Samstag, 26. Februar 2022
Mehr Panzer gegen Russland?
Jeder Schütze Arsch in der Bundeswehr bekommt am Anfang seiner Ausbildung eingebimst, dass er auf gar keinen Fall Dienstliches außerhalb der Armee ausplaudern darf. Das gilt wohl mindestens bei Dienstgeraden ab General aufwärts nicht mehr. Anders ist es nicht zu erklären, dass der höchste Dienstherr im Heer sich in aller Öffentlichkeit über den inneren Zustand der Armee äußert. Das Heer sei "blank", habe nicht genügend Munition, das Gerät sei teils veraltet, teils unbrauchbar, kurz: Das Heer sei "bedingt abwehrbereit".

Gierig stürzten sich Politiker aller Couleur und Medien auf diese Nachricht. Putin dürfte sich vermutlich die Hände gerieben haben. Sein Kalkül ging also auf. Nun wird darüber nachgedacht, was in Zukunft zu tun sei.

Bisher lag weder die Politik der NATO noch die der Bundesregierung auf dem Schwerpunkt der Landesverteidigung. Sie konzentrierten sich auf Aufgaben weitab der Heimat - Mali, Afghanistan (weitgehend erfolglos) und den "Schutz der europäischen Außengrenzen". Da sind andere militärische Mittel gefragt als schwere Panzer oder Artillerie. Mit einem Angriffskrieg Russlands auf ein europäisches Land rechnete niemand wirklich.

Nun aber mal anders herum gefragt: Wäre die Bundeswehr oder eine andere Armee in der NATO letzte Woche tatsächlich in der Lage gewesen, Panzer, Artillerie, Kampf-Hubschrauber oder -Jets mit ausreichender Munition und Infrastruktur zu mobilisieren - was wäre dann geschehen? Wären NATO-Streitkräfte auf breiter Front und massiv und illegitim gegen Osten marschiert und hätten Russland in offener Feldschlacht angegriffen? Ich hoffe nicht, denn dann wäre ein gesamteuropäischer, wenn nicht gar ein Weltkrieg das Resultat gewesen.

Der Ausgang eines solchen Szenarios wäre höchst unsicher gewesen. Russland verfügt über ein sehr starkes Heer und unendlich viel Land. Wie hätte man das besiegen können? Daran sind Napoleon und Hitler bereits gescheitert. Wahrscheinlich selbst bei ungeheuren Opfern auf beiden Seiten nicht. Und Putin hat keinen Zweifel gelassen, auch einen Atomschlag zu führen.

Meinetwegen kann die Bundeswehr aufgerüstet werden, das nützt wenigstens der heimischen Rüstungsindustrie. Aber niemand soll glauben, dass Putin sich von seinen militärischen Angriffsgelüsten dadurch abhalten lässt. Es kann also nur darum gehen, ihn im Zaum zu halten. Dass das auch mit mehr und besseren Panzern, Kanonen, Hubschraubern, Bombern und Munition zu machen ist, ist äußerst unwahrscheinlich. Wir befinden uns also in einer Zwickmühle, in der man eigentlich nur Fehler machen kann. Der eingeschlagene Weg - Diplomatie und Sanktionen - scheint daher der bessere Weg zu sein.

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