Samstag, 10. September 2022
Wie ich die Queen "erlebte"
Die englische Queen ist im Alter von 96 Jahren gestorben. Daran kann ich ablesen, wie alt ich bin. 1952 wurden Elisabeths Krönungsfeierlichkeiten europaweit im Fernsehen übertragen. Beides waren damals Sensationen: einmal die Krönung selbst, dann das noch ganz junge neue Medium Fernsehen und schließlich, dass wir es in Deutschland und im übrigen Westeuropa live sehen konnten.

Es war zugleich das erste Fernseherlebnis, an das ich mich erinnern kann. Meine Eltern hatten kein Fernsehen, das damals noch ein kostspieliges und exklusives Vergnügen war. Aber unsere Nachbarn verfügten über ein Gerät und luden großzügig zum gemeinsamen Fernsehen ein.

Ich erinnere noch den beeindruckenden Pomp der Zeremonie. Zugleich entdeckte ich, dass auf den Filmaufnahmen die Räder der prächtigen Kutsche bei einer bestimmten Geschwindigkeit still zu stehen schienen, sich gar rückwärts drehten. Ich traute meinen Augen nicht. Als ich später im Kino in der Wochenschau das Phänomen noch mal und in Farbe (!) bestaunen konnte, bestätigten die Bilder den ersten Eindruck.

Niemand in der Familie oder in der Schule konnte das erstaunliche Phänomen wirklich erklären. Viel später lernte ich, dass es mit der Laufgeschwindigkeit des Films und dem Malteserkreuz zu tun hat.

Indirekt war ich 1965 vom ersten Besuch der Queen in Deutschland nach dem Krieg berührt. Das Protokoll sah vor, dass sie das damals wichtigste Literaturmuseum der Bundesrepublik in Marbach besuchen sollte, in dem meine Schwester arbeitete. Für die sehr provinzielle Kleinstadt am Neckar war das natürlich eine Sensation und die Begleitumstände unbegreiflich. So beschwerte sich der Hausmeister des Museums, dass fremde Männer in den Gartenanlagen rund ums Museum krochen. Er musste es dulden: es waren die Sicherheitsbeamten.

Später wurde gemunkelt, die Queen habe gar nicht das Marbach am Neckar mit dem Schiller-Nationalmuseum, sondern den gleichnamigen Ort mit einem weltberühmten Pferde-Gestüt auf der schwäbischen Alb besuchen wollen. Was plausibel erschien, denn die Königin war als Pferdeliebhaberin , weniger als Literaturfreundin bekannt.

Und nun sehe ich wiederum im Fernsehen die Zeremonien der Trauerfeierlichkeiten und erkenne wie alt auch ich schon bin.

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