Mittwoch, 1. September 2021
Usbekistan: Geschichte
Die zentrale Lage des Landes in Mittelasien sowie die nomadischen Strukturen in der Region führten zu immer wechselnden Einflüssen und Eroberungen durch Indien, Persien, China, Griechen, Mongolen und Araber. Das alles detailliert darzustellen geht nicht in der gebotenen Kürze. Seit 758 beginnen die Araber die Macht anzustreben und zu missionieren. Timur (auch Tamerlan genannt) versuchte 1336 - 1405 erstmalig mit militärischen Mitteln ein zusammenhängendes usbekisches Reich zu gründen, das nach seinem Tod allerdings schnell wieder zerfiel. Danach war Usbekistan wieder wechselnden Einflüssen unterworfen. Durchgängig war aber der Islam, bis das russische Zarenreich 1865 das Land unterwarf. Mit der Revolution in Russland und der Gründung der UdSSR wurde 1918 eine Republik gebildet, seit 1924 Sowjetrepublik. 1991 trat Usbekistan aus der Sowjetunion aus.

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Usbekistan: Regierungsfeindlicher Aufstand
Im Mai 2005 gab es im Fergana-Tal im Osten des Landes Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Islam Kamirov. Im Laufe mehrerer Tage eskalierten die Aktionen und die bewaffneten "Sicherheits"-Kräfte gingen mit äußerster Gewalt - u.a. mit gepanzerten Fahrzeugen - gegen die Demonstranten vor. Es wird geschätzt, dass 400 - 600 Menschen getötet wurden. Auslöser der Unruhen waren soziale und wirtschaftliche Unzufriedenheit und Beschränkungen der Handelsfreiheit. Vorwand waren Terroranschläge. Internationale Menschenrechtsorganisationen bemängeln seit Jahrzehnten das Fehlen von Meinungs- und Veröffentlichungsfreiheit, mangelnde Wahlfreiheit, die Kinderarbeit insbesondere bei der Baumwollernte und Mängel bei der Justiz.

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Samarkand - wie aus 1001 Nacht (1, 2)
VORBEMERKUNG: Bisher habe ich meine Reisetagebücher in "miniaturen" immer erst veröffentlicht, wenn sie als Radiosendungen auf Radio Weser TV gesendet worden waren. Da eine Radiosendung über mein Usbekistan-Tagebuch z.Zt. nicht realistisch ist, und wegen der Aktualität breche ich mit dieser Tradition. In den folgenden Wochen erscheint es daher an dieser Stelle.

SAMARKAND - das war für mich immer ein Ort in einem Märchen aus 1001 Nacht. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal dorthin reisen würde!
Und doch war es so. 2018 lernte ich eher zufällig eine usbekische Bekannte, Mira, kennen. Sie eröffnete mir ihr Heimatland unvorhergesehen als touristisches Reiseziel. Meine Frau Gerhild war sofort Feuer und Flamme, damit stand die Entscheidung fest. Im Mai 2019 flogen wir zu zweit nach Usbekistan.

Ich habe wie bei früheren Reise begonnen, Tagebuch zu schreiben. Aber nicht lange. Das Reiseprogramm war so dicht und die Begleitung durch unseren Reiseführer so eng, dass wenig Zeit und Muße blieben. Am zweiten Tag habe ich noch ausführlich geschrieben, dann nur noch Stichworte, die nach der Reise ausgeführt werden mussten.

Die Reise wurde von dem usbekischen Reiseveranstalter Doca-Tours veranstaltet. Unsere kleine Zweiergruppe hatte einen Reiseführer und wechselnde Fahrer mit ihren Autos, die uns überwiegend zur Verfügung standen. Die Reise von Taschkent nach Kokand machten wir mit der Eisenbahn. Von Samarkand nach Taschkent fuhren wir in einem Schnellzug die ca. 400 km in zwei Stunden. Von Taschkent nach Nukus, 1.500 km, sind wir geflogen.

