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Montag, 20. September 2021
Usbekistan - wie in 1001 Nacht (8/9)
jf.bremen, 00:22h
ACHTER TAG: Heute fahren wir wieder 450 km durch die „bewachsene Wüste“ Kizilkum nach Buccara. Angesichts der überwiegend sehr schlechten Straße – wie überall in Usbekistan außerhalb der Großstädte - benötigen wir für die Strecke mit kurzen Unterbrechungen den ganzen Tag. Nur eine Teilstrecke ist - von einer deutschen Firma – gut ausgebaut.
Einmal nähert sich die Straße dicht dem Amurdayo, der hier noch ein breiter Strom ist und die Grenze zu Turkmenistan bildet. Früher führten Straße und Eisenbahn über turkmenisches Gebiet. Das ist jetzt nicht mehr möglich, weil die Grenze dicht ist und nur mit einem Visum passiert werden darf.
In der „bewachsenen Wüste“ mit ihren flachen Sanddünen finden wir einen „Gewürzbaum“, der dort systematisch gezüchtet und geerntet wird. Daraus wird das begehrte Kumin, d.i. Kreuzkümmel, gewonnen. Tamarisken werden als Windschutz ebenfalls systematisch angebaut, um den Wüstensand zu binden. Sie sind resistent gegen salzige Böden und wachsen in ariden Gegenden. Arid nennen Geografen und Biologen trockene Gebiete mit wenig Bewuchs.
Sowohl beim Mittag- wie beim Abendessen führen wir einen zähen Kampf mit unserem Reiseführer. Er besteht jeweils auf einem kompletten Menü aus diversen Salaten, einer Vorsuppe und einem Hauptgericht mit Fleisch, Gemüse und Beilage. Uns ist das zu viel, vor allem wegen der Hitze mittags. Heute erkläre ich deutlich mit erhobener Stimme, dass wir entscheiden wollen, was wir essen. Mittags beschränken wir uns meist auf einen Salat, allenfalls noch eine Suppe, weder Hauptgericht noch Nachtisch. Abends kann es dann etwas üppiger sein. Diese entschiedene Ansage wirkt, so dass diese Diskussionen beendet werden.
Abends bewundern wir den klaren Halb-Mond, der hier „auf dem Kopf“ zu stehen scheint: die Rundung fast nach unten, die glatte Seite nach oben
NEUNTER TAG: In Buchara müssen wir Geld wechseln. Ich steuere in der Nähe unseres Hotels einen Geldautomaten an. Er wird von zwei Frauen belagert, die ständig neue Beträge ziehen. Als ich endlich an der Reihe bin, ist der Automat leer.
Schräg gegenüber ist eine Bank. Ich stelle mich vor den Kassenschalter und werde - keineswegs beachtet. Schließlich signalisiere ich dem Sicherheitsbeamten meine Hilflosigkeit. Er spricht etwas Englisch und sorgt dafür, dass eine der beiden Kassiererinnen meinen 50-€-Schein annimmt. Dann widmet sie sich wieder ihrer Tätigkeit des Zählens großer Packen von Banknoten. Meinen Schein gibt sie an ihre Kollegin weiter, die ihn zur Seite legt. Als ich mich wieder durch Räuspern bemerkbar mache, reicht sie mir den Schein zurück und erklärt: „Problem“. – „Which problem?“ Sie zeigt mir den Schein: in einem Knick ist der Schein ca. ½ mm eingerissen – kein weiterer Kommentar. Ich verlasse den Laden.
Draußen fällt mir ein, dass ich auch mit der Visa-Karte abheben kann. Also zurück. Wieder das gleiche Spiel, bis der Sicherheitsmann erneut eingreift. Dann dauert es endlos, bis sie mir zunächst ein Formular `rüberschiebt, das ich unterschreibe. Dann kriege ich kein Geld. Es folgt ein weiteres Formular mit Kugelschreiber, alles wortlos. Ich vermutet, es ist die Quittung, die ich aber erst unterschreiben will, wenn ich das Geld habe. Nach geraumer Zeit wird mir ein Packen Sum-Scheine zugeschoben. Ich zähle nach. Dann passiert wieder nichts. Schließlich trolle ich mich, nicht ohne mich bei dem Sicherheitsmann zu bedanken und zu verabschieden.
GELD: Ein Euro entspricht annähernd 10.000 Sum. Der kleinste Geldschein ist 500 Sum ~ 5 Euro-Cent. Die Maße dieser Note sind ca. 22 x 12 cm. Der Wechselkurs unterliegt starken Schwankungen. Die Inflation galoppiert und lag 2017 und 2018 bei je 14 % jährlich. Der Dollar und der Euro sind daher begehrte Devisen. Banküberweisungen haben extrem hohe Gebühren. Viele Geschäfte werden daher bar gemacht. Sogar einen Teil unserer Reisekosten haben wir bar mitgenommen und ausgezahlt. Der überwiegende Teil ging an eine Berliner Bank. Souvenirverkäufer geben die Preise gleich in Euro an. Die Preise in Usbekistan sind gemessen am west-europäischen Maßstab sehr niedrig.
Unser Reiseführer Shukhrat zeigt uns die Stadt Buchara mit ihren ca. 430.000 Einwohnern. Sie ist einheitlicher als Chiwa: riesige prächtige Bauten allenthalben. Wir folgen ausgehend vom klassischen Architektur-Komplex Labi Hauz der Touristen-Route, nur in der umgekehrter Reihenfolge der üblichen Runde. Shukhrat hat wieder schlau kalkuliert, dass wir den anderen Touristengruppen nur einmal begegnen, statt immer hinter, vor oder zwischen ihnen zu trotten.
Jetzt geht die Reihenfolge nach dem Labi Hauz Minarett und Moschee Kalon, Medresse Miri Arab, die Mausoleen Tschaschmai Ayub und Ismail Samani. Unterwegs besichtigen wir auch die Markt-Kuppelbauten Toqi Zargaron, Toqi Telpakfuruchon und Toqi Saraffon. Jeder dieser Märkte diente ursprünglich einer bestimmten Warengruppe. Jetzt werden überall fast ausschließlich Souvenirs und Getränke verkauft. In einem Stand bietet ein Gewürzhändler seine üppige Auswahl an. Alle Wohlgerüche des Ostens sind hier versammelt.
Vor dem Labi Houz befindet sich die überlebensgroße Statue des usbekischen Till Eulenspiegel, Hodscha Nasreddin. Statue wie Figur sind sympathisch: verkörpert der Hodscha doch den volksnahen Philosophen, der der Gesellschaft seinen kritischen Spiegel vorhält.
Eine MEDRESSE ist eine Universität, an der neben Theologie auch andere Wissenschaften gelehrt werden, wie Mathematik, Philosophie, Literatur, Sprachen, Recht. In diesen Medressen wird teilweise noch unterrichtet. Die Koran-Schule dagegen dient nur der Theologie.
In Buchara ist der Tourismus nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Ebenso die auf Touristen spezialisierten Händler. Handwerker und Händler – Schmied, Gewürzhändler, Ziselierer, Messerschmied - zeigen freundlich ihre Tätigkeiten und Produkte, lassen sich bereitwillig fotografieren, sind überhaupt nicht aufdringlich.
Der Messerschmied erklärt uns mit Unterstützung von Shukhrat den gesamten Produktionsprozess unterschiedlicher, hochwertiger Produkte.
Es gibt wenige, ebenfalls unaufdringliche Bettler. Geben ist für mich schwierig wegen der riesigen Geldscheine, die eigentlich nichts wert sind. Münzen gibt es nicht. Sonst habe ich immer einige lose in der Tasche und verschenke sie. Aber aus den dicken Packen etwas Passendes herauszusuchen ist arg umständlich. Shukhrat gibt wohl regelmäßig einem Spastiker im Rollstuhl Almosen, anderen wohl nicht. Dieser erkennt unseren guide schon von weitem.
KRIMINALITÄT scheint, jedenfalls im Alltag, keine Rolle zu spielen. Selbst große Beträge in Dollar, Euro oder Sum liegen sogar auf der Bank quasi offen herum. Verkaufsstände werden ohne Angst vor Dieben bedenkenlos verlassen. Wir lassen Wertgegenstände, z.B. Kameras offen im abgeschlossenen Auto liegen. Vertraute Vorsichtsmaßnahmen – Verstecken der Kamera im Kofferraum – werden vom Fahrer als unnötig abgelehnt. Korruption spielt, wie in anderen autokratischen Ländern – aber nicht nur dort – eine Rolle, über die jedoch nicht offen geredet wird. Dennoch ist sie sehr weit verbreitet in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Justiz. In internationalen Rankings rangiert das Land auf Platz 157 von 180 möglichen Plätzen, ist also sehr hoch. Ein Anti-Korruptionsgesetz bleibt wirkungslos, weil die Justiz solche Delikte praktisch nicht verfolgt.
Die großen Städte wie Buchara, Samarkand, Chiwas sind an Kreuzungspunkten der verschiedenen Stränge der Seidenstraße aus Karawansereien entstanden. Pioniere der Erschließung waren Mönche.
Im Islam sind figürliche Abbildung von Menschen, Tieren und Pflanzen verboten. Daher finden sich an den sakralen Gebäuden außer Schriftzeichen nur abstrakte Muster. U.a. an der Fassade Devon Begi in Buccara sind Abbildungen des phantastischen Vogels Phönix und einer Mischung aus Schwein und Hund. Da diese „Tiere“ nicht wirklich existieren, durften sie dargestellt werden.
Es fällt schwer angesichts der Ballung wichtiger, prächtiger, großer Bauten einen Gesamteindruck zu schildern. Die Häufung erschlägt einen schier. Hinzukommt in unserem Fall, dass wir – nicht nur hier – auf Gedeih und Verderb unserem guide, seiner Ortkenntnis und seinem Faktenwissen ausgeliefert waren. Oft wusste ich nicht mehr, wo ich eigentliche war und wie ich hier wieder wegkommen sollte. Unmöglich, in diesem kurzen Reisebericht alle Bauten zu beschreiben. Ich selber greife dafür auf Reiseführer und Internet zurück.
Unser Hotel lag in Zentrums-Nähe, so dass wir abends noch etwas bummeln konnten. In Sichtweite der diversen monumentalen Bauten befindet sich ein Park mit einem Bassin. Dort bekam Gerhild in einem Gartencafé tatsächlich einen reellen Espresso und ich ein leckeres Eis, und wir konnten „die Seele baumeln lassen“.
Einmal nähert sich die Straße dicht dem Amurdayo, der hier noch ein breiter Strom ist und die Grenze zu Turkmenistan bildet. Früher führten Straße und Eisenbahn über turkmenisches Gebiet. Das ist jetzt nicht mehr möglich, weil die Grenze dicht ist und nur mit einem Visum passiert werden darf.
In der „bewachsenen Wüste“ mit ihren flachen Sanddünen finden wir einen „Gewürzbaum“, der dort systematisch gezüchtet und geerntet wird. Daraus wird das begehrte Kumin, d.i. Kreuzkümmel, gewonnen. Tamarisken werden als Windschutz ebenfalls systematisch angebaut, um den Wüstensand zu binden. Sie sind resistent gegen salzige Böden und wachsen in ariden Gegenden. Arid nennen Geografen und Biologen trockene Gebiete mit wenig Bewuchs.
Sowohl beim Mittag- wie beim Abendessen führen wir einen zähen Kampf mit unserem Reiseführer. Er besteht jeweils auf einem kompletten Menü aus diversen Salaten, einer Vorsuppe und einem Hauptgericht mit Fleisch, Gemüse und Beilage. Uns ist das zu viel, vor allem wegen der Hitze mittags. Heute erkläre ich deutlich mit erhobener Stimme, dass wir entscheiden wollen, was wir essen. Mittags beschränken wir uns meist auf einen Salat, allenfalls noch eine Suppe, weder Hauptgericht noch Nachtisch. Abends kann es dann etwas üppiger sein. Diese entschiedene Ansage wirkt, so dass diese Diskussionen beendet werden.
Abends bewundern wir den klaren Halb-Mond, der hier „auf dem Kopf“ zu stehen scheint: die Rundung fast nach unten, die glatte Seite nach oben
NEUNTER TAG: In Buchara müssen wir Geld wechseln. Ich steuere in der Nähe unseres Hotels einen Geldautomaten an. Er wird von zwei Frauen belagert, die ständig neue Beträge ziehen. Als ich endlich an der Reihe bin, ist der Automat leer.
