Donnerstag, 23. Februar 2023
Fakten-Büffeln – falsches Mittel in der politischen Bildung
Dreiviertel der jungen Leute finden es wichtig, sich mit der Vergangenheit, besonders mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Ein schöner Erfolg der jahrzehntelangen schulischen und außerschulischen politischen Bildung! Damit können wir sehr zufrieden sein, ohne uns tatenlos zurückzulehnen. Politische Bildung ist ein permanent notwendiger Prozess.

Nun scheinen die Statistiker der Stiftung „Erinnerung Verantwortung Zukunft“ von Pädagogik nicht viel zu verstehen. Der bisherige Erfolg ist nicht erreicht durch das Einpauken von Zahlen und Fakten, sondern durch Entwickeln eines Problembewusstseins und einer Haltung. Dieses Ergebnis darf auf keinen Fall gefährdet werden, indem Namen, Daten und Ereignisse gebüffelt werden. Wie wir Älteren aus der Schule wissen, verdirbt diese Paukerei die Lust an Erkenntnissen und Kritik. Theorie und Praxis der politischen Bildung haben das lange erkannt. Wenn aus irgendeinem Grund sog. Fakten wichtig werden, kann jeder sie schnell in Internet und Lexika herausfinden. Auswendiglernen ist das grundfalsche Mittel, das Erreichte zu stabilisieren.

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Freitag, 17. Februar 2023
Hundekot als Argument
In Hannover hat ein Mann einer Frau den Inhalt eines Hundekotbeutels ins Gesicht geschmiert. Sehr unappetitlich, aber eher unbedeutend als Nachricht. Nun ist der Mann Ballett-Direktor der Staatsoper und die Frau Kritikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Also ist es ein Skandal 1. Ordnung!

Und was jetzt passiert, ist bemerkenswert. Der Täter ist international renommiert und wird als mitfühlend, rücksichtsvoll, verletzlich, kollegial, humorvoll beschrieben. Vom Opfer wird nichts berichtet, außer dass sie Zivilklage eingereicht hat.

Nun ist es außergewöhnlich, dass jemand einen gefüllten Hundekotbeutel mit sich führt und auch noch in der Oper. Man kann also davon ausgehen, dass der Täter vorsätzlich und geplant gehandelt hat. Diese Umstände werden in der Berichterstattung ausgeblendet. Man ist schockiert und überrascht. Die Widersprüchlichkeit in der Person des Täters lässt den Schluss zu, dass er in der Psychiatrie gut aufgehoben wäre. Stattdessen wird darüber spekuliert, den Täter eventuell später einmal wieder als Choreograf in Hannover arbeiten zu lassen.

Ob die Tänzerinnen, die seinetwegen an die Staatsoper gekommen sind, das gutheißen können? Immerhin ist es nicht unmöglich, dass der Täter rückfällig wird und bei Nichtgefallen einer Tänzerin Ähnliches widerfährt. Man weiß ja nie. Prognosen sind immer schwierig, vor allem, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen.

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Montag, 13. Februar 2023
Finanzberater Scheuer
Die Bundesregierung will 3 Milliarden Euro zum Ausbau von Fernwärme-Netzen zur Verfügung stellen. Wie schön! Nur leider kommt das für die Abwicklung zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) mit der Bearbeitung der Förderanträge nicht nach.

Investoren stehen mit ausgearbeiteten Projekten in den Startlöchern. Nur, solange sie keine Bewilligung vom Amt haben, können sie nicht anfangen. Das sieht – mit gutem Grund – das Haushaltsrecht vor.

Ein Ausweg wäre ein „vorzeitiger Maßnahmenbeginn“ in der Hoffnung auf Bewilligung durch das Bafa. Der Pferdefuß: das geschähe mit dem Risiko für den Investor bei Nichtbewilligung auf den Kosten sitzen zu bleiben.
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Nun schlage ich vor, sich bei Ex-Verkehrsminister Scheuer zu erkundigen, wie man das Hindernis aus dem Weg räumen kann. Im Vorgriff auf eine erwartete Bewilligung durch den Bundestag hat er eine halbe Milliarde Euro für die Projektierung der Autobahnmaut verbrannt. Die Bewilligung kam nie und das Geld ist weg. Scheuer musste nicht einmal ein blaues Auge beklagen.

