Montag, 22. Januar 2024
Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (5)
jf.bremen, 10:50h
4. Schlüsselqualifikationen als politische Kategorie
Bei den VertreterInnen der außerschulischen politischen Bildung stehen derlei Qualifikationen schon immer in den Lernzielkatalogen. Allerdings aus einem ganz anderen Motiv. Kritikfähigkeit ist eine Voraussetzung, bestehende gesellschaftspolitische Verhältnisse zu hinterfragen. Sie taucht bereits in den 60er Jahren in den Lernzielkatalogen auf. Durchsetzungsvermögen, Verantwortungs- und Handlungskompetenz sind auch Voraussetzungen politischen Handelns. Kreativität, Zusammenarbeit und Kommunikation sind Stichworte in der außerschulischen politischen Bildung seit vierzig Jahren.
Unser Dilemma als politische Bildner war bisher, dass derlei Tugenden im letzten Jahrzehnt bei unserem Klientel eher als antiquiert und verstaubt galten. Kein Wunder: die menschlichen Produkte der industriellen Tätigkeit, der städtischen Wohnformen und der Freizeitindustrie zeichneten sich eher durch Individualität oder Isolation, Egoismus und Verantwortungsscheu als durch von uns postulierte politische Tugenden aus.
Kommt nun das Heil für die politische Bildung aus den Notwendigkeiten der nachindustriellen Produktion? Ja und Nein.
Offensichtlich hat die betriebliche Berufsbildung es als notwendig erkannt, extrafunktionale Qualifikationen zu funktionalen zu machen, d.h. allgemeine Arbeitstugenden für gleich wichtig zu halten wie die handwerklichen oder kognitiven Qualitäten. Da die Auszubildenden diese Qualitäten nicht aus der Schule und anderen gesellschaftlichen Sozialisationsinstanzen mitbringen und die Betriebe sie auch nicht oder nur eingeschränkt neben der funktionalen Qualifikation herstellen können oder wollen, greifen modernere Betrieben schon lange auf die Zuarbeit der außerschulischen Bildung zurück, allerdings eher punktuell und ausnahmsweise.
Die politische Bildung fortschrittlicher Konvenienz hat - vielleicht aus gutem Grund - bisher derartige Vereinnahmungsversuche empört zurückgewiesen. Diese Berührungsangst sollte allerdings kritisch und unvoreingenommen überprüft werden. Wenn die extrafunktionalen Qualitäten zur politischen Emanzipation von Individuen und Gruppen führt, so kann das der politischen Bildung nur Recht sein. Warum soll eine Gewerkschaftsgruppe nicht kritikfähig sein, nur weil der Arbeitgeber Kritikfähigkeit fordert, wenn so betriebliche Missstände im Interesse der Beschäftigten beseitigt werden können?
Oskar Negt hat (1994) einen Katalog sozialer Kompetenzen aufgestellt, der über den engeren Rahmen der ökonomischen Verwertbarkeit hinausweist: Er nennt:
1. den Umgang mit bedrohter und gebrochener Identität lernen (Kompetenz der Selbst- und Fremdwahrnehmung).
2. gesellschaftliche Wirkungen begreifen und Entscheidungsvermögen entwickeln (technologische Kompetenz).
3. der pflegliche Umgang mit Menschen und Dingen (ökologische Kompetenz)
4. Erinnerungs- und Utopiefähigkeit (historische Kompetenz)
5. Sensibilität für Enteignungsverfahren; Wahrnehmungsfähigkeit für Recht und Unrecht, Gleichheit und Ungleichheit (Gerechtigkeitskompetenz)
Es gibt eine Übereinstimmung in bestimmten Bereichen von Interessen moderner Industrie- und Dienstleistungs-Betriebe mit denen der politischen Bildung. Es ist die Funktion der politischen Bildung, Menschen zu befähigen, gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu erkennen und gegenzusteuern (Kritikfähigkeit, Handlungskompetenz). Politische Bildung hat einige Ansprüche, die darüber hinaus gehen, wie z.B. das Toleranzgebot. Es ist die Funktion der politischen Bildung, demokratische Austragungsformen bei Interessenkonflikten zu initiieren und zu organisieren (Verantwortungsbereitschaft und -Kompetenz). Es muss das Interesse der politischen Bildung sein, gesellschaftliches Konfliktpotential zu problematisieren und auszugleichen. Wenn farbige Mitbürger aus fahrenden S-Bahnen gestoßen, Häuser von MigrantInnen oder Flüchtlingen in Brand gesetzt werden oder geschasste Oberschüler Amok laufen, sind das Zeichen mangelnder politischer Bildung, mangelnder allgemeiner Qualifikationen wie z.B. Sozialkompetenz. Wenn moderne industrielle und Dienstleistungs-Betriebe den gleichen Bedarf zur Realisierung ihrer Ziele haben, zeigt das nur, dass es in diesem Punkt eine Interessen-Koinzidenz gibt. Warum soll es da nicht die Möglichkeit der Kooperation geben? Demokratische Bildung und Zivilcourage sind nicht auf das außerbetriebliche Leben reduziert.
Zugleich scheint mir aber auch eine Abgrenzung geboten. Wenn die Kooperation zwischen Betrieben und politischer Bildung zur Verwischung der Interessengegensätze zwischen Arbeitgebern und abhängig Beschäftigten führt, darf politische Bildung sich nicht zum Erfüllungsgehilfen betrieblicher Interessen machen, sondern muss die Interessengegensätze auch benennen können.
