer mal wieder privat oder beruflich in und durch die DDR reiste, war ich neugierig, was die Stasi über mich wusste bzw. gespeichert hatte.
Eine erste Anfrage von 2009 wurde abschlägig beschieden. Im Folgejahr bekam ich die Information, es könne etwas vorhanden sein. Dann 2011 folgte eine Fotokopie (eine Seite auf DIN-A). Es war nicht umwerfend, was ich dort erfuhr. Vor allem wusste der/die InformantIn nur unzureichend und teilweise falsch über mich Bescheid.
So angeregt, beschloss ich vor kurzem, mich beim Militärischen Abschirm-Dienst (MAD) zu erkundigen, was der über mich gespeichert hatte. Immerhin waren bei mir zweimal Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt worden: einmal während meines aktiven Wehrdienstes und einmal anlässlich einer Wehrübung.
Die Antwort war enttäuschend: Wenn ich einen konkreten Sachverhalt und eine besonderes Interesse an einer Auskunft darlegen könne, dann könne ich Auskunft bekommen.
Leider kann ich damit nicht dienen. Ich wollte ja alles und zwar subito wissen.
Wie schade, dass meine Neugier nicht befriedigt wird!
Eine erste Anfrage von 2009 wurde abschlägig beschieden. Im Folgejahr bekam ich die Information, es könne etwas vorhanden sein. Dann 2011 folgte eine Fotokopie (eine Seite auf DIN-A). Es war nicht umwerfend, was ich dort erfuhr. Vor allem wusste der/die InformantIn nur unzureichend und teilweise falsch über mich Bescheid.
So angeregt, beschloss ich vor kurzem, mich beim Militärischen Abschirm-Dienst (MAD) zu erkundigen, was der über mich gespeichert hatte. Immerhin waren bei mir zweimal Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt worden: einmal während meines aktiven Wehrdienstes und einmal anlässlich einer Wehrübung.
Die Antwort war enttäuschend: Wenn ich einen konkreten Sachverhalt und eine besonderes Interesse an einer Auskunft darlegen könne, dann könne ich Auskunft bekommen.
Leider kann ich damit nicht dienen. Ich wollte ja alles und zwar subito wissen.
Wie schade, dass meine Neugier nicht befriedigt wird!
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Donnerstag, 7. März 2019
Bauhaus – eine Tragödie in mehreren Akten
jf.bremen, 13:17h
Das Bauhaus feiert sein 100-jähriges Bestehen. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Der Erfolg besteht darin, dass WELTWEIT Bauhaus-Ideen verbreitet und realisiert wurden, übrigens u.a. dank den Nazis. Wieso das?
1919 gründete Walter Gropius in Weimar in der Tradition dortiger Kunstschulen das Bauhaus. Bereits 1923 wich das Bauhaus auf Druck der bürgerlich-konservative Mehrheit in Weimar nach Dessau aus. Auch dort bestand es nur bis 1930 und zog weiter nach Berlin, wo es 1933 von den Nazis geschlossen wurde.
Dies die ersten Akte der Tragödie. Allerdings musste viele, sogar die meisten der Lehrer und Studenten emigrieren und verbreitete den Stil weltweit und leiteten damit die Moderne in Kunst, Design und vor allem Architektur ein.
Die Tragödie wurde nach 1945 fortgesetzt. Zwar wurden Nachfolgeorganisationen in Ost- wie West-Deutschland gegründet: in Dessau und Ulm. In beiden Teilen Deutschlands setzten sich wieder die Konservativen durch. Die Dessauer durften entwerfen, blieben aber erfolglos. So entwarfen sie Karosserien für Autos, die nie gebaut wurden. Trabi musste genügen.
In Ulm wurde der Kunsthochschule von der baden-württembergischen CDU-Regierung die Förderung entzogen: zu fortschrittlich!
Wie sich die Traditionen gleichen: bürgerlich-konservativ, national-sozialistisch, real-sozialistisch und christlich-demokratisch.
1919 gründete Walter Gropius in Weimar in der Tradition dortiger Kunstschulen das Bauhaus. Bereits 1923 wich das Bauhaus auf Druck der bürgerlich-konservative Mehrheit in Weimar nach Dessau aus. Auch dort bestand es nur bis 1930 und zog weiter nach Berlin, wo es 1933 von den Nazis geschlossen wurde.
