Samstag, 2. November 2019
Adorno und der Jazz
Wir wissen nicht, welche Art von Jazz (oder „Jazz“) Adorno in Amerika gehört hat. Ebenso ist kaum nachvollziehbar, warum sie ihn langweilte. In den 1960er Jahren wurden Kontroversen über Musik gerne mit der Waffe der „Kritischen Theorie“ ausgetragen. Gegen den Jazz wurde Adorno mit seinem Aufsatz in den „Prismen“ in Stellung gebracht, dessen Lektüre ich mich verweigerte: ich wollte mir meine Leidenschaft nicht kaputt machen lassen.

Jahre später traute ich mir den Text zu und stellte fest: Es war barer Unsinn! Eric Hobsbawn kam in „Ungewöhnliche Menschen“ 2001 zu dem lapidaren Urteil: „einige der dümmsten Seiten, die je über Jazz geschrieben wurden.“ Der Gitarrist und Cartoonist Volker Kriegel erklärte Adornos Abneigung gegen Jazz in einer Parodie, in der er dessen Kritik auf ein unangenehmes Erlebnis und seine völlige Ahnungslosigkeit zurückführt.

Darin wird Adorno mit der Musik Johnny Hodges‘ konfrontiert. Damit wäre die einleitende Frage auch geklärt.

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Freitag, 25. Oktober 2019
Textdominanz in Bilddokumenten
Es gilt im Dokumentarfilm eingeschränkt auch beim Dokumentarfoto die Textdominanz. Der Text darf das Bild nicht erschlagen. Optische Eindrücke sind oft so stark, dass sie vom durch Text transportierten Inhalt ablenken.

Neulich allerdings stellte sich für mich das Gegenteil her. Die taz (23.10.19) titelte auf der ersten Seite: „AKK – die Frau, die schneller schießt als ihr Schatten.“ Das saß und begeisterte mich. Das Bild: AKK in Nahaufnahme, dahinter der Schatten. Erst beim dritten Hinschauen merkte ich: das war nicht IHR Schatten, sondern dass der Übermutter MERKEL! Erst das optische Verwirrspiel machte die Grafik interessant, ebenbürtig mit dem gelungenen Text.



Chapeau für GraphikerIn/LayouterIn!

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Montag, 30. September 2019
„Drecks-Fotze“ geht in Berlin o.k.
Die Wehklagen über zunehmende Gewalt in unserer Gesellschaft sind allgemein: angefangen bei Hassbotschaften im Internet, über analoge Beschimpfungen bis zu handfesten Übergriffen. Dem Berliner Landgericht scheint das alles Wumpe zu sein. Die üblen Verbalinjurien gegen die Grünen-Politikerin Renate Künast in einem rechten Blog scheinen diesem Richtergremium eher akzeptabel zu sein. Eine Klage von Künast auf Herausgabe der Adresse des Bloggers wurde abgewiesen. Solange eine „Sachbezug“ bestehe, gehen derartige Beschimpfungen in Berlin in Ordnung.

Da müssen wir uns nicht mehr wundern über immer mehr verbale und wirkliche Gewalt auf Schulhöfen, auf Straßen, in U-Bahnen und im Internet. Jeder Junge kann sich jetzt auf einen „Sachbezug“ berufen, wenn er den Lehrer, der ihm eine schlechte Zensur verpasste, ein Arschloch nennt.

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Samstag, 21. September 2019
Sinkendes Niveau bei ARD und ZDF
Krankheit an sich ist weniger angenehm. Immerhin kann man auf diese Weise Fernsehsendungen anschauen, die man sonst nicht einschalten könnte oder würde.

Z.B. das Abendprogramm von ARD und ZDF, mal ganz abgesehen von den privaten Sendern.
Ich hatte jetzt Gelegenheit die Herz/Schmerz-Serien zu begutachten. Leider musste ich feststellen, dass die sowohl inhaltlich wie formal aus der zweituntersten Schublade sind. Die unterste belegen die Privaten.

