Dienstag, 28. Juni 2022
Falsche Politik angeprangert
Für Gesundheitsminister Karl Lauterbach muss es ein schwerer Gang gewesen sein, die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge zu verkünden. Er legte aber die Gründe - für Regierungspolitik ungewöhnlich - gleich nach. Sein Vorgänger, der forsche Herr Spahn, habe ihm ein Milliarden-Defizit hinterlassen. Das sei durch viele überteuerte Leistungsgesetze entstanden, statt die strukturelle Unterdeckung des Gesundheits-Haushalts zu beseitigen.

Während das vom DLF schon in den Früh-Nachrichten gemeldet wurde, fehlten diese Informationen am Abend bei ARD und ZDF. Auch DAS ist eine Meldung wert.

Der Senkrechtstarter aus der westfälischen Provinz zeichnete sich vor allem in den Corona-Jahren 2020/21 dadurch aus, dass er im Wochenrhythmus immer neue Idee mit den dazugehörigen Kosten auf den Markt warf. Nie war eine klare Linie erkennbar, nie war erkennbar, dass er auf den Rat von Fachleuten zurückgriff.

In der Corana-Epidemie war die Stunde der Wissenschaft. Die Medien waren voll von Meldungen, Einschätzungen und Vorschlägen einschlägiger Institute und Wissenschaftler. WENN jemand die Erfahrungen frühere Pandemien - AIDS, Ebola z. B. - in den aktuellen Diskurs einbringen konnte, dann sie. Bis hinter die Mauern des Bundesgesundheitsministeriums sind sie wohl nicht gedrungen.

Die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung dreht den Spieß auch noch um und richtete ihn gegen Minister Lauterbach. Das sei schlechter Stil, einen Vorgänger zu diffamieren. Mag ja sein, aber richtig war es doch! Verfehlte Politik MUSS transparent gemacht werden. Zumal wenn es auch noch an den Geldbeutel der Versicherten und der Arbeitgeber geht, denn die müssen die Zeche, d.h. die höheren Beiträge bezahlen.

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"Weiter so" in die Katastrophe
"Es kann kein Weiter-So geben!" war die meistzitierte Parole nach der Bundestagswahl im Herbst 2021. Die drei Koalitionäre SPD, Grüne und FDP gaben sich wild entschlossen, die Bundespolitik vom Kopf auf die Füße und ein festes Fundament zu stellen. Der lauteste Schreihals war der Parteiführer der kleinsten Koalitionspartei: FDP-Chef Lindner.

Nun, ein halbes Jahr später, ist eben der der beharrlichste Bremser auf dem Weg in die Zukunft. Alles, was neu aufgestellt werden soll, wird hartnäckig von Lindner und seinen Vasallen blockiert, insbesondere wenn es sich um Umweltschutz handelt.

Der neueste Anschlag ist das Veto zum geplanten Abschied von Verbrennungsmotoren, der von der EU für 2035 angestrebt wird. Die Lesart der Wirtschaftsliberalen lautet: Antriebe mit sog. E-Fuels, das sind synthetischen Kraftstoffen, sollen auch darüber hinaus fahren dürfen. Dies "neue Technologie" sei noch nicht ausgereift, daher sei ihr Verbot "innovationshemmend".

Tatsächlich hat die Expertenrunde "Transport and Environment" (T&E) eine aktuelle Studie vorgelegt, dass E-Fuels kaum CO2-Einsparungen bringen.

Der einzige Vorteil dieser Motoren liegt darin, dass sie sich in Nicht-EU-Länder exportieren lassen. Die FDP, insbesondere Porsche-Fahrer Lindner, machen sich also zu Lobbyisten der Autoindustrie, statt nachhaltig die Umwelt zu schonen. Waren die weltweiten Katastrophen - Hitze, Dürre, Unwetter, Überschwemmungen, auch in Deutschland - nicht ausreichende Lehren? Sehenden Auges werden wir in zukünftige Katastrophen manövriert.

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Litauische Begegnungen 2
In Vilnius - vor der Shoa "das Jerusalem des Ostens" - gibt es ein jüdisches Museum, das wir besuchen wollten. In der Stadt lebten vor der deutschen Besetzung 1941 55.000 Juden (ca. 1/3 der Bevölkerung) und es gab 96 Synagogen, von denen heute nur noch eine existiert. Als wir das Museum betreten wollten, kam ein altes amerikanisches Ehepaar begleitet von einem ebenfalls alten Litauer heraus und verabschiedete sich. Der alte Litauer fragte uns, was wir suchten. Wir wollten ins Museum. Ja bitte, dann sollten wir mitkommen. Er führte uns zielsicher am Museum vorbei in den zweiten Stock des Hauses, öffnete eine Tür zu zwei miteinander verbundenen Räumen, die voller Karteikästen waren. Ja, er sei Jude, aber er sammle Exlibris. In den Karteikästen waren sie sauber nach einem archivarischen System abgelegt. Er zog Exemplare heraus und erzählte uns über die Personen. Am spannendsten war aber, was er über sich erzählte.
Sein Vater war Offizier im Heer des Zaren gewesen und entsprechend der Familientradition sei er selber auch Offizier geworden, nur nicht unter dem Zaren, sondern in der Roten Armee. Und dieser Tatsache habe er sein Leben zu verdanken. Denn beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht habe er sich - natürlich - mit der roten Armee zurückgezogen und sei beim späteren Vormarsch der Sowjets nach Litauen zurückgekehrt. Seine Familie sei komplett von den Nazis ermordet worden, nur er habe überlebt. Er schenkte uns seine Visitenkarte - Josef Shapiro - und das Duplikat eines Exlibris. Sehr bewegt verabschiedeten wir uns von ihm. Das jüdische Museum haben wir nicht mehr besucht, aber diese Begegnung erzählt in nuce mehr über jüdisches Schicksal, als ein Museum kann. Das Exlibris habe ich einem deutschen Museum zusammen mit der Adresse von Herrn Shapiro weitergegeben: er war sehr an Kontakten nach Deutschland interessiert.
(Der Bericht erinnert mich an die Lebensgeschichte des Mannes meiner israelischen Kollegin Hannah Tidhar. Dieser hatte sich bei Invasion der Wehrmacht den russischen Partisanen angeschlossen, die sich zunächst zurückzogen. Auf diese Weise überlebte er und emigrierte nach dem Krieg nach Palästina/Israel. Ähnlich auch die Lebensgeschichte eines anderen Kollegen, Israel Szabo, der sich 1938 bei der Besetzung der Tschechoslowakei noch als Schüler dem Untergrund anschloss und Juden vom Balkan den Weg nach Palästina ebnete. Er überlebte als einziger einer über 60-köpfigen Familie.)

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