Samstag, 3. Dezember 2022
Alice Schwarzer wird 80
Das ist schon das Einzige, was ich mit ihr gemeinsam habe. Und vielleicht noch die Politisierung in der 68er-Bewegung, aber sie in Paris, ich in Berlin.

Sie eine Frau, ich ein Mann. Meine Sozialisation vor dem geschichtsträchtigen Datum fand in einem – fast – reinen Frauen-Haushalt statt: Dort lernte ich Respekt vor Frauen, und dass man keine schlechten Witze über sie macht.

Schwarzer hat sich ohne Frage verdient gemacht für die Frauenbewegung. Ihr Einsatz für die Abschaffung des § 218 war vorbildlich, allerdings ohne die vielen anderen Frauen, die für den berühmten STERN-Titel „Wir haben abgetrieben“ ihr Bekenntnis und ihr Portrait gaben, wäre das nie und nimmer gegangen. Sie aber posiert heute auf Pressefotos mit dem Stern-Titel.

Das ist symptomatisch: Alice ist eine Solistin und verkauft vor allem sich selbst. Ein Buch, das sie mit fünfzehn anderen Autorinnen gemeinsam schreiben wollte, kam so nicht zustande; sie schrieb es allein, nachdem die Co-Autorinnen sich verstimmt zurückgezogen hatten. Sie war zwar nicht teamfähig, überzeugte ihre Jüngerinnen aber mit ihrer Autorität. Beides – die Jüngerinnen und die Autorität – wurden mit der Zeit immer weniger. Bascha Mika, Ex-taz-Chefredakteurin, hat es auf den Punkt gebracht: „Sie hat den Feminismus nicht vorangebracht.“
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Dazu trugen auch ihre solistischen Kampagnen bei. PorNo und ihr rigoroser Kampf gegen Prostitution blieben unter Linken und real erfolglos. Sie war offensichtlich unfähig, die Ursachen zu erkennen: Solange es eine restriktive, sexualfeindliche Moral gibt, wird es beides geben. Und das wirkt unter den Bedingungen von – nicht nur – christlicher Moral und des Kapitalismus fort. Diesen Zusammenhang hat sie wohl nicht begriffen. Das war auch ihrem Hang zu Vereinfachungen, zu verstaubten Ansichten geschuldet. Bizarr ihre Losung "Frauen in die Bundeswehr" - vorausgesetzt sie können General werden. Und: Wer sich mit Islam-Feinden und Putin-Freunden gemein macht, kann nicht als fortschrittlich gelten.

Den Kapitalismus begreift sie sehr wohl. Trotz 1968. Ihre Frauenzeitschrift „emma“, das Buchgeschäft, Filme und die Pressearbeit werfen immerhin so viel ab, dass sie 250.000 Euro am deutschen Finanzamt vorbei in die Schweiz transferieren konnte. Sie scheute sich auch nicht, im Busenblatt „BILD“ eine Kampagne (War es Me-Too?) zu unterstützen. Eine Zeitung, deren Chefredakteur für seinen ruppigen und sexistischen Umgang mit Mitarbeiterinnen notorisch ist.

Die Realsatire einer Berliner Prostituierten spitzt es zu – sie gibt sich den „Künstlernamen“ Alice Schwarzer (s. miniaturen 18.01.2020 u.a.).

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