Bei den VertreterInnen der außerschulischen politischen Bildung stehen derlei Qualifikationen schon immer in den Lernzielkatalogen. Allerdings aus einem ganz anderen Motiv. Kritikfähigkeit ist eine Voraussetzung, bestehende gesellschaftspolitische Verhältnisse zu hinterfragen. Sie taucht bereits in den 60er Jahren in den Lernzielkatalogen auf. Durchsetzungsvermögen, Verantwortungs- und Handlungskompetenz sind auch Voraussetzungen politischen Handelns. Kreativität, Zusammenarbeit und Kommunikation sind Stichworte in der außerschulischen politischen Bildung seit vierzig Jahren.
Unser Dilemma als politische Bildner war bisher, dass derlei Tugenden im letzten Jahrzehnt bei unserem Klientel eher als antiquiert und verstaubt galten. Kein Wunder: die menschlichen Produkte der industriellen Tätigkeit, der städtischen Wohnformen und der Freizeitindustrie zeichneten sich eher durch Individualität oder Isolation, Egoismus und Verantwortungsscheu als durch von uns postulierte politische Tugenden aus.
Kommt nun das Heil für die politische Bildung aus den Notwendigkeiten der nachindustriellen Produktion? Ja und Nein.
Offensichtlich hat die betriebliche Berufsbildung es als notwendig erkannt, extrafunktionale Qualifikationen zu funktionalen zu machen, d.h. allgemeine Arbeitstugenden für gleich wichtig zu halten wie die handwerklichen oder kognitiven Qualitäten. Da die Auszubildenden diese Qualitäten nicht aus der Schule und anderen gesellschaftlichen Sozialisationsinstanzen mitbringen und die Betriebe sie auch nicht oder nur eingeschränkt neben der funktionalen Qualifikation herstellen können oder wollen, greifen modernere Betrieben schon lange auf die Zuarbeit der außerschulischen Bildung zurück, allerdings eher punktuell und ausnahmsweise.
Die politische Bildung fortschrittlicher Konvenienz hat - vielleicht aus gutem Grund - bisher derartige Vereinnahmungsversuche empört zurückgewiesen. Diese Berührungsangst sollte allerdings kritisch und unvoreingenommen überprüft werden. Wenn die extrafunktionalen Qualitäten zur politischen Emanzipation von Individuen und Gruppen führt, so kann das der politischen Bildung nur Recht sein. Warum soll eine Gewerkschaftsgruppe nicht kritikfähig sein, nur weil der Arbeitgeber Kritikfähigkeit fordert, wenn so betriebliche Missstände im Interesse der Beschäftigten beseitigt werden können?
Oskar Negt hat (1994) einen Katalog sozialer Kompetenzen aufgestellt, der über den engeren Rahmen der ökonomischen Verwertbarkeit hinausweist: Er nennt:
1. den Umgang mit bedrohter und gebrochener Identität lernen (Kompetenz der Selbst- und Fremdwahrnehmung).
2. gesellschaftliche Wirkungen begreifen und Entscheidungsvermögen entwickeln (technologische Kompetenz).
3. der pflegliche Umgang mit Menschen und Dingen (ökologische Kompetenz)
4. Erinnerungs- und Utopiefähigkeit (historische Kompetenz)
5. Sensibilität für Enteignungsverfahren; Wahrnehmungsfähigkeit für Recht und Unrecht, Gleichheit und Ungleichheit (Gerechtigkeitskompetenz)
Es gibt eine Übereinstimmung in bestimmten Bereichen von Interessen moderner Industrie- und Dienstleistungs-Betriebe mit denen der politischen Bildung. Es ist die Funktion der politischen Bildung, Menschen zu befähigen, gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu erkennen und gegenzusteuern (Kritikfähigkeit, Handlungskompetenz). Politische Bildung hat einige Ansprüche, die darüber hinaus gehen, wie z.B. das Toleranzgebot. Es ist die Funktion der politischen Bildung, demokratische Austragungsformen bei Interessenkonflikten zu initiieren und zu organisieren (Verantwortungsbereitschaft und -Kompetenz). Es muss das Interesse der politischen Bildung sein, gesellschaftliches Konfliktpotential zu problematisieren und auszugleichen. Wenn farbige Mitbürger aus fahrenden S-Bahnen gestoßen, Häuser von MigrantInnen oder Flüchtlingen in Brand gesetzt werden oder geschasste Oberschüler Amok laufen, sind das Zeichen mangelnder politischer Bildung, mangelnder allgemeiner Qualifikationen wie z.B. Sozialkompetenz. Wenn moderne industrielle und Dienstleistungs-Betriebe den gleichen Bedarf zur Realisierung ihrer Ziele haben, zeigt das nur, dass es in diesem Punkt eine Interessen-Koinzidenz gibt. Warum soll es da nicht die Möglichkeit der Kooperation geben? Demokratische Bildung und Zivilcourage sind nicht auf das außerbetriebliche Leben reduziert.
Zugleich scheint mir aber auch eine Abgrenzung geboten. Wenn die Kooperation zwischen Betrieben und politischer Bildung zur Verwischung der Interessengegensätze zwischen Arbeitgebern und abhängig Beschäftigten führt, darf politische Bildung sich nicht zum Erfüllungsgehilfen betrieblicher Interessen machen, sondern muss die Interessengegensätze auch benennen können.
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