Schräg gegenüber ist eine Bank. Ich stelle mich vor den Kassenschalter und werde - keineswegs beachtet. Schließlich signalisiere ich dem Sicherheitsbeamten meine Hilflosigkeit. Er spricht etwas Englisch und sorgt dafür, dass eine der beiden Kassiererinnen meinen 50-€-Schein annimmt. Dann widmet sie sich wieder ihrer Tätigkeit des Zählens großer Packen von Banknoten. Meinen Schein gibt sie an ihre Kollegin weiter, die ihn zur Seite legt. Als ich mich wieder durch Räuspern bemerkbar mache, reicht sie mir den Schein zurück und erklärt: „Problem“. – „Which problem?“ Sie zeigt mir den Schein: in einem Knick ist der Schein ca. ½ mm eingerissen – kein weiterer Kommentar. Ich verlasse den Laden.
Draußen fällt mir ein, dass ich auch mit der Visa-Karte abheben kann. Also zurück. Wieder das gleiche Spiel, bis der Sicherheitsmann erneut eingreift. Dann dauert es endlos, bis sie mir zunächst ein Formular `rüberschiebt, das ich unterschreibe. Dann kriege ich kein Geld. Es folgt ein weiteres Formular mit Kugelschreiber, alles wortlos. Ich vermutet, es ist die Quittung, die ich aber erst unterschreiben will, wenn ich das Geld habe. Nach geraumer Zeit wird mir ein Packen Sum-Scheine zugeschoben. Ich zähle nach. Dann passiert wieder nichts. Schließlich trolle ich mich, nicht ohne mich bei dem Sicherheitsmann zu bedanken und zu verabschieden.
GELD: Ein Euro entspricht annähernd 10.000 Sum. Der kleinste Geldschein ist 500 Sum ~ 5 Euro-Cent. Die Maße dieser Note sind ca. 22 x 12 cm. Der Wechselkurs unterliegt starken Schwankungen. Die Inflation galoppiert und lag 2017 und 2018 bei je 14 % jährlich. Der Dollar und der Euro sind daher begehrte Devisen. Banküberweisungen haben extrem hohe Gebühren. Viele Geschäfte werden daher bar gemacht. Sogar einen Teil unserer Reisekosten haben wir bar mitgenommen und ausgezahlt. Der überwiegende Teil ging an eine Berliner Bank. Souvenirverkäufer geben die Preise gleich in Euro an. Die Preise in Usbekistan sind gemessen am west-europäischen Maßstab sehr niedrig.
Unser Reiseführer Shukhrat zeigt uns die Stadt Buchara mit ihren ca. 430.000 Einwohnern. Sie ist einheitlicher als Chiwa: riesige prächtige Bauten allenthalben. Wir folgen ausgehend vom klassischen Architektur-Komplex Labi Hauz der Touristen-Route, nur in der umgekehrter Reihenfolge der üblichen Runde. Shukhrat hat wieder schlau kalkuliert, dass wir den anderen Touristengruppen nur einmal begegnen, statt immer hinter, vor oder zwischen ihnen zu trotten.
Jetzt geht die Reihenfolge nach dem Labi Hauz Minarett und Moschee Kalon, Medresse Miri Arab, die Mausoleen Tschaschmai Ayub und Ismail Samani. Unterwegs besichtigen wir auch die Markt-Kuppelbauten Toqi Zargaron, Toqi Telpakfuruchon und Toqi Saraffon. Jeder dieser Märkte diente ursprünglich einer bestimmten Warengruppe. Jetzt werden überall fast ausschließlich Souvenirs und Getränke verkauft. In einem Stand bietet ein Gewürzhändler seine üppige Auswahl an. Alle Wohlgerüche des Ostens sind hier versammelt.
Vor dem Labi Houz befindet sich die überlebensgroße Statue des usbekischen Till Eulenspiegel, Hodscha Nasreddin. Statue wie Figur sind sympathisch: verkörpert der Hodscha doch den volksnahen Philosophen, der der Gesellschaft seinen kritischen Spiegel vorhält.
Eine MEDRESSE ist eine Universität, an der neben Theologie auch andere Wissenschaften gelehrt werden, wie Mathematik, Philosophie, Literatur, Sprachen, Recht. In diesen Medressen wird teilweise noch unterrichtet. Die Koran-Schule dagegen dient nur der Theologie.
In Buchara ist der Tourismus nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Ebenso die auf Touristen spezialisierten Händler. Handwerker und Händler – Schmied, Gewürzhändler, Ziselierer, Messerschmied - zeigen freundlich ihre Tätigkeiten und Produkte, lassen sich bereitwillig fotografieren, sind überhaupt nicht aufdringlich.
Der Messerschmied erklärt uns mit Unterstützung von Shukhrat den gesamten Produktionsprozess unterschiedlicher, hochwertiger Produkte.
Es gibt wenige, ebenfalls unaufdringliche Bettler. Geben ist für mich schwierig wegen der riesigen Geldscheine, die eigentlich nichts wert sind. Münzen gibt es nicht. Sonst habe ich immer einige lose in der Tasche und verschenke sie. Aber aus den dicken Packen etwas Passendes herauszusuchen ist arg umständlich. Shukhrat gibt wohl regelmäßig einem Spastiker im Rollstuhl Almosen, anderen wohl nicht. Dieser erkennt unseren guide schon von weitem.
KRIMINALITÄT scheint, jedenfalls im Alltag, keine Rolle zu spielen. Selbst große Beträge in Dollar, Euro oder Sum liegen sogar auf der Bank quasi offen herum. Verkaufsstände werden ohne Angst vor Dieben bedenkenlos verlassen. Wir lassen Wertgegenstände, z.B. Kameras offen im abgeschlossenen Auto liegen. Vertraute Vorsichtsmaßnahmen – Verstecken der Kamera im Kofferraum – werden vom Fahrer als unnötig abgelehnt. Korruption spielt, wie in anderen autokratischen Ländern – aber nicht nur dort – eine Rolle, über die jedoch nicht offen geredet wird. Dennoch ist sie sehr weit verbreitet in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Justiz. In internationalen Rankings rangiert das Land auf Platz 157 von 180 möglichen Plätzen, ist also sehr hoch. Ein Anti-Korruptionsgesetz bleibt wirkungslos, weil die Justiz solche Delikte praktisch nicht verfolgt.
Die großen Städte wie Buchara, Samarkand, Chiwas sind an Kreuzungspunkten der verschiedenen Stränge der Seidenstraße aus Karawansereien entstanden. Pioniere der Erschließung waren Mönche.
Im Islam sind figürliche Abbildung von Menschen, Tieren und Pflanzen verboten. Daher finden sich an den sakralen Gebäuden außer Schriftzeichen nur abstrakte Muster. U.a. an der Fassade Devon Begi in Buccara sind Abbildungen des phantastischen Vogels Phönix und einer Mischung aus Schwein und Hund. Da diese „Tiere“ nicht wirklich existieren, durften sie dargestellt werden.
Es fällt schwer angesichts der Ballung wichtiger, prächtiger, großer Bauten einen Gesamteindruck zu schildern. Die Häufung erschlägt einen schier. Hinzukommt in unserem Fall, dass wir – nicht nur hier – auf Gedeih und Verderb unserem guide, seiner Ortkenntnis und seinem Faktenwissen ausgeliefert waren. Oft wusste ich nicht mehr, wo ich eigentliche war und wie ich hier wieder wegkommen sollte. Unmöglich, in diesem kurzen Reisebericht alle Bauten zu beschreiben. Ich selber greife dafür auf Reiseführer und Internet zurück.
Unser Hotel lag in Zentrums-Nähe, so dass wir abends noch etwas bummeln konnten. In Sichtweite der diversen monumentalen Bauten befindet sich ein Park mit einem Bassin. Dort bekam Gerhild in einem Gartencafé tatsächlich einen reellen Espresso und ich ein leckeres Eis, und wir konnten „die Seele baumeln lassen“.
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Samstag, 11. September 2021
Usbekistan - wie in 1001 Nacht (7)
jf.bremen, 22:54h
SIEBENTER TAG: Nach dem Frühstück sitzen wir auf einer Bank vor dem Hotel-Eingang. Ein freundlicher junger Mann spricht uns auf Englisch an und lädt uns zu einem Museumsbesuch nebenan ein.
Im Frühstücksraum sind großformatige Wandbilder zu bewundern mit Motiven alter Stadtansichten mit Dromedaren. Der Maler eines Bildes hat wohl nie ein Dromedar gesehen. Sie gehen nicht im Passgang, haben übergroße, mit Teppichen behängte Höcker. Eines sieht aus wie eine Schildkröte mit Hufen.
Die Stadtbesichtigung von Chiwa beginnt am Westtor der Altstadt und führt uns direkt zum Kalta Minor, einem wuchtigen Rundbau, dem unteren Teil eines überdimensionierten Minaretts, das nie fertig geworden ist. Der Reihe nach besuchen wir Kuhna Arc, die ehemalige Residenz der Chiwaer Khane, die Medresse von Muhammad Rahim Khan, das Mausoleum von Pachlavon Machmud, Medrese und Minarett Islam Hodschas, die Residenz Tosch Hovli und die Dschuma Moschee, d.h. die Freitagsmoschee. Letzte verfügt über eine Holzdecke, die von 212 kunstvoll geschnitzten Holzsäulen getragen wird. Alle Säulen haben verschiedene Dekors.
Die ganze Altstadt ist ein Gewirr von Gassen zwischen einer prachtvollen Ansammlung sakraler und weltlicher Bauten, alle Jahrhunderte alt, mit Mosaiken von ständig wechselnden Mustern, aus verschiedenen Materialien. Unser Reiseführer zeigt uns - fast - alles mit ausführlichen Erklärungen. Unmöglich alles aufzunehmen und zu behalten, was nicht am Führer, sondern an der Fülle der Eindrücke liegt. Dazwischen wuseln hunderte von Touristen in großen, vorwiegend französischen Gruppen.
Diese Gruppen zeigen alles, was wir früher an deutschen Touristen kritisiert haben: absurd auffällige Freizeitkleidung, skurrile Kopfbedeckungen, Sandalen mit weißen Söckchen, behängt mit optischen Geräten, drängelnd. Die deutsche "Leitkultur" ist offensichtlich zum europäischen Standard geworden. Sobald die Personen einen Raum - egal ob Restaurant, Moschee, Medresse oder Café - betreten, bleiben sie stehen, fotografieren, filmen ohne richtig zu gucken, blockieren die Tür, rücksichtslos gegenüber anderen Menschen. Shukhrat versucht uns schon antizyklisch zu führen, d.h. diese Gruppen vermeidend, ist aber nicht immer erfolgreich.
An vielen öffentlichen Bauten, nicht nur hier, sondern in allen Großstädten, finden wir Sinnsprüche des ehemaligen Staatspräsidenten Kamirov, die sich weniger durch Originalität als durch Prägnanz auszeichnen, hier z.B. am Musiktheater.
In einer Medresse befindet sich ein Musikmuseum: Ein kleiner Raum mit Vitrinen, in denen landestypische Instrumente ausgestellt sind. Ein Film stellt die Instrumente vor. Der Museums-Mann verkauft uns anschließend eine CD.
Zwischendurch bitten uns kleine Mädchen und Jungen, mit ihnen fotografiert zu werden. Später am Registan-Platz in Samarkand erleben wir dasselbe mit Erwachsenen.
In einer Medresse bewundern wir die kunstvoll geschnitzten Holzsäulen. Dabei entdecken wir ein Hakenkreuz. Wir wissen, dass die Swastika (aus dem Sanskrit eine Bezeichnung für ein Glückssymbol) seit Jahrtausenden, zuerst 10.000 v.u.Z., benutzt wird. Für uns Deutsche ist es aber ein belastetes Zeichen.
Als wir darüber sprechen, mischt sich unser Reiseleiter Shukhrat ein und erklärt, dass Hitler richtig gehandelt habe, als er die Juden vernichtet habe. Die Juden würden die Weltherrschaft anstreben und alle anderen Völker unterdrücken wollen. Ich wende ein, dass eher die USA, Russland und China die Weltherrschaft anstreben. Ja, das sei kein Wunder, denn dort seien auch Juden führend. Als Beweis wird behauptet, Jelzin und Busch entstammten jüdischen Familien. China erwähnt er nicht.
