Montag, 29. Juli 2019
Katelbach glasklar
Roland Polanskis Frühwerk „Wenn Katelbach kommt“ (1966) war jahrzehntelang weder im Kino noch im Fernsehen zu sehen. Jetzt zeigte arte Polanskis Film, aber welche Enttäuschung! Während das Frühwerk in der – damals einzig möglichen – analogen Fassung während des ganzen Films in ein durchgehend trübes Grau getaucht war, glänzte die jetzt gezeigte Fernsehfassung, offensichtlich digital bearbeitet, in kontrastreichem Schwarz-Weiß.

Damals wusste ein Kameramann noch, welches Material zum Inhalt eines Filmes passte, den hartnäckigen Verfechtern der Digitalisierung scheint solche Kenntnis abzugehen. Oder die neue Technik lässt nicht zu, was der analoge Film möglich macht.

Die Kontrastarmut entsprach genau der düsteren Stimmung, die der Film transportierte. Jetzt ist daraus eine Postkarten-Ästhetik geworden, die dem Inhalt überhaupt nicht gerecht wird. Welch ein Jammer!

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Sonntag, 28. Juli 2019
Calmeyer – Stauffenberg - Schindler
In Osnabrück – und darüber hinaus – wird gerade eine Diskussion über den „Schindler von Osnabrück“ geführt. Gemeint ist Hans Calmeyer, der hunderte, vielleicht tausende Juden rettete, indem er in seiner Eigenschaft als Teil der Militärbürokratie in den besetzten Niederlanden mit seiner Dienststelle die Papiere von Juden fälschte.

Seine Kritiker werfen ihm nun vor, er sei als Wehrmachtssoldat und als Abteilungsleiter im Reichskommissariat für die besetzen niederländischen Gebiete Teil des NS-Systems gewesen. Außerdem sei er Mitglied verschiedener NS-Organisationen wie dem NS-Rechtswahrerbund gewesen.

Ja, bitte schön, was denn sonst? Wäre er nicht im System gewesen, wie hätte er dann Juden retten können? Etwa als Widerstandskämpfer? Der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem war das den Titel „Gerechter unter den Völkern“ wert.

Zeitgleich wird in Berlin, im Bentler-Block, der Hitler-Attentäter Stauffenberg geehrte. Und der – war Oberst eben der Reichswehr, die vorher halb Europa erobert, und unterworfen und viele Kriegsverbrechen begangen hat.

Stauffenberg war seit 1926 Soldat, seit 1930 Berufsoffizier der Reichwehr, begrüßte 1933 die Machtergreifung durch Hitler und die NSDAP. 1944, als der Krieg bereits verloren war, besann er sich mit anderen gleichgesinnten Offizieren, Politikern und Intellektuellen eines Besseren, beschloss Hitler zu töten und blieb – leider – erfolglos, wie wir wissen.

Was Stauffenberg recht ist, sollte Calmeyer billig sein. Beide konnten nur handeln innerhalb des Systems. Das Gleiche gilt übrigens für Schindler: weil er mit den Nazis und den Besatzungsbehörden kooperierte, konnte er Juden retten. Wie viele es waren und dass er wie Calmeyer materiell davon profitierte, ist vergleichsweise nebensächlich.

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Montag, 25. März 2019
Nachtrag zu meinem „Familienroman“
Ich muss etwas gut machen.

Ja, meine Eltern waren Nazis, ja, sie waren Antisemiten.

Nun, mit dem zeitlichen Abstand, wird die Eindeutigkeit dieser Aussage zweideutig, zumindest was meine Mutter betrifft.

Sie erzählte: Ihr war es peinlich, dass sich mein Vater nach einem Gespräch mit einer Zufallsbekanntschaft, einem Juden, mit dem „deutschen Gruß“ verabschiedete. Ihm war gar nicht klar geworden, dass sein Gesprächspartner zur verfolgten Minderheit gehörte. Meiner Mutter schon.

Sie äußerte nachträglich Mitleid, als sie hörte, dass weibliche KZ-Häftlinge gezwungen wurden, ihre Kinder so vor der Brust zu halten, dass die mörderischen Schützen mit einem Schuss durch den Kopf des Säuglings auch das Herz der Mutter trafen.