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Keine Angst vor Putins Hund?
Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht sorgen sich um den Weltfrieden. Immerhin gibt es gute Gründe dafür. Nur: Die Mittel und Wege, die sie dazu vorschlagen, sind leider wenig erfolgversprechend. Sie fordern den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine und die Aufnahme von Friedenverhandlungen mit Russland. Am 25. Februar wollen sie mit einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin ihren Forderungen Nachdruck verleihen.

Wovon träumen die Damen sonst noch? Wer kann der Ukraine Waffen zur eigenen Verteidigung ernsthaft und mit gutem Gewissen verweigern? Russland würde sich sehr gerne den verbleibenden Rest des Landes einverleiben. Was den BewohnerInnen dann droht, kann in Butscha und anderen Orten besichtigt werden.
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Wer will mit Putin verhandeln, der notorisch lügt, sich an keine Vereinbarungen oder eigene Zusagen hält? Frauen nimmt er sowieso nicht ernst. Die sonst so couragierte Alice Schwarzer riskiert, dass er seinen Hund auf sie hetzt. Sie soll sich bei Angela Merkel erkundigen, wie sich das anfühlt.

Die beiden Damen laufen Gefahr, sich wieder einmal eine Niederlage einzuhandeln. Zuletzt scheiterte Frau Wagenknecht mit ihrer parteiinternen Rebellion „Aufstehen“, Frau Schwarzer scheiterte schon vor Jahren mit ihrer PorNo-Kampagne.

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Samstag, 11. Februar 2023
Europa zäunt sich ein
Die EU vereinheitlicht sich in der Flüchtlings-/Einwanderungsfrage auf die schlechteste Lösung: Der Kontinent schottet sich gegen sog. illegale Immigration ab. Die Außengrenzen sollen hermetisch durch Mauern und Stacheldraht abgedichtet werden. „Illegale“ sollen „konsequent abgeschoben“ werden. Staaten, die die Rücknahme verweigern, sollen mit Konsequenzen, z.B. Handelssanktionen bestraft werden. Gleichzeitig sollen mit den Herkunftsstaaten in Afrika und Asien Verhandlungen geführt werden, die eine legale und gesteuerte Einwanderung ermöglichen.

Das heißt nichts anderes, als dass bereits qualifizierte Fachkräfte angeworben werden. Es droht ein Brain-Drain ungeahnten Ausmaßes für Afrika und Asien. Fachkräfte, dort dringend gebraucht, werden nach Europa gelockt.

Auf diese „Standards“ haben sich alle europäischen Staaten, auch Deutschland, geeinigt. Der österreichische Vertreter verstieg sich dazu, von der „Solidarität aller Europäer“ zu schwadronieren. Diese Solidarität hätte man sich bei der Verteilung der Flüchtlinge anteilig auf alle Länder gewünscht, als 2015 die Welle über den Balkan kam und gegenwärtig bei den ukrainischen Flüchtlingen. Jetzt auf einmal sind Schurkenstaaten wie Ungarn und Polen mit Österreich und dem Rest Europas solidarisch.

Der Beschluss kam gleichzeitig mit dem verheerenden Erdbeben in Syrien und der Türkei. Das ist das schlimmste Signal, das man den hunderttausenden obdachlosen Opfern senden kann: Bleibt ja, wo ihr seid! Da helfen auch Suchtrupps und materielle Hilfe nicht, um das Image der „europäischen Werte“ zu erhalten, oder gar zu verbessern.
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Und: wer aussperrt, ist selbst eingesperrt.

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Dienstag, 31. Januar 2023
Missverständnis
Die kleine Familie sitzt im Restaurant, Vater, Mutter, Tochter und Sohn. Die Mahlzeit ist so reichlich, dass ziemlich viel übrig bleibt. Der Vater bittet den Kellner, die Reste einzupacken, „für unseren Hund“. Da jubelt der Sohn: „Oh, Mama, wir kriegen einen Hund!“
(Gruß an G.J.)