Ich fahre fort: in der SU seien die Juden verfolgt worden, und nach deren Zusammenbruch seien 3 Mill. nach Israel emigriert, nicht zu reden von denen, die nach Deutschland kamen. Er ist unbelehrbar, er lässt kein rationales Argument gelten. Schließlich explodiert Gerhild emotional: das den Juden angetane Leid sei unmenschlich und verwerflich, niemand habe das Recht auch nur einen Menschen zu töten. Da beendet er das Gespräch. So was habe ich in der Heftigkeit noch nie erlebt!
In dem Moment kommt eine Schulklasse zu uns: jedes Kind einzeln begrüßt uns mit Handschlag. Ein merkwürdiger Auftritt, dessen Motiv wir nicht begreifen. Aber offensichtlich werden wir als Exoten wahrgenommen, die zu begrüßen und zu fotografieren eine Ehre ist.
Voll mit Eindrücken kehren wir abends ins Hotel zurück. Danach machen wir einen kleinen Spaziergang, werden unterwegs von einer Frau mit Kindern gegrüßt, und stehen schließlich vor einer Baustellen-Absperrung. Wir gehen zurück, einen Umweg zu machen. Da kommt einer der Jungen hinter uns hergerannt. Er hat das Hindernis wohl überwunden und führt uns jetzt zu unserem Ziel. Wir bedanken uns
"rachmat", er verabschiedet sich mit Handschlag.
Im Frühstücksraum sind großformatige Wandbilder zu bewundern mit Motiven alter Stadtansichten mit Dromedaren. Der Maler eines Bildes hat wohl nie ein Dromedar gesehen. Sie gehen nicht im Passgang, haben übergroße, mit Teppichen behängte Höcker. Eines sieht aus wie eine Schildkröte mit Hufen.
Die Stadtbesichtigung von Chiwa beginnt am Westtor der Altstadt und führt uns direkt zum Kalta Minor, einem wuchtigen Rundbau, dem unteren Teil eines überdimensionierten Minaretts, das nie fertig geworden ist. Der Reihe nach besuchen wir Kuhna Arc, die ehemalige Residenz der Chiwaer Khane, die Medresse von Muhammad Rahim Khan, das Mausoleum von Pachlavon Machmud, Medrese und Minarett Islam Hodschas, die Residenz Tosch Hovli und die Dschuma Moschee, d.h. die Freitagsmoschee. Letzte verfügt über eine Holzdecke, die von 212 kunstvoll geschnitzten Holzsäulen getragen wird. Alle Säulen haben verschiedene Dekors.
Die ganze Altstadt ist ein Gewirr von Gassen zwischen einer prachtvollen Ansammlung sakraler und weltlicher Bauten, alle Jahrhunderte alt, mit Mosaiken von ständig wechselnden Mustern, aus verschiedenen Materialien. Unser Reiseführer zeigt uns - fast - alles mit ausführlichen Erklärungen. Unmöglich alles aufzunehmen und zu behalten, was nicht am Führer, sondern an der Fülle der Eindrücke liegt. Dazwischen wuseln hunderte von Touristen in großen, vorwiegend französischen Gruppen.
Diese Gruppen zeigen alles, was wir früher an deutschen Touristen kritisiert haben: absurd auffällige Freizeitkleidung, skurrile Kopfbedeckungen, Sandalen mit weißen Söckchen, behängt mit optischen Geräten, drängelnd. Die deutsche "Leitkultur" ist offensichtlich zum europäischen Standard geworden. Sobald die Personen einen Raum - egal ob Restaurant, Moschee, Medresse oder Café - betreten, bleiben sie stehen, fotografieren, filmen ohne richtig zu gucken, blockieren die Tür, rücksichtslos gegenüber anderen Menschen. Shukhrat versucht uns schon antizyklisch zu führen, d.h. diese Gruppen vermeidend, ist aber nicht immer erfolgreich.
An vielen öffentlichen Bauten, nicht nur hier, sondern in allen Großstädten, finden wir Sinnsprüche des ehemaligen Staatspräsidenten Kamirov, die sich weniger durch Originalität als durch Prägnanz auszeichnen, hier z.B. am Musiktheater.
In einer Medresse befindet sich ein Musikmuseum: Ein kleiner Raum mit Vitrinen, in denen landestypische Instrumente ausgestellt sind. Ein Film stellt die Instrumente vor. Der Museums-Mann verkauft uns anschließend eine CD.
Zwischendurch bitten uns kleine Mädchen und Jungen, mit ihnen fotografiert zu werden. Später am Registan-Platz in Samarkand erleben wir dasselbe mit Erwachsenen.
In einer Medresse bewundern wir die kunstvoll geschnitzten Holzsäulen. Dabei entdecken wir ein Hakenkreuz. Wir wissen, dass die Swastika (aus dem Sanskrit eine Bezeichnung für ein Glückssymbol) seit Jahrtausenden, zuerst 10.000 v.u.Z., benutzt wird. Für uns Deutsche ist es aber ein belastetes Zeichen.
Als wir darüber sprechen, mischt sich unser Reiseleiter Shukhrat ein und erklärt, dass Hitler richtig gehandelt habe, als er die Juden vernichtet habe. Die Juden würden die Weltherrschaft anstreben und alle anderen Völker unterdrücken wollen. Ich wende ein, dass eher die USA, Russland und China die Weltherrschaft anstreben. Ja, das sei kein Wunder, denn dort seien auch Juden führend. Als Beweis wird behauptet, Jelzin und Busch entstammten jüdischen Familien. China erwähnt er nicht.
Ich fahre fort: in der SU seien die Juden verfolgt worden, und nach deren Zusammenbruch seien 3 Mill. nach Israel emigriert, nicht zu reden von denen, die nach Deutschland kamen. Er ist unbelehrbar, er lässt kein rationales Argument gelten. Schließlich explodiert Gerhild emotional: das den Juden angetane Leid sei unmenschlich und verwerflich, niemand habe das Recht auch nur einen Menschen zu töten. Da beendet er das Gespräch. So was habe ich in der Heftigkeit noch nie erlebt!
In dem Moment kommt eine Schulklasse zu uns: jedes Kind einzeln begrüßt uns mit Handschlag. Ein merkwürdiger Auftritt, dessen Motiv wir nicht begreifen. Aber offensichtlich werden wir als Exoten wahrgenommen, die zu begrüßen und zu fotografieren eine Ehre ist.
Voll mit Eindrücken kehren wir abends ins Hotel zurück. Danach machen wir einen kleinen Spaziergang, werden unterwegs von einer Frau mit Kindern gegrüßt, und stehen schließlich vor einer Baustellen-Absperrung. Wir gehen zurück, einen Umweg zu machen. Da kommt einer der Jungen hinter uns hergerannt. Er hat das Hindernis wohl überwunden und führt uns jetzt zu unserem Ziel. Wir bedanken uns
"rachmat", er verabschiedet sich mit Handschlag.
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Freitag, 10. September 2021
Usbekistan: Sprache
jf.bremen, 16:21h
Die usbekische Sprache zählt zur östlichen Gruppe der Turksprachen und spaltete sich im frühen vierzehnten Jahrhundert von den mittelasiatischen Turksprachen ab. Es gibt aber immer noch Parallelen zum modernen Türkisch und anderen Turksprachen, die z.B. in Kasachstan, Turkmenistan und Kirgistan gesprochen werden. Die Schrift ist lateinisch. Seitdem Usbekistan zur UdSSR gehörte (1924) war neben Usbekisch Russisch die zweite Amtssprache. Das gilt seit der Unabhängigkeit 1990 nicht mehr. Russisch wird aber von vielen Usbeken nach wie vor verstanden und gesprochen. Viele Inschriften z.B. an Geschäften haben neben lateinischen oft kyrillische Buchstaben. Im Westen des Landes, in Karakalpakstan mit der Hauptstadt Nukus, wird teilweise karalpaktisch gesprochen, eine andere Variante der Turksprachen. Ca. 400.000 Einwohner gaben bei der Volkszählung von 1989 an, karalpaktisch zu sprechen.
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Usbekistan: Wirtschaft
jf.bremen, 16:20h
Der Dienstleistungssektor ist der wichtigste Wirtschaftszweig mit 46% der Produktion und 58% der Arbeitsplätze. Diese relativ hohen Zahlen sind u.a. der aufgeblähten Verwaltung und Bürokratie geschuldet. - Die usbekische Landwirtschaft ist mit 23% der Wirtschaftsleistung und 29% der Erwerbstätigen ein anderer wichtiger Wirtschaftszweig. Dabei spielt seit sowjetischen Zeiten die Baumwollproduktion eine große Rolle neben dem Obst- und Gemüseanbau. - Die Industrie ist mit 31% der Wertschöpfung, aber nur 13% der Erwerbstätigen am BIP beteiligt. - Die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell 8%, daneben gibt es verdeckte Arbeitslosigkeit von geschätzt ebenfalls 6 - 8%. 33% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. - Der Export von Öl und Gas, Baumwolle, Edelmetallen und Dienstleistungen trägt wesentlich zum Brutto-Inlandsprodukt bei. - Importiert werden Nahrungsmittel und Industrieprodukte wie Maschinen und Ausrüstungen sowie Kunststoffe. Während der Sowjetherrschaft waren die wesentlichen Firmen in Staatshand, seit 2003 werden zunehmend viele Betriebe privatisiert.
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Usbekistan - wie aus 1001 Nacht (6)
jf.bremen, 16:17h
SECHSTER TAG: Nukus ist mit ca. 240.000 Einwohnern die Hauptstadt der autonomen Region Karakalpakstan, die einen großen Teil des westlichen Usbekistan einnimmt. Die Bewohner sprechen eine eigene Sprache und haben kulturelle Eigenheiten.
In Nukus gibt es ein Kunstmuseum, das nach dem Sammler Igor Witaljewitsch Sawizki benannt ist. Es enthält neben Bildern lokaler bzw. regionaler Künstler eine große Sammlung klassischer avantgardistischer russischer Kunst. Eine Sonderausstellung zeigte aktuelle naive Bilder. Mir fiel dabei das Wort "sozialistischer Realismus nach hinten" ein. Wie der sozialistische Realismus der Stalinzeit Gegenwart und Zukunft idealisieren die jetzt ausgestellten Bilder die Vergangenheit. Es wird ein ländlich-dörfliches Idyll präsentiert, das es so nie gab und auch nicht gibt: Flöte spielende Hirten, Bauern-Familien in regionaler Tracht, friedlich grasende Schafe und verspielte Esel. Das Gegenteil ist die von uns beobachtete Realität des Landlebens, und der Vergangenheit entspricht das sicher auch nicht.
Die klassische russische Avantgarde der ersten Hälfte des 20. Jh. orientierte sich offensichtlich weitgehend an westlichen Vorbildern. Ich entdeckte Bilder im Stil von Vogeler, Feininger, Grosz u.a. westlichen Maler.
Im Museum fällt mir etwas auf, was ich auch woanders schon beobachtet habe: Überall lungert Personal untätig herum, dessen "Tätigkeit" unklar ist. In der Garderobe ist wohl eine komplette Familie versammelt. Da es sehr warm ist, hat niemand Garderobe abzugeben. Daneben sind Klos ohne Papier, Türschlösser, die nicht funktionieren. Eine Frau im Museum sitzt mit einem großen Buch an einem Tisch. Daneben hängt ein Thermometer, dessen Werte sie tabellarisch notiert. Die Menschen sind durchweg sehr freundlich, aber anscheinend uninteressiert, die wirklich notwendigen Dinge zu tun. Vielleicht mangelt es an Planung und Aufsicht.
In einem Museum suche ich das Klo auf, alle Becken sind verstopft, es gibt kein Papier. Ich erzähle das unserem Reiseführer. Er gibt es an die Frau an der Kasse weiter. Sie nimmt die Meldung freundlich lächelnd entgegen und tut - nichts. Shukhrat ist überzeugt, dass nichts passiert.