Jetzt fiel mir auf, dass die Öffentlich-Rechtlichen zwar gute Information bieten: Tagesschau, heute, Magazinsendungen und gelegentlich Dokumentationen. Aber die „Unterhaltung“ wird durch besagte Spielfilme, Krimis zweifelhafter Qualität und diese unsäglichen Quizsendungen bestritten. Gute Filme vermisst der Cineast. Das muss man schon auf Arte und 3Sat ausweichen, die aber leider inzwischen auch auf der Krimiwelle surfen.

Generell muss man feststellen, was die Fachleute vor dreißig Jahren bei Einführung der privaten Sender befürchteten. Das Niveau sank und riss auch die Öffentlich-Rechtlichen in ihren Strudel. Und all das Elend belegt mit einer Zwangsabgabe aller Haushalte an die GEZ, egal ob man Radio hört oder fernsieht!

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Mittwoch, 21. August 2019
MAD ist nicht Stasi
Nach dem Fall der Berliner Mauer hatten nicht nur Ex-DDR-Bürger die Möglichkeit, in den Stasi-Unterlagen ihre Akten einzusehen. Da ich von den 60er bis in die 80er Jahre immer mal wieder privat oder beruflich in und durch die DDR reiste, war ich neugierig, was die Stasi über mich wusste bzw. gespeichert hatte.

Eine erste Anfrage von 2009 wurde abschlägig beschieden. Im Folgejahr bekam ich die Information, es könne etwas vorhanden sein. Dann 2011 folgte eine Fotokopie (eine Seite auf DIN-A). Es war nicht umwerfend, was ich dort erfuhr. Vor allem wusste der/die InformantIn nur unzureichend und teilweise falsch über mich Bescheid.

So angeregt, beschloss ich vor kurzem, mich beim Militärischen Abschirm-Dienst (MAD) zu erkundigen, was der über mich gespeichert hatte. Immerhin waren bei mir zweimal Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt worden: einmal während meines aktiven Wehrdienstes und einmal anlässlich einer Wehrübung.

Die Antwort war enttäuschend: Wenn ich einen konkreten Sachverhalt und eine besonderes Interesse an einer Auskunft darlegen könne, dann könne ich Auskunft bekommen.

Leider kann ich damit nicht dienen. Ich wollte ja alles und zwar subito wissen.

Wie schade, dass meine Neugier nicht befriedigt wird!

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Montag, 19. August 2019
Schlaglöcher dank Schuldenbremse
Die vor einiger Zeit grundgesetzlich festgelegt „Schuldenbremse“ soll die öffentlichen Haushalte sanieren, indem keine neuen Schulden aufgenommen und folglich weniger Investitionen getätigt werden. Begründett wird das damit, dass „wir unseren Kindern nicht einen Haufen Schulden aufbürden dürfen.“

Große Einigkeit herrscht bei den Gegnern der Schuldenbremse darüber, dass die fehlenden Investitionen die Konjunktur bremsen. Nun gibt es aber ein Problem. Massive Defizite bei der Infrastruktur gefährden unsere Sicherheit: marode Brücken, ein dichtes Netz von Schlaglöchern nicht nur, aber vor allem dort, auf innerstädtischen Straßen, fehlende oder lebensgefährliche Radwege, langsam verfallende Schulen und Kitas und, und, und…..

So löblich die Absicht ist, keine Schulden zu hinterlassen, so falsch ist es, den Kindern aktuell und zukünftig Schrott-Immobilien und eine marode Infrastruktur zu hinterlassen. Ein Kreis von Wirtschaftswissenschaftlern hat sich soeben gegen die Verschärfung der Schuldenbremse in Berlin ausgesprochen.

Ob’s hilft? Zweifel sind angebracht. Wieso kann sich der Staat angesichts von Null-Zinssätzen keine neuen Krediten leisten, dafür aber den endgültigen Zusammenbruch der Infrastruktur? Das soll mir mal einer erklären.

