Freitag, 28. Juni 2024
Mali -Das „afrikanischste Land“ - Reisebericht 2008. (8) Elfter Tag - Kavaré
Wir fahren früh wieder über die Asphaltstraße – die letzte für einige Zeit – bis Kavaré, wo wir mit einer Fähre den Niger überqueren müssen. Doch das dauert. Am Ufer liegt ein LKW fest, tief im Sand festgefahren. Mitten im Wasser liegt unweit des Ufers die Fähre, dick beladen mit Fahrzeugen, Tieren und einem „Rotel“. Es spricht sich rum: Maschinenschaden. Eine zweite Fähre liegt offensichtlich auch am Ufer fest. Schließlich geht eine Pinasse mit Außenborder längsseits und schleppt die Fähre an Land. Fahrzeuge fahren über die Uferböschung. Das Rotel schleppt den LKW aus dem Sand die Böschung hoch auf sicheres Terrain. Es soll eine dritte Fähre geben, die ist aber unterwegs. Also warten wir.

Direkt am Fähranleger befinden sich Wohnhütten, kleine Verkaufsstände, Werkstätten: ein buntes Treiben, aber wieder äußerst primitiv. Es gibt auch fliegende Händler mit Getränken, Obst, Erdnüssen, auch Souvenirs, sie sind aber etwas dezenter, denn hier setzen nicht nur Touristen über, sondern Hirten mit ihren Schafen, Frauen auf dem Weg vom oder zum Markt, Händler…. Wir treiben uns rum, fotografieren, wenn möglich, kleine Einkäufe (Erdnüsse), G. schart schließlich eine Gruppe Kinder um sich, es sieht so aus, als mache sie Schule. Ein Krüppel kommt schließlich auch dazu, also Integrationsunterricht. Felix und ich beobachten die Szene etwas amüsiert. G. erzählt hinterher, dass sie den Kindern u.a. geraten hat, zur Schule zu gehen, das sei wichtig. Die Frage nach cadeaux kontert sie, indem sie den Kindern verspricht, etwas für ihre Schule zu spenden. Wie wir das wohl hinkriegen.

Schließlich kommt die dritte, sehr kleine Fähre, die mit fünf Autos plus Fußgängern und Tieren sehr voll ist. Beim Warten steht irgendwann „Flo“ neben mir und teilt besorgt mit, dass ein „fremdes Auto“ sich zwischen unsere Fahrzeuge gemogelt hat. Der mutmaßliche oder tatsächliche Eigentümer (oder so) war mir schon vorher aufgefallen: weißer Macho mit dickem Bauch mit bildhübscher junger afrikanischer Frau im schicken afro-europäischen Outfit. Ich flachse: „Wir können es ja blockieren, Kette bilden.“

Als es dann schließlich losgeht, sehe ich, dass Flo tatsächlich vor dem Auto steht mit verschränkten Armen und keine Anstalten macht, Platz zu machen. Ich beobachte, dass der Eigentümer (oder was der ist) erst mit ihr redet, sie dann mit Gewalt von dem Auto wegzieht und seinem Fahrer Zeichen gibt loszufahren. Floh hält ihm ihr Fäustchen unter die Nase, aber da prescht der Fahrer schon los und ist als erster auf der Fähre, und der andere Mann lässt von Flo ab. Das eigentliche Problem war, dass unsere Fahrer nicht auf dem Qui-vive waren, sonst hätten sie die Initiative ergriffen und wären früher losgefahren. Am Ende passen aber doch neben dem „feindlichen“ auch alle unsere Autos auf die Fähre inklusive Markt(?)-Frauen, Männer mit Tieren etc.

Die Fahrt auf der Fähre dauert länger als erwartet. Der „Fähranleger“ ist an einem Nebenarm des Niger, auf dem wir erst einige Zeit fahren mit Blick auf Dörfer und Fischer; dann queren wir den Niger nicht direkt, sondern fahren eine ganze Strecke flussab. Auf der anderen Seite ist der Fähranleger ähnlich, einfach ein etwas planierter Abhang zum Wasser, oben ein paar Hütten und der Beginn einer Piste. Dies ist die einzige „Straßen“-Verbindung von und nach Timbuktu.

Jetzt wird deutlich, dass Timbuktu tatsächlich nur auf dem Wasserweg per Pinasse oder Piroge – während der Regenzeit auch mit größeren Schiffen – oder auf dem Landweg über eine völlig zerfahrene Piste erreichbar ist. Auf unserer Fahrt – zunächst ostwärts parallel zum Niger, später südwärts - begegnen wir keinem LKW (der würde es auch schwer haben), dafür mehreren Eselkarawanen mit je ca. fünfzig Tieren, bepackt mit Säcken (vermutlich Getreide). Amadou erklärt, dass sie auf dem Rückweg Salz aus der Wüste transportieren und dass es auch Kamelkarawanen gibt (die wir aber nicht sehen).

Von dem – im Winter ausgetrockneten – Do-See sehen wir keine Andeutung. In Douentza – nach 250 km Fahrt, - größtenteils auf „Wellblech“-Piste oder in lockerem Sand – erreichen wir erstmalig wieder die asphaltierte Straße N 16 und fahren auf ihr bis Sévaré. Dort sind wir wieder im gleichen Hotel wie früher schon.
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GESCHICHTE
Das heutige Mali war im Lauf der Geschichte wechselvollen Einflüssen ausgesetzt. Als Land inmitten des Kontinents wechselten Völker, Reiche und Herrscher sich immer wieder ab. Das Mali-Reich hatte seine größte Ausdehnung Ende des 14. Jahrhunderts und umfasste u.a. auch Ghana. Herrscher waren die Bambara-Könige aus der Gegend von Sékoro/Ségou. Ihr sagenhafter, auf Gold beruhender Reichtum und ihre hohe soziale Organisationsform waren Garant für Einfluss und Macht. Nach dieser Epoche kam das Land unter islamischen Einfluss mit einer prunkvollen Architektur und hoch entwickelter Kunst. Die Malier handelten mit Gold, Salz und Sklaven. Seit 1870 wurde das Land von Frankreich erobert. 1904 wurde es als Französch-Sudan Teil Französisch-Westafrikas. Dem Kolonialismus widersetzten sich die Tuareg, bis sie 1916 „befriedet“, d.h. militärisch unterworfen wurden. 1960 wurde Mali unabhängig und eine Präsidialdemokratie nach französischem Vorbild. 1990 -96 revoltierten die Tuareg erneut, ließen sich dann auf einen Friedensschluss ein, der ihnen versprach, am Uran-Abbau in der Sahara beteiligt zu werden. Diese Hoffnung wurde nicht erfüllt, daher kam es 2012 zu einem Aufstand und der Ausrufung des unabhängigen Staats Azaouad. Eine Offiziers-Junta putschte und löste die gewählte Regierung ab Diese Situation nutzten islamistische Fundamentalisten und usurpierten Azaouad. 2013 intervenierten französische Streitkräfte und vertrieben die Islamisten in die Sahara. Eine Übergangsregierung wurde eingesetzt. Der Konflikt ist bisher nicht beendet.
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(Fortsetzung folgt)

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