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Samstag, 16. September 2023
Möge Allah sie strafen
jf.bremen, 13:11h
Als am 8. Sept. die Erde in Marokko bebte, war das Land ohne Regenten. Der König, dessen Macht fast unumschränkt ist, weilte – wieder einmal – außer Landes, in Frankreich. Dort befindet er sich meist im Urlaub, zur Kur oder einfach nur so. Dafür stehen ihm in der Picardie ein Schloss und in Paris eine Villa zur Verfügung. Schon das ist ein Skandal, wenn man die Lebensbedingungen der bitterarmen Dörfler im Atlas oder die Bewohner der südliche Medina von Marrakesch dagegen hält.
Seine Regierung in Rabat war am 8.9. ohne ihn machtlos, zur Untätigkeit verurteilt. Und er ließ sich Zeit, erst achtzehn Stunden später machte er sich auf den Weg in die Hauptstadt. Mit weiterer Verzögerung bequemte er sich ins Katastrophengebiet.
Dort, im Hohen Atlas, waren inzwischen hunderte, ja tausende seiner „Untertanen“ ums Leben gekommen. Ganze Dörfer waren komplett zerstört. Wer mit dem Leben davongekommen war, war obdach- und mittellos, hatte seine gesamt Habe verloren.
Inzwischen rüstete sich in kürzester Zeit das deutsche THW für einen Rettungseinsatz. (Wie schnell das gehen kann, sieht man jetzt in Libyen, wo die Retter erfolgreich gegen das Chaos nach der Flutkatastrophe angehen.) Kurz vor dem Abflug nach Marrakesch wurde die Aktion abgeblasen. In Deutschland herrschte Ratlosigkeit über die Gründe. (S. Miniaturen 26.02.22 „Marokko ist eine konstitutionelle Monarchie“)
In Marokko lief inzwischen eine von den Marokkanern organisierte Hilfs- und Rettungs-Welle an. Kolonnen von Privatfahrzeugen transportierten Hilfsgüter – Lebensmittel, Wasser, Decken, Medikamente, Hygienemittel – ins Gebirge.
Dann kamen die ersten Hilfsmannschaften aus Spanien, Großbritannien, Katar und den Emiraten. Die Hilfe aus Frankreich und Deutschland wurde zurückgewiesen: Es sei nicht gut, wenn zu viele und Ortsfremde tätig würden. Aha – die Leute aus Katar kennen sich dagegen wohl besser aus im Atlas als Franzosen? Ein Rätselraten über die Gründe für die Zurückweisung der Hilfe aus Europa begann. Die Erklärung lag nahe, kam aber nicht von offiziellen Stellen.
Deutschland und Frankreich teilen nicht den Anspruch der marokkanischen Regierung auf die Westsahara. Das Gebiet war bis 1975 spanische Kolonie. Nach dem Abzug der Spanier beanspruchte bis heute Marokko des Land. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde nach Algerien vertrieben. International (UNO) wurde das nie akzeptiert. Im Gegenteil sollte die Situation durch eine Volksabstimmung geklärt werden, was bis heute nicht passierte. Deutschland und Frankreich teilen diese Ansicht, bis vor kurzem auch Spanien, das jüngst zur marokkanischen Seite wechselte.
Die arabischen Staaten teilen überwiegend Marokkos Position, außer dem benachbarten Algerien, wo die Sahauris in Flüchtlingslagern leben. Daher wurde auch das algerische Hilfsangebot zurückgewiesen.
Die Haltung des Königs ist so unglaublich zynisch, dass es schon schmerzt. Er „bestraft“ Deutschland und Frankreich, in Wirklichkeit sein eigenes Volk. Den Menschen im Atlas wäre es wohl egal, wer ihnen hilft, und die deutschen Rettungskräfte sind professionell und effektiv.
All die Banditen und orientalischen Potentaten sollte ein Gottesurteil treffen. Das wäre auch in Libyen gut, wo die Konflikte zwischen dem Warlord Haftar im Osten und der offiziellen Regierung im Westen mitschuldig sind an den Auswirkungen, ja sogar den Ursachen, des Hochwassers. Sie haben seit Gaddafi den Hochwasserschutz vernachlässigt und zuletzt die Warnungen der internationalen Meteorologen kaltschnäuzig ignoriert.
Seine Regierung in Rabat war am 8.9. ohne ihn machtlos, zur Untätigkeit verurteilt. Und er ließ sich Zeit, erst achtzehn Stunden später machte er sich auf den Weg in die Hauptstadt. Mit weiterer Verzögerung bequemte er sich ins Katastrophengebiet.
Dort, im Hohen Atlas, waren inzwischen hunderte, ja tausende seiner „Untertanen“ ums Leben gekommen. Ganze Dörfer waren komplett zerstört. Wer mit dem Leben davongekommen war, war obdach- und mittellos, hatte seine gesamt Habe verloren.
Inzwischen rüstete sich in kürzester Zeit das deutsche THW für einen Rettungseinsatz. (Wie schnell das gehen kann, sieht man jetzt in Libyen, wo die Retter erfolgreich gegen das Chaos nach der Flutkatastrophe angehen.) Kurz vor dem Abflug nach Marrakesch wurde die Aktion abgeblasen. In Deutschland herrschte Ratlosigkeit über die Gründe. (S. Miniaturen 26.02.22 „Marokko ist eine konstitutionelle Monarchie“)
In Marokko lief inzwischen eine von den Marokkanern organisierte Hilfs- und Rettungs-Welle an. Kolonnen von Privatfahrzeugen transportierten Hilfsgüter – Lebensmittel, Wasser, Decken, Medikamente, Hygienemittel – ins Gebirge.
Dann kamen die ersten Hilfsmannschaften aus Spanien, Großbritannien, Katar und den Emiraten. Die Hilfe aus Frankreich und Deutschland wurde zurückgewiesen: Es sei nicht gut, wenn zu viele und Ortsfremde tätig würden. Aha – die Leute aus Katar kennen sich dagegen wohl besser aus im Atlas als Franzosen? Ein Rätselraten über die Gründe für die Zurückweisung der Hilfe aus Europa begann. Die Erklärung lag nahe, kam aber nicht von offiziellen Stellen.