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Montag, 29. Juli 2019
Katelbach glasklar
Roland Polanskis Frühwerk „Wenn Katelbach kommt“ (1966) war jahrzehntelang weder im Kino noch im Fernsehen zu sehen. Jetzt zeigte arte Polanskis Film, aber welche Enttäuschung! Während das Frühwerk in der – damals einzig möglichen – analogen Fassung während des ganzen Films in ein durchgehend trübes Grau getaucht war, glänzte die jetzt gezeigte Fernsehfassung, offensichtlich digital bearbeitet, in kontrastreichem Schwarz-Weiß.

Damals wusste ein Kameramann noch, welches Material zum Inhalt eines Filmes passte, den hartnäckigen Verfechtern der Digitalisierung scheint solche Kenntnis abzugehen. Oder die neue Technik lässt nicht zu, was der analoge Film möglich macht.

Die Kontrastarmut entsprach genau der düsteren Stimmung, die der Film transportierte. Jetzt ist daraus eine Postkarten-Ästhetik geworden, die dem Inhalt überhaupt nicht gerecht wird. Welch ein Jammer!

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Sonntag, 28. Juli 2019
Calmeyer – Stauffenberg - Schindler
In Osnabrück – und darüber hinaus – wird gerade eine Diskussion über den „Schindler von Osnabrück“ geführt. Gemeint ist Hans Calmeyer, der hunderte, vielleicht tausende Juden rettete, indem er in seiner Eigenschaft als Teil der Militärbürokratie in den besetzten Niederlanden mit seiner Dienststelle die Papiere von Juden fälschte.

Seine Kritiker werfen ihm nun vor, er sei als Wehrmachtssoldat und als Abteilungsleiter im Reichskommissariat für die besetzen niederländischen Gebiete Teil des NS-Systems gewesen. Außerdem sei er Mitglied verschiedener NS-Organisationen wie dem NS-Rechtswahrerbund gewesen.

Ja, bitte schön, was denn sonst? Wäre er nicht im System gewesen, wie hätte er dann Juden retten können? Etwa als Widerstandskämpfer? Der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem war das den Titel „Gerechter unter den Völkern“ wert.

Zeitgleich wird in Berlin, im Bentler-Block, der Hitler-Attentäter Stauffenberg geehrte. Und der – war Oberst eben der Reichswehr, die vorher halb Europa erobert, und unterworfen und viele Kriegsverbrechen begangen hat.

Stauffenberg war seit 1926 Soldat, seit 1930 Berufsoffizier der Reichwehr, begrüßte 1933 die Machtergreifung durch Hitler und die NSDAP. 1944, als der Krieg bereits verloren war, besann er sich mit anderen gleichgesinnten Offizieren, Politikern und Intellektuellen eines Besseren, beschloss Hitler zu töten und blieb – leider – erfolglos, wie wir wissen.

Was Stauffenberg recht ist, sollte Calmeyer billig sein. Beide konnten nur handeln innerhalb des Systems. Das Gleiche gilt übrigens für Schindler: weil er mit den Nazis und den Besatzungsbehörden kooperierte, konnte er Juden retten. Wie viele es waren und dass er wie Calmeyer materiell davon profitierte, ist vergleichsweise nebensächlich.

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Montag, 25. März 2019
Nachtrag zu meinem „Familienroman“
Ich muss etwas gut machen.

Ja, meine Eltern waren Nazis, ja, sie waren Antisemiten.

Nun, mit dem zeitlichen Abstand, wird die Eindeutigkeit dieser Aussage zweideutig, zumindest was meine Mutter betrifft.

Sie erzählte: Ihr war es peinlich, dass sich mein Vater nach einem Gespräch mit einer Zufallsbekanntschaft, einem Juden, mit dem „deutschen Gruß“ verabschiedete. Ihm war gar nicht klar geworden, dass sein Gesprächspartner zur verfolgten Minderheit gehörte. Meiner Mutter schon.

