Donnerstag, 23. Februar 2017
Grammatik rettet Leben
„Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod.“ war der Bestseller von Bastian Sick, in dem er sich u.a. mit der Verwilderung der deutschen Sprache auf unterhaltsame Weise kritisch auseinander setzt.
Nun nahmen bestimmte Zeitgenossen den Titel ernst und behaupteten, wenn der Genetiv zugunsten des Dativs sowieso verschwände, dann sei nunmehr alles erlaubt.
Diese Zeitgenossen haben viel Erfolg: sogar in seriösen Print- oder Audio-Medien werden die Fälle munter durcheinander gewürfelt. Hier die zufällige Auslese eines Tages:
a) „entsprechend des Angebots“
b) „wider besseren Wissens“
c) „unweit des Bahnhofs“
d) „am Anfang diesen Jahres“
e) „entlang des Flusses“.
Zur Erinnerung an den Grammatik-Unterricht in der Grundschule:
1. Der Nominativ (1. Fall) antwortet auf die Frage „wer“ oder „was“ etwas tut.
2. Der Genetiv (2. Fall) gibt ein Besitzverhältnis an: „wessen“.
3. Der Dativ (3. Fall) antwortet auf „wem“ oder „wo“, gibt also einen Adressaten oder einen Ort an.
4. Der Akkusativ antwortet auf „wen“ oder „wohin“, gibt also eine Richtung an.
Ich kann also leicht herausbekommen, welcher Fall angewandt werden muss, wenn ich die entsprechende Frage stelle.
Dabei würde
bei a) herauskommen „entsprechend wem“, also Dativ „entsprechend dem Angebot“;
bei b) „wider (=gegen) besseres Wissen“ (was), also Akkusativ;
bei c) „unweit dem Bahnhof“ (wo), also Dativ;
bei d) „am Anfang wessen“, also Genetiv;
bei e) „entlang dem Fluss“, also Dativ.
Der Dativ ist also keineswegs des Genitivs Tod - bei drei von den fünf Beispielen umgekehrt -, sondern mangelndes Sprachgefühl und Denkfaulheit sind der Tod der logischen Sprache. Grammatik ist kein willkürlich-formales Konstrukt, sondern dient dem richtigen Verständnis, der Kommunikation ohne Missverständnisse.
Schönes Beispiel: „Wir essen jetzt, Opa.“ – Oder: „Wir essen jetzt Opa.“ (na guten Appetit)
Zeichensetzung rettet Leben!

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Dienstag, 14. Februar 2017
Antisemitismus-Vorwurf als moralische Keule
Die Siedlungspolitik israelischer Regierungen sei „verbrecherisch dumm“. Das sagt kein ausgemachter Antisemit, sondern Micha Brumlik, deutscher Jude und Professor (taz 07.02.2017).

In der gleichen taz-Ausgabe wird über eine Auseinandersetzung an der Hamburger Uni berichtet. Ein südafrikanischer, islamischer Theologe und Gastdozent in Hamburg, Farid Esack, vertritt die Ansicht, israelische Produkte sollten boykottiert werden, solange die israelische Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten fortgesetzt wird.

Für einen solchen Boykott spricht viel, vor allem aus südafrikanischer Perspektive. Dort trug der internationale Boykott wesentlich zum Sturz des Apartheit-Systems bei.

Nun empören sich in ungewohnt trauter Eintracht Politiker aus AfD (!), CDU und Grünen: ein Boykott gegen Israel sei „antisemitisch“, also zu verurteilen. Esack sei in Hamburg fehl am Platz.

Vor nicht langer Zeit ereignete sich ein ähnlicher Vorgang an der Uni Hildesheim. Auch dort arbeitete eine Lehrbeauftragte und bot ein Seminar über Palästina und die israelische Besatzungspolitik an. Sie wurde entlassen.

Die Moralkeule, jede kritische Äußerung über israelische Politik als „antisemitisch“ zu verteufeln, hat fatale Auswirkungen: die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt, rationale Kritik an der israelischen Regierung diszipliniert.

Antisemitismus ist eine Sichtweise, die sich gegen eine komplette Bevölkerung – nicht nur in Israel, sondern weltweit – richtet, ist also rassistisch. Kritik an konkretem Regierungshandel Israels hat damit rein gar nichts zu tun!

Internationale Kritik an der Siedlungs- und Annektions-Politik wurde durch die UNO und die EU vorgebracht. Alles Antisemiten? Wohl kaum.

Dass selbst Volker Beck von den Grünen in das Horn stößt, ist zutiefst enttäuschend.