Deutschland und Frankreich teilen nicht den Anspruch der marokkanischen Regierung auf die Westsahara. Das Gebiet war bis 1975 spanische Kolonie. Nach dem Abzug der Spanier beanspruchte bis heute Marokko des Land. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde nach Algerien vertrieben. International (UNO) wurde das nie akzeptiert. Im Gegenteil sollte die Situation durch eine Volksabstimmung geklärt werden, was bis heute nicht passierte. Deutschland und Frankreich teilen diese Ansicht, bis vor kurzem auch Spanien, das jüngst zur marokkanischen Seite wechselte.
Die arabischen Staaten teilen überwiegend Marokkos Position, außer dem benachbarten Algerien, wo die Sahauris in Flüchtlingslagern leben. Daher wurde auch das algerische Hilfsangebot zurückgewiesen.
Die Haltung des Königs ist so unglaublich zynisch, dass es schon schmerzt. Er „bestraft“ Deutschland und Frankreich, in Wirklichkeit sein eigenes Volk. Den Menschen im Atlas wäre es wohl egal, wer ihnen hilft, und die deutschen Rettungskräfte sind professionell und effektiv.
All die Banditen und orientalischen Potentaten sollte ein Gottesurteil treffen. Das wäre auch in Libyen gut, wo die Konflikte zwischen dem Warlord Haftar im Osten und der offiziellen Regierung im Westen mitschuldig sind an den Auswirkungen, ja sogar den Ursachen, des Hochwassers. Sie haben seit Gaddafi den Hochwasserschutz vernachlässigt und zuletzt die Warnungen der internationalen Meteorologen kaltschnäuzig ignoriert.
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Samstag, 9. September 2023
Fundstück 2
jf.bremen, 11:38h
Die neueste Mode: Das gemeinnützige Unternehmen Triaphon bietet einen kostenlosen Dolmetscherservice zur besseren Verständigung zwischen Arzt und Patienten an.
Wie wär’s damit, wenn die Ärzte endlich Deutsch lernen würden? Warum müssen sie zu den Beinen „untere Extremitäten“ sagen. Warum heißen „Ovarien“ so statt Eierstöcke? Warum sagen sie zu Hirnstrommessungen „EKG = Elektrokardiogramm“? Warum heißt ein „Melanom“ nicht einfach Hautkrebs?
Die Medizinersprache wurde abgeleitet aus Lateinisch und Griechisch, den Sprachen der mittelalterlichen Wissenschaftler, und ausdrücklich dazu beibehalten, um die Ärzte der Neuzeit von den traditionellen Volksheilern abzugrenzen. Die Fachsprache diente dazu, das Tun der Mediziner wie ein Geheimwissen zu behandeln. Das dürfte inzwischen, fünfhundert Jahre später, überholt sein.
„Triaphon“ erfindet dafür eine neue „Geheimsprache“, das Unternehmen bietet einen „Dolmetscherservice“ statt eines Übersetzungsdienstes an. Passt!
Wie wär’s damit, wenn die Ärzte endlich Deutsch lernen würden? Warum müssen sie zu den Beinen „untere Extremitäten“ sagen. Warum heißen „Ovarien“ so statt Eierstöcke? Warum sagen sie zu Hirnstrommessungen „EKG = Elektrokardiogramm“? Warum heißt ein „Melanom“ nicht einfach Hautkrebs?
Die Medizinersprache wurde abgeleitet aus Lateinisch und Griechisch, den Sprachen der mittelalterlichen Wissenschaftler, und ausdrücklich dazu beibehalten, um die Ärzte der Neuzeit von den traditionellen Volksheilern abzugrenzen. Die Fachsprache diente dazu, das Tun der Mediziner wie ein Geheimwissen zu behandeln. Das dürfte inzwischen, fünfhundert Jahre später, überholt sein.
„Triaphon“ erfindet dafür eine neue „Geheimsprache“, das Unternehmen bietet einen „Dolmetscherservice“ statt eines Übersetzungsdienstes an. Passt!
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Fundstück 1
jf.bremen, 11:38h
Was ist das Gegenteil von Massengrab? „individuelle Bestattungen“ - bietet ein Bremer Beerdigungsunternehmen an. Ich bitte darum! Was denn sonst?!
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Freitag, 8. September 2023
Plagiate?
jf.bremen, 18:27h
Gelegentlich poppt der Verdacht hoch, dieser oder jene AutorIn habe in fremden Revieren gewildert und sich mit fremden Federn geschmückt. Das gilt als unehrenhaft, kann u.U. sogar juristisch geahndet werden. Das „geistige Eigentum“ ist aber ein nicht nur ideeller Anspruch auf Originalität, sondern hat auch einen materiellen Wert. Das aber erst seit dem 18. Jahrhundert, als das Bürgertum seine materielle Macht als Grundlage des Erwerbs entdeckte.
Frühere Jahrhunderte waren da weniger zimperlich. Wer hätte Goethe eines Plagiats bezichtigt, weil er den alten Faust-Stoff für sein opus magnum aufgriff? Thomas Morus‘ „Utopia“ fand viele Nachahmen, die den Stoff jeweils zeitgemäß variierten.
Wer will Brecht denunzieren, weil er die Bettler-Oper des John Gay von 1728 als Vorlage für sein Stück benutzte, in dem er das Verbrechen als typischen Ausdruck der kapitalistischen Wirtschaftsweise entlarvte.
Vor Jahren tingelte ein Münchner mit einem Vortrag durch die Lande, in dem er Arno Schmidt einer Reihe von Plagiaten bezichtigte. Hatte Schmidt doch ganz offen die Literatur durchforstet und genutzt, um bestimmte Motive in der ihm eigenen Sprachakrobatik auf seine Gegenwart zu übertragen. Leider war das Bremer Publikum nicht belesen genug, um dem Scharlatan Paroli zu bieten.