Ich werde mir die touristischen Attraktionen sparen. Die findet man in jedem Reiseführer und im Internet.
Zunächst meine Aufzeichnungen vom ZWEITEN TAG: Mir schwirrt der Kopf. Gestern Morgen waren wir noch in Bremen. Nachts hatte es leicht gefroren. Dann mittags Richtung Istanbul gestartet. Der neue Flughafen " Erdogans Prestigeobjekt " ein Konsum- und Technik-Albtraum. Wir legten eine Gedenkminute ein für die fünfzig beim Bau umgekommenen Arbeiter und die 150 für bessere Arbeitsbedingungen Streikenden, die als "Rädelsführer" ins Gefängnis geworfen wurden. Es ist - wie geplant - ein Drehkreuz zwischen Europa, Asien und Afrika. Man merkt es an den Menschen, die dort ein-, aus- und umsteigen.
Abends fliegen wir weiter nach Taschkent, die usbekische Hauptstadt, kommen spät nachts dort an. Die Zeitverschiebung zu Deutschland beträgt vier Stunden. Als wir ankommen, ist es zwei Uhr nachts, um drei sind wir im Hotel. Unser Reiseführer Shukhrat holt uns ab und begleitet uns von nun an bis zu unserem Abflug am 18. Tag. Das Hotel-Zimmer ist riesig, geschmackvoll und komfortabel.

Morgens um zehn Uhr sind wir schon wieder mit Shukhrat, unserem Guide, verabredet, und er stürzt uns in diese andere Welt. Auf den ersten Blick ist die Stadt mit über drei Millionen Einwohnern modern mit breiten, sechs- bis acht-spurigen Straßen, Hochhäusern, großzügigen Parkanlagen, viel Verkehr. Unser zweiter Blick wird auf sehr alte, aber auch moderne Sakralbauten gelenkt. Ein ganzer Stadtteil wird von Moscheen, Medressen und Mausoleen beherrscht. Neben wirklich alten Bauten ganz neue, teils noch im Entstehen, in Betonbauweise, aber im alten Stil verklinkert, auch mit Dekor. Einer der Neubauten fasst inklusive dem offenen Innenhof 10 - 12 Tausend Menschen.

Die neuen und der Unterhalt der alten Bauten werden samt Restaurierung vom Staat bezahlt. Eine Reaktion auf die Unterdrückung der Religion zu Sowjetzeiten und ein Ausdruck, die neue Unabhängigkeit zu betonen. Die wichtigsten Bauten stehen rund um den Khast-Imam-Platz: Barak-Khan-Medresse und Kaffal-Schaschi-Mausoleum aus dem 16. Jahrhundert, wo Abu Bakr Kaffal-Schaschi 926 begraben wurde.
Apropos begraben. Unser Reiseführer erwähnt in einem Stadtteil ein unterirdisches Gefängnis für "Terroristen". Er sagt das ohne Bewertung. Wir sind allerdings schockiert. Das scheint uns unmenschlich, ohne dass irgendeine Menschenrechtsorganisation darauf hinweist, vielleicht auch nicht einmal davon weiß. Mit Terroristen sind, laut Shukhrat, islamistische Attentäter gemeint. Ein zweites bei Oppositionellen gefürchtetes Gefängnis befindet sich im Westen des Landes, in der Wüste, in Jaslik. Eine Dokumentation berichtete darüber auf ARTE am 24.08.21 - in der Mediathek bis zum 21.11.21.

Im Kaffal-Schaschi-Mausoleum erwartet uns ein emotionaler Höhepunkt: der über 1000 Jahre alte Osman-Koran - ein Kunstwerk, das hier sorgfältig gehütet wird. 50 x 60 cm groß und mit großer Schrift quasi "gemalt", auf Hirschkuh-Leder mit Tinte aus natürlichen Farben. Das heilige Buch liegt in einer temperierten Vitrine, gegen zu viel Helligkeit oben abgedeckt mit einem Teppich. Der ganze Raum liegt in gedämpftem Licht. Hier weht uns ein Hauch von Ehrfurcht vor der Geschichte und dieser Kultur an. In den Seitenräumen bewundern wir eine Sammlung von Koran-Kopien aus allen Jahrhunderten in allen Größen, einer im Streichholz-Schachtel-Format. Daneben ebenso wertvolle Bücher aus anderen Fachgebieten: Medizin, Jura, Naturwissenschaften. Der Vergleich mit dem malischen Timbuktu und Tamegroute in Südmarokko drängt sich auf.