Nach dem Krieg bettelten oft Frauen mit ihren Kindern, offensichtlich Zigeunerinnen, Roma oder Sinti, an den Haus- und Wohnungstüren. Von meiner Mutter bekamen sie (fast) immer etwas zu essen oder ein Geldstück, obwohl wir auch nicht reichlich hatten.

Meine Mutter war also nicht ganz schlecht, zumindest hatte sie ein Gewissen. Das Verschließen der Augen vor den Tatsachen, dass vor den Toren unserer Stadt ein KZ war, dass KZler nach Bombenangriffen die Straßen räumen mussten, dass Juden/Jüdinnen "abgeholt" wurden und das Mitleid mit JüdInnen und "Zigeunern" nach dem Krieg - wie geht das in einem Kopf und einem Herz zusammen?

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Ihr Name sei gelöscht!
Die NeuseeländerInnen machen es uns vor, wie man Integration praktiziert. Der tödliche Anschlag auf eine Moschee in Christchurch löste eine Welle von Mitleid und Sympathie aus. Zum Zeichen der Solidarität und Trauer trug die Premierministerin, Yacinda Ardern, ein Kopftuch, viele Frauen, sogar eine Polizistin, machten es Ihr nach.

Nun gab es einige naseweiße Besserwisser, die das als Anbiederung und Übergriff bzw. koloniale Geste diffamierten. Im Gegenteil: Es war ein Symbol für die Haltung der Neuseeländerinnen!

Ein anderes Zeichen hätte ich mir von europäischen Politikern und Medien ebenfalls gewünscht. Frau Ardern lehnte es auch ab, den Namen des Attentäters zu erwähnen. So könne vermieden werden, dass der Name des Mörders sich ins kollektive Gedächtnis einprägt. Das habe ich mir schon bei dem norwegischen Attentäter in Oslo und auf Utoya gewünscht. Die Juden haben dafür eine Formel: Sein Name sei gelöscht!

Rechtsextreme Terroristen sind geradezu darauf aus, dass ihre Namen und Untaten im Bewusstsein weltweit erhalten bleiben. Diesen Gefallen sollten wir ihnen keinesfalls tun!

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Donnerstag, 7. März 2019
Bauhaus – eine Tragödie in mehreren Akten
Das Bauhaus feiert sein 100-jähriges Bestehen. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Der Erfolg besteht darin, dass WELTWEIT Bauhaus-Ideen verbreitet und realisiert wurden, übrigens u.a. dank den Nazis. Wieso das?

1919 gründete Walter Gropius in Weimar in der Tradition dortiger Kunstschulen das Bauhaus. Bereits 1923 wich das Bauhaus auf Druck der bürgerlich-konservative Mehrheit in Weimar nach Dessau aus. Auch dort bestand es nur bis 1930 und zog weiter nach Berlin, wo es 1933 von den Nazis geschlossen wurde.

Dies die ersten Akte der Tragödie. Allerdings musste viele, sogar die meisten der Lehrer und Studenten emigrieren und verbreitete den Stil weltweit und leiteten damit die Moderne in Kunst, Design und vor allem Architektur ein.

Die Tragödie wurde nach 1945 fortgesetzt. Zwar wurden Nachfolgeorganisationen in Ost- wie West-Deutschland gegründet: in Dessau und Ulm. In beiden Teilen Deutschlands setzten sich wieder die Konservativen durch. Die Dessauer durften entwerfen, blieben aber erfolglos. So entwarfen sie Karosserien für Autos, die nie gebaut wurden. Trabi musste genügen.

In Ulm wurde der Kunsthochschule von der baden-württembergischen CDU-Regierung die Förderung entzogen: zu fortschrittlich!

Wie sich die Traditionen gleichen: bürgerlich-konservativ, national-sozialistisch, real-sozialistisch und christlich-demokratisch.

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Montag, 4. Februar 2019
Broder bei der AfD – Kein Scherz
Vor Jahren stellte ich die Frage: War Henryk M. Broder je ein Linker? Damals (08.10.17) kam ich zu einem negativen Ergebnis. Vielmehr konstatierte ich, dass Broder sich möglichst immer dort aufhielt, wo er die gegenwärtig stärksten Bataillone vermutete.