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Sonntag, 29. Januar 2023
Dummheit und Stolz
Vor geraumer Zeit, noch zur Zeit der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, wurde die Freigabe von Cannabis diskutiert. Eine besonders gelungene Begründung dagegen lieferte eine CDU-Frau auf die Frage eines Journalisten, warum sie gegen die Freigabe sei: Sie sei dagegen, weil Cannabis verboten sei. Tautologie (d.i. ein „Weißer Schimmel“) als politisches Denkmodell.

Dies ist ein Beispiel für Denkfaulheit – oder vielleicht schlichte Dummheit. In eine ähnliche Kategorie fällt die aktuelle Haltung des BM für Verkehr, Volker Wissing. Er fordert den Bau weiterer Autobahnen mit der Begründung, das jetzige Netz sei überlastet und es sei mit einem weiteren Anwachsen des Verkehrs zu rechnen. Seine Kollegin für die Umwelt, Steffi Lemke, argumentiert mit dem Klimaschutz und will die Bahn weiter ausbauen. Jawohl, Herr Wissing, der Ausbau der Bahn würde die Straßen entlasten und den Verkehr in eine umweltfreundliche Richtung umlenken. Die starre Logik von Wissing schließt alternative Optionen aus.

Friedrich Merz (CDU-Fraktionsvorsitzender) geht aufs Ganze, er verdreht die Wahrheit mit polemischen und falschen Argumenten. Auf dem letzten Bundesparteitag warf er Robert Harbeck vor, mit Philosophie und Kinderbüchern könne man kein Land führen. Ach so, aber mit Geldscheffeln bei Blackrock, dem Pilotenschein und einem Privatjet ließe sich das machen? Immerhin hat Harbeck mehrere Jahre ein Ministerium geführt und war Vice-Ministerpräsident, während Merz die Politik als Zuschauer aus dem 3. Rang beobachtete.

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Mittwoch, 25. Januar 2023
Sackgasse „Synodaler Weg“
Die Überraschung hält sich in Grenzen: Der Vatikan hat entschieden, dass der Synodale Rat illegitim ist und keine Beschluss-Kompetenz in der katholischen Kirche hat. Diese Entscheidung kam nicht vom „Heiligen Vater“, sondern auf Intervention konservativer deutscher Bischöfe von Vertretern des Vatikans.

Mit dem synodalen Weg sollten die Fragen kritischer Katholiken zu Sexualmoral und sexuellem Kindesmissbrauch durch Kleriker und Leien in der Kirche eingefangen werden. Die Quittung kam jetzt in Form des Verbots synodaler Räte auf allen Ebenen von den Gemeinden bis zu den Bischöfen.

Die Reform der katholischen Kirche ist also wieder einmal gescheitert, was vorauszusehen war.

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Dienstag, 24. Januar 2023
Diplomatie unter Vormundschaft
Es klingt wie eine Satire: Die Exekutivdirektorin von UN Women – die für Frauenfragen zuständige UN-Unterorganisation – hat versucht, mit der Taliban-Regierung in Afghanistan Gespräche über humanitäre Hilfe und die Beteiligung von Frauen dabei zu führen. Sima Bahous ist Muslimin aus Jordanien. Sie blitzte dennoch bei den Taliban ab: Sie solle mit ihrem männlichen Vormund noch einmal vorsprechen.

Diese Verbrecher nehmen das Leid ihres eigenen Volkes in Kauf, von dem 23 Millionen von internationaler Nahrungsmittelhilfe abhängig sind. Vor vier Jahren waren es nur 7 Millionen gewesen.
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Insekten im Essen?
Die EU erlaubt weitere Insekten-Arten im Essen. Das ist der Aufreger der Woche. Bild-Zeitung, Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger, Rechts-Radikale im Internet schreien Zeter und Mordio.

