Dienstag, 21. Oktober 2025
Wer zum „Bund“ muss?
jf.bremen, 14:04h
2011 wurde die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland nicht abgeschafft, sondern ausgesetzt; d.h. ohne eine Grundgesetzänderung wurde darauf verzichtet, junge Männer grundsätzlich zur Armee einzuziehen.
Warum? Dafür gab es mehrere Gründe:
• Der Bedarf der Bundeswehr (BW) war nicht mehr groß genug.
• Die Wehrpflicht konnte nicht mehr auf alle Wehrpflichtigen angewandt werden.
• Den Anforderungen einer modernen Armee konnte ein Teil der Wehrpflichtigen körperlich oder intellektuell oder psychische nicht mehr genügen.
• Die Wehrdienstzeit war inzwischen auf nur noch wenige Monate reduziert worden, in denen eine sinnvolle Ausbildung nicht mehr möglich war. Das galt auch für den Zivildienst: Die Dienststellen konnten mit einer nur 9-monatigen Tätigkeiten nicht viel anfangen.
• Die Ausbilder waren ganz froh, wenn sie sich nicht mehr mit den teils ungeeigneten, teils unwilligen Wehrpflichtigen herumschlagen musste.
• Eine reine Berufsarmee war die bessere Lösung.
• Die allgemeine politische Lage war in Europa so weit entspannt, dass eine größere Armee nicht mehr notwendig zu sein schien.
Inzwischen haben sich die Verhältnisse geändert. Russland setzte auf einen verschärft expansiven Kurs: Die Interventionen in Georgien, die Besetzung der Krim, die Annexion von Teilen der Ukraine (Donezk, Lugansk) und schließlich der Überfall auf die Ukraine 2022 verschoben die Machtverhältnisse in Europa und lösten im Westen, so auch in Deutschland, Befürchtungen einer weitere Expansion Russlands aus.
Daraus wurde die Konsequenz gezogen, die Bundeswehr – wie die anderen Nato-Armeen - aufzurüsten und die Zahl der Soldaten drastisch zu erhöhen. Es wurde errechnet, dass zusätzlich 60.000 Soldaten nötig seien. Da es voraussichtlich dafür nicht genügend Freiwillige gibt, kam die Diskussion über die Wiedereinführung der Wehpflicht auf. Dieser Plan schien gesellschaftlich nicht durchführbar und von bestimmten politischen Parteien nicht gewünscht zu sein (Linke, Grüne, Teile der SPD).
Zwischenspiel: Die frühere Sollstärke der Bundeswehr (nur Bundesrepublik) lag bei 450.000 Mann. Besonders seit der Wiederaufrüstung nach 1956 war diese Mannschaftsstärke zunächst nicht erreichbar und wäre auch praktisch nicht zu bewältigen gewesen. Der verbreitete Widerstand gegen die Aufrüstung nach dem verlorenen Krieg spielte ebenfalls eine Rolle. Daher wurde in den 50er Jahren, ein Lossystem eingeführt, bei dem die notwendige und praktikable Stärke gedeckt wurde. Im Lauf der Jahrzehnte wuchs das Personal dann auf die gewünschte Zahl an und erreichte 1990 die Höchstzahl von ca. 490.000. Damals wurde annähernd alle wehrpflichtigen Männer – außer untauglichen und Kriegsdienstverweigerern – eingezogen.
Nach der Vereinigung von BRD und DDR und der damit verbundenen politischen und strategischen Entspannung wurde diese Zahl, trotz der Integration von Teilen der NVA in die BW, nach und nach abgebaut. Dass inzwischen auch Frauen freiwillig dienen dürfen, war eine, aber nicht die ausreichende Lösung.
Und da stehen wir heute. Schlaumayer im Verteidigungsministerium kamen nun auf die Idee, ein abgespeckte Wehrpflicht einzuführen: Alle Männer sollen gemustert werden und von den dann für tauglich Befundenen sollen 60.000 durch Los ermittelt und eingezogen werden. Was zu Beginn der Aufrüstung 1956 ff. vielleicht eine gute Idee war, ist jetzt obsolet. Schon juristisch ist der Plan höchst umstritten. Es gibt erheblich verfassungsrechtliche, zusätzlich die politischen - Bedenken. Die Auswahl wird unabhängig von Eignung und Bereitwilligkeit der Rekruten getroffen. Diese „Wehrpflicht“ würde zudem dem Arbeitsmarkt Arbeitskräfte (Fachkräftemangel!) entziehen.
Auch unter militärischen Gesichtspunkten können Zweifel angemeldet werden (fraglich ist, warum nicht aus dem Ministerium und der BW). Die Pflichtdienstzeit ist wieder auf neun Monate beschränkt (es werden unterschiedliche Zeiten genannt). Das war ein Grund, die Wehrpflicht auszusetzen. Eine moderne, hochtechnisierte Armee benötigt gründlich ausgebildete Soldaten. Das ist keine Sache von einigen Monaten. Die neue Wehrpflicht kann also nur als ein Praktikum gelten, an dessen Ende der Zeit- oder Berufssoldat stehen soll.
Das Losverfahren ist ungerecht. Denjenigen, die das Los trifft, die also einrücken müssen, dürfte das nur in wenigen Fällen recht sein. Sie werden den Dienst zu einem großen Teil unwillig „abreißen“, weil sie sowieso keinen Bock auf Militär haben oder weil sie nicht einsehen, warum gerade sie hin müssen, und ihre Lebensplanung (Ausbildung, Studium, Beruf) stört. Die Armee ist also wieder mit Ballast konfrontiert. Ob die Hoffnung berechtigt ist, dass sich ein wesentlicher Teil, verstärkt durch freiwillige Frauen, anschließend für eine freiwilligen Dienst entscheiden, bleibt unklar.