Dies die ersten Akte der Tragödie. Allerdings musste viele, sogar die meisten der Lehrer und Studenten emigrieren und verbreitete den Stil weltweit und leiteten damit die Moderne in Kunst, Design und vor allem Architektur ein.
Die Tragödie wurde nach 1945 fortgesetzt. Zwar wurden Nachfolgeorganisationen in Ost- wie West-Deutschland gegründet: in Dessau und Ulm. In beiden Teilen Deutschlands setzten sich wieder die Konservativen durch. Die Dessauer durften entwerfen, blieben aber erfolglos. So entwarfen sie Karosserien für Autos, die nie gebaut wurden. Trabi musste genügen.
In Ulm wurde der Kunsthochschule von der baden-württembergischen CDU-Regierung die Förderung entzogen: zu fortschrittlich!
Wie sich die Traditionen gleichen: bürgerlich-konservativ, national-sozialistisch, real-sozialistisch und christlich-demokratisch.
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Dienstag, 4. September 2018
Kinder oder Ausländer?
jf.bremen, 12:45h
Die Bundesfamilienministerin besucht einen multi-kulturellen Kindergarten in Chemnitz. Die Ministerin fragt ein Mädchen : „Habt ihr hier auch Ausländer?“ – Darauf das Kind: „Nö, hier sind nur Kinder!“
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Donnerstag, 7. Juni 2018
Multitasking ist eine Fiktion!
jf.bremen, 18:38h
Gegen konzentriert arbeitende Männer wird das Argument des Multitasking in Stellung gebracht, das angeblich Frauen perfekt beherrschen.
Warum hält sich dieses Märchen so konstant?
Bereits bevor das Telefonieren im Auto untersagt wurde, haben praktische Versuche mit telefonierenden AutofahrerInnen ergeben: sie fahren unkonzentriert und machen häufig Fehler. Ergebnis des vom ADAC durchgeführten Tests: Telefonieren am Lenkrad ist verboten.
Wenn Autos durch unregelmäßiges Fahren – Schlangenlinien, unterschiedliches Tempo, Fehler – auffallen, sitzt nicht notwendig ein Betrunkener am Steuer. Meist ist es eine – oft weibliche – Person, die mit einem/r BeifahrerIn heftig gestikulierend und seitwärts guckend spricht.
Später wurde in Tests festgestellt, Menschen am Computer sind unkonzentriert, arbeiten langsamer und machen Fehler, wenn sie IRGENDWIE abgelenkt werden: durch Besucher, Telefonate, Radio u.ä.
Ein Psychologe schreibt in „Psychologie heute“, es sei hirnphysiologisch nachweisbar, dass Multitasking nicht funktionieren KANN.
Multitasking ist eine Fiktion!
Warum hält sich dieses Märchen so konstant?
Bereits bevor das Telefonieren im Auto untersagt wurde, haben praktische Versuche mit telefonierenden AutofahrerInnen ergeben: sie fahren unkonzentriert und machen häufig Fehler. Ergebnis des vom ADAC durchgeführten Tests: Telefonieren am Lenkrad ist verboten.
Wenn Autos durch unregelmäßiges Fahren – Schlangenlinien, unterschiedliches Tempo, Fehler – auffallen, sitzt nicht notwendig ein Betrunkener am Steuer. Meist ist es eine – oft weibliche – Person, die mit einem/r BeifahrerIn heftig gestikulierend und seitwärts guckend spricht.
Später wurde in Tests festgestellt, Menschen am Computer sind unkonzentriert, arbeiten langsamer und machen Fehler, wenn sie IRGENDWIE abgelenkt werden: durch Besucher, Telefonate, Radio u.ä.
Ein Psychologe schreibt in „Psychologie heute“, es sei hirnphysiologisch nachweisbar, dass Multitasking nicht funktionieren KANN.
Multitasking ist eine Fiktion!