Jüngst fielen mir zwei Beispiele auf – ein Film und ein Roman –, in denen fast „wörtliche“ - Zitate aus anderen Werken auftauchten. 1968 schuf Sergio Leone seinen großartigen Film „Spiel mir das Lied vom Tod“. Darin gibt es eine Sequenz, in der ein Wäschereibesitzer dem Banditen Frank etwas verraten will. Frank glaubt ihm nicht, weil der Denunziant außer den Hosenträgern einen Gürtel trägt, und erschießt ihn. Wie kann er jemandem vertrauen, der nicht mal seinen Hosenträgern traut? Genau dieses Motiv fand ich jüngst in Susann Abels wunderbarem Roman „Stay Away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe“. Plagiat? Nein nun wirkliche nicht, sondern eine schöne Idee, das Zitat in ihrem Text zu verwenden.
1966 drehte Michelangelo Antonioni „Blow up“ – eine geradezu philosophische Auseinandersetzung über das Verhältnis von Schein und Wahrheit. Der Film endet mit einem imaginären Tennisspiel, bei dem man den Ball nicht sieht, nur hört. Die Flugbahn des Balls ist nur „sichtbar“, weil die Zuschauer auf der Tribüne mit ihren Blicken und ihren Köpfen dem unsichtbaren Ball hin und her folgen.
Genau dieses Motiv fand ich jüngst in Alfred Hitchcocks „Der Fremde im Zug“ von 1951. Ein Unterschied: das reale Spiel wird gegen die Ansicht der Zuschauertribüne mit den bewegten Köpfen in einer Parallelmontage gegenübergestellt. Diese kontrastiert mit einer dritten Ebene, in der der „Böse“ verzweifelt versucht, ein Beweisstück zu retten, mit dem er seinem Gegner eine Falle stellen will.
Plagiat? Mitnichten! In beiden Filmen wird das Motiv genial genutzt, um Spannung im einen und das Gegenteil im anderen zu erzeugen.
Frühere Jahrhunderte waren da weniger zimperlich. Wer hätte Goethe eines Plagiats bezichtigt, weil er den alten Faust-Stoff für sein opus magnum aufgriff? Thomas Morus‘ „Utopia“ fand viele Nachahmen, die den Stoff jeweils zeitgemäß variierten.
Wer will Brecht denunzieren, weil er die Bettler-Oper des John Gay von 1728 als Vorlage für sein Stück benutzte, in dem er das Verbrechen als typischen Ausdruck der kapitalistischen Wirtschaftsweise entlarvte.
Vor Jahren tingelte ein Münchner mit einem Vortrag durch die Lande, in dem er Arno Schmidt einer Reihe von Plagiaten bezichtigte. Hatte Schmidt doch ganz offen die Literatur durchforstet und genutzt, um bestimmte Motive in der ihm eigenen Sprachakrobatik auf seine Gegenwart zu übertragen. Leider war das Bremer Publikum nicht belesen genug, um dem Scharlatan Paroli zu bieten.
Jüngst fielen mir zwei Beispiele auf – ein Film und ein Roman –, in denen fast „wörtliche“ - Zitate aus anderen Werken auftauchten. 1968 schuf Sergio Leone seinen großartigen Film „Spiel mir das Lied vom Tod“. Darin gibt es eine Sequenz, in der ein Wäschereibesitzer dem Banditen Frank etwas verraten will. Frank glaubt ihm nicht, weil der Denunziant außer den Hosenträgern einen Gürtel trägt, und erschießt ihn. Wie kann er jemandem vertrauen, der nicht mal seinen Hosenträgern traut? Genau dieses Motiv fand ich jüngst in Susann Abels wunderbarem Roman „Stay Away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe“. Plagiat? Nein nun wirkliche nicht, sondern eine schöne Idee, das Zitat in ihrem Text zu verwenden.
1966 drehte Michelangelo Antonioni „Blow up“ – eine geradezu philosophische Auseinandersetzung über das Verhältnis von Schein und Wahrheit. Der Film endet mit einem imaginären Tennisspiel, bei dem man den Ball nicht sieht, nur hört. Die Flugbahn des Balls ist nur „sichtbar“, weil die Zuschauer auf der Tribüne mit ihren Blicken und ihren Köpfen dem unsichtbaren Ball hin und her folgen.
Genau dieses Motiv fand ich jüngst in Alfred Hitchcocks „Der Fremde im Zug“ von 1951. Ein Unterschied: das reale Spiel wird gegen die Ansicht der Zuschauertribüne mit den bewegten Köpfen in einer Parallelmontage gegenübergestellt. Diese kontrastiert mit einer dritten Ebene, in der der „Böse“ verzweifelt versucht, ein Beweisstück zu retten, mit dem er seinem Gegner eine Falle stellen will.
Plagiat? Mitnichten! In beiden Filmen wird das Motiv genial genutzt, um Spannung im einen und das Gegenteil im anderen zu erzeugen.
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Donnerstag, 7. September 2023
Kinderleichen im Abwassertank
jf.bremen, 12:39h
Weltweit bekennen sich 1, 2 Milliarden Menschen als katholische Christen. Zentren sind Europa, Südamerika, Teile Afrikas und Asiens. Wie viele davon setzen sich mit den Jahrhunderte langen, bis in die Gegenwart dauernden, Untaten der Katholischen Kirche auseinander?
Man muss nur aufmerksam seriöse Medien lesen, hören und sehen, um immer wieder mit diesen Untaten konfrontiert zu werden. Ein ganz trauriges Kapital wird gegenwärtig und nicht zum ersten Mal im erzkatholischen Irland aufgeblättert.
Die Regierung lässt die Skelette von fast achthundert Kleinkindern aus dem Abwassertank eines früheren Kinderheims exhumieren.
Das Heim wurde von katholischen Nonnen geführt und diente dazu, „ledige Mütter“ mit ihren Kindern zu „betreuen“. Von 1922 – mindestens – bis 1998 wurden junge Frauen – oft mit Zustimmung ihrer Eltern – eingewiesen, die der katholischen Sexual- und Familien-Moral nicht entsprachen. Die Kinder wurde teilweise, ca. 6.000, an kinderlose Ehepaare in USA, Großbritannien und Deutschland (!) verkauft.
Die Verhältnisse in den Heimen waren so, dass viele Kinder an Hunger und Krankheit verstarben. Sie wurden, um die Verhältnisse zu vertuschen, nicht ordentliche bestattet, sondern wie im Fall von Tuam in dem stillgelegten Abwassertank „entsorgt“. Es ist nicht der erste und nicht der einzige Fall in Irland. Skandale werden – auch dank dem Roten Kreuz – immer wieder bekannt.