Sie äußerte nachträglich Mitleid, als sie hörte, dass weibliche KZ-Häftlinge gezwungen wurden, ihre Kinder so vor der Brust zu halten, dass die mörderischen Schützen mit einem Schuss durch den Kopf des Säuglings auch das Herz der Mutter trafen.

Nach dem Krieg bettelten oft Frauen mit ihren Kindern, offensichtlich Zigeunerinnen, Roma oder Sinti, an den Haus- und Wohnungstüren. Von meiner Mutter bekamen sie (fast) immer etwas zu essen oder ein Geldstück, obwohl wir auch nicht reichlich hatten.

Meine Mutter war also nicht ganz schlecht, zumindest hatte sie ein Gewissen. Das Verschließen der Augen vor den Tatsachen, dass vor den Toren unserer Stadt ein KZ war, dass KZler nach Bombenangriffen die Straßen räumen mussten, dass Juden/Jüdinnen "abgeholt" wurden und das Mitleid mit JüdInnen und "Zigeunern" nach dem Krieg - wie geht das in einem Kopf und einem Herz zusammen?

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Ihr Name sei gelöscht!
Die NeuseeländerInnen machen es uns vor, wie man Integration praktiziert. Der tödliche Anschlag auf eine Moschee in Christchurch löste eine Welle von Mitleid und Sympathie aus. Zum Zeichen der Solidarität und Trauer trug die Premierministerin, Yacinda Ardern, ein Kopftuch, viele Frauen, sogar eine Polizistin, machten es Ihr nach.

Nun gab es einige naseweiße Besserwisser, die das als Anbiederung und Übergriff bzw. koloniale Geste diffamierten. Im Gegenteil: Es war ein Symbol für die Haltung der Neuseeländerinnen!

Ein anderes Zeichen hätte ich mir von europäischen Politikern und Medien ebenfalls gewünscht. Frau Ardern lehnte es auch ab, den Namen des Attentäters zu erwähnen. So könne vermieden werden, dass der Name des Mörders sich ins kollektive Gedächtnis einprägt. Das habe ich mir schon bei dem norwegischen Attentäter in Oslo und auf Utoya gewünscht. Die Juden haben dafür eine Formel: Sein Name sei gelöscht!

Rechtsextreme Terroristen sind geradezu darauf aus, dass ihre Namen und Untaten im Bewusstsein weltweit erhalten bleiben. Diesen Gefallen sollten wir ihnen keinesfalls tun!

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Donnerstag, 7. März 2019
Bauhaus – eine Tragödie in mehreren Akten
Das Bauhaus feiert sein 100-jähriges Bestehen. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Der Erfolg besteht darin, dass WELTWEIT Bauhaus-Ideen verbreitet und realisiert wurden, übrigens u.a. dank den Nazis. Wieso das?

1919 gründete Walter Gropius in Weimar in der Tradition dortiger Kunstschulen das Bauhaus. Bereits 1923 wich das Bauhaus auf Druck der bürgerlich-konservative Mehrheit in Weimar nach Dessau aus. Auch dort bestand es nur bis 1930 und zog weiter nach Berlin, wo es 1933 von den Nazis geschlossen wurde.

Dies die ersten Akte der Tragödie. Allerdings musste viele, sogar die meisten der Lehrer und Studenten emigrieren und verbreitete den Stil weltweit und leiteten damit die Moderne in Kunst, Design und vor allem Architektur ein.

Die Tragödie wurde nach 1945 fortgesetzt. Zwar wurden Nachfolgeorganisationen in Ost- wie West-Deutschland gegründet: in Dessau und Ulm. In beiden Teilen Deutschlands setzten sich wieder die Konservativen durch. Die Dessauer durften entwerfen, blieben aber erfolglos. So entwarfen sie Karosserien für Autos, die nie gebaut wurden. Trabi musste genügen.

In Ulm wurde der Kunsthochschule von der baden-württembergischen CDU-Regierung die Förderung entzogen: zu fortschrittlich!

Wie sich die Traditionen gleichen: bürgerlich-konservativ, national-sozialistisch, real-sozialistisch und christlich-demokratisch.

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