Andererseits ist das Service-Personal äußerst aufmerksam und diensteifrig. Die Fahrer reißen uns bei und nach jedem Stopp die Wagentür auf, das Hotelpersonal überschlägt sich, alle Türen zu öffnen, unsere Koffer zu schleppen und uns jede Bitte von den Augen abzulesen und sofort zu erfüllen. Dieser Diensteifer ist uns eher peinlich: als könnten wir die Autotür nicht selber öffnen.
Die Fahrt nach Chiwa führt wieder durch die ebene Landschaft der Kyzylkum-Wüste. Unterwegs besuchten wir drei Lehmfestungen (Ayaz Kala, Toprak Kala und Toi Krylgan Kala), aus der choresmischen, d.h. vorchristlichen Zeit. Diese Festungen bildeten einen Schutzgürtel um Chiwas, die Hauptstadt des choresmischen Reiches, gegen Angriffe aus dem Norden. Nebenan besuchen wir den Sultan-Baba-Schrein. Am späten Nachmittag erreichen wir Chiwa.
In Nukus gibt es ein Kunstmuseum, das nach dem Sammler Igor Witaljewitsch Sawizki benannt ist. Es enthält neben Bildern lokaler bzw. regionaler Künstler eine große Sammlung klassischer avantgardistischer russischer Kunst. Eine Sonderausstellung zeigte aktuelle naive Bilder. Mir fiel dabei das Wort "sozialistischer Realismus nach hinten" ein. Wie der sozialistische Realismus der Stalinzeit Gegenwart und Zukunft idealisieren die jetzt ausgestellten Bilder die Vergangenheit. Es wird ein ländlich-dörfliches Idyll präsentiert, das es so nie gab und auch nicht gibt: Flöte spielende Hirten, Bauern-Familien in regionaler Tracht, friedlich grasende Schafe und verspielte Esel. Das Gegenteil ist die von uns beobachtete Realität des Landlebens, und der Vergangenheit entspricht das sicher auch nicht.
Die klassische russische Avantgarde der ersten Hälfte des 20. Jh. orientierte sich offensichtlich weitgehend an westlichen Vorbildern. Ich entdeckte Bilder im Stil von Vogeler, Feininger, Grosz u.a. westlichen Maler.
Im Museum fällt mir etwas auf, was ich auch woanders schon beobachtet habe: Überall lungert Personal untätig herum, dessen "Tätigkeit" unklar ist. In der Garderobe ist wohl eine komplette Familie versammelt. Da es sehr warm ist, hat niemand Garderobe abzugeben. Daneben sind Klos ohne Papier, Türschlösser, die nicht funktionieren. Eine Frau im Museum sitzt mit einem großen Buch an einem Tisch. Daneben hängt ein Thermometer, dessen Werte sie tabellarisch notiert. Die Menschen sind durchweg sehr freundlich, aber anscheinend uninteressiert, die wirklich notwendigen Dinge zu tun. Vielleicht mangelt es an Planung und Aufsicht.
In einem Museum suche ich das Klo auf, alle Becken sind verstopft, es gibt kein Papier. Ich erzähle das unserem Reiseführer. Er gibt es an die Frau an der Kasse weiter. Sie nimmt die Meldung freundlich lächelnd entgegen und tut - nichts. Shukhrat ist überzeugt, dass nichts passiert.
Andererseits ist das Service-Personal äußerst aufmerksam und diensteifrig. Die Fahrer reißen uns bei und nach jedem Stopp die Wagentür auf, das Hotelpersonal überschlägt sich, alle Türen zu öffnen, unsere Koffer zu schleppen und uns jede Bitte von den Augen abzulesen und sofort zu erfüllen. Dieser Diensteifer ist uns eher peinlich: als könnten wir die Autotür nicht selber öffnen.
Die Fahrt nach Chiwa führt wieder durch die ebene Landschaft der Kyzylkum-Wüste. Unterwegs besuchten wir drei Lehmfestungen (Ayaz Kala, Toprak Kala und Toi Krylgan Kala), aus der choresmischen, d.h. vorchristlichen Zeit. Diese Festungen bildeten einen Schutzgürtel um Chiwas, die Hauptstadt des choresmischen Reiches, gegen Angriffe aus dem Norden. Nebenan besuchen wir den Sultan-Baba-Schrein. Am späten Nachmittag erreichen wir Chiwa.
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Mittwoch, 8. September 2021
Usbekistan: Religion
jf.bremen, 17:51h
Die Usbeken sind zu 90% sunnitische Moslems. Daneben gibt es eine christlich-orthodoxe und eine jüdische Minderheit. Der Islam wurde seit der russischen Eroberung 1865 ebenso unterdrückt wie nach 1918 durch die Sowjetunion. Seit der Unabhängigkeit Usbekistans 1991 gewinnt der Islam zunehmend an Bedeutung. Ursprüngliche Religion war der Zoroastrismus, der eine duale Weltanschauung, den Gegensatz von einem guten und einem bösen Gott, vertrat. Seit Beginn unserer Zeitrechnung begann sich der Buddismus auszubreiten. Seit ca. 700 n.u.Z. gewann der Islam zunehmend an Einfluss und bestimmte bald die gesamte Kultur.
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Usbekistan - Aralsee
jf.bremen, 17:50h
Seit 1960 begann der Aralsee durch die Wasserentnahme aus den Flüssen Amurdarja und Syrdarja vor allem für die Baumwollgewinnung sowie durch die Verdunstung auszutrocknen. Die Stadt Muynak am Südufer war ein Zentrum der usbekischen Fischwirtschaft - Fang und Weiterverarbeitung sowie eine Konservenfabrik. Außerdem war es ein Erholungsgebiet mit Sanatorien und Hotels. Die ursprüngliche Wasserfläche von 66.000 km² verringerte sich auf ein Achtel von inzwischen 8.300 km². Von Moynak bis zum Südufer des Aralsees sind es heute 80 km. Das Austrocknen des Sees hat u.a. eine erhebliche Verschlechterung der Luft durch Staub, Salzpartikel und Trockenheit bewirkt. Dadurch wurden die Einwohner krank und mussten schon aus diesem Grund die Stadt verlassen. Der usbekische Staat plant wieder großzügige Bauten und Anlagen für Urlaubs- und Erholungsstätten, vornehmlich für ein sehr zahlungskräftiges Publikum.
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Usbekistan - wie aus 1001 Nacht (5)
jf.bremen, 17:48h
Am FÜNFTEN TAG fliegen wir die ca. 1.200 km von Taschkent nach Nukus, ganz im Westen des Landes. Auch hier wieder eine sehr intensive Sicherheitskontrolle, die sogar nach der Ankunft in Nukus beim Verlassen des Flughafens wiederholt wird.
Von dort fahren wir mit dem Auto 250 km nördlich zum ehemaligen Fischerdorf Muynak am früheren Südufer des Aralsees und besichtigen den Schiffsfriedhof.
Der Ort selbst ist trostlos, es gibt wenig zu sehen. Acht Schiffe liegen aufgereiht im Sand an einer Steilküste und rosten vor sich hin. Weitere sollen verstreut auf der großen Fläche verteilt sein. Die Mehrzahl wurde verschrottet. Etwas hervorstechend in der Öde ist das Heimatmuseum, das mit Fotos die Stadtgeschichte und den Verfall dokumentiert. Außerdem gibt es eine Kunstausstellung mit Bildern von Stadt und See und der Tragödie.
Die usbekische Regierung kompensiert die Katastrophe in nachsowjetischer Zeit durch das Anlegen kleinerer Seen in der Nähe des ehemaligen Aralsees sowie weiter östlich die Stau-Seen Aydarkul-See und Tuskan-See. Hier sollen bzw. werden neue Fisch-Bestände gezüchtet. Zu den Renaturalisierungs-Bemühungen gehört auch die Anpflanzung von Gräsern, die resistent gegen Versalzung und Trockenheit sind.
Die Rückfahrt geht wie die Hinfahrt durch die "bewachsene Wüste Kisilkum", was "Roter Sand" bedeutet. "Bewachsen" und Wüste scheinen Widersprüche zu sein. Tatsächlich handelt es sich um eine Sandwüste mit flachen Dünen. Es gleicht aber nicht anderen Wüsten wie Sahara, Namib, Negev, Kalahari. Dort wächst jetzt nach der Regenzeit dürres Gras und kleines Gebüsch. Der Reiz anderer Geröll-, Fels- und Sand-Wüsten fehlt allerdings. Dafür sind die Temperaturen annähernd gleich: Das Auto-Thermometer zeigt 39° C Außentemperatur.
Kurz vor Nukus besuchen wir Mizdakhan, eine riesige Nekropole in einem archäologischen Komplex, mit einer Unzahl größerer und kleinerer Mausoleen. Die ältesten Gräber stammen noch aus zoroastrischer, d.h. vorislamischer Zeit. Auf dem westlichen Hügel befindet sich eine Burg (Gyaur-Kala) aus dem 4. Jh. v.u.Z. Unterirdische Mausoleen dienen teilweise als Meditationsstätten in angenehmer Kühle.
Von dort ist es nicht mehr weit bis Nukus, wo wir unser Hotel beziehen.
Von dort fahren wir mit dem Auto 250 km nördlich zum ehemaligen Fischerdorf Muynak am früheren Südufer des Aralsees und besichtigen den Schiffsfriedhof.
Der Ort selbst ist trostlos, es gibt wenig zu sehen. Acht Schiffe liegen aufgereiht im Sand an einer Steilküste und rosten vor sich hin. Weitere sollen verstreut auf der großen Fläche verteilt sein. Die Mehrzahl wurde verschrottet. Etwas hervorstechend in der Öde ist das Heimatmuseum, das mit Fotos die Stadtgeschichte und den Verfall dokumentiert. Außerdem gibt es eine Kunstausstellung mit Bildern von Stadt und See und der Tragödie.
Die usbekische Regierung kompensiert die Katastrophe in nachsowjetischer Zeit durch das Anlegen kleinerer Seen in der Nähe des ehemaligen Aralsees sowie weiter östlich die Stau-Seen Aydarkul-See und Tuskan-See. Hier sollen bzw. werden neue Fisch-Bestände gezüchtet. Zu den Renaturalisierungs-Bemühungen gehört auch die Anpflanzung von Gräsern, die resistent gegen Versalzung und Trockenheit sind.
Die Rückfahrt geht wie die Hinfahrt durch die "bewachsene Wüste Kisilkum", was "Roter Sand" bedeutet. "Bewachsen" und Wüste scheinen Widersprüche zu sein. Tatsächlich handelt es sich um eine Sandwüste mit flachen Dünen. Es gleicht aber nicht anderen Wüsten wie Sahara, Namib, Negev, Kalahari. Dort wächst jetzt nach der Regenzeit dürres Gras und kleines Gebüsch. Der Reiz anderer Geröll-, Fels- und Sand-Wüsten fehlt allerdings. Dafür sind die Temperaturen annähernd gleich: Das Auto-Thermometer zeigt 39° C Außentemperatur.
Kurz vor Nukus besuchen wir Mizdakhan, eine riesige Nekropole in einem archäologischen Komplex, mit einer Unzahl größerer und kleinerer Mausoleen. Die ältesten Gräber stammen noch aus zoroastrischer, d.h. vorislamischer Zeit. Auf dem westlichen Hügel befindet sich eine Burg (Gyaur-Kala) aus dem 4. Jh. v.u.Z. Unterirdische Mausoleen dienen teilweise als Meditationsstätten in angenehmer Kühle.
Von dort ist es nicht mehr weit bis Nukus, wo wir unser Hotel beziehen.
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Dienstag, 7. September 2021
Usbekistan - wie aus 1001 Nacht (4)
jf.bremen, 21:16h
Am VIERTEN TAG besichtigen wir zunächst die Stadt Fergana in der gleichnamigen Region mit ca. 1/2 Million. Einwohnern. Auch hier bestaunen wir die äußerst großzügigen, gepflegten öffentlichen Parkanlagen. Zentral ist auch hier wieder das Timur-Denkmal. Timur, der von ca. 1330 bis 1405 lebte, wird in Usbekistan als Nationalheld gefeiert und verehrt. Sein größtes Verdienst war die Gründung des einheitlichen Reichs Usbekistan. Das allerdings nach seinem Tod schnell wieder zerfiel. Er führte eigentlich ständig Kriege gegen die umliegenden Völker und Staaten. Seine Eroberungszüge waren wie seine Herrschaft nach innen grausam bis zum Exzess. Dennoch stehen in vielen Städten seine Statuen und sonstigen Denkmäler. Das in Fergana ist besonders martialisch.