Und was sagt die irische Amtskirche, sagt der Vatikan dazu? Nichts Vernehmliches. Der Skandal ist komplett!
Man muss nur aufmerksam seriöse Medien lesen, hören und sehen, um immer wieder mit diesen Untaten konfrontiert zu werden. Ein ganz trauriges Kapital wird gegenwärtig und nicht zum ersten Mal im erzkatholischen Irland aufgeblättert.
Die Regierung lässt die Skelette von fast achthundert Kleinkindern aus dem Abwassertank eines früheren Kinderheims exhumieren.
Das Heim wurde von katholischen Nonnen geführt und diente dazu, „ledige Mütter“ mit ihren Kindern zu „betreuen“. Von 1922 – mindestens – bis 1998 wurden junge Frauen – oft mit Zustimmung ihrer Eltern – eingewiesen, die der katholischen Sexual- und Familien-Moral nicht entsprachen. Die Kinder wurde teilweise, ca. 6.000, an kinderlose Ehepaare in USA, Großbritannien und Deutschland (!) verkauft.
Die Verhältnisse in den Heimen waren so, dass viele Kinder an Hunger und Krankheit verstarben. Sie wurden, um die Verhältnisse zu vertuschen, nicht ordentliche bestattet, sondern wie im Fall von Tuam in dem stillgelegten Abwassertank „entsorgt“. Es ist nicht der erste und nicht der einzige Fall in Irland. Skandale werden – auch dank dem Roten Kreuz – immer wieder bekannt.
Und was sagt die irische Amtskirche, sagt der Vatikan dazu? Nichts Vernehmliches. Der Skandal ist komplett!
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Samstag, 26. August 2023
Hundekot-Attacke als "Fehler"
jf.bremen, 18:08h
In meinem Beitrag vom 17. Februar zu der Hundekot-Attacke des Tanz-Choreografen Goecke gegen die Kritikerin Wiebke Hüster habe ich den Fall kommentiert. Unter anderem frage ich: Ob die Tänzerinnen, die seinetwegen an die Staatsoper gekommen sind, das gutheißen können? Inzwischen wissen wir es: Sie nehmen den Choreografen in Schutz als einen „der Größten unserer Zeit“. Unter seinem Verlust leide die gesamte zeitgenössische Tanzszene. „Wegen eines einzigen Fehlers.“ Das nenne ich Weichspülen. Hundekot ins Gesicht einer Kritikerin ist kein Fehler, sondern eine bodenlose Sauerei, in jeder Hinsicht.
Auch in anderen Medien geistert die Debatte, u.a. in einem Interview, das die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) mit Goecke führte. Die einleitende Frage lautet: „Wie geht es Ihnen?“ Diese Frage wäre an Wiebke Hüster, das Opfer, zu richten. Stattdessen wird der Täter zum Opfer stilisiert. Er wird nach seinen Finanzen befragt, seine berufliche Zukunft, was er am Abend der Tat gemacht habe. Geradezu weinerlich äußert Goecke sich: er habe an einem Burn-Out gelitten, es sei gerade alles zu viel gewesen, die Kritikerin sei nur zufällig sein Opfer geworden. Was passiert sei, sei tragisch und zu bereuen. Also eine klassische Tragödie, in der das Schicksal mit den Menschen spielt.
Ich habe schon im Februar vermutet, dass der Mann reif für die Klapse sei. Nun sprechen die Tatsachen erneut für diese These.
Die Art, in der die HAZ das Interview führt und dass sie den Täter statt des Opfers zu Wort kommen lässt, ist ein eklatantes Beispiel für ganz schlechten Journalismus!
Auch in anderen Medien geistert die Debatte, u.a. in einem Interview, das die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) mit Goecke führte. Die einleitende Frage lautet: „Wie geht es Ihnen?“ Diese Frage wäre an Wiebke Hüster, das Opfer, zu richten. Stattdessen wird der Täter zum Opfer stilisiert. Er wird nach seinen Finanzen befragt, seine berufliche Zukunft, was er am Abend der Tat gemacht habe. Geradezu weinerlich äußert Goecke sich: er habe an einem Burn-Out gelitten, es sei gerade alles zu viel gewesen, die Kritikerin sei nur zufällig sein Opfer geworden. Was passiert sei, sei tragisch und zu bereuen. Also eine klassische Tragödie, in der das Schicksal mit den Menschen spielt.
Ich habe schon im Februar vermutet, dass der Mann reif für die Klapse sei. Nun sprechen die Tatsachen erneut für diese These.
Die Art, in der die HAZ das Interview führt und dass sie den Täter statt des Opfers zu Wort kommen lässt, ist ein eklatantes Beispiel für ganz schlechten Journalismus!
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Sonntag, 20. August 2023
Moralischer Geisteszwerg: Helmut Kohl
jf.bremen, 12:19h
Am 23. November jährt sich der Brandanschlag von zwei Neonazis auf zwei von deutsch-türkischen Familien bewohnte Häuser in Mölln zum 31. Mal. Drei Todesopfer und neun Schwerverletzte waren zu beklagen.
In ganz Deutschland gab es eine Welle von Trauer- und Protest-Demonstrationen, an denen auch zwei Bundesminister teilnahmen. Nur einer fehlte: Bundeskanzler Helmut Kohl, der „große Kanzler“, nahm zeitgleich am Landesparteitag (!) der Berliner CDU teil. Er ließ durch seinen Sprecher erklären, er wolle keinen „Beileidstourismus“ und es gäbe so viele andere Probleme, um die er sich vordringlich kümmern müsse.
Die beiden Täter, ein 19-Jähriger und ein 25-Jähriger wurden zu zehn Jahren Jugendstrafe bzw. Lebenslänglich verurteilt und wurden nach siebeneinhalb bzw. fünfzehn Jahren entlassen.
Bundeskanzler Kohl regierte bis 1998 weiter und wurde, mit Ehrungen überhäuft, aus seinem Amt verabschiedet. Eine dünne Dreckspur blieb auf seiner Weste: Siehe miniaturen vom 17.06.17 „Ein großer Kanzler“.
Ja, groß an Statur, aber ein moralischer Geisteszwerg.
