Montag, 1. Juli 2024
Mali -Das „afrikanischste Land“ - Reisebericht 2008. (11) Vierzehnter Tag - Zu Fuß unterwegs
Wie geplant stehen wir am anderen Morgen um sechs Uhr auf, bekommen sogar noch Frühstück und marschieren um 7 Uhr mit der aufgehenden Sonne los. Das ist nun wirklich ein Highlight: von Minute zu Minute ändert sich das Licht, die Temperatur ist angenehm zum Gehen. Wieder begegnen wir Frauen, die Wasser vom Brunnen in Kalebassen auf dem Kopf holen. An einem Brunnen sind ca. 10 – 15 Frauen versammelt und schöpfen gemeinsam. Kinder eilen barfuß mit ihrem Schulheft zur Schule. Vor den Hütten stampfen Frauen Getreide in großen Mörsern fürs Frühstück. An anderer Stelle stehen ca. 15 – 20 Frauen und dreschen gemeinsam im Kreis. Wenn’s nicht schrecklich mühsam wäre, könnte man paradiesische Zustände vermuten.
(Fortsetzung folgt)

Unterwegs sehen wir Dünen, die aussehen wie in der Wüste und auch solche Dimensionen haben. Silke meint, die wären bei ihrem früheren Aufenthalt (vor 5 – 10 Jahren) dort noch nicht gewesen, daran könne man das Vordringen der Wüste ablesen. Mag ja sein, wäre ein finsteres Zeichen für die Zukunft.

Weiter geht’s über Nombori nach Tireli, wo die anderen mit den Autos schon angekommen sind. Es geht die Fallaise hoch bis auf halbe Höhe zu einem Tanzplatz, wo uns ein traditioneller Masken-Tanz präsentiert wird. Nachdem ich etwas fotografiert habe, bekomme ich nichts mehr mit, weil eine Horde Kinder mich mit Beschlag belegt: sie streicheln meine Haut (fühlt sich anders an, echt oder Schminke?), ziepen mich an den Arm-Haaren, zwirbeln mir die Kopfhaare, bestaunen meine Uhr, drücken auf die Adern auf meinem Handrücken, kurz ich bin ein Objekt kindlicher Neugier. Schließlich spiele ich mit ihnen das alte Spiel „eine Hand deckt die andere“.

Wir fahren weiter nach Amani, wo die „heiligen Krokodile“ mit einem lebendigen Huhn – Kostenpunkt 1000 CFA – gefüttert werden. Das ist ein ziemlich grausames Spiel, das ich nicht fotografiere, andere gucken es sich nicht mal an. Das Verhältnis der Malier zu ihren Tieren ist schon besonders. Allein, wie sie die Viecher zum Markt transportieren, würde dem Tierschutzverein Protestnoten abnötigen. Umgekehrt würden Vegetarier und Veganer hier als Exoten wahrgenommen werden. - In einem anderen Dorf gibt es ebenfalls einen kleinen Tümpel mit einem Krokodil, das ich fotografiere.

Es gibt noch eine Wanderung von Ireli (dem Geburtsort von Jacob) nach Banani auf halber Höhe der Fallaise durch ein Dorf. Alles sehr malerisch, aber wenn man bedenkt, dass wir am Anfang des 21. Jh. leben, total anachronistisch, wobei unklar ist, was anachronistisch ist: unsere Zivilisation oder deren Lebensweise.

Hier gibt es eine Kontroverse. Etwas ab vom Weg trennt eine Frau die Spreu vom Getreide, indem sie beides aus einem Meter Höhe von einer Schale in die andere am Boden stehende gießt. Dabei treibt der Wind die Spelzen zur Seite. Ein schönes Bild gegen den hellen Hintergrund. Ich fotografiere nicht. Etwas später gibt’s einen Aufenthalt, hinter uns Tumult, Jacob rennt zurück. Flo, die schon vorher durch ihr indiskretes Fotografieren aufgefallen ist, hat fotografiert; die Frau ist wütend geworden, und Männer haben sich eingeschaltet. Flo hat versucht, die Frau durch 200 CFA (~ 30 Cent) zu besänftigen. Hinterher behauptet sie, sie habe die Frau gefragt, ihr die 200 CFA angeboten und die sei einverstanden gewesen. G. sagt, sie habe ihr das Geld erst später angeboten. Ich schimpfe wegen der Indiskretion und der Verzögerung („Es gibt Tabus in jeder Gesellschaft. - Dafür stehe ich 10 Minuten in der Sonne.“). Das bringt sie in Rechtfertigungsnot. In der anschließenden Diskussion mache ich meinen Standpunkt klar, dass man nicht alles fotografieren darf. G. wirft mir hinterher vor, zu freundlich gewesen zu sein. Mag sein, aber meine Meinung habe ich deutlich gesagt. – Es ist trotzdem eine schöne Wanderung auf halber Höhe mit dem Blick auf die unten liegenden Dörfer und die Plaine. In Banani endet unsere Wanderung und wir steigen wieder in die Autos. Alles in allem war das bisher ein wunderbarer Tag und ich bin, was das Wandern angeht, auf meine Kosten gekommen. Das sage ich auch Silke.