Ein "deutsches Kulturzentrums" steht auf dem Programm. Es soll, so Shukhrat, die kulturellen Interessen der deutschen Minderheit wahrnehmen und Kontakt zur deutschen Kultur via Goethe-Gesellschaft halten. Das Gebäude ist geschlossen, niemand reagiert auf Klingeln. "Typisch", meint Shukrat lakonisch. Was die Einrichtung treibt, bleibt im Dunkeln.
Entschädigt werden wir durch die Besichtigung der Seidenfabrik "Yodgorlik". Ähnlich wie in der Keramikwerkstatt können wir den Produktionsprozess über alle Stationen verfolgen. Teils macht unser Reiseführer uns die Tätigkeiten vor, teils die Mitarbeiter der Werkstatt. Alles ist sehr anschaulich, aber auf dem "technischen" Niveau früherer Jahrhunderten. Die Fäden der Kokons werden gewonnen, indem zwei Frauen, vor einem großen Bottich hockend, mit einem Stock eine trübe Brühe mit Seidenraupen-Puppen umrühren, bis sich lose Seidenfäden an den Stöcken verfangen. Diese werden an eine Spindel geführt, die einen Faden dreht. Ähnlich "vorsintflutlich" verlaufen alle anderen Prozesse. Der Betrieb ist auf Verkauf und Einnahmen ausgerichtet, arbeitet aber nicht wirklich unabhängig: Die Beschäftigten werden vom Staat bezahlt, es ist ein Staatsbetrieb, der als Schau-Veranstaltung betrieben wird. Es handelt sich wohl um ein Prestige-Projekt.
Gerhild entdeckt eine Plakette, die darüber informiert, dass das Projekt von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit gefördert wird.
Von Fergana fahren wir mit dem Auto diesmal über den 2.267 m hohen Kamchik-Pass zurück nach Taschkent. Unterwegs machen wir an einem Brot-Markt halt. In einem langen, schmalen überdachten Gang reiht sich ein Stand an den anderen. Dahinter fast ausschließlich Frauen, die ihre Waren lautstark anpreisen. Es entsteht ein beeindruckender akustischer Grundton. Die Rückfahrt nach Taschkent durch das Gebirge ist landschaftlich sehr eindrucksvoll. Bei gelegentlichen Stopps fotografiere ich die beeindruckenden Panorama-Blicke.
Ein "deutsches Kulturzentrums" steht auf dem Programm. Es soll, so Shukhrat, die kulturellen Interessen der deutschen Minderheit wahrnehmen und Kontakt zur deutschen Kultur via Goethe-Gesellschaft halten. Das Gebäude ist geschlossen, niemand reagiert auf Klingeln. "Typisch", meint Shukrat lakonisch. Was die Einrichtung treibt, bleibt im Dunkeln.
Entschädigt werden wir durch die Besichtigung der Seidenfabrik "Yodgorlik". Ähnlich wie in der Keramikwerkstatt können wir den Produktionsprozess über alle Stationen verfolgen. Teils macht unser Reiseführer uns die Tätigkeiten vor, teils die Mitarbeiter der Werkstatt. Alles ist sehr anschaulich, aber auf dem "technischen" Niveau früherer Jahrhunderten. Die Fäden der Kokons werden gewonnen, indem zwei Frauen, vor einem großen Bottich hockend, mit einem Stock eine trübe Brühe mit Seidenraupen-Puppen umrühren, bis sich lose Seidenfäden an den Stöcken verfangen. Diese werden an eine Spindel geführt, die einen Faden dreht. Ähnlich "vorsintflutlich" verlaufen alle anderen Prozesse. Der Betrieb ist auf Verkauf und Einnahmen ausgerichtet, arbeitet aber nicht wirklich unabhängig: Die Beschäftigten werden vom Staat bezahlt, es ist ein Staatsbetrieb, der als Schau-Veranstaltung betrieben wird. Es handelt sich wohl um ein Prestige-Projekt.
Gerhild entdeckt eine Plakette, die darüber informiert, dass das Projekt von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit gefördert wird.
Von Fergana fahren wir mit dem Auto diesmal über den 2.267 m hohen Kamchik-Pass zurück nach Taschkent. Unterwegs machen wir an einem Brot-Markt halt. In einem langen, schmalen überdachten Gang reiht sich ein Stand an den anderen. Dahinter fast ausschließlich Frauen, die ihre Waren lautstark anpreisen. Es entsteht ein beeindruckender akustischer Grundton. Die Rückfahrt nach Taschkent durch das Gebirge ist landschaftlich sehr eindrucksvoll. Bei gelegentlichen Stopps fotografiere ich die beeindruckenden Panorama-Blicke.
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Sonntag, 5. September 2021
Usbekistan: Politik
jf.bremen, 08:15h
Ein Jahr nach dem Austritt Usbekistans aus der Sowjetunion wurde eine Verfassung mit einem Präsidialsystem verabschiedet, die sich an westlichen Verfassungen orientiert, aber im Unterschied zu diesen eine starke Dominanz des Präsidenten bestimmt. Seit Islom Kamirov gewählt wurde, herrschte er auf allen Gebieten der Politik absolut und dachte nicht daran, sich in freien Wahlen bestätigen zu lassen. Eine Amtsperiode dauert verfassungsgemäß 7 Jahre, eine einmalige Wiederwahl war möglich. Tatsächlich herrschte er 25 Jahre ununterbrochen bis zu seinem Tod 2016. Sein Nachfolger Shavkat Mirziyoy verfolgt die gleiche Politik.
Die Bevölkerung besteht zu 74% aus Usbeken, 5,5% Russen, 4,2% Tadschiken, 2% Kasachen, 2% Krimtataren sowie einer kleinen deutschen Minorität.
Die Bevölkerung besteht zu 74% aus Usbeken, 5,5% Russen, 4,2% Tadschiken, 2% Kasachen, 2% Krimtataren sowie einer kleinen deutschen Minorität.
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Samarkand - wie aus 1001 Nacht (3)
jf.bremen, 08:10h
Am DRITTEN TAG fahren wir mit dem Zug zum weiter östlichen Kokand. Am Bahnhof gibt es eine doppelte Sicherheitskontrolle, die an Schärfe der auf Flugplätzen nicht nachsteht: Passkontrolle, Leibesvisitation, Gepäck wird durchleuchtet. Dafür muss man ausreichend Zeit einplanen. Hinzukommt, dass es nirgendwo eine Anzeigetafel mit Gleisnummer und Abfahrtzeit gibt. Unser Reiseführer fragt sich durch, wobei er Uniformierte meidet und von einer Putzfrau Auskunft bekommt.
Die Plätze sind reserviert und nummeriert. Die Wagennummer muss man raten. Wir zählen von der Lokomotive nach hinten, stellen aber fest, dass die niedrigste Nummer hinten ist. Die Bahnfahrt ist angenehm, wir könne die Landschaft in Ruhe betrachten. Den 2.268 m hohen Kamchik-Pass unterfahren wir in einem langen Tunnel.
In Kokand zeigt Shukhrat die prächtigen islamischen Bauwerke, den Palast von Chudoyar-Khan, 1871 vollendet, und die Dschuma-Moschee von 1812. Dort bewundern wir die Säulenhalle. Beim Modari-Chan-Mausoleum ist ein großer Friedhof mit vielen, teils sehenswerten Mausoleen. Das Besondere der Anlage sind die "Wunderheiler" vor dem Eingang. Wer seelisch oder körperlich leidet, kann sich dort behandeln lassen. Ein Heiler spricht mit einer einzelnen Person, also etwas wie ein Psychotherapeut. Ein anderer hat eine Zuhörerschaft um sich versammelt und erzählt etwas. Andere massieren auf einfachen Bänken die Patienten. Diese Dienstleistungen sind kostenlos, es wird aber Bakschisch gegeben und angenommen.
Mit dem Auto fahren wir weiter nach Rischtan - direkt an der Grenze zu Tadschikistan - zum Besuch einer Keramik-Werkstatt. Shukhrat führt uns sachkundig und zeigt uns zusammen mit den ArbeiterInnen die wichtigsten Arbeitsprozesse. Das Bemalen einer Schale zeigt uns der Meister selbst. Er zeichnet das Muster mit einem feinen Pinsel und schwarzer Tinte freihändig vor und füllt die so entstandenen Felder farbig aus.
Er führt uns vor das Haus. Wir sehen im Osten im Mittagsdunst das Pamir-Gebirge in Kirgisistan mit seinen 5-, 6- und 7000ern. Angeblich soll man bis nach China sehen können!
Dann fragt er nach der Politik in Deutschland. Auf Geschäftsreisen in Westeuropa - er vermarktet auf Messen seine Produkte - war er in Berlin und hat eine Anti-Merkel-Demonstration gesehen. Wir versuchen ihm etwas über Deutschland und die aktuelle Situation sowie die Geschichte zu erzählen. Die Frage, ob die deutsche Vereinigung positiv oder negativ bewertet wird, beschäftigt ihn. Ich antworte: "Das kommt darauf an, wen man fragt." Er hatte eine eindeutige Antwort erwartet und ich erkläre die Widersprüche in der gegenwärtigen Situation. Auch die Flüchtlingsfrage beschäftigt ihn. Aus seiner Sicht ist das alles schwer verständlich. Die Usbeken haben seit 1865 das Zarenreich, dann ab 1917 die Sowjetunion und seit 1991 die Autokratie von Islam Kamirov erlebt. Dass eine Bundeskanzlerin nur 40% Zustimmung bei Umfragen bekommt, dicht gefolgt von anderen Politikern, auch aus der Opposition, ist für ihn schwer nachvollziehbar. Zum Schluss bedankt er sich mit Handschlag bei mir und auch Shukhrat bedankt sich, er habe viel dazugelernt. Eine ähnliche Diskussion ergibt sich später mit einem Fahrer. Offensichtlich wird die Situation in Deutschland beobachtet, es fehlen aber Detailinformationen. - Wir fahren weiter nach Fergana, wo wir übernachten.
Die Plätze sind reserviert und nummeriert. Die Wagennummer muss man raten. Wir zählen von der Lokomotive nach hinten, stellen aber fest, dass die niedrigste Nummer hinten ist. Die Bahnfahrt ist angenehm, wir könne die Landschaft in Ruhe betrachten. Den 2.268 m hohen Kamchik-Pass unterfahren wir in einem langen Tunnel.
In Kokand zeigt Shukhrat die prächtigen islamischen Bauwerke, den Palast von Chudoyar-Khan, 1871 vollendet, und die Dschuma-Moschee von 1812. Dort bewundern wir die Säulenhalle. Beim Modari-Chan-Mausoleum ist ein großer Friedhof mit vielen, teils sehenswerten Mausoleen. Das Besondere der Anlage sind die "Wunderheiler" vor dem Eingang. Wer seelisch oder körperlich leidet, kann sich dort behandeln lassen. Ein Heiler spricht mit einer einzelnen Person, also etwas wie ein Psychotherapeut. Ein anderer hat eine Zuhörerschaft um sich versammelt und erzählt etwas. Andere massieren auf einfachen Bänken die Patienten. Diese Dienstleistungen sind kostenlos, es wird aber Bakschisch gegeben und angenommen.
Mit dem Auto fahren wir weiter nach Rischtan - direkt an der Grenze zu Tadschikistan - zum Besuch einer Keramik-Werkstatt. Shukhrat führt uns sachkundig und zeigt uns zusammen mit den ArbeiterInnen die wichtigsten Arbeitsprozesse. Das Bemalen einer Schale zeigt uns der Meister selbst. Er zeichnet das Muster mit einem feinen Pinsel und schwarzer Tinte freihändig vor und füllt die so entstandenen Felder farbig aus.
Er führt uns vor das Haus. Wir sehen im Osten im Mittagsdunst das Pamir-Gebirge in Kirgisistan mit seinen 5-, 6- und 7000ern. Angeblich soll man bis nach China sehen können!