In ganz Deutschland gab es eine Welle von Trauer- und Protest-Demonstrationen, an denen auch zwei Bundesminister teilnahmen. Nur einer fehlte: Bundeskanzler Helmut Kohl, der „große Kanzler“, nahm zeitgleich am Landesparteitag (!) der Berliner CDU teil. Er ließ durch seinen Sprecher erklären, er wolle keinen „Beileidstourismus“ und es gäbe so viele andere Probleme, um die er sich vordringlich kümmern müsse.
Die beiden Täter, ein 19-Jähriger und ein 25-Jähriger wurden zu zehn Jahren Jugendstrafe bzw. Lebenslänglich verurteilt und wurden nach siebeneinhalb bzw. fünfzehn Jahren entlassen.
Bundeskanzler Kohl regierte bis 1998 weiter und wurde, mit Ehrungen überhäuft, aus seinem Amt verabschiedet. Eine dünne Dreckspur blieb auf seiner Weste: Siehe miniaturen vom 17.06.17 „Ein großer Kanzler“.
Ja, groß an Statur, aber ein moralischer Geisteszwerg.
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Dienstag, 8. August 2023
Gegen Mittelkürzung für politische Bildung!
jf.bremen, 11:09h
Das passt ja wie die Faust aufs Auge: Die rechtsextreme AfD steigert ihre Umfragewerte auf über 20%, der Rechtsterrorismus wird immer aggressiver, Lehrer verlassen die Schule, weil sie keine Solidarität erfahren in der Bemühung, den Rechtsextremismus ihrer Schüler zu problematisieren.
Und dann das: Das Bundesinnenministerium kürzt die Mittel für die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) um ein Viertel. Als wüssten wir nicht, wie wichtig politische Bildung in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und zur Festigung der Demokratie ist.
Schon um 2000 gab es einmal eine massive Attacke auf die politische Bildung. Sie wurde immer stärker von Projektförderung geprägt: Nur einzelne Vorhaben wurden zeitlich begrenzt gefördert. Die globalen Mittel im Bund und den Ländern wurden gekürzt. Niedersachsen löste sogar die Landeszentrale auf.
In der Folge nahmen insbesondere unter Jugendlichen rechtsextremes Gedankengut und entsprechende Aktivitäten zu. Jetzt macht die Ampel-Koalition erneut den gleichen Fehler. Dabei hofften die Bildungsträger gerade bei dieser Koalition auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Aber nein, Frau Faeser darf machen, was sie will, und die Koalitionspartner drücken beide Augen zu.
Dabei ist die Front der Träger politischer Bildung geschlossen gegen die komplett kontraproduktiven Kürzungspläne. Das Gegenteil wäre angemessen: die Finanzierung der Träger – von Volkshochschulen über die bpb, die Jugendverbände und andere freie Träger - muss garantiert und möglichst ausgeweitet werden. Kontinuierliche Finanzierung und die Abschaffung von zeitlich begrenzter Projektförderung begründen den Erfolg.
Und dann das: Das Bundesinnenministerium kürzt die Mittel für die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) um ein Viertel. Als wüssten wir nicht, wie wichtig politische Bildung in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und zur Festigung der Demokratie ist.
Schon um 2000 gab es einmal eine massive Attacke auf die politische Bildung. Sie wurde immer stärker von Projektförderung geprägt: Nur einzelne Vorhaben wurden zeitlich begrenzt gefördert. Die globalen Mittel im Bund und den Ländern wurden gekürzt. Niedersachsen löste sogar die Landeszentrale auf.
In der Folge nahmen insbesondere unter Jugendlichen rechtsextremes Gedankengut und entsprechende Aktivitäten zu. Jetzt macht die Ampel-Koalition erneut den gleichen Fehler. Dabei hofften die Bildungsträger gerade bei dieser Koalition auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Aber nein, Frau Faeser darf machen, was sie will, und die Koalitionspartner drücken beide Augen zu.
Dabei ist die Front der Träger politischer Bildung geschlossen gegen die komplett kontraproduktiven Kürzungspläne. Das Gegenteil wäre angemessen: die Finanzierung der Träger – von Volkshochschulen über die bpb, die Jugendverbände und andere freie Träger - muss garantiert und möglichst ausgeweitet werden. Kontinuierliche Finanzierung und die Abschaffung von zeitlich begrenzter Projektförderung begründen den Erfolg.
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Montag, 7. August 2023
„Kulturelle Aneignung“ – niemand merkt‘s
jf.bremen, 10:52h
Die Spekulationen über „kulturelle Aneignung“ wabern nach wie vor nicht nur im Internet. Unter der Überschrift „Selbstzensur in finsteren Zeiten“ (miniaturen 24.08.2022) habe ich dazu schon geschrieben. Jetzt ist mir ein alter Aufsatz von 1984 wieder in die Hände gekommen, der das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit schön auf den Punkt bringt.
Ich fahre mit einer Gruppe Berliner Hauptschüler im VW-Bus über eine Landstraße; Geschwindigkeit ca. 100 km/h. Ein Schüler stellt Vergleiche an zwischen der Geschwindigkeit auf Berliner Straßen und Landstraßen in Westdeutschland: „Stark, ey, 100 Sachen!“ Dann kommt ein Vergleich mit amerikanischen Autobahnen. A behauptet, es gäbe dort eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 Meilen. Er weiß das von seinem Vater, der schon mal dort war. B widerspricht: Es gibt keine Beschränkung, alle rasen dort wie wahnsinnig. Das geht eine Zeit hin und her, die Behauptungen, werden mit immer neuen Worten und Formulierung wiederholt. Schließlich trumpft B auf: „Auf dem Highway ist die Hölle los!“ Jetzt greift C ein, der die ganze Zeit stumm zugehört hat: „Mann, det is `n Film!“
Beide, A und B, hatten Recht: Jeder hatte SEINE Wahrheit, nur A hat sie aus der – zugegeben durch seinen Vater vermittelten - Realität gewonnen und B aus der Imagination des Films. C klärt den Widerspruch schließlich auf, indem er Wirklichkeit und imaginierte Wirklichkeit trennt.