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Sonntag, 21. Januar 2018
Was ist ein Tüftler?
jf.bremen, 13:42h
Neulich im Sprachunterricht für Geflüchtete: Im Text kommt der Begriff „Tüftler“ vor. Mohammed fragt, was ein Tüftler ist. Ossama, der unbekannte Worte gern aus Bekanntem ableitet, erklärt, dass müsse wohl was mit Autos zu tun haben. Befragt warum, meint er das komme doch wohl von „TÜV“.
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Freitag, 13. Oktober 2017
Strandgut I
jf.bremen, 13:45h
Es gibt Menschen, die einem immer durch ihre Hilfsbereitschaft im Wege stehen. Tati hat diesen Menschen Denkmäler in seinen Filmen errichtet. Z.B. Tati in „Die Ferien des M. Hulot“. Kirsten Fuchs berichtet von einer Hilfestellung für ihre Tochter. Diese kommt einfach nicht aus dem Quark, die Zeit drängt irgendwie. Sie fummelt der Tochter dazwischen. Darauf die: „Hilf mir mal bitte kurz, indem du mich in Ruhe lässt.“ Bingo!
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Samstag, 7. Oktober 2017
Strandgut
jf.bremen, 16:09h
ist das, was die Ozeane und deren Nebenmeere nach Stürmen und Orkanen an die Gestade spülen. Der Strandspaziergänger übersieht sie leicht, ja gelegentlich bringen sie Verdruss. Dann aber sind gelegentlich echte Fundstücke darunter: Schöne Steine oder Muscheln, sogar mal ein Bernstein, eine Flaschenpost oder Alraunen, Zeugen untergegangener Zeiten und Kulturen. Z.B. von der Eiszeit herangerollte und abgeschliffene Felsen oder Steine aus Skandinavien, steinzeitliche Werkzeuge oder tote Tiere.
Im Reich der Worte und Bücher, auch des Theaters sind es einzelne „aus dem Zusammenhang gerissene“ Zitate, literarische Fundstücke, also Strandgut. Wem ging es nicht schon so: Man sieht im Fernsehen oder auf der Bühne Kabarett oder Theater. „Wo hat der Kerl bloß die vielen Zitate her?!“ Man denkt: Das merke ich mir, das kann ich in Gesprächen und Diskussionen mal nebenbei einfließen lassen – mit Autorenangabe, versteht sich.
An der Garderobe oder beim Gang zur Toilette grübelt man: Wie war das eben noch? Will mir einfach nicht einfallen. Das Feuerwerk der Bonmots und „Zitate“ überwältigt uns.
In Sternstunden erinnert man sich dann manchmal. Ich habe eine Methode gefunden, diese Erfahrung öfter zu machen. Ich schreibe mir den Satz, den Aphorismus, den Begriff GLEICH auf. Habe dazu immer Block und Stift zur Hand.
Hier eine Kostprobe meiner Sammelwut. Kirsten Fuchs hat ein Buch geschrieben: „Kaum macht man mal was falsch, ist es auch wieder nicht richtig.“ Das könnte das Motto einer Zweier-Beziehung sein.
Im Reich der Worte und Bücher, auch des Theaters sind es einzelne „aus dem Zusammenhang gerissene“ Zitate, literarische Fundstücke, also Strandgut. Wem ging es nicht schon so: Man sieht im Fernsehen oder auf der Bühne Kabarett oder Theater. „Wo hat der Kerl bloß die vielen Zitate her?!“ Man denkt: Das merke ich mir, das kann ich in Gesprächen und Diskussionen mal nebenbei einfließen lassen – mit Autorenangabe, versteht sich.
An der Garderobe oder beim Gang zur Toilette grübelt man: Wie war das eben noch? Will mir einfach nicht einfallen. Das Feuerwerk der Bonmots und „Zitate“ überwältigt uns.
In Sternstunden erinnert man sich dann manchmal. Ich habe eine Methode gefunden, diese Erfahrung öfter zu machen. Ich schreibe mir den Satz, den Aphorismus, den Begriff GLEICH auf. Habe dazu immer Block und Stift zur Hand.
Hier eine Kostprobe meiner Sammelwut. Kirsten Fuchs hat ein Buch geschrieben: „Kaum macht man mal was falsch, ist es auch wieder nicht richtig.“ Das könnte das Motto einer Zweier-Beziehung sein.
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