Samstag, 22. Juni 2024
Mali -Das „afrikanischste Land“ - Reisebericht 2008. (5) Sechster und siebenter Tag - Djené, Mopti, Flussreise
Sechster Tag - Djenné
Ganz früh raus und mit dem Bus bis Djenné. Vorher überqueren wir den Bani auf einer total überladenen, recht betagten Fähre. Hier habe ich etwas Muße zu fotografieren. Überhaupt: die besten Fotos mache ich am Rande der Gruppe, außerhalb des Busses, wenn ich auch etwas beobachten kann. Die hastige Knipserei führt zu keinen guten Ergebnissen. Dort bummeln wir zunächst über den vollgestopften, bunten, lauten Markt, es ist schwer den Anschluss an die Gruppe zu halten. Dann kommen wir zur Moschee, der Welt größtes Lehmbauwerk. Es wurde 1907 nach dem alten Vorbild des Baus aus dem 14.Jh. aufgebaut und ist durchaus imposant.
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Der NIGER
entspringt in Guinea, fließt in nordöstlicher Richtung durch Mali bis zum großen Niger Bogen bei Timbuktu, dann weiter in südöstlicher Richtung in das Land Niger und mündet in den Golf von Guinea. Seine gesamte Länge beträgt 4.200 km, davon sind 1.700 km in Mali. Aufgrund des geringen Gefälles sorgt er für ständige Ablagerungen von Schwebstoffen, dem Lehm als Baustoff. Zwischen Ségou und Timbuktu verzweigt er sich in viele Arme, vereinigt sich mit dem Fluss Bani und erweitert sich zu einem riesigen Binnendelta von 20.000 qkm Größe, das sich in der Regenzeit noch ausdehnt. Er ist das größte Fischfanggebiet von Westafrika, die wichtigste Verkehrsader zwischen dem Süden und der Sahara bei Timbuktu und Gao. Der Niger ist der drittlängste Fluss Afrikas nach dem Nil mit 6.850 km und dem Kongo mit 4.370 km.
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Dann weiter durch Gassen. Das typische Haus mit Säulen und Türmchen für die Anzahl der Frauen und Kinder eines Besitzers. Schöner Ausblick von einem Hausdach auf Stadt und Moschee. Dazu müssen wir den Hof (also quasi das Wohnzimmer) einer Familie passieren, was diese aber wegen des Scheins, den Jacob überreicht, toleriert.

Auf dem Rückweg über den Markt gibt es vor uns ein Getümmel, offensichtlich eine Schlägerei zwischen zwei oder mehr Personen. Mehrere andere Personen gehen dazwischen, trennen die Streitenden und schlichten. Hinterher erzählt jemand, es sei auch ein Messer oder eine Machete im Spiel gewesen, aber alles löst sich dann in Wohlgefallen auf. Dies ist das einzige Mal, dass wir Aggression oder Gewalt erleben. - Abends sind wir in Sévaré im Hotel.
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DJENNÉ
ist eine eher unbedeutende Stadt mit 33.000 Einwohnern. Sie liegt auf einer Insel im Binnendelta des Niger. Haupterwerbszweige sind Produktion, Weiterverarbeitung sowie die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte in der großen Markthalle; und natürlich der Tourismus. Die größten Attraktionen sind die Moschee, der größte Lehmbau der Welt, und die bemerkenswerte Architektur der etwa 2.000 Wohnhäuser in Lehmbauweise. Dies ist auch der Grund für den Unesco-Titel Welt-Kulturerbe (seit 1988). In einem großen Volksfest jedes Jahr Ende Dezember führt die Stadtbevölkerung die notwendige Restaurierung des Baus durch. Frauen und Kinder schaffen auf dem Kopf den Lehm in Körben vom Niger heran, die Männer verputzen das Mauerwerk mit den Händen. Die Große Moschee, die mittelalterlichen Bürgerpaläste und die traditionsreichen Koranschulen bezeugen die kulturelle Hochzeit des Mali- und Songhai-Reiches. Die Moschee wurde 1907 nach dem Vorbild der alten, 1830 zerstörten Moschee aus der Songhai-Zeit wieder aufgebaut.
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Siebenter Tag – Mopti und Flussreise
Früh geht’s mit dem Bus nach Mopti, wo wir die alles andere als „komfortable“ Pinasse (Ausschreibung) besteigen. Vorne wird das Gepäck unter einer Plane gestaut, davor liegt eine Tonne mit dem Treibstoff, der fünfliterweise abgezapft und in den Tank des Außenborders gefüllt wird. Dahinter sind zwei Bänke quer für je drei Passagiere, mittschiffs ein Tisch mit Bänken, an dem die übrigen sitzen. Dahinter die „Kombüse“ mit zwei winzigen offenen Holzkohleöfen. Im Heck ein großes Lager mit Schaumstoffmatratzen. Auf dem Heckspriet (gibt’s so was?) das Klohäuschen: oben offen, ein viel zu niedriges Bänkchen mit einem 20-cm-Loch. Zum Pinkeln hat Felix eine Plastikflasche abgeschnitten, dann geht’s. Scheißen unterbleibt, hebe ich mir für abends auf.