Ich habe mich Jahrzehnte lang für deutsch-israelische Kontakte eingesetzt, mir aber das Recht nie nehmen lassen, israelisches Regierungshandeln, insbesondere hinsichtlich der besetzten Gebiete, zu kritisieren. Gerade unter Freunden muss ein offenes Wort der Kritik möglich sein. Wieso eigentlich bei Israel nicht?

Zum Glück gibt es Menschen wie Micha Brumlik, der ja nun ganz und gar unverdächtig des Antisemitismus ist!

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Donnerstag, 6. Oktober 2016
60 Jahre Ungarn-Aufstand
Anfang November jährt sich der Aufstand der Ungarn gegen die Diktatur und die sowjetische Besatzung zum 60. Mal. Ich erinnere mich: mit heißen Ohren verfolgte ich die Nachrichten am Radio. Besonders eingeprägt hat sich mir der leidenschaftliche Appell an den Westen, die Aufständischen zu unterstützen. Er war folgenlos.

Damals flüchteten hunderttausende über die ungarisch-österreichische Grenze. Allein West-Deutschland nahm 200.000 Flüchtlinge auf. Die deutsche Bevölkerung sammelte 1. Million DM zur Unterstützung dieser Menschen.

60 Jahre später: Die ungarische Regierung hat gerade ein Referendum über die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen u.a. aus Syrien verloren, weigert sich aber beharrlich, die Menschen aufzunehmen, ja schottet sich sogar durch Sperrzäune nach außen ab.

Diese Geschichtsvergessenheit macht wütend. Fast möchte man den Ungarn wieder die Sowjets auf den Hals wünschen, damit sie noch mal erfahren, wie wichtig das Recht auf Asyl und Hilfe ist.

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Mittwoch, 14. September 2016
Verpatztes Date
Neulich sagt die Freundin zur besten Freundin - und nur der sagt frau sowas: "Heute Abend habe ich ein Date mit einem total süßen Typ."

Am nächsten Morgen fragt die beste Freundin die Freundin: "Na, und, wie war's?" - Darauf die Freundin: "War nichts. Der Typ trug das T-Shirt IN der Hose!"

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Freitag, 17. Juni 2016
Ein melancholischer Eulenspiegel
Till Eulenspiegel, die zwischen Mölln, Braunschweig und anderen Orten vagabundierende Sagenfigur, foppte seine Zeitgenossen durch mehr oder minder harmlose Streiche und indem er die Menschen beim Wort nahm. Er schwankte zwischen Euphorie und Melancholie.

So lachte er beim Wandern, wenn es bergauf ging, weil er sich schon auf den Abstieg freute. Bergab weinte er, weil er den Aufstieg schon vor Augen hatte.

Neulich fiel ein zutiefst melancholischer Eulenspiegel in einer Kindertagesstätte auf. Auf einem Ausflug der Kita trottete er missmutig vor sich hin und murmelte resigniert: „Das muss ich alles wieder zurücklaufen.“ Am Ziel sollte jedes Kind ein Eis spendiert bekommen. Unser Till lehnte ab: „Ich möchte kein Eis, das fällt mir nur wieder runter.“

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Donnerstag, 14. April 2016
Entweihung von Holocaust-Mahnmal?
Henryk M. Broder ist immer gut für eine Provokation ebenso dafür, dass er Antisemitismus aufspürt, selbst bei Juden. Vor einiger Zeit posierte er mit einer Bockwurst im Holocaust-Mahnmal in Berlin. Er wollte damit gegen die – seiner Meinung nach – Entweihung des Mahnmals durch Touristen protestieren, die dort ihren Reiseproviant verzehrten.

In der Foto-Ausstellung „Grenzen“ im Kito in Bremen-Nord fand ich ein entsprechendes Foto. Skandal? Ich bin nicht sicher. Zum Totenkult in Mexiko gehört das jährliche Treffen der Familie am Grab eines verstorbenen Verwandten mit Musik und Essen.

Überlebende Roma und Sinti des KZs Auschwitz musizierten vor Jahren nach einem Besuch der Gedenkstätte vor dessen Eingang.

Vor Jahren besuchten wir das KZ-Mahnmal Salaspils in Lettland. Irritiert waren wir davon, dass inmitten der Anlage sich eine Hochzeitsgesellschaft zum Fototermin versammelt hatte. Zunächst schockiert überlegten wir dann, ob nicht gerade dort ein Neuanfang in Form einer Hochzeit angemessen sein könnte.

