Montag, 22. Dezember 2025
Der Voyeur
Er war nicht schwul, der Voyeur, er war vor allem eins – neugierig. Als Halbstarker streunte er durch das herunter gekommene Rotlichtviertel der Hafenstadt inklusive Stripteas-Show. Dann begleitete er einen Schulfreund in eine Schwulenbar. Später stellte sich heraus: der Freund war schwul, aber darüber sprechen konnte er nicht. Da war er keine Ausnahme. Dafür war die Zeit noch lange nicht reif.

Das fast Bürgerliche an der Bar und der Kleidung der Gäste irritierte den Voyeur. Er hatte etwas mehr Verruchtes erwartet. Nur die Barmusik passte nicht in das bürgerliche Ambiente. Es liefen die Lieder von Hildegard Knef.

Später in der Großstadt fand er den Weg – als Tipp eines Kollegen –in eine Schwulenbar. Nicht weil er sich gezogen fühlte, sondern wieder aus Neugier. Hier entsprach die Atmosphäre schon eher seinen Vorurteilen. Auch streichelte der Keeper bei der Bestellung seine Hand auf dem Tresen. Im Hintergrund lief eine Knef-Platte. Eine Überraschung war es nicht mehr, aber immer noch bemerkenswert.

Jahre später feierte eine Kollegin irgendeinen Anlass und lud ihn und andere Kollegen zu sich nach Hause ein. Er mochte die Kollegin und ging gerne hin. Er war der einzige Mann außer dem katholischen Studentenpfarrer. Alle anderen waren Frauen, und er merkte schnell, dass die Kollegin die lokale Lesben-Szene eingeladen hatte. Die Hintergrundmusik war wenig überraschend: Hildegard Knef.

Was faszinierte die Queers an der Knef. War es nur die männlich raue Stimme oder war es etwas anderes. Aber was?

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