Dass Insekten und andere Kleintiere hervorragende Protein-Lieferanten sind, ist lange bekannt. Afrikaner nutzen die regelmäßigen Grillen-Plagen, die ihre Ernte vernichten, inzwischen als Lebensmittel-Lieferanten. In der traditionellen Küche auf Kreta werden Grillspeisen mit Ameisen gewürzt. In der Küche der Inígenas im Amazonas-Quellgebiet werden gegrillte Maden als Schaschlik angeboten.
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Zugegeben: Ich habe nicht davon gegessen: Die Idee war mir doch etwas eklig. Diejenigen meiner Reisegeführten, die die Maden gegessen haben, bestätigten ihren Wohlgeschmack. Als ich davon in Deutschland im Bekanntenkreis erzählte, wurde mir entgegen gehalten: „Aber Krabben isst du doch auch!“ Stimmt, aber das bin ich gewohnt. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch ich Insekten und Maden esse.

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Freitag, 20. Januar 2023
Es gibt Gerechtigkeit in Israel - noch
Das oberste israelische Gericht hat entschieden: einer der designierten Minister darf das Amt nicht einnehmen. Es geht um Arje Deri, der für den Posten des Innenministers vorgesehen ist. Er ist Chef der ultraorthodoxen Schas-Partei und mehrfach mit Gefängnisstrafen vorbestraft wegen Korruption, Steuervergehen, Betrugs und Amtsmissbrauchs. (s. miniaturen vom 08.01.23)

Das Gute an der Nachricht: es gibt dort offenbar noch eine funktionierende Justiz. Allerdings will der Täter sich nicht einschüchtern lassen, sondern erklärte, die Entscheidung nicht akzeptieren zu wollen. „Wenn sie (!) die Tür vor uns zuschlagen, werden wir durchs Fenster wieder einsteigen. Wenn sie die Fenster schließen, werden wir durch die Decke einbrechen, mit Gottes Hilfe“. Also Methode Rififi.

Soviel zum demokratischen Verständnis des Ministers in spe. Natanyahu, auf Gedeih und Verderb auf die Schas-Partei angewiesen, überlegt derweil, wie er auf „legalem“ Weg Deri halten kann. Legal heißt: er will das Gesetz so ändern, dass er freie Hand hat, auch im eigenen Interesse, denn ihm droht ebenfalls ein Gerichtsverfahren wegen Korruption.

Dass das Gericht nicht ganz einsam ist, beweisen machtvolle Demonstrationen der Zivilgesellschaft gegen Netanyahus Pläne: Allein am 14.1.23 protestierten 80.000 Demonstranten dagegen, bei gut 9 Mio. Einwohnern.

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Donnerstag, 19. Januar 2023
Die ehrenwerte Gesellschaft
Am 17.01.23 wurde der langgesuchte „Boss der Bosse“ der sardischen Cosa Nostra, Matteo Messina Denaro von den Carabinieri gefasst. Dreißig Jahre hatte er sich in Palermo verborgen, nachdem er wegen diverser Delikte, besonders Morden, zu Lebenslänglich verurteilt worden war. Nicht dass er die ganze Zeit Däumchen gedreht hätte, er hatte vielmehr seine „Geschäfte“ ruhig weitergeführt.

Auch nach seiner Verhaftung gehen die „Geschäfte“ sicher weiter, genauso wie sie weitergingen nach der Verhaftung und dem Tod der alten Bosse Toto Riina und Bernardo Provenzano.

Die Cosa Nostra oder Mafia ist nicht die einzige hochkriminelle Geheimgesellschaft in Italien. In Neapel herrscht die Camorra, in Calabrien die Ndrangheta. Alle verfolgen die gleichen „Geschäftspraktiken“: Bestechung, Erpressung von Schutzgeld, Betrieb von Fabriken und Banken, Drogen- und Waffengeschäfte. Und nicht nur in Italien, sondern darüber hinaus in Europa und der Welt. Die US-amerikanische Unterwelt hat engste Verbindung nach Italien. Deutschland ist eins der beliebtesten Länder in Europa.

Auf lokaler Ebene werden etwas kleinere Brötchen gebacken. Sehr unmittelbar war eine kleine Reisegruppe 1990 im kleinen Reggio Calabria mit der Ndrangheta konfrontiert. Wir waren Gäste im Europa-Haus von Catona. Wir kannten schon Berichte zweier Reisegefährten (J. und M.), die bereits früher mehrfach in Catona waren.