Zwischenstopp in Konna, wo wir wieder in die Eisenzeit eintauchen. Allerdings entdecke ich ein winziges Fotovoltaikpaneel, das den genauso winzigen Fernseher speist. Unsere Köchin kauft einige Hühner, die anschließend an Bord geschlachtet und von uns verzehrt werden.

Das Dorf entspricht der Erfahrung vom Sonntag: wiederum ziehen wir eine Schar von Kindern an beiden Händen hinter uns her. Bei der Rückkehr an Bord werde ich noch mal Opfer meiner Vertrauensseligkeit in die Zuverlässigkeit der Dinge: Nachdem mehrere Mitreisende die Planke zwischen Ufer und Bugspriet passiert haben, bricht diese – total morsch – unter mir zusammen und ich versinke bis zum halben Oberschenkel im Niger-Schlamm und –wasser. („On ne sait jamais où on met son pied.“ H. Cartier-Bresson) Die Hose ist schwer vom Mudd und der Brühe, ich muss sie ausziehen. Ersatz ist im Rucksack unter der Plane, aber Ingrid hilft mir mit einem Tuch aus, das ich als Wickelrock trage. Später spült ein Besatzungsmitglied die Hose im Niger und trocknet sie auf der Persenning, aber der Schlamm in den Taschen bleibt.

Unterwegs – heute und morgen – begegnen wir: Fischern, anderen Pinassen mit Ladung, Menschen (wahrscheinlich auch Fischer-Nomaden), teils gestakt, teils mit großen, aus Säcken genähten Rahsegeln, Flusspferden, passieren Dörfer und Nomadensiedlungen. Es wird viel gewunken.
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SPRACHEN
Amtssprache ist Französisch, obwohl keinesfalls alle Malier sie beherrschen. Die Alltagssprache Bambara wird von ca. 80% der Bevölkerung gesprochen. Daneben gibt es bis zu dreißig andere Idiome, die von den unterschiedlichen Ethnien gesprochen werden. Dies sind z.B. das Fufulde der Peul, die Sprachen der – Malinké, der Soninké, der Songhay, das Tamascheg der Tuareg und das Dogon.
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Mit Albert gibt’s immer wieder gute Gespräche über Psychiatrie, Film, Erlebnispädagogik, er ist sehr gebildet auch neben seinem Fachgebiet. Wir wollen im Kontakt bleiben. Für eine Filmreihe über Psychiatrie („Einer flog über das Kuckucksnest“ u.a.) macht ein Freund cineastische Einführungen und Filmgespräche. Zur Erlebnispädagogik gebe ich ihm Literaturhinweise. Nach der Reise schicke ich ihm zwei Aufsätze und schlage ggf. Zusammenarbeit vor. Mal sehen, was draus wird.

Schon der Dunkelheit gehen wir an Land und schlagen die Zelte (wieder einfache Igloo-Zelte) auf einem abgeernteten Stoppelacker mang einer Kuhherde auf. Aus irgendwelchen Gründen (Niedrigwasser, zu schwacher Motor oder was?) erreichen wir die angestrebte Düne nicht. Viele aus der Gruppe brauchen Hilfe beim Zeltaufbau, die ich leisten kann. So macht man sich Freunde. Abendbrot gibt’s aber an Bord. Marie-Therese hat schon vorher die Dusche und das Klo vermisst, nun hat sie beides nicht - Wunderbarer Sternenhimmel bei Neumond.
(Fortsetzung folgt)

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