Montag, 22. Januar 2024
Schlüsselqualifikation in außerschulischer Bildung und Betrieben (6)
5. Politisch-kulturelle Bildung und Schlüsselqualifikationen

Ich möchte nicht behaupten, dass sämtliche Schlüsselqualifikationen durch politisch-kulturelle außerschulische Bildung produziert werden, schon gar nicht in jeder Veranstaltung und in jedem Konzept. Dennoch leistet die außerschulische Bildung – und das nicht erst seit Kurzem – dazu ihren Beitrag. Das wurde inzwischen auch von anderen Bildungsinstitutionen erkannt.

Seit einigen Jahren gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Industriebetrieben und der außerschulischen Jugendbildung. Betriebe, deren gewünschtes Humankapital Tugenden wie Kreativität, Kooperation, Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit etc. beinhaltet, mussten feststellen, dass viele Auszubildende genau diese Qualifikationen nicht mitbrachten. Darüber hinaus sahen die Einstellungstests nicht vor, diese Fähigkeiten zu prüfen. Hilfsweise werden Kriterien wie soziales Engagement in der Freizeit (Jugendverband, Feuerwehr etc.) als Auswahlkriterium dazu genommen. Vor allem musste aber ein Versagen der meisten allgemeinbildenden Schulen konstatiert werden, die SchülerInnen entsprechend vorzubereiten. Das schulische Auswahlverfahren, besonders die Orientierung auf individuell zu erbringende fachliche Leistungen und die frühe Aufspaltung in unterschiedliche Schultypen, führt zu einer Isolation und individuellen Leistungsorientierung, die nur eine unter mehreren Bedingungen für eine moderne demokratische Gesellschaft und für betriebliche Erfordernisse ist.

Dagegen setzen einige Industrie- und Dienstleistungsbetriebe auf die durch die außerschulische Jugendarbeit angebotene Qualifikation. Der Jugendhof Steinkimmen z.B. bot seit 1999 für Auszubildende der Airbus GmbH in Bremen und Nordenham Seminare zur politisch-kulturellen Bildung an. Die Auszubildenden beschäftigen sich eine Woche lang mit einem sozialpolitischen Thema, das sie mit Hilfe der Medien Video, Theater, Fotografie, Zeitung oder Radio bearbeiten. Der Jugendhof Steinkimmen verfolgt dabei vorrangig Ziele der politischen und kulturellen Bildung , während der Betrieb allgemeine Qualifikationen seiner Auszubildenden im Blick hat.

Es scheint also, dass die Möglichkeiten und Fähigkeiten der außerschulische Bildung von Betrieben erkannt und genutzt werden können. Davon profitieren beide Teile. Es zeigt aber auch, dass allgemein- und weiterbildende Schulen diese Möglichkeiten und Fähigkeiten nicht haben oder nicht nutzen. Uns ist allerdings in Seminaren mit Schulklassen aufgefallen, dass SchülerInnen von Gesamtschulen viel eher die politischen Tugenden bzw. Schlüsselqualifikationen aufweisen, die auch wir in der außerschulischen Bildung anstreben und die die Betriebe fordern. Es scheint also sinnvoll, gemeinsam zu diskutieren, wie diesem Missstand Abhilfe geschaffen werden kann. Es scheint angebracht, die PISA-Diskussion in diese Richtung zu lenken, statt ausschließlich auf weitere Leistungsmaximierung zu orientieren.
Zuerst in „Forum für Kinder- und Jugendarbeit“

Anmerkungen:
1. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hg.): Weiterentwickelte Empfehlung und Arbeitshilfe für den Ausbau und die Verbesserung der Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendhilfe mit der Schule. Frankfurt/Main 2001
2. Am weitest gehenden ist dieser Zerstückelung des Arbeitsprozesses in der Bandarbeit z.B. der Automobilproduktion fortgeschritten.
3. D. Martens: Schlüsselqualifikationen; in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt und Berufsforschung, 1974
4. Bereits in den 60er Jahren suchten Betriebe wie Siemens, Bosch oder Töpfer die Zusammenarbeit mit der außerschulischen politischen Bildung.
5. Oskar Negt: Die zweite Gesellschaftsreform, Göttingen 1994

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