Und noch etwas: Hat eigentlich jemand schon mal darüber nachgedacht, dass Tattoos – von Medienschaffenden besonders geschätzt – eine exzessive Form kultureller Aneignung sind? Sie stammen, der Name sagt’s schon, aus exotischen Weltgegenden, jedenfalls nicht aus Europa. Sie werden buchstäblich in die Haut injiziert. Eine vollkommenere Aneignung ist kaum noch möglich. Und niemand merkt’s!
Ich fahre mit einer Gruppe Berliner Hauptschüler im VW-Bus über eine Landstraße; Geschwindigkeit ca. 100 km/h. Ein Schüler stellt Vergleiche an zwischen der Geschwindigkeit auf Berliner Straßen und Landstraßen in Westdeutschland: „Stark, ey, 100 Sachen!“ Dann kommt ein Vergleich mit amerikanischen Autobahnen. A behauptet, es gäbe dort eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 Meilen. Er weiß das von seinem Vater, der schon mal dort war. B widerspricht: Es gibt keine Beschränkung, alle rasen dort wie wahnsinnig. Das geht eine Zeit hin und her, die Behauptungen, werden mit immer neuen Worten und Formulierung wiederholt. Schließlich trumpft B auf: „Auf dem Highway ist die Hölle los!“ Jetzt greift C ein, der die ganze Zeit stumm zugehört hat: „Mann, det is `n Film!“
Beide, A und B, hatten Recht: Jeder hatte SEINE Wahrheit, nur A hat sie aus der – zugegeben durch seinen Vater vermittelten - Realität gewonnen und B aus der Imagination des Films. C klärt den Widerspruch schließlich auf, indem er Wirklichkeit und imaginierte Wirklichkeit trennt.
Und noch etwas: Hat eigentlich jemand schon mal darüber nachgedacht, dass Tattoos – von Medienschaffenden besonders geschätzt – eine exzessive Form kultureller Aneignung sind? Sie stammen, der Name sagt’s schon, aus exotischen Weltgegenden, jedenfalls nicht aus Europa. Sie werden buchstäblich in die Haut injiziert. Eine vollkommenere Aneignung ist kaum noch möglich. Und niemand merkt’s!
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Sonntag, 6. August 2023
Ich hätte nie gedacht, dass mir sowas passieren könnte!
jf.bremen, 14:09h
Ich war gewarnt. Zeitungsartikel berichten laufend über den „Enkeltrick“. Leser wie ich reagieren mit Unverständnis für das Handeln der Opfer. Inzwischen bin ich eines anderen belehrt worden.
Ein Anruf schreckte mich aus der Arbeit. Anrufer: Anonym. Das könnte Freundin Z. sein, die ihre Nummer unterdrückt hat. Ich melde mich. Eine freundlich-ernste Frauenstimme stellt sich als Kripobeamtin Sowieso vor, fragt ob ich sitze. - Ja. - Sie habe eine schlechte Nachricht. Eine Person – sagte sie Enkelin oder etwas anderes? – habe einen Verkehrsunfall mit einem Todesopfer verursacht. Ob ich mit ihr reden wolle? Selbstverständlich. Eine Frauenstimme, angebliche unsere Patentochter S., schluchzt und bittet um Hilfe. Die Kripo-Frau mischt sich ein, S. werde jetzt durch eine Polizeipsychologin unterstützt. Sie übergibt an einen Staatsanwalt Dr. Braun. Der erklärt mir, S. käme jetzt in Untersuchungshaft bis ein Richter Weiteres entscheide. Bei Hinterlegung einer Kaution könne S. zunächst Haftverschonung bekommen.
Ich breche zusammen, knalle mit dem Kopf auf die Tischplatte. Braun lässt mir aber keine Zeit. Ich müsse xx xxx € – einen fünfstelligen Betrag - hinterlegen. - So viel habe ich nicht. - Wieviel ich schnell auftreiben könne? - Einen niedrigeren Betrag? - Das ginge auch. Kurz kommt die weinende Frauenstimme noch mal ans Telefon, bis nach wenigen Sekunden die Kripobeamtin eingreift und erneut erklärt, S. werde jetzt psychologisch betreut.
Jetzt folgen sehr exakte Handlungsanweisung, denen ich im Folgenden - völlig durcheinander - genauso exakt folge. Dadurch werde ich entlastet, selbst Entscheidungen treffen zu müssen, was ich auch durch meinen aktuellen Gesundheitszustand nicht konnte.
1. Ich dürfe mit niemandem reden, da S. vermeiden wolle, dass etwas in die Presse kommt.
2. Ich solle das Geld beim Amtsgericht übergeben. Da ich erkläre, dass ich wegen einer Behinderung nicht laufen kann, und am Amtsgericht auch keine Parkmöglichkeit besteht, schlägt er anderes vor.
3. Sie würden mich auf dem Handy anrufen – ich weiß nicht mehr, ob ich die Nummer angegeben habe – und ich dürfe das Handy nicht ausschalten, sonst würde S. gefährdet.
4. Ich müsse zur Bank fahren und das Geld abheben. Dort solle ich auf Fragen der Angestellten, wofür ich so viel Geld brauche, sagen, ich wolle ein Auto kaufen.
5. Vor der Bank würde mir per Handy ein Treffpunkt für die Geldübergabe genannt. Ich würde auch eine Quittung bekommen.
6. Es setzt eine Art Hyperaktivität ein. Ich klaube die Fahrzeugpapiere, Personalausweis und Bankkarte zusammen und mache mich auf den Weg.
Im Flur begegne ich meiner Frau, die gerade nach Hause kommt. In Eile sage ich ihr, ich müsse schnell weg und ich dürfe nicht mit ihr reden. Dann sitze ich im Auto auf dem Weg zur Bank. Zwischendurch kommen aus dem Handy immer wieder besorgte, immer heftigere Fragen, ob ich wirklich allein sei. Zuletzt reagiere ich wütend.