Jetzt ist er mehrere Schritte weitergangen: Er ging dorthin, wo er zukünftig die Mächtigen vermutet; zu den Rechtsextremen, zur AfD. Er hielt eine Rede vor deren Bundestagsfraktion. Vor Begeisterung fiel ihm deren Vorsitzende Weidel um den Hals. Eine Vorstellung, die mir Schauder über den Rücken jagt.

Broder verbrämt seine Sympathie mit ironisch gemeinten Distanzierungen, die ihm Demokraten nicht mehr abnehmen. Und – wie gesagt – er verblüfft niemanden mehr, der seinen Werdegang verfolgte. In „Welt“ und seinem Blog „Die Achse des Guten“ hat er die Zuhörer- und Leserschaft lange vorbereitet mit: Leugnung des Klimawandels, Verharmlosung von sexuellem (Kindes-) Missbrauch u.a.

War Broder je ein Linker? Die Frage stellt sich nicht (mehr).

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Mittwoch, 30. Januar 2019
Ich hör immer Neiddebatte
Immer, wenn es um das Reich-Arm-Gefälle und Umverteilung geht, kommt quasi reflexhaft das Pseudo-Argument von der Neid-Debatte auf. Z.B. Lenke Steiner, Unternehmer-Töchterchen mit Erbberechtigung und Mitglied im Bundesvorstand ihrer Partei und Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft.

Der Begriff „Neid“ ist völlig unpassend. Niemand neidet ihr persönlich ihren erwartbaren Wohlstand oder Reichtum. Wenn von Umverteilung die Rede ist, geht es um einen Ausgleich des Widerspruchs zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut.

Ganz und gar skurril wird das Argument aus dem Mund von FDP-PolitikerInnen: Gerade die FDP fordert stereotyp Steuerermäßigungen, vorzugsweise derjenigen, die Wohlhabenden und Reichen zugutekommen. Die FDP fordert damit die Umverteilung öffentlichen Kapitals in privaten Reichtum. So herum wird ein Stiefel draus!

Stadt und Land Bremen sind Spitzenreiter im Bundesvergleich hinsichtlich der öffentlichen Verschuldung. Gleichzeitig ist Bremen Spitzenreiter hinsichtlich des prozentualen Anteils von EINKOMMENS-Millionären an der Bevölkerung (150 – 200 in absoluten Zahlen, nicht gerechnet das private Geldvermögen und Sachwerte wie Häuser, Yachten, Schmuck und Pelzmäntel).

KEINE EINZELPERSON hätte etwas von einer angemessenen Vermögens- oder Erbschaftssteuer. Sie würden nur der ALLGEMEINHEIT zugutekommen. Neiddebatte ist der völlig unpassende Begriff für diesen Prozess.

Nebenbei: der private Reichtum entsteht dadurch, dass die am unteren Ende der Einkommensskala Stehenden mit ihrer Arbeit den Mehrwert schaffen, den die Reichen als Gewinn abschöpfen.

Schon mal gehört, Frau Steiner? Wohl eher auf ihrer Schule nicht.

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Freitag, 21. Dezember 2018
Mit Anstand älter werden
Eine Gruppe älterer Männer kommt alle zehn Jahre zu einem Freundschaftstreffen zusammen. Als sie vierzig sind, beschließen sie ins „Astra“ zu gehen: „Da gibt es tolle Musik, Tanz und gute Stimmung.

Als sie fünfzig sind gehen sie ins „Astra“ wegen des guten Essens.

Mit sechzig treffen sie sich im „Astra“ wegen der guten und reichlichen Weinauswahl.

Dann mit siebzig ist ausschlaggebend: das „Astra“ ist behindertenfreundlich.

Schließlich mit achtzig schlägt ein Freund vor, ins „Astra“ zu gehen. „Au ja,“ stimmen alle anderen zu, „da waren wir noch nie!“

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Montag, 17. Dezember 2018
Nachlese zu Luther
2017 feierte die protestantische Welt 500 Jahre Reformation. In einigen Bundesländern wurde der Jahrestag der Reformation, der 31. Oktober, zum amtlichen Feiertag erklärt. Reformation und Martin Luther sind dabei so wie eins.

Das wäre ein Grund, nicht nur Luthers 95 Thesen an der Wittenberger Kirche zu studieren, sondern in seinen Schriften zu heute aktuellen Themen zu lesen. Wohl an denn!