Der Pistorius-Plan ist ein Vabanque-Spiel.
Warum? Dafür gab es mehrere Gründe:
• Der Bedarf der Bundeswehr (BW) war nicht mehr groß genug.
• Die Wehrpflicht konnte nicht mehr auf alle Wehrpflichtigen angewandt werden.
• Den Anforderungen einer modernen Armee konnte ein Teil der Wehrpflichtigen körperlich oder intellektuell oder psychische nicht mehr genügen.
• Die Wehrdienstzeit war inzwischen auf nur noch wenige Monate reduziert worden, in denen eine sinnvolle Ausbildung nicht mehr möglich war. Das galt auch für den Zivildienst: Die Dienststellen konnten mit einer nur 9-monatigen Tätigkeiten nicht viel anfangen.
• Die Ausbilder waren ganz froh, wenn sie sich nicht mehr mit den teils ungeeigneten, teils unwilligen Wehrpflichtigen herumschlagen musste.
• Eine reine Berufsarmee war die bessere Lösung.
• Die allgemeine politische Lage war in Europa so weit entspannt, dass eine größere Armee nicht mehr notwendig zu sein schien.
Inzwischen haben sich die Verhältnisse geändert. Russland setzte auf einen verschärft expansiven Kurs: Die Interventionen in Georgien, die Besetzung der Krim, die Annexion von Teilen der Ukraine (Donezk, Lugansk) und schließlich der Überfall auf die Ukraine 2022 verschoben die Machtverhältnisse in Europa und lösten im Westen, so auch in Deutschland, Befürchtungen einer weitere Expansion Russlands aus.
Daraus wurde die Konsequenz gezogen, die Bundeswehr – wie die anderen Nato-Armeen - aufzurüsten und die Zahl der Soldaten drastisch zu erhöhen. Es wurde errechnet, dass zusätzlich 60.000 Soldaten nötig seien. Da es voraussichtlich dafür nicht genügend Freiwillige gibt, kam die Diskussion über die Wiedereinführung der Wehpflicht auf. Dieser Plan schien gesellschaftlich nicht durchführbar und von bestimmten politischen Parteien nicht gewünscht zu sein (Linke, Grüne, Teile der SPD).
Zwischenspiel: Die frühere Sollstärke der Bundeswehr (nur Bundesrepublik) lag bei 450.000 Mann. Besonders seit der Wiederaufrüstung nach 1956 war diese Mannschaftsstärke zunächst nicht erreichbar und wäre auch praktisch nicht zu bewältigen gewesen. Der verbreitete Widerstand gegen die Aufrüstung nach dem verlorenen Krieg spielte ebenfalls eine Rolle. Daher wurde in den 50er Jahren, ein Lossystem eingeführt, bei dem die notwendige und praktikable Stärke gedeckt wurde. Im Lauf der Jahrzehnte wuchs das Personal dann auf die gewünschte Zahl an und erreichte 1990 die Höchstzahl von ca. 490.000. Damals wurde annähernd alle wehrpflichtigen Männer – außer untauglichen und Kriegsdienstverweigerern – eingezogen.
Nach der Vereinigung von BRD und DDR und der damit verbundenen politischen und strategischen Entspannung wurde diese Zahl, trotz der Integration von Teilen der NVA in die BW, nach und nach abgebaut. Dass inzwischen auch Frauen freiwillig dienen dürfen, war eine, aber nicht die ausreichende Lösung.
Und da stehen wir heute. Schlaumayer im Verteidigungsministerium kamen nun auf die Idee, ein abgespeckte Wehrpflicht einzuführen: Alle Männer sollen gemustert werden und von den dann für tauglich Befundenen sollen 60.000 durch Los ermittelt und eingezogen werden. Was zu Beginn der Aufrüstung 1956 ff. vielleicht eine gute Idee war, ist jetzt obsolet. Schon juristisch ist der Plan höchst umstritten. Es gibt erheblich verfassungsrechtliche, zusätzlich die politischen - Bedenken. Die Auswahl wird unabhängig von Eignung und Bereitwilligkeit der Rekruten getroffen. Diese „Wehrpflicht“ würde zudem dem Arbeitsmarkt Arbeitskräfte (Fachkräftemangel!) entziehen.
Auch unter militärischen Gesichtspunkten können Zweifel angemeldet werden (fraglich ist, warum nicht aus dem Ministerium und der BW). Die Pflichtdienstzeit ist wieder auf neun Monate beschränkt (es werden unterschiedliche Zeiten genannt). Das war ein Grund, die Wehrpflicht auszusetzen. Eine moderne, hochtechnisierte Armee benötigt gründlich ausgebildete Soldaten. Das ist keine Sache von einigen Monaten. Die neue Wehrpflicht kann also nur als ein Praktikum gelten, an dessen Ende der Zeit- oder Berufssoldat stehen soll.
Das Losverfahren ist ungerecht. Denjenigen, die das Los trifft, die also einrücken müssen, dürfte das nur in wenigen Fällen recht sein. Sie werden den Dienst zu einem großen Teil unwillig „abreißen“, weil sie sowieso keinen Bock auf Militär haben oder weil sie nicht einsehen, warum gerade sie hin müssen, und ihre Lebensplanung (Ausbildung, Studium, Beruf) stört. Die Armee ist also wieder mit Ballast konfrontiert. Ob die Hoffnung berechtigt ist, dass sich ein wesentlicher Teil, verstärkt durch freiwillige Frauen, anschließend für eine freiwilligen Dienst entscheiden, bleibt unklar.
Der Pistorius-Plan ist ein Vabanque-Spiel.
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