Jetzt setzt ein neuer Prozess bei mir ein. Ist das am Ende ein Enkeltrick? Oder ist S. wirklich in Gefahr? Hin und her, her und hin. Jetzt fällt mir die Nervosität der "Kripobeamtin" auf. Je länger die Autofahrt dauert, desto größer werden meine Zweifel. Durch Zufall komme ich an einer Polizeiwache vorbei. Da fällt mein Entschluss. Ich biege links ab, fahre vor die Wache, steige aus, gehe mit dem Handy in der Hand rein. Die Beamtin am Schalter checkt die Situation: Stellen Sie schnell das Handy aus. Wieder bin ich froh, dass mir jemand sagt, was ich tun kann. Sofort kommen immer wieder neue Anrufe, die ich gleich wegdrücke. Offensichtlich soll mein Handy blockiert werden. Ich rufe zur Sicherheit erst mal S., dann meine Frau an und gebe „Entwarnung“. Bevorzugt nimmt ein Beamter meine Anzeige auf. Und sagt immer wieder: „Das ist typisch. Gut, dass Sie zu uns gekommen sind!“
Klar ist: Die Polizei würde nie einen solchen Fall telefonisch bearbeiten, sondern ins Haus kommen. Das Feilschen um die Höhe des Betrags – völlig unglaubwürdig. Haft bei S. eher ausgeschlossen (geordnete Verhältnisse). Die Kaution, das Schweigegebot, die lückenlose Kontrolle, die Lüge mit dem Autokauf, Geldübergabe auf einem Parkplatz – alles aus dem Werkzeugkoffer von Erpressern!
Es gibt einige Gründe für mein Verhalten: Der Schock, das selbstbewusste Auftreten der „Kripobeamtin“ und des Staatsanwalts, ihre Flexibilität, die exakten Handlungsanweisungen, eine perfekte Inszenierung, psychologische „Kriegführung“ und immer wieder der erste und andauernde Schock!
Ich wusste und weiß, dass alles, was die Erpresser behauptet haben, Lügen waren. An mehreren Stellen hätte ich stutzen müssen. Ich tat es nicht, schlicht weil ich unter Schock stand und in einer labilen Lage war!
Ich halte mich für einen rationalen Menschen. Das Beispiel zeigt, wie brüchig dieser Schild ist. Einige gezielte Stiche brechen ihn auf. Aber unter dem Druck war immer noch rationales Handeln möglich: Mitnahme der Papiere, Autofahrt. Nur die Grundannahme - S. ist in Gefahr; Hilfe scheint möglich – wurde nicht angezweifelt. Ein erschreckendes Szenario. Ich hätte es vorher so niemals für möglich gehalten.
Nachtrag: Drei Monate später bekomme ich eine E-Mail: Kinderpornografie im Internet sei strafbar. Ich sei verdächtig und solle …. Was, habe ich nicht gelesen, weil ich die E-Mail sofort gelöscht habe.
Ein Anruf schreckte mich aus der Arbeit. Anrufer: Anonym. Das könnte Freundin Z. sein, die ihre Nummer unterdrückt hat. Ich melde mich. Eine freundlich-ernste Frauenstimme stellt sich als Kripobeamtin Sowieso vor, fragt ob ich sitze. - Ja. - Sie habe eine schlechte Nachricht. Eine Person – sagte sie Enkelin oder etwas anderes? – habe einen Verkehrsunfall mit einem Todesopfer verursacht. Ob ich mit ihr reden wolle? Selbstverständlich. Eine Frauenstimme, angebliche unsere Patentochter S., schluchzt und bittet um Hilfe. Die Kripo-Frau mischt sich ein, S. werde jetzt durch eine Polizeipsychologin unterstützt. Sie übergibt an einen Staatsanwalt Dr. Braun. Der erklärt mir, S. käme jetzt in Untersuchungshaft bis ein Richter Weiteres entscheide. Bei Hinterlegung einer Kaution könne S. zunächst Haftverschonung bekommen.
Ich breche zusammen, knalle mit dem Kopf auf die Tischplatte. Braun lässt mir aber keine Zeit. Ich müsse xx xxx € – einen fünfstelligen Betrag - hinterlegen. - So viel habe ich nicht. - Wieviel ich schnell auftreiben könne? - Einen niedrigeren Betrag? - Das ginge auch. Kurz kommt die weinende Frauenstimme noch mal ans Telefon, bis nach wenigen Sekunden die Kripobeamtin eingreift und erneut erklärt, S. werde jetzt psychologisch betreut.
Jetzt folgen sehr exakte Handlungsanweisung, denen ich im Folgenden - völlig durcheinander - genauso exakt folge. Dadurch werde ich entlastet, selbst Entscheidungen treffen zu müssen, was ich auch durch meinen aktuellen Gesundheitszustand nicht konnte.
1. Ich dürfe mit niemandem reden, da S. vermeiden wolle, dass etwas in die Presse kommt.
2. Ich solle das Geld beim Amtsgericht übergeben. Da ich erkläre, dass ich wegen einer Behinderung nicht laufen kann, und am Amtsgericht auch keine Parkmöglichkeit besteht, schlägt er anderes vor.
3. Sie würden mich auf dem Handy anrufen – ich weiß nicht mehr, ob ich die Nummer angegeben habe – und ich dürfe das Handy nicht ausschalten, sonst würde S. gefährdet.
4. Ich müsse zur Bank fahren und das Geld abheben. Dort solle ich auf Fragen der Angestellten, wofür ich so viel Geld brauche, sagen, ich wolle ein Auto kaufen.
5. Vor der Bank würde mir per Handy ein Treffpunkt für die Geldübergabe genannt. Ich würde auch eine Quittung bekommen.
6. Es setzt eine Art Hyperaktivität ein. Ich klaube die Fahrzeugpapiere, Personalausweis und Bankkarte zusammen und mache mich auf den Weg.
Im Flur begegne ich meiner Frau, die gerade nach Hause kommt. In Eile sage ich ihr, ich müsse schnell weg und ich dürfe nicht mit ihr reden. Dann sitze ich im Auto auf dem Weg zur Bank. Zwischendurch kommen aus dem Handy immer wieder besorgte, immer heftigere Fragen, ob ich wirklich allein sei. Zuletzt reagiere ich wütend.