Luther zum Thema FRAUEN: „Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk Gottes. Ob die Frauen sich aber müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da.“ (Aus Werke. Weimarer Ausgabe, Bd. 10/2, Weimar 1907, S. 296)

Über AUFRÜHRERISCHE Menschen: „Drum soll hier zuschmeißen, würgen, stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und gedenken, dass nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann denn der aufrührerische Mensch, gleich als wenn man einen tollen Hund totschlagen muss: Schlägst du nicht, so schlägt er dich und ein ganz Land mit dir. (…) Der Esel will Schläge haben, und der Pöbel will mit Gewalt regiert sein. Das wusste Gott wohl; drum gab er der Obrigkeit nicht einen Fuchsschwanz, sondern ein Schwert in die Hand. (Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, 1525)

Und nicht zuletzt über JUDEN: „Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinab stoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams.“ (Tischreden, Nr. 1795; an den Theologen Justus Menius)

„Erstlich, dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacken davon sehen ewiglich.“ (Von den Juden und ihren Lügen)

Dazu der Kommentar des Philosophen Karl JASPERS (1883 - 1969): „Luthers Ratschläge gegen die Juden hat Hitler genau ausgeführt.“ (1962)

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Sonntag, 9. Dezember 2018
Geysir
Geysir ist eine unter hohem Druck entweichende heiße Wasserfontäne, die in unregelmäßigen Abständen aus der Erde schießt. Genau diese eine Fontäne heißt Geysir. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort aber für alle Thermal-Fontänen benutzt. Direkt neben dem Geysir befindet sich eine zweite, eher noch eindrucksvollere Quelle namens Strokkur.

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Unterwegs im Land der Vulkane und Geysire: Eine Reise durch Island (Letzter Tag)
Wir kommen früh los, das erste Ziel Ðikkvibær wird gestrichen wegen Regen, Nebel, Dunst, also fahren wir direkt zum Gulfoss. Es nieselt und sprüht vom Wasserfall. Mit seinen Wassermassen, den zwei gegeneinander versetzten Stufen, der Fallhöhe und der umgebenden Landschaft ein bisher einmaliges Erlebnis.

Geysir bzw. Strokkur direkt nebenan, dessen Schlammschicht sich im 10-Min-Abstand glockenförmig hochwölbt, und dann schießt er 10 – 20 m hoch, begleitet vom Klicken der Kameras und den Ahs und Ohs der Zuschauer, wie zu Silvester beim Raketenschießen.



Dann Ðingvellir: auf dem Weg dahin Besuch einer Höhle, in der Geister hausen, und Stopp bei einer tiefen Spalte zwischen Amerika und Europa. Wunderbarer Ausblick in das weite Tal der Kontinentalspalte. In Ðingvellir dann die hoch aufragenden Wände der großen Spalte, in der wir einen Spaziergang machen. Das Phänomenale erschließt sich nicht durch den Augenschein, sondern durch die theoretischen Kenntnisse über Geologie. Nur beides zusammen ergibt das Faszinosum. Die Nationalgeschichte ist mir noch abstrakter. Eigentlich gibt es nichts zu sehen. Immerhin finde ich die isländische Frühgeschichte hoch spannend mit ihrem radikal-repräsentativen System. In Ðingvellir trafen sich vor der Kolonialisierung durch Norwegen jährlich zur Sommersonnenwende die Sippenoberhäupter, verhandelten allgemein wichtige Sachen und sprachen Recht.



Wir fahren am westlichen Ufer des Ðingvellirvatn bis zum südöstlichen Zipfel. Wunderschöne Landschaft, der See wechselt ständig die Farben zwischen milchig, türkisgrün, hellblau, dahinter düster die vulkanischen Berge und ein Himmel, der Bewölkung, Farbe, Licht und Schatten präsentiert. Übrigens ist das Wetter heute wieder nicht ganz schlecht: teilweise nieselt es, dann wieder trocken, stellenweise bricht die Sonne durch und betont wie Spotlights Geländeabschnitte: knallgrüne Berge, blaugraue Felsen, einzelne Häuser und Orte. Ein schöner Abschluss einer wunderbaren Reise.