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Dienstag, 20. Oktober 2015
Analog ist in!
Meine alte These von der Dauer der analogen Fotografie bewahrheitet sich immer wieder! (Siehe Eintrag vom 05. 09. 2015 und mein Buch "Die Dauer des Augenblicks"). Ich habe mal im Internet gestöbert und dabei folgende Beiträge in Fach- und anderen Zeitschriften/Zeitungen gefunden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Analogfotografie
https://www.prophoto-online.de/fotopraxis/Analoge-Fotografie-Der-besondere-Reiz-sorgt-fuer-einen-Trend-10007357
https://www.derwesten.de/freizeit/warum-die-analog-fotografie-wieder-beliebter-wird-id8689695.html
https://www.fotografen-welt.de/fototipps/vorteile-der-analog-fotografie/
https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/kleinbildfilme-die-rueckkehr-der-analogfotografie,10808230,30107640.html
https://www.zeit.de/video/2013-05/2357789391001/analoge-fotografie-die-dunkelkammer-schlaegt-jede-app
https://www.photoklassik.de/
https://www.stern.de/noch-fragen/digital-vs-analogfotografie-1000464952.html
Es lohnt sich auch unter "Analoge Fotografie" weiter zu suchen: Man findet dort neben gewerblichen Angeboten Diskussionsforen und Erfahrungsberichte.
Übrigens: mein Fotopädagogisches Handbuch steht unter www.kunst-fotografie.com/fotopaedagogik "Die Dauer des Augenblicks" zum Herunterladen bereit. Und als CD ist es bei mir erhältlich (fiegegj@gmx.de)

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Montag, 5. Oktober 2015
Maurer am Mittag
Neulich wuchtete sich der Mauerer mittags einen 50-Kg- Zementsack auf die Schulter und stöhnte dabei etwas. Durch das Geräusch aufmerksam geworden guckte ich zu ihm hinüber. Er fühlte sich beobachtet und erklärte, morgens ginge es ja noch, aber mittags sei es dann schon ziemlich schwer. Ich stimmte zu. Ich habe mal am Hafen gearbeitet, als dort noch Handarbeit angesagt war.

Der Mann ist um die 50 Jahre alt. Und er soll noch mindestens bis 65 durchhalten, um keine Abschläge von seiner Rente zu riskieren. Die Beamten von der Rentenanstalt und die Sozialpolitiker sollten mal einen Tag auf dem Bau arbeiten, ehe sie solche Entscheidungen treffen.

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Samstag, 5. September 2015
„Die Analogfotografie erlebt eine Wiedergeburt.“
Ich hab’s ja gewusst. Und jetzt werde ich durch die
Sprecherin des Photoindustrie-Verbandes, Constanze
Clauß, bestätigt: „Der Nachwuchs, der mit der
Digitalfotografie groß geworden ist, entdeckt die
Analogkameras. Gewünscht wird Entschleunigung.
Die jungen Leute finden es aufregend, dass sie sich
auf 36 Fotos beschränken müssen und erst nach der
Entwicklung erfahren, was drauf ist auf dem Film.
Die Analogfotografie erlebt eine Wiedergeburt.“
(zitiert nach Weser-Kurier 15.09.14) Das habe ich
lange vorhergesagt, u.a. in „Die Dauer des Augenblicks
– Ein fotopädagogisches Handbuch“, München/
Steinkimmen 2002, T 03, komplett überarbeitet unter
www.kunst-fotografie.com . So wenig, wie die
Fotografie die Malerei beendet hat – was vor 125
Jahren befürchtet wurde - so wenig wird die
Analogfotografie durch die digitale ersetzt. Pinsel, Film
und Chip werden weiterhin genutzt, nur für
unterschiedliche Zwecke. Und dass Selfies - diese
andere Variante des Narzissmus - vor prominenten
Kulissen gemacht werden, ist auch nichts Neues: „Für
viele Amateur- und Hobbyfotografen ist die im Urlaub
mögliche Muße ein wesentliches Element; zugleich
kann man durch das Vorzeigen der Urlaubsfotos
zeigen, dass man Muße hatte und sie sich leisten kann:
das Urlaubsfoto ist also in gewisser Weise eine
vorzeigbare Trophäe. Ähnlich wie Feste und
Familienfeiern zählt der Urlaub zu den "hohen Zeiten"
(Werbeslogan: "die wichtigsten Tage des Jahres"), die
wie die anderen Höhepunkte festgehalten werden
müssen.“ (T 07) Quod erat demonstrandum, was zu
beweisen war, und nun bewiesen ist. Ich werde wie
bisher analog fotografieren und bin damit voll im Trend!

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