Jetzt setzt ein neuer Prozess bei mir ein. Ist das am Ende ein Enkeltrick? Oder ist S. wirklich in Gefahr? Hin und her, her und hin. Jetzt fällt mir die Nervosität der "Kripobeamtin" auf. Je länger die Autofahrt dauert, desto größer werden meine Zweifel. Durch Zufall komme ich an einer Polizeiwache vorbei. Da fällt mein Entschluss. Ich biege links ab, fahre vor die Wache, steige aus, gehe mit dem Handy in der Hand rein. Die Beamtin am Schalter checkt die Situation: Stellen Sie schnell das Handy aus. Wieder bin ich froh, dass mir jemand sagt, was ich tun kann. Sofort kommen immer wieder neue Anrufe, die ich gleich wegdrücke. Offensichtlich soll mein Handy blockiert werden. Ich rufe zur Sicherheit erst mal S., dann meine Frau an und gebe „Entwarnung“. Bevorzugt nimmt ein Beamter meine Anzeige auf. Und sagt immer wieder: „Das ist typisch. Gut, dass Sie zu uns gekommen sind!“
Klar ist: Die Polizei würde nie einen solchen Fall telefonisch bearbeiten, sondern ins Haus kommen. Das Feilschen um die Höhe des Betrags – völlig unglaubwürdig. Haft bei S. eher ausgeschlossen (geordnete Verhältnisse). Die Kaution, das Schweigegebot, die lückenlose Kontrolle, die Lüge mit dem Autokauf, Geldübergabe auf einem Parkplatz – alles aus dem Werkzeugkoffer von Erpressern!
Es gibt einige Gründe für mein Verhalten: Der Schock, das selbstbewusste Auftreten der „Kripobeamtin“ und des Staatsanwalts, ihre Flexibilität, die exakten Handlungsanweisungen, eine perfekte Inszenierung, psychologische „Kriegführung“ und immer wieder der erste und andauernde Schock!
Ich wusste und weiß, dass alles, was die Erpresser behauptet haben, Lügen waren. An mehreren Stellen hätte ich stutzen müssen. Ich tat es nicht, schlicht weil ich unter Schock stand und in einer labilen Lage war!
Ich halte mich für einen rationalen Menschen. Das Beispiel zeigt, wie brüchig dieser Schild ist. Einige gezielte Stiche brechen ihn auf. Aber unter dem Druck war immer noch rationales Handeln möglich: Mitnahme der Papiere, Autofahrt. Nur die Grundannahme - S. ist in Gefahr; Hilfe scheint möglich – wurde nicht angezweifelt. Ein erschreckendes Szenario. Ich hätte es vorher so niemals für möglich gehalten.
Nachtrag: Drei Monate später bekomme ich eine E-Mail: Kinderpornografie im Internet sei strafbar. Ich sei verdächtig und solle …. Was, habe ich nicht gelesen, weil ich die E-Mail sofort gelöscht habe.
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Samstag, 5. August 2023
Flüchtlingspolitik im Karussell
jf.bremen, 11:53h
Es ist immer wieder das gleiche Karussell: Die Konservativen machen einen Vorstoß für eine Gesetzesänderung, der von den „Fortschrittlichen“ zurückgewiesen wird. Bald darauf greifen die „Fortschrittlichen“ mit dezent veränderten Variationen das Thema auf und machen, was die Konservativen wollen.
Genauso jetzt in der Flüchtlingspolitik. Es ist nicht lange her, da forderte die CDU im Bundestag die Verlängerung des Ausreisegewahrsams, um Abschiebungen zu erleichtern. Aus der SPD-Fraktion wurde das zurückgewiesen. Und jetzt kommt Innenministerin Faeser mit einer Variation und detaillierten Vorschriften für genau dasselbe um die Ecke.
Der Ausreisegewahrsam soll von 10 auf 28 Tage verlängert werden, damit die Behörden die Abschiebung besser vorbereiten und effektiver durchführen können. Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsbedingungen sollen als Haftgründe herhalten.
Behördenvertreter, das ist dann im Regelfall die Polizei, sollen in Gemeinschaftsunterkünften die Zimmer der Flüchtlinge, die Gemeinschafträume und Räume der MitbewohnerInnen betreten dürfen. Ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz, ohne die 2/3-Mehrheit des Parlaments zu fragen. (Art. 1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Art. 13 GG: Die Wohnung ist unverletzlich.)
Alles geht über das von der CDU geforderte hinaus. Dennoch dreht sich das Karussell wieder: Der CDU kommt das alles zu spät – wie originell – und ist ihr zu wenig.
Widerstand aus der Koalition: schwachbrüstig von einzelnen Grünen, aus der SPD nicht vernehmbar und der FDP ist es schon recht.
Wirkliche Opposition kommt nur aus der Zivilgesellschaft, etwa Pro Asyl. Nur die AfD högt sich heimlich. Die Sache läuft wie geschmiert ganz in ihrem Sinn.
Genauso jetzt in der Flüchtlingspolitik. Es ist nicht lange her, da forderte die CDU im Bundestag die Verlängerung des Ausreisegewahrsams, um Abschiebungen zu erleichtern. Aus der SPD-Fraktion wurde das zurückgewiesen. Und jetzt kommt Innenministerin Faeser mit einer Variation und detaillierten Vorschriften für genau dasselbe um die Ecke.
Der Ausreisegewahrsam soll von 10 auf 28 Tage verlängert werden, damit die Behörden die Abschiebung besser vorbereiten und effektiver durchführen können. Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsbedingungen sollen als Haftgründe herhalten.
Behördenvertreter, das ist dann im Regelfall die Polizei, sollen in Gemeinschaftsunterkünften die Zimmer der Flüchtlinge, die Gemeinschafträume und Räume der MitbewohnerInnen betreten dürfen. Ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz, ohne die 2/3-Mehrheit des Parlaments zu fragen. (Art. 1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Art. 13 GG: Die Wohnung ist unverletzlich.)
Alles geht über das von der CDU geforderte hinaus. Dennoch dreht sich das Karussell wieder: Der CDU kommt das alles zu spät – wie originell – und ist ihr zu wenig.
Widerstand aus der Koalition: schwachbrüstig von einzelnen Grünen, aus der SPD nicht vernehmbar und der FDP ist es schon recht.
Wirkliche Opposition kommt nur aus der Zivilgesellschaft, etwa Pro Asyl. Nur die AfD högt sich heimlich. Die Sache läuft wie geschmiert ganz in ihrem Sinn.
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