Donnerstag, 10. November 2022
Antisemitismus-Vorwurf als moralische Keule
Die Siedlungspolitik israelischer Regierungen sei "verbrecherisch dumm". Das sagt kein ausgemachter Antisemit, sondern Micha Brumlik, deutscher Jude und Professor (taz 07.02.2017).

In der gleichen taz-Ausgabe wird über eine Auseinandersetzung an der Hamburger Uni berichtet. Ein südafrikanischer, islamischer Theologe und Gastdozent in Hamburg, Farid Esack, vertritt die Ansicht, israelische Produkte sollten boykottiert werden, solange die israelische Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten fortgesetzt wird.

Für einen solchen Boykott spricht viel, vor allem aus südafrikanischer Perspektive. Dort trug der internationale Boykott wesentlich zum Sturz des Apartheit-Systems bei.

Nun empören sich in ungewohnt trauter Eintracht Politiker aus AfD (!), CDU und Grünen: ein Boykott gegen Israel sei "antisemitisch", also zu verurteilen. Esack sei in Hamburg fehl am Platz.

Vor nicht langer Zeit ereignete sich ein ähnlicher Vorgang an der Uni Hildesheim. Auch dort arbeitete eine Lehrbeauftragte und bot ein Seminar über Palästina und die israelische Besatzungspolitik an. Sie wurde entlassen.

Die Moralkeule, jede kritische Äußerung über israelische Politik als "antisemitisch" zu verteufeln, hat fatale Auswirkungen: die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt, rationale Kritik an der israelischen Regierung diszipliniert.

Antisemitismus ist eine Sichtweise, die sich gegen eine komplette Bevölkerung - nicht nur in Israel, sondern weltweit - richtet, ist also rassistisch. Kritik an konkretem Regierungshandeln Israels hat damit rein gar nichts zu tun!

Internationale Kritik an der Siedlungs- und Anektions-Politik wurde durch die UNO und die EU vorgebracht. Alles Antisemiten? Wohl kaum.

Dass selbst Volker Beck von den Grünen in das Horn stößt, ist zutiefst enttäuschend.

Ich habe mich Jahrzehnte lang für deutsch-israelische Kontakte eingesetzt, mir aber das Recht nie nehmen lassen, israelisches Regierungshandeln, insbesondere hinsichtlich der besetzten Gebiete, zu kritisieren. Gerade unter Freunden muss ein offenes Wort der Kritik möglich sein. Wieso eigentlich bei Israel nicht?

Zum Glück gibt es Menschen wie Micha Brumlik, der ja nun ganz und gar unverdächtig des Antisemitismus ist!

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Ist Kritik an israelischem Regierungshandeln antisemitisch?
Ein Buch wirbelt ideologischen Staub auf: Charlotte Wiedemann, "Den Schmerz der anderen begreifen". Es diskutiert in Essays und Reportagen die Frage, "wie eine deutsche Erinnerungskultur den Holocaust im Zentrum behalten kann, sich aber gleichzeitig entwickeln und für die Erinnerung an anderen Menschheitsverbrechen öffnen kann". (taz 10.11.22) Explizit wird dabei auch das Genozid, das deutsche Kolonialtruppen im heutigen Namibia anrichteten, beschrieben.

Auch die Vertreibung und die Massaker an palästinensischen Arabern behandelt das Buch. Voraussehbar kommt Kritik, ja der Vorwurf des Antisemitismus auf. "miniaturen" hat über die Problematik bereits früher geschrieben. Aus aktuellem Anlass geben wir zwei der Beiträge noch einmal wieder.

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Bei Schmuck und Uhren lassen es die Reichen krachen
Der stationäre Einzelhandel beklagt Umsatzeinbrüche aufgrund der Energiekrise und der Inflation. So meldeten die Einzelhändler bei Bekleidung -11%, bei Büchern -21%, bei Spielwaren -17,5%. Für Lebensmittel gab es keine Angaben, vielleicht weil die Verbraucher da nicht als erstes sparen. Die Unterhaltungs-Elektronik büßte 7,4% ein, der Schuhhandel 4,9%. Das sind Waren, die man nicht alle Tage kauft.

Dagegen wurde für Uhren und Schmuck ein Plus von stolzen 17,8% gemeldet. Kunden, die so etwas kaufen, gehören garantiert nicht zu den ärmeren, sondern genauso sicher zu den wohlhabenden oder reichen Menschen. Die müssen weder beim Essen noch bei Büchern - wenn sie die überhaupt lesen - sparen. Dafür kann man bei Schmuck und Uhren schon mal bedenkenlos zulangen.

Diese Fakten beweisen erneut, wer von der Krise profitiert und dass es die weniger Bemittelten besonders trifft. Aber: Eigentlich bedarf es eines Beweises gar nicht, denn die Widersprüche zwischen Arm und Reich sind auch so offensichtlich. Das relativiert die unsägliche Debatte um das Bürgergeld, das die CDU unbedingt verhindern will.

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