Dann fragt er nach der Politik in Deutschland. Auf Geschäftsreisen in Westeuropa - er vermarktet auf Messen seine Produkte - war er in Berlin und hat eine Anti-Merkel-Demonstration gesehen. Wir versuchen ihm etwas über Deutschland und die aktuelle Situation sowie die Geschichte zu erzählen. Die Frage, ob die deutsche Vereinigung positiv oder negativ bewertet wird, beschäftigt ihn. Ich antworte: "Das kommt darauf an, wen man fragt." Er hatte eine eindeutige Antwort erwartet und ich erkläre die Widersprüche in der gegenwärtigen Situation. Auch die Flüchtlingsfrage beschäftigt ihn. Aus seiner Sicht ist das alles schwer verständlich. Die Usbeken haben seit 1865 das Zarenreich, dann ab 1917 die Sowjetunion und seit 1991 die Autokratie von Islam Kamirov erlebt. Dass eine Bundeskanzlerin nur 40% Zustimmung bei Umfragen bekommt, dicht gefolgt von anderen Politikern, auch aus der Opposition, ist für ihn schwer nachvollziehbar. Zum Schluss bedankt er sich mit Handschlag bei mir und auch Shukhrat bedankt sich, er habe viel dazugelernt. Eine ähnliche Diskussion ergibt sich später mit einem Fahrer. Offensichtlich wird die Situation in Deutschland beobachtet, es fehlen aber Detailinformationen. - Wir fahren weiter nach Fergana, wo wir übernachten.
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Mittwoch, 1. September 2021
Usbekistan: Geschichte
jf.bremen, 11:24h
Die zentrale Lage des Landes in Mittelasien sowie die nomadischen Strukturen in der Region führten zu immer wechselnden Einflüssen und Eroberungen durch Indien, Persien, China, Griechen, Mongolen und Araber. Das alles detailliert darzustellen geht nicht in der gebotenen Kürze. Seit 758 beginnen die Araber die Macht anzustreben und zu missionieren. Timur (auch Tamerlan genannt) versuchte 1336 - 1405 erstmalig mit militärischen Mitteln ein zusammenhängendes usbekisches Reich zu gründen, das nach seinem Tod allerdings schnell wieder zerfiel. Danach war Usbekistan wieder wechselnden Einflüssen unterworfen. Durchgängig war aber der Islam, bis das russische Zarenreich 1865 das Land unterwarf. Mit der Revolution in Russland und der Gründung der UdSSR wurde 1918 eine Republik gebildet, seit 1924 Sowjetrepublik. 1991 trat Usbekistan aus der Sowjetunion aus.
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Usbekistan: Regierungsfeindlicher Aufstand
jf.bremen, 11:23h
Im Mai 2005 gab es im Fergana-Tal im Osten des Landes Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Islam Kamirov. Im Laufe mehrerer Tage eskalierten die Aktionen und die bewaffneten "Sicherheits"-Kräfte gingen mit äußerster Gewalt - u.a. mit gepanzerten Fahrzeugen - gegen die Demonstranten vor. Es wird geschätzt, dass 400 - 600 Menschen getötet wurden. Auslöser der Unruhen waren soziale und wirtschaftliche Unzufriedenheit und Beschränkungen der Handelsfreiheit. Vorwand waren Terroranschläge. Internationale Menschenrechtsorganisationen bemängeln seit Jahrzehnten das Fehlen von Meinungs- und Veröffentlichungsfreiheit, mangelnde Wahlfreiheit, die Kinderarbeit insbesondere bei der Baumwollernte und Mängel bei der Justiz.
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Samarkand - wie aus 1001 Nacht (1, 2)
jf.bremen, 11:19h
VORBEMERKUNG: Bisher habe ich meine Reisetagebücher in "miniaturen" immer erst veröffentlicht, wenn sie als Radiosendungen auf Radio Weser TV gesendet worden waren. Da eine Radiosendung über mein Usbekistan-Tagebuch z.Zt. nicht realistisch ist, und wegen der Aktualität breche ich mit dieser Tradition. In den folgenden Wochen erscheint es daher an dieser Stelle.
SAMARKAND - das war für mich immer ein Ort in einem Märchen aus 1001 Nacht. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal dorthin reisen würde!
Und doch war es so. 2018 lernte ich eher zufällig eine usbekische Bekannte, Mira, kennen. Sie eröffnete mir ihr Heimatland unvorhergesehen als touristisches Reiseziel. Meine Frau Gerhild war sofort Feuer und Flamme, damit stand die Entscheidung fest. Im Mai 2019 flogen wir zu zweit nach Usbekistan.
Ich habe wie bei früheren Reise begonnen, Tagebuch zu schreiben. Aber nicht lange. Das Reiseprogramm war so dicht und die Begleitung durch unseren Reiseführer so eng, dass wenig Zeit und Muße blieben. Am zweiten Tag habe ich noch ausführlich geschrieben, dann nur noch Stichworte, die nach der Reise ausgeführt werden mussten.
Die Reise wurde von dem usbekischen Reiseveranstalter Doca-Tours veranstaltet. Unsere kleine Zweiergruppe hatte einen Reiseführer und wechselnde Fahrer mit ihren Autos, die uns überwiegend zur Verfügung standen. Die Reise von Taschkent nach Kokand machten wir mit der Eisenbahn. Von Samarkand nach Taschkent fuhren wir in einem Schnellzug die ca. 400 km in zwei Stunden. Von Taschkent nach Nukus, 1.500 km, sind wir geflogen.
Ich werde mir die touristischen Attraktionen sparen. Die findet man in jedem Reiseführer und im Internet.
Zunächst meine Aufzeichnungen vom ZWEITEN TAG: Mir schwirrt der Kopf. Gestern Morgen waren wir noch in Bremen. Nachts hatte es leicht gefroren. Dann mittags Richtung Istanbul gestartet. Der neue Flughafen " Erdogans Prestigeobjekt " ein Konsum- und Technik-Albtraum. Wir legten eine Gedenkminute ein für die fünfzig beim Bau umgekommenen Arbeiter und die 150 für bessere Arbeitsbedingungen Streikenden, die als "Rädelsführer" ins Gefängnis geworfen wurden. Es ist - wie geplant - ein Drehkreuz zwischen Europa, Asien und Afrika. Man merkt es an den Menschen, die dort ein-, aus- und umsteigen.
Abends fliegen wir weiter nach Taschkent, die usbekische Hauptstadt, kommen spät nachts dort an. Die Zeitverschiebung zu Deutschland beträgt vier Stunden. Als wir ankommen, ist es zwei Uhr nachts, um drei sind wir im Hotel. Unser Reiseführer Shukhrat holt uns ab und begleitet uns von nun an bis zu unserem Abflug am 18. Tag. Das Hotel-Zimmer ist riesig, geschmackvoll und komfortabel.
Morgens um zehn Uhr sind wir schon wieder mit Shukhrat, unserem Guide, verabredet, und er stürzt uns in diese andere Welt. Auf den ersten Blick ist die Stadt mit über drei Millionen Einwohnern modern mit breiten, sechs- bis acht-spurigen Straßen, Hochhäusern, großzügigen Parkanlagen, viel Verkehr. Unser zweiter Blick wird auf sehr alte, aber auch moderne Sakralbauten gelenkt. Ein ganzer Stadtteil wird von Moscheen, Medressen und Mausoleen beherrscht. Neben wirklich alten Bauten ganz neue, teils noch im Entstehen, in Betonbauweise, aber im alten Stil verklinkert, auch mit Dekor. Einer der Neubauten fasst inklusive dem offenen Innenhof 10 - 12 Tausend Menschen.
Die neuen und der Unterhalt der alten Bauten werden samt Restaurierung vom Staat bezahlt. Eine Reaktion auf die Unterdrückung der Religion zu Sowjetzeiten und ein Ausdruck, die neue Unabhängigkeit zu betonen. Die wichtigsten Bauten stehen rund um den Khast-Imam-Platz: Barak-Khan-Medresse und Kaffal-Schaschi-Mausoleum aus dem 16. Jahrhundert, wo Abu Bakr Kaffal-Schaschi 926 begraben wurde.
Apropos begraben. Unser Reiseführer erwähnt in einem Stadtteil ein unterirdisches Gefängnis für "Terroristen". Er sagt das ohne Bewertung. Wir sind allerdings schockiert. Das scheint uns unmenschlich, ohne dass irgendeine Menschenrechtsorganisation darauf hinweist, vielleicht auch nicht einmal davon weiß. Mit Terroristen sind, laut Shukhrat, islamistische Attentäter gemeint. Ein zweites bei Oppositionellen gefürchtetes Gefängnis befindet sich im Westen des Landes, in der Wüste, in Jaslik. Eine Dokumentation berichtete darüber auf ARTE am 24.08.21 - in der Mediathek bis zum 21.11.21.
Im Kaffal-Schaschi-Mausoleum erwartet uns ein emotionaler Höhepunkt: der über 1000 Jahre alte Osman-Koran - ein Kunstwerk, das hier sorgfältig gehütet wird. 50 x 60 cm groß und mit großer Schrift quasi "gemalt", auf Hirschkuh-Leder mit Tinte aus natürlichen Farben. Das heilige Buch liegt in einer temperierten Vitrine, gegen zu viel Helligkeit oben abgedeckt mit einem Teppich. Der ganze Raum liegt in gedämpftem Licht. Hier weht uns ein Hauch von Ehrfurcht vor der Geschichte und dieser Kultur an. In den Seitenräumen bewundern wir eine Sammlung von Koran-Kopien aus allen Jahrhunderten in allen Größen, einer im Streichholz-Schachtel-Format. Daneben ebenso wertvolle Bücher aus anderen Fachgebieten: Medizin, Jura, Naturwissenschaften. Der Vergleich mit dem malischen Timbuktu und Tamegroute in Südmarokko drängt sich auf.
Von jetzt an und später fällt uns auf, dass nur sehr wenige Frauen Kopftücher oder gar Schleier tragen. D.h. nicht, dass die Religion keine Rolle spielt, aber die äußeren Merkmale der religiösen Frauen sind viel seltener als z.B. in Marokko. Eine Ausnahme bildete später der Wallfahrtsort in Samarkand. Dort trugen die überwiegend weiblichen Pilgerinnen fast alle Kopftücher.
Im Innenhof einer Medresse spricht mich eine junge Frau an. Sie studiert Medien und hat die Aufgabe, Touristen mit Videoaufnahme zu interviewen. Ich sage zu, nehme die Sonnenmütze ab, lege die Kamera beiseite. Shukhrat schmunzelt und bemerkt, ich solle die typischen Accessoires eines Touristen behalten. Die Frau stellt einige unbeholfene Fragen, u.a. wie ich mit dem Internet zufrieden sei. Ich kann sie nicht beantworten, weil ich gerade erst angekommen bin und z.B. gar kein internetfähiges Gerät mitführe. Sie ist leider auf ihre vorformulierten Fragen fixiert und beendet das Interview.
Ein Kontrast sind die Basare: Handwerk, Lebensmittel, Obst bzw. Gemüse, Gewürze in riesiger Auswahl. Unter der großen Kuppel des Tschorsu-Basars summt es wie in einem Bienenkorb. Die umfangreichen und großen Bauten sind modern, aber gehandelt wird dort wie seit Jahrtausenden.
Die Neustadt, in der auch der Basar liegt, ist geprägt von einem Autoverkehr, in dem ich nicht fahren möchte: dicht gedrängt fahren die Autos schnell, wuselig, ständig dezent hupend, rechts und links überholend, sich vordrängelnd, abgedrängt werden, aber sicher und entspannt. Wir besuchen den Unabhängigkeitsplatz sowie den Baukomplex der "Trauernden Mutter," die beide wegen eines auswärtigen Staatsbesuchs weiträumig gesperrt sind. Wir erhaschen nur aus der Ferne Blicke darauf. Das Opernhaus beeindruckt uns wenig, dafür umso mehr die Grünanlage mit dem Standbild Amir Timurs - allerdings negativ. Amur Timur, der von 1336 bis 1405 lebte, gilt als Nationalheld und Begründer des usbekischen Reichs, obwohl dieses bereits nach seinem Tod wieder zerfiel. Er führte eigentlich ständig Kriege gegen die umliegenden Völker und Staaten und war dabei grausam bis zum Exzess.
Die noch aus Sowjetzeit stammenden Plattenbauten unterscheiden sich wenig von denen in Ostberlin und sonst wo, wenn man mal davon absieht, dass sie hier mit traditionalistischem Dekor versehen sind.