J. erzählte die Geschichte von seinem Sohn, der einmal am Strand übernachtet hatte und dem dort seine Lederjacke gestohlen worden war. Kenner der „ehrenwerten Gesellschaft“ (d.i. die Ndrangheta) rieten ihm ab, zur Polizei zu gehen. „Das machen wir schon.“ Tatsächlich erschienen am Abend zwei stämmige Burschen mit einem schlotternden Bündel Angst, das die Jacke zurückgab. Er hatte versucht, sie in einer Disco zu verticken.

Eine Schweizer Kollegin machte im Rahmen von Europa-Seminaren regelmäßig landeskundliche Exkursionen in ein Gebirgsdorf. Bei einer Gelegenheit fuhr der Vater des Leiters des Europahauses mit und riet ihr auf der Rückfahrt, sie solle beim nächsten Mal ein anderes Dorf besuchen. Als sie sich nicht an diese Empfehlung hielt, erklärte er lapidar „Sie machen einen großen Fehler!“ Nach der nächsten Exkursion brannte nachts ihr Auto. Sie quittierte die Arbeit und ging in die Schweiz zurück.

M. hatte sich eine Landkarte von Catona gekauft, auf der links und rechts der Zufahrt zum Europahaus Olivenheime eingezeichnet waren. Tatsächlich standen dort von hohen Mauern umgebene Pracht-Villen. Er sprach den Bürgermeister auf diesen Widerspruch an, der ihm erklärte: „Nein, sie müssen sich irren, dort sind keine Häuser!“

Der Obsthändler, bei dem wir unsere Früchte kauften, hatte unter dem Siegel der Verschwiegenheit berichtet, dass er 60% seines Erlöses nicht selbst zur Verfügung hätte. Das hätte er nie einem Italiener erzählt. Als Deutsche schienen wir ihm vertrauenswürdig.

In einem Eiscafé erschien ein Mann, rief laut „Giovanni“, ein Mann dieses Namens rief „Si!“ und wurde erschossen. Er war Schäfer und hatte mit der Ndrangheta nichts zu tun, aber es wurde vermutet, dass er im Gebirge etwas gesehen haben musste, was er besser nicht sehen sollte. Dort wurden geheime Waffen- und Drogen-Depots sowie Labore vermutet.

Im Durchschnitt war jeden zweiten Tag in der lokalen Zeitung von einem Ndrangheta–Mord zu lesen. In der überregionalen italienischen Presse oder gar in der internationalen Presse ist davon meist nichts zu lesen.

Eines Abends saß ich mit meiner Frau im Restaurant. Bevor wir bestellen konnten, bat uns der Oberkeller, einen anderen – schlechter platzierten – Tisch zu nehmen. Der Wein, den wir dann bestellten, war nicht vorhanden. Kurz darauf kam eine Gruppe von sechs „finsteren Gestalten“ in dunklen Anzügen und setzte sich an besagten Tisch. Ihre Jacketts hängten sie über die Stuhllehnen: bei allen Sakkos hing eine Seite schwer herunter. Sie bestellten just den Wein, der vorher nicht vorhanden war. Dem Getränkekellner flogen die Hände so, dass er die Bestellung kaum notieren und die Flaschen am Tisch nicht öffnen konnte. Nach dem Essen verschwanden die Typen grußlos und ohne zu zahlen.

Auf dem Rückweg von einem Ausflug fuhren wir durch eine Straße in Reggio. Am nächsten Morgen lasen wir in der Zeitung, dass eine halbe Stunde danach in eben dieser Straße eine Schießerei zwischen zwei verfeindeten Clans stattgefunden hatte, bei der eine alte Frau getötet worden war; sie hatte vor ihrem Haus auf einem Stuhl gesessen.

Einbrüche in unsere Bungalows wären theoretisch kein Problem gewesen; vor den Fenstern waren nur Fliegengitter, keine Scheiben. Insider erklärten uns, im Europahaus würde nicht eingebrochen, weil wir „unter Schutz stünden“.

Das war ein wirklich prickelnder Urlaub.

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