Mittwoch, 4. September 2024
Er läuft und läuft und läuft – gegen die Wand
In den 60er Jahren kursierte eine Karikatur: der Pressesprecher von VW führte einen Gast durch das Werk. In einem Raum sah man jemanden mit dem Kopf auf einem leeren Tisch; er schlief offensichtlich. Der Pressesprecher erklärte: „Und hier sehen Sie unsere Entwicklungsabteilung.“ Da seit Jahrzehnten im PKW-Bau nur Knöpfe und das Heckfenster variierten, erübrigte sich alles Weitere.

Als 1974 der Golf auf den Markt kam, wurde das als besonders innovativ gefeiert. Dabei hatten andere Hersteller lange vorher Autos mit dem gleichen Konzept gebaut, z.B. der Simca 1100 in Frankreich.

Der Golf verkaufte sich überraschend gut, VW profitierte wohl immer noch von seinem Ruhm: Er läuft und läuft und läuft. Das führte lange wieder dazu, dass die Entwicklungsabteilung erneut in erholsamen Tiefschlaf verfiel. Vor allem eins verpasste die Firma – rechtzeitig die Elektromobilität ins Auge zu fassen. Da waren sie nicht allein in Deutschland. Keiner der großen Autobauer verwendet Aufmerksamkeit auf die modernste Technik.

Jetzt stellt VW erschrocken fest, dass der Absatz auf dem größten Markt – in China – einbricht. Die Chinesen haben inzwischen eigene Autos mit E-Motoren entwickelt und haben VW weit hinter sich zurück gelassen. In Deutschland reibt man sich verwundert die Augen. Dabei wurde an zwei Tabus gerührt: Es wurden Entlassungen und Werksschließungen angedroht. Dass sie zuvor massiv die E-Mobilität vorantreiben müssten, scheint nicht der erste Gedanke zu sein. Dazu passt gut, dass der Aufsichtsratsvorsitzende sich für die Erhöhung der Manager-Gehälter einsetzt.

Es darf gerätselt werden, ob die Drohungen mit Werksschließung und Entlassungen ernst gemeint sind. Jedenfalls hat die Geschäftsführung der Belegschaft schon mal die Folterwerkzeuge gezeigt. So lassen sich ungünstige Tarifabschlüsse und einzelne Entlassungen besser verkaufen.

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