Ab Selfoss dann direkt westwärts nach Reykjavik, das wir gegen 18.30 Uhr erreichen. Es ist schon spät, daher streichen wir den Hauptstadtbesuch, fahren durch nach Kevlavik, wo Gerhild ein Restaurant ermittelt hat, das wir nach ausgiebiger Suche finden. Gerhild lädt uns ein und wir essen gut mit Blick auf’s Wasser. Wir geben das Auto ab. Der Vertreter des Autoverleihs inspiziert den Wagen sehr sorgfältig, vor allem von unten. Es scheint wohl öfter vorzukommen, dass Fahrer die erlaubten Strecken verlassen und auf nicht befestigten Nebenstrecken den Unterboden demolieren. Bei uns ist aber alles in Ordnung.

Am Flughafen der übliche Stress, jetzt sitze ich hier, schreibe und hoffe, dass die Zeit bis zum Abflug vergeht.

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Samstag, 8. Dezember 2018
Unterwegs im Land der Vulkane und Geysire: Eine Reise durch Island (13. Tag)
Mit den Himmelsrichtungen bin ich ganz durcheinander: der gleichmäßig bedeckte Himmel, das fast einförmige Licht bei Tag und Nacht machen die Orientierung schwierig. Anhand von Karte und Landmarken norde ich mich früh morgens ungefähr ein. Irritierend: einmal ganz früh steht der abnehmende Mond als ganz schmale Sichel dort, wo später vormittags die Sonne steht.

Vorm Frühstück steht ein Typ rauchend mit Elke vor der Tür: Reiseleiter, der mit seiner Gruppe auf die Westmännerinseln fahren will, hat aber Bedenken, ob das wegen des Sturms geht, will ggf. unser Haus belegen und fragt, ob wir eventuell umziehen. Erübrigt sich aber später. Mit ihm dabattiere ich eine Weile wegen des Monds und der Himmelsrichtungen, bis ich ihm Recht geben muss.

Beim Frühstück empfiehlt die Wirtin uns eine Busfahrt zum Vulkan Ðörsmörk, ist uns aber zu lange und zu teuer, und wir entscheiden uns für’s eigene Programm. Aber: die lichten Stellen in den Wolken mit Sonne verwandeln sich – bis wir endlich loskommen - wieder in Nieselregen.

Der Wasserfall Seljalandfoss ist erste Station, sehr nass durch Nieselregen und abstäubendes Wasser vom Fall. Die Fallhöhe ist beeindruckend. Von hier fahren die Hochlandbusse ab – fast leer. Angesichts des Wetters nicht verwunderlich, weil man oben wegen der Wolken bzw. des Nebels wohl doch nichts sieht.



Zweite Station: der Fähranleger zu den Westmännerinseln, Nieselregen, nichts los, im Dunst ein Felsen im Meer, der eine Insel sein könnte. Nach Hvolsvöllur, Kaffeetrinken, Getränkeeinkauf, sonst tote Hose. Im Kaffee feilscht ein deutsches Paar um 10 KR (= 6 Cent) und warnt uns vor Betrug. (Tucholsky, sinngemäß: Wenn man als Deutscher ins Ausland kommt, muss man erst prüfen, ob man sich gut benehmen muss, oder ob schon Deutsche da waren.)

Zurück zum Haus, Planung für morgen begonnen. Die Bewölkung lockert auf, die Sonne wärmt den Raum mit den Panoramafenstern sehr gut. Es hält mich nicht mehr. Gerhild und ich laufen auf den gegenüberliegenden Hang, den Schafen nach an Bächen entlang. Toller Ausblick auf Sander und Hügel. Unterwegs retten wir ein Schaf, das irgendwie aus der Umzäunung gekommen ist und den Rückweg nicht findet.

Nasse Füße – Wanderschuhe kaputt -, ins Haus zurück, Planung für morgen abgeschlossen, Kontinentalverschiebung erklärt, gelesen.

Zum Abendessen erscheint eine deutsche Restfamilie, fragt, ob wir unser Essen bestellt haben. Wir ja, aber sie nicht. Da wir reichlich haben, biete ich an. Die geäußerte Dankbarkeit hält sich in Grenzen. Immer wieder Belege dafür, warum wir Deutsche im Ausland „so beliebt“ sind. – Im Gegensatz zu gestern gibt’s reichlich und schmackhafter mit frischem Salat. Die Hausfrau ist wieder am Herd gewesen, nachdem sie gestern zu einer Beerdigung in Kevlavik war. – Weiter im Reiseführer geschmökert zur Vorbereitung für morgen.

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