Von jetzt an und später fällt uns auf, dass nur sehr wenige Frauen Kopftücher oder gar Schleier tragen. D.h. nicht, dass die Religion keine Rolle spielt, aber die äußeren Merkmale der religiösen Frauen sind viel seltener als z.B. in Marokko. Eine Ausnahme bildete später der Wallfahrtsort in Samarkand. Dort trugen die überwiegend weiblichen Pilgerinnen fast alle Kopftücher.

Im Innenhof einer Medresse spricht mich eine junge Frau an. Sie studiert Medien und hat die Aufgabe, Touristen mit Videoaufnahme zu interviewen. Ich sage zu, nehme die Sonnenmütze ab, lege die Kamera beiseite. Shukhrat schmunzelt und bemerkt, ich solle die typischen Accessoires eines Touristen behalten. Die Frau stellt einige unbeholfene Fragen, u.a. wie ich mit dem Internet zufrieden sei. Ich kann sie nicht beantworten, weil ich gerade erst angekommen bin und z.B. gar kein internetfähiges Gerät mitführe. Sie ist leider auf ihre vorformulierten Fragen fixiert und beendet das Interview.

Ein Kontrast sind die Basare: Handwerk, Lebensmittel, Obst bzw. Gemüse, Gewürze in riesiger Auswahl. Unter der großen Kuppel des Tschorsu-Basars summt es wie in einem Bienenkorb. Die umfangreichen und großen Bauten sind modern, aber gehandelt wird dort wie seit Jahrtausenden.

Die Neustadt, in der auch der Basar liegt, ist geprägt von einem Autoverkehr, in dem ich nicht fahren möchte: dicht gedrängt fahren die Autos schnell, wuselig, ständig dezent hupend, rechts und links überholend, sich vordrängelnd, abgedrängt werden, aber sicher und entspannt. Wir besuchen den Unabhängigkeitsplatz sowie den Baukomplex der "Trauernden Mutter," die beide wegen eines auswärtigen Staatsbesuchs weiträumig gesperrt sind. Wir erhaschen nur aus der Ferne Blicke darauf. Das Opernhaus beeindruckt uns wenig, dafür umso mehr die Grünanlage mit dem Standbild Amir Timurs - allerdings negativ. Amur Timur, der von 1336 bis 1405 lebte, gilt als Nationalheld und Begründer des usbekischen Reichs, obwohl dieses bereits nach seinem Tod wieder zerfiel. Er führte eigentlich ständig Kriege gegen die umliegenden Völker und Staaten und war dabei grausam bis zum Exzess.

Die noch aus Sowjetzeit stammenden Plattenbauten unterscheiden sich wenig von denen in Ostberlin und sonst wo, wenn man mal davon absieht, dass sie hier mit traditionalistischem Dekor versehen sind.
Im Straßenbild fallen Bettler wenig auf, die vorhandene Armut ist eher verborgen. Auch Behinderte sind selten. Abends beobachten wir vom Hotelfenster aus einen Mann, der die Müllcontainer ausräumt und "Mülltrennung" vornimmt: er sortiert nach Plastik-, Metall-, Flaschen, Rest-Müll. Später sehen wir ihn mit einem Handkarren, auf dem wohl verwertbarer Müll hoch gestapelt ist.

Abends essen wir in einem Großrestaurant, in dem parallel zwei Feiern mit hunderten von Personen und zwei Musikkapellen stattfinden. Ein Höllenlärm macht eine Unterhaltung fast unmöglich. Die Menschen sind für unseren Geschmack absurd aufgetakelt. Eine Erfahrung, die sich später in den anderen Großstädten wiederholt.

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