Im Auto geht’s durch unwegsames, steiniges Gelände die Fallaise hoch auf das Plateau, und wir besuchen das Dorf Sanga, in dem die Eltern von Jacob leben. Nach dem Mittagessen besuchen wir seinen Vater, der uns freundlich empfängt. Vor allem Felix und der Vater tauschen Komplimente aus, wobei Felix entsprechend alter Gepflogenheit den Vater nicht direkt anspricht, sondern Jacob als Mittler. Aber der Vater versteht natürlich auch Französisch und antwortet direkt.

Dann gibt’s einen Rundgang durch’s Dorf. Bemerkenswert: ein Haus ist der Sitz des Hogon, des animistischen Priesters, der dort die Fetische bewacht und hütet. Es ist verboten, die Umgebungsmauer zu berühren, aber fotografieren dürfen wir. Er steht vor seinem Haus, ganz seiner Würde bewusst, regungslos und stumm.

Hier begegnen uns wieder aufdringliche Händler. Beim Einstieg ins Auto sehen sie meine Wanderschuhe im Fußraum – ich habe Sandalen an – und wollen sie haben. Nur durch meinen energischen Protest behalte ich die Schuhe. Wahrscheinlich denken sie: „Welch ein Geizkragen, hat zwei Paar Schuhe und gibt kein Paar ab.“ Zumal die Schuhe schon ziemlich ramponiert und dreckig sind. Ich bin zu überrascht, um mich zu entscheiden, die Schuhe gleich wegzugeben; das tue ich dann später erst.

Dann geht es über das Plateau weiter Richtung Sévaré. Unterwegs kommen wir an einem aufgestauten Fluss vorbei, aus dem das umliegende Land bewässert wird. Menschen schöpfen in Kalebassen Wasser, tragen es auf dem Kopf auf das Feld, entleeren das Gefäß und holen neues Wasser aus dem Fluss. Das gartenähnliche Anbaugebiet ist knallgrün, trotz Trockenzeit. Was könnte man aus dem Land machen mit geringem Aufwand, eine Pumpe und ein Schlauch würden genügen. Aber natürlich fehlt es an Energie (Gas, Strom, Benzin) und Investitionsgeld.

In Sévaré kommen wir wieder in unserem alten Hotel unter. An der Rezeption gibt es eine bemerkenswerte Situation. Die „Spezis“ kümmern sich nicht um ihr Gepäck, sondern stürzen sofort an den Tresen, um als erste die „besten“ Zimmer zu erwischen. Es entsteht ein kleines Durcheinander. Gisela will unbedingt ihr „altes Zimmer 20“ haben. Wir schleppen unser Gepäck ins Foyer, stehen in der dritten Reihe und warten. Auf einmal reicht uns Silke einen Zimmerschlüssel und wir ziehen als erste mit Gepäckträger ab auf unser Zimmer. Eine ähnliche Situation ergibt sich am nächsten Tag. Moral: Eile mit Weile oder: die Letzten werden die Ersten sein (säkularisiert).

Beim Kofferpacken beschließe ich nun doch, meine alten Wanderschuhe hier zu lassen. Ich stelle sie vorm Hotel etwas seitlich auf eine Mauer. Das hat schon mal in Eilat funktioniert, da waren sie nach zehn Minuten weg. Hier stehen sie noch am nächsten Morgen am selben Platz. Vielleicht denken die Leute, es habe sie jemand vergessen, und trauen sich nicht sie mitzunehmen. G. mutmaßt, jemand könnte sie am Ende noch aufs Fundamt bringen.
(Fortsetzung folgt)

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