Im Straßenbild fallen Bettler wenig auf, die vorhandene Armut ist eher verborgen. Auch Behinderte sind selten. Abends beobachten wir vom Hotelfenster aus einen Mann, der die Müllcontainer ausräumt und "Mülltrennung" vornimmt: er sortiert nach Plastik-, Metall-, Flaschen, Rest-Müll. Später sehen wir ihn mit einem Handkarren, auf dem wohl verwertbarer Müll hoch gestapelt ist.
Abends essen wir in einem Großrestaurant, in dem parallel zwei Feiern mit hunderten von Personen und zwei Musikkapellen stattfinden. Ein Höllenlärm macht eine Unterhaltung fast unmöglich. Die Menschen sind für unseren Geschmack absurd aufgetakelt. Eine Erfahrung, die sich später in den anderen Großstädten wiederholt.
SAMARKAND - das war für mich immer ein Ort in einem Märchen aus 1001 Nacht. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal dorthin reisen würde!
Und doch war es so. 2018 lernte ich eher zufällig eine usbekische Bekannte, Mira, kennen. Sie eröffnete mir ihr Heimatland unvorhergesehen als touristisches Reiseziel. Meine Frau Gerhild war sofort Feuer und Flamme, damit stand die Entscheidung fest. Im Mai 2019 flogen wir zu zweit nach Usbekistan.
Ich habe wie bei früheren Reise begonnen, Tagebuch zu schreiben. Aber nicht lange. Das Reiseprogramm war so dicht und die Begleitung durch unseren Reiseführer so eng, dass wenig Zeit und Muße blieben. Am zweiten Tag habe ich noch ausführlich geschrieben, dann nur noch Stichworte, die nach der Reise ausgeführt werden mussten.
Die Reise wurde von dem usbekischen Reiseveranstalter Doca-Tours veranstaltet. Unsere kleine Zweiergruppe hatte einen Reiseführer und wechselnde Fahrer mit ihren Autos, die uns überwiegend zur Verfügung standen. Die Reise von Taschkent nach Kokand machten wir mit der Eisenbahn. Von Samarkand nach Taschkent fuhren wir in einem Schnellzug die ca. 400 km in zwei Stunden. Von Taschkent nach Nukus, 1.500 km, sind wir geflogen.
Ich werde mir die touristischen Attraktionen sparen. Die findet man in jedem Reiseführer und im Internet.
Zunächst meine Aufzeichnungen vom ZWEITEN TAG: Mir schwirrt der Kopf. Gestern Morgen waren wir noch in Bremen. Nachts hatte es leicht gefroren. Dann mittags Richtung Istanbul gestartet. Der neue Flughafen " Erdogans Prestigeobjekt " ein Konsum- und Technik-Albtraum. Wir legten eine Gedenkminute ein für die fünfzig beim Bau umgekommenen Arbeiter und die 150 für bessere Arbeitsbedingungen Streikenden, die als "Rädelsführer" ins Gefängnis geworfen wurden. Es ist - wie geplant - ein Drehkreuz zwischen Europa, Asien und Afrika. Man merkt es an den Menschen, die dort ein-, aus- und umsteigen.
Abends fliegen wir weiter nach Taschkent, die usbekische Hauptstadt, kommen spät nachts dort an. Die Zeitverschiebung zu Deutschland beträgt vier Stunden. Als wir ankommen, ist es zwei Uhr nachts, um drei sind wir im Hotel. Unser Reiseführer Shukhrat holt uns ab und begleitet uns von nun an bis zu unserem Abflug am 18. Tag. Das Hotel-Zimmer ist riesig, geschmackvoll und komfortabel.
Morgens um zehn Uhr sind wir schon wieder mit Shukhrat, unserem Guide, verabredet, und er stürzt uns in diese andere Welt. Auf den ersten Blick ist die Stadt mit über drei Millionen Einwohnern modern mit breiten, sechs- bis acht-spurigen Straßen, Hochhäusern, großzügigen Parkanlagen, viel Verkehr. Unser zweiter Blick wird auf sehr alte, aber auch moderne Sakralbauten gelenkt. Ein ganzer Stadtteil wird von Moscheen, Medressen und Mausoleen beherrscht. Neben wirklich alten Bauten ganz neue, teils noch im Entstehen, in Betonbauweise, aber im alten Stil verklinkert, auch mit Dekor. Einer der Neubauten fasst inklusive dem offenen Innenhof 10 - 12 Tausend Menschen.
Die neuen und der Unterhalt der alten Bauten werden samt Restaurierung vom Staat bezahlt. Eine Reaktion auf die Unterdrückung der Religion zu Sowjetzeiten und ein Ausdruck, die neue Unabhängigkeit zu betonen. Die wichtigsten Bauten stehen rund um den Khast-Imam-Platz: Barak-Khan-Medresse und Kaffal-Schaschi-Mausoleum aus dem 16. Jahrhundert, wo Abu Bakr Kaffal-Schaschi 926 begraben wurde.
Apropos begraben. Unser Reiseführer erwähnt in einem Stadtteil ein unterirdisches Gefängnis für "Terroristen". Er sagt das ohne Bewertung. Wir sind allerdings schockiert. Das scheint uns unmenschlich, ohne dass irgendeine Menschenrechtsorganisation darauf hinweist, vielleicht auch nicht einmal davon weiß. Mit Terroristen sind, laut Shukhrat, islamistische Attentäter gemeint. Ein zweites bei Oppositionellen gefürchtetes Gefängnis befindet sich im Westen des Landes, in der Wüste, in Jaslik. Eine Dokumentation berichtete darüber auf ARTE am 24.08.21 - in der Mediathek bis zum 21.11.21.
Im Kaffal-Schaschi-Mausoleum erwartet uns ein emotionaler Höhepunkt: der über 1000 Jahre alte Osman-Koran - ein Kunstwerk, das hier sorgfältig gehütet wird. 50 x 60 cm groß und mit großer Schrift quasi "gemalt", auf Hirschkuh-Leder mit Tinte aus natürlichen Farben. Das heilige Buch liegt in einer temperierten Vitrine, gegen zu viel Helligkeit oben abgedeckt mit einem Teppich. Der ganze Raum liegt in gedämpftem Licht. Hier weht uns ein Hauch von Ehrfurcht vor der Geschichte und dieser Kultur an. In den Seitenräumen bewundern wir eine Sammlung von Koran-Kopien aus allen Jahrhunderten in allen Größen, einer im Streichholz-Schachtel-Format. Daneben ebenso wertvolle Bücher aus anderen Fachgebieten: Medizin, Jura, Naturwissenschaften. Der Vergleich mit dem malischen Timbuktu und Tamegroute in Südmarokko drängt sich auf.
Von jetzt an und später fällt uns auf, dass nur sehr wenige Frauen Kopftücher oder gar Schleier tragen. D.h. nicht, dass die Religion keine Rolle spielt, aber die äußeren Merkmale der religiösen Frauen sind viel seltener als z.B. in Marokko. Eine Ausnahme bildete später der Wallfahrtsort in Samarkand. Dort trugen die überwiegend weiblichen Pilgerinnen fast alle Kopftücher.
Im Innenhof einer Medresse spricht mich eine junge Frau an. Sie studiert Medien und hat die Aufgabe, Touristen mit Videoaufnahme zu interviewen. Ich sage zu, nehme die Sonnenmütze ab, lege die Kamera beiseite. Shukhrat schmunzelt und bemerkt, ich solle die typischen Accessoires eines Touristen behalten. Die Frau stellt einige unbeholfene Fragen, u.a. wie ich mit dem Internet zufrieden sei. Ich kann sie nicht beantworten, weil ich gerade erst angekommen bin und z.B. gar kein internetfähiges Gerät mitführe. Sie ist leider auf ihre vorformulierten Fragen fixiert und beendet das Interview.
Ein Kontrast sind die Basare: Handwerk, Lebensmittel, Obst bzw. Gemüse, Gewürze in riesiger Auswahl. Unter der großen Kuppel des Tschorsu-Basars summt es wie in einem Bienenkorb. Die umfangreichen und großen Bauten sind modern, aber gehandelt wird dort wie seit Jahrtausenden.
Die Neustadt, in der auch der Basar liegt, ist geprägt von einem Autoverkehr, in dem ich nicht fahren möchte: dicht gedrängt fahren die Autos schnell, wuselig, ständig dezent hupend, rechts und links überholend, sich vordrängelnd, abgedrängt werden, aber sicher und entspannt. Wir besuchen den Unabhängigkeitsplatz sowie den Baukomplex der "Trauernden Mutter," die beide wegen eines auswärtigen Staatsbesuchs weiträumig gesperrt sind. Wir erhaschen nur aus der Ferne Blicke darauf. Das Opernhaus beeindruckt uns wenig, dafür umso mehr die Grünanlage mit dem Standbild Amir Timurs - allerdings negativ. Amur Timur, der von 1336 bis 1405 lebte, gilt als Nationalheld und Begründer des usbekischen Reichs, obwohl dieses bereits nach seinem Tod wieder zerfiel. Er führte eigentlich ständig Kriege gegen die umliegenden Völker und Staaten und war dabei grausam bis zum Exzess.
Die noch aus Sowjetzeit stammenden Plattenbauten unterscheiden sich wenig von denen in Ostberlin und sonst wo, wenn man mal davon absieht, dass sie hier mit traditionalistischem Dekor versehen sind.
Im Straßenbild fallen Bettler wenig auf, die vorhandene Armut ist eher verborgen. Auch Behinderte sind selten. Abends beobachten wir vom Hotelfenster aus einen Mann, der die Müllcontainer ausräumt und "Mülltrennung" vornimmt: er sortiert nach Plastik-, Metall-, Flaschen, Rest-Müll. Später sehen wir ihn mit einem Handkarren, auf dem wohl verwertbarer Müll hoch gestapelt ist.
Abends essen wir in einem Großrestaurant, in dem parallel zwei Feiern mit hunderten von Personen und zwei Musikkapellen stattfinden. Ein Höllenlärm macht eine Unterhaltung fast unmöglich. Die Menschen sind für unseren Geschmack absurd aufgetakelt. Eine Erfahrung, die sich später in den anderen Großstädten wiederholt.
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Freitag, 27. August 2021
Afghanistan: 20 Jahre trügerische Ruhe
jf.bremen, 16:34h
Dienstag, 11. September 2001 verbringe ich vormittags in meinem Büro. Am Nachmittag fahre ich nach Hause. Wie üblich schalte ich das Radio ein und erleben den ersten Schock: In New York und Washington sind zwei voll besetzte Passagier-Maschinen in das World-Trade-Center und das Pentagon gesteuert worden. Die Folgen sind bekannt.
Ich bin geschockt, schalte zuhause sofort den Fernseher an und kann nicht mehr weggucken: Immer wieder sehe ich die zusammenstürzenden Tower des WTC zunächst ohne Kommentar, dann höre ich die Details. Es sterben dreitausend Menschen. Als Täter werden islamistische Terroristen benannt. Die Sicherheitsdienste haben komplett versagt, keiner hat die Ereignisse vorhergesehen.
------
Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass sie einen derartigen Angriff von außen erleben. Die Großmacht ist nicht mehr unangreifbar. Einige Dutzend Menschen treffen die USA im Mark. Die Reaktion der Regierung ist entsprechend: Sie plant sofort Gegenangriffe auf islamistische Länder: zunächst Irak, später Afghanistan. Dort werden die Zentren des militanten Islamismus vermutet.
Die Folgen sind bekannt: Der Irak wird erobert, besetzt und der Diktator getötet. Das Land versinkt im Chaos.
Nicht anders Afghanistan. Die Taliban, die islamistische Regierung, werden zurückgedrängt. Nicht wie beabsichtigt und, im Nachherein offensichtlich, nicht besiegt. Nach den Gesetzen asymmetrischer Kriege, halten sie sich zurück und mit dem Zeitpunkt des Abzugs der USA und ihrer Verbündeten zwanzig Jahre später dringen sie mit unvorhergesehener Geschwindigkeit vor und erobern binnen weniger Wochen das ganze Land zurück. Das war erwartbar und wurde von den US-Sicherheitsdiensten vorausgesagt. Und niemand hat die notwendigen Konsequenzen gezogen.
Kurz vor Ende der Abzugsfrist - 31. August 2021 - detoniert eine gewaltige Bombe am Flughafen von Kabul und tötet mindestens achtzig Menschen, Zivilisten und US-Soldaten.
Nach einer zwanzigjährigen trügerischen und stets brüchigen Ruhephase, machen die Islamisten genau da weiter, wo sie - notgedrungen - 2001 aufhörten.
Ich bin geschockt, schalte zuhause sofort den Fernseher an und kann nicht mehr weggucken: Immer wieder sehe ich die zusammenstürzenden Tower des WTC zunächst ohne Kommentar, dann höre ich die Details. Es sterben dreitausend Menschen. Als Täter werden islamistische Terroristen benannt. Die Sicherheitsdienste haben komplett versagt, keiner hat die Ereignisse vorhergesehen.
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Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass sie einen derartigen Angriff von außen erleben. Die Großmacht ist nicht mehr unangreifbar. Einige Dutzend Menschen treffen die USA im Mark. Die Reaktion der Regierung ist entsprechend: Sie plant sofort Gegenangriffe auf islamistische Länder: zunächst Irak, später Afghanistan. Dort werden die Zentren des militanten Islamismus vermutet.
Die Folgen sind bekannt: Der Irak wird erobert, besetzt und der Diktator getötet. Das Land versinkt im Chaos.
Nicht anders Afghanistan. Die Taliban, die islamistische Regierung, werden zurückgedrängt. Nicht wie beabsichtigt und, im Nachherein offensichtlich, nicht besiegt. Nach den Gesetzen asymmetrischer Kriege, halten sie sich zurück und mit dem Zeitpunkt des Abzugs der USA und ihrer Verbündeten zwanzig Jahre später dringen sie mit unvorhergesehener Geschwindigkeit vor und erobern binnen weniger Wochen das ganze Land zurück. Das war erwartbar und wurde von den US-Sicherheitsdiensten vorausgesagt. Und niemand hat die notwendigen Konsequenzen gezogen.
Kurz vor Ende der Abzugsfrist - 31. August 2021 - detoniert eine gewaltige Bombe am Flughafen von Kabul und tötet mindestens achtzig Menschen, Zivilisten und US-Soldaten.
Nach einer zwanzigjährigen trügerischen und stets brüchigen Ruhephase, machen die Islamisten genau da weiter, wo sie - notgedrungen - 2001 aufhörten.
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Mittwoch, 25. August 2021
Wissenschaft und weltweite Katastrophen
jf.bremen, 20:26h
Was wären wir ohne die Wissenschaftler? - Eine Bertelsmann-Studie hat jetzt herausgefunden, dass unsere Kitas personell unterversorgt sind. Sie belegen das mit beeindruckenden Zahlen.
Wie schön, dass die das jetzt auch schon gemerkt haben. Mütter und Väter von Kindern im Kita-Alter merken das jeden Morgen, wenn sie ihre Kinder zur Kita bringen, und schon wieder zwei ErzieherInnen krank und eine schwanger ist.
Da klettert der Betreuungsschlüssel rasch in fantastische Höhen. Die Kranken werden nicht vertreten, sondern die Kinder ihrer Gruppen werden auf die anderen verteilt. Das ist offensichtlich - im Wissenschafts-Jargon evident. Da braucht es keine Statistik, sondern nur ein Donnerwetter, damit die Verantwortlichen - meist Politiker - aufwachen und für ausreichendes und anständig bezahltes Personal sorgen. Die Lücken sind seit Jahren bekannt, und nichts geschieht.
Anderes Beispiel: Wiederum Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Flutkatastrophe im Südwesten "unter anderem" durch die Klimakatastrophe verursacht sei. Von was denn sonst, bitte sehr?
---------------------------
Versiegelte Böden, kanalisierte Flüsse, höhere Durchschnittstemperaturen, extreme Wetter-Ereignisse, das wird von Klima-Aktivisten schon lange moniert. Und was machen die Verantwortlichen? Nichts, oder das falsche!
Unwetter weltweit, riesige Waldbrände auf allen Kontinenten, von der sibirischen Tundra bis zu den südamerikanischen Regenwäldern. Die Permafrost-Böden tauen auf und setzen CO2 frei. In der Schweiz nehmen seit Jahren Bergrutsche exponentiell zu. Warum? Weil extreme Regengüsse nicht nur die Berghänge erodieren, sondern ganzjährige Frostböden tauen, und Fels, Geröll und Erde ihren Halt verlieren. Da hat der sprichwörtliche Schmetterling in Peking leichtes Spiel, um Schaden in der Schweiz anzurichten.
Und immer noch gibt es Deppen, die die Klimakatastrophe leugnen. Selbst solche, die in Oregon/USA direkt neben einem brennenden Wald leben, glauben an Zufälle, bloß nicht an die evidente Fakten und ihre wechselseitigen Zusammenhänge.
Wie schön, dass die das jetzt auch schon gemerkt haben. Mütter und Väter von Kindern im Kita-Alter merken das jeden Morgen, wenn sie ihre Kinder zur Kita bringen, und schon wieder zwei ErzieherInnen krank und eine schwanger ist.
Da klettert der Betreuungsschlüssel rasch in fantastische Höhen. Die Kranken werden nicht vertreten, sondern die Kinder ihrer Gruppen werden auf die anderen verteilt. Das ist offensichtlich - im Wissenschafts-Jargon evident. Da braucht es keine Statistik, sondern nur ein Donnerwetter, damit die Verantwortlichen - meist Politiker - aufwachen und für ausreichendes und anständig bezahltes Personal sorgen. Die Lücken sind seit Jahren bekannt, und nichts geschieht.
Anderes Beispiel: Wiederum Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Flutkatastrophe im Südwesten "unter anderem" durch die Klimakatastrophe verursacht sei. Von was denn sonst, bitte sehr?
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Versiegelte Böden, kanalisierte Flüsse, höhere Durchschnittstemperaturen, extreme Wetter-Ereignisse, das wird von Klima-Aktivisten schon lange moniert. Und was machen die Verantwortlichen? Nichts, oder das falsche!
Unwetter weltweit, riesige Waldbrände auf allen Kontinenten, von der sibirischen Tundra bis zu den südamerikanischen Regenwäldern. Die Permafrost-Böden tauen auf und setzen CO2 frei. In der Schweiz nehmen seit Jahren Bergrutsche exponentiell zu. Warum? Weil extreme Regengüsse nicht nur die Berghänge erodieren, sondern ganzjährige Frostböden tauen, und Fels, Geröll und Erde ihren Halt verlieren. Da hat der sprichwörtliche Schmetterling in Peking leichtes Spiel, um Schaden in der Schweiz anzurichten.
Und immer noch gibt es Deppen, die die Klimakatastrophe leugnen. Selbst solche, die in Oregon/USA direkt neben einem brennenden Wald leben, glauben an Zufälle, bloß nicht an die evidente Fakten und ihre wechselseitigen Zusammenhänge.
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Samstag, 21. August 2021
Afghanistan - ein asymmetrischer Krieg
jf.bremen, 16:54h
Beim Anschauen der aktuellen Bilder aus Afghanistan fällt auf: Die Taliban wirken wie eine zusammengewürfelte Chaostruppe: Keine Uniformen, keine einheitlichen Kennzeichen oder Dienstgradabzeichen, Vermummung, Rauschebärte. Aber: moderne Infanterie-Waffen (Maschinenpistolen, Schnellfeuergewehre, leichte MGs), keine Artillerie-Waffen, dafür moderne, leistungsfähige, aber ungepanzerte Geländefahrzeuge.
Sie treten an gegen eine hochmodern ausgerüstete reguläre Armee mit Jagdflugzeugen, Drohnen, Artillerie, Nachrichtentechnik. Wie konnte diese Armee in wenigen Tagen von einer "Räuberbande" zur Kapitulation gezwungen werden?
Die Lösung besteht darin, dass weder die USA noch die Verbündeten, allen voran die Bundeswehr, aus den Lehren der Geschichte Konsequenzen gezogen haben. Die Lehre lautet: Keine noch so hoch-gerüstete Armee hat gegen eine hoch-MOTIVIERTE Guerilla eine Chance. Das spektakulärste Beispiel ist Vietnam, wo erst in den 50ern die Franzosen und dann in den 60er und 70er Jahren die USA keine Chance hatten.
Das "offizielle" Afghanistan von den Stammesältesten bis in die Regierung war nach allen Informationen hochgradig korrupt, - zerrissen durch ethnische Zersplitterung, Nepotismus, Partialinteressen lokaler Gruppen und Führer. Ein solches System hat keine Chance gegen eine durch religiösen Fanatismus hochmotivierte Truppe, die zudem entgegen dem äußeren Anschein offensichtlich sehr effektiv strukturiert und diszipliniert ist.
Der hastige, unerwartete Abzug der westlichen Truppen tat nur ein Übriges. Strategische Unfähigkeit, mangelnde Moral wegen mangelnder Motivation ein Weiteres. Die Taliban - genau in Guerilla-Manier -mussten nur warten, bis sie weg waren, und dann schnell, beherzt und effektiv zuschlagen. Die Tatsache, dass es keine äußeren Kennzeichen für Gemeinsamkeit oder Hierarchie gab, belegt, dass es einen INNEREN Zusammenhalt gibt, das was in der Bundeswehr als "Innere Führung" angestrebt, aber nicht erreicht wird.
Die Skrupellosigkeit gegenüber den Feinden der Taliban - von der Zivilbevölkerung über die staatlichen Organe bis zu den Ausländern - tut ein Übriges. Gefangene wurden nicht gemacht, sondern umstandslos exekutiert. Rache an ideologischen Gegnern - moderne Intellektuelle, Journalisten, Demokraten, Frauen - und an ihren Familien ist Programm. So funktioniert Terror, so gewinnt man einen asymmetrischen Krieg.
Vgl. den Artikel auf taz-de vom 21.08.21. "Das Kartenhaus" https://taz.de/Kollabierte-Armee-in-Afghanistan/!5792354/
Sie treten an gegen eine hochmodern ausgerüstete reguläre Armee mit Jagdflugzeugen, Drohnen, Artillerie, Nachrichtentechnik. Wie konnte diese Armee in wenigen Tagen von einer "Räuberbande" zur Kapitulation gezwungen werden?
Die Lösung besteht darin, dass weder die USA noch die Verbündeten, allen voran die Bundeswehr, aus den Lehren der Geschichte Konsequenzen gezogen haben. Die Lehre lautet: Keine noch so hoch-gerüstete Armee hat gegen eine hoch-MOTIVIERTE Guerilla eine Chance. Das spektakulärste Beispiel ist Vietnam, wo erst in den 50ern die Franzosen und dann in den 60er und 70er Jahren die USA keine Chance hatten.
Das "offizielle" Afghanistan von den Stammesältesten bis in die Regierung war nach allen Informationen hochgradig korrupt, - zerrissen durch ethnische Zersplitterung, Nepotismus, Partialinteressen lokaler Gruppen und Führer. Ein solches System hat keine Chance gegen eine durch religiösen Fanatismus hochmotivierte Truppe, die zudem entgegen dem äußeren Anschein offensichtlich sehr effektiv strukturiert und diszipliniert ist.
Der hastige, unerwartete Abzug der westlichen Truppen tat nur ein Übriges. Strategische Unfähigkeit, mangelnde Moral wegen mangelnder Motivation ein Weiteres. Die Taliban - genau in Guerilla-Manier -mussten nur warten, bis sie weg waren, und dann schnell, beherzt und effektiv zuschlagen. Die Tatsache, dass es keine äußeren Kennzeichen für Gemeinsamkeit oder Hierarchie gab, belegt, dass es einen INNEREN Zusammenhalt gibt, das was in der Bundeswehr als "Innere Führung" angestrebt, aber nicht erreicht wird.
Die Skrupellosigkeit gegenüber den Feinden der Taliban - von der Zivilbevölkerung über die staatlichen Organe bis zu den Ausländern - tut ein Übriges. Gefangene wurden nicht gemacht, sondern umstandslos exekutiert. Rache an ideologischen Gegnern - moderne Intellektuelle, Journalisten, Demokraten, Frauen - und an ihren Familien ist Programm. So funktioniert Terror, so gewinnt man einen asymmetrischen Krieg.
Vgl. den Artikel auf taz-de vom 21.08.21. "Das Kartenhaus" https://taz.de/Kollabierte-Armee-in-Afghanistan/!5792354/
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