Freitag, 10. November 2017
Nochmal: Zuverlässige Quellen
Neulich wurde in einer Diskussion behauptet, der „Kaiser-Schnitt“ sei nach dem deutschen Kaiser Wilhelm II. (Regierungszeit 1888 – 1918) benannt. Als Quelle wurde die Spiel-Dokumentation „Charité“ angegeben, die vor einiger Zeit im Fernsehen lief (ARD 21. und 28.03.17).

Mir war aus meiner Schulzeit bekannt, dass angeblich Caesar durch Kaiserschnitt entbunden wurde. Daher stamme die Namensgebung.

Um den Widerspruch aufzulösen, habe ich recherchiert : im dtv-Lexikon von 1966 (auf Basis des Brockhaus-Lexikons), in Mayers Konversationslexikon von 1874 ff. und in Wikipedia. Und siehe da: alle bestätigten meine Schulweisheit. Dort erfuhr ich auch, dass bereits lange vor Caesar (100 – 44 v.u.Z.) derartige Operationen durchgeführt worden waren.

Also so viel zum Thema zuverlässige Quellen. Eine Spieldokumentation eignet sich wohl eher gar nicht, um Fakten zu recherchieren. Das viel geschmähte Wikipedia ist zumindest in diesem Fall so zuverlässig wie zwei prominente Lexika.

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Freitag, 27. Oktober 2017
Was ist eine zuverlässige Quelle?
Konservative Medienkritiker misstrauen dem Internet zutiefst. Auch Wikipedia ist als Quellenangabe verpönt. Diese Kritiker sind meist ungenügend über die Regeln von Wikipedia informiert.
Dagegen werden Bücher als seriöse Quellen betrachtet. Nun habe ich gerade zwei lustige Beispiele dafür gefunden, dass die mindestens ebenso richtig oder falsch sind.
Das Programmheft von arte für November 2017 behauptet auf Seite 60, Clint Eastwood sei durch seine Rolle in „Spiel mir das Lied vom Tod“ von 1968 bekannt geworden. Nun habe ich diesen Film wohl an die zwanzigmal gesehen, ohne auch nur in einer winzigen Nebenrolle Clint Eastwood entdeckt zu haben. Auch laut Wikipedia (!) taucht er in keiner Besetzungsliste für diesen Film auf.
Eastwoods erster Kinofilm war „Für eine Handvoll Dollar“ von 1964. Das einzige gemeinsame der beiden Filme ist der Regisseur Sergio Leone.
Und nun das andere Beispiel:
In dem Buch von Hanns Zischler „Kafka geht ins Kino“ heißt es auf Seite 65 in einem Bericht von Georg Christoph Lichtenberg: „Stellen Sie sich eine Strase vor etwa so breit als die [durch Göttingen fließende] Weender, …“
Mit die „Weender“ ist für jeden Göttinger, also auch für Lichtenberg, die WEENDER STRASSE gemeint, die von den Wallanlagen im Norden bis zu den Wallanlagen im Süden die Altstadt durchquert, war also zur Zeit des Autors die Hauptstraße.
Es gibt nur einen Fluss, der Göttingen durchquert, und das ist die Leine, die allerdings weit westlich der Altstadt fließt. Ein Gewässer, das die Altstadt touchiert, ist der künstliche Mühlengraben, der allerdings nicht fließt.
Ein Blick auf einen Göttinger Stadtplan oder ins Internet (z.B. google maps oder Wikipedia) hätte genügt!
Was ist also eine zuverlässige Quelle? Zuverlässig ist eine Quelle, die weder der Wirklichkeit noch anderen Quellen widerspricht – egal ob Buch oder Internet.

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Freitag, 13. Oktober 2017
Strandgut I
Es gibt Menschen, die einem immer durch ihre Hilfsbereitschaft im Wege stehen. Tati hat diesen Menschen Denkmäler in seinen Filmen errichtet. Z.B. Tati in „Die Ferien des M. Hulot“. Kirsten Fuchs berichtet von einer Hilfestellung für ihre Tochter. Diese kommt einfach nicht aus dem Quark, die Zeit drängt irgendwie. Sie fummelt der Tochter dazwischen. Darauf die: „Hilf mir mal bitte kurz, indem du mich in Ruhe lässt.“ Bingo!

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Samstag, 7. Oktober 2017
Strandgut
ist das, was die Ozeane und deren Nebenmeere nach Stürmen und Orkanen an die Gestade spülen. Der Strandspaziergänger übersieht sie leicht, ja gelegentlich bringen sie Verdruss. Dann aber sind gelegentlich echte Fundstücke darunter: Schöne Steine oder Muscheln, sogar mal ein Bernstein, eine Flaschenpost oder Alraunen, Zeugen untergegangener Zeiten und Kulturen. Z.B. von der Eiszeit herangerollte und abgeschliffene Felsen oder Steine aus Skandinavien, steinzeitliche Werkzeuge oder tote Tiere.

Im Reich der Worte und Bücher, auch des Theaters sind es einzelne „aus dem Zusammenhang gerissene“ Zitate, literarische Fundstücke, also Strandgut. Wem ging es nicht schon so: Man sieht im Fernsehen oder auf der Bühne Kabarett oder Theater. „Wo hat der Kerl bloß die vielen Zitate her?!“ Man denkt: Das merke ich mir, das kann ich in Gesprächen und Diskussionen mal nebenbei einfließen lassen – mit Autorenangabe, versteht sich.

An der Garderobe oder beim Gang zur Toilette grübelt man: Wie war das eben noch? Will mir einfach nicht einfallen. Das Feuerwerk der Bonmots und „Zitate“ überwältigt uns.

In Sternstunden erinnert man sich dann manchmal. Ich habe eine Methode gefunden, diese Erfahrung öfter zu machen. Ich schreibe mir den Satz, den Aphorismus, den Begriff GLEICH auf. Habe dazu immer Block und Stift zur Hand.

Hier eine Kostprobe meiner Sammelwut. Kirsten Fuchs hat ein Buch geschrieben: „Kaum macht man mal was falsch, ist es auch wieder nicht richtig.“ Das könnte das Motto einer Zweier-Beziehung sein.

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Freitag, 15. September 2017
Inmitten des Reichtums: Kinderarmut
Die Statistiker haben erneut ausgerechnet, dass Kinderarmut in Deutschland ein Massenphänomen ist und im Vergleich zu den Vorjahren zunimmt: Jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht. Die Definition von Armut bedeutet, dass jemand weniger als 60 % des Normaleinkommens zum Leben hat.

Gleichzeitig tönen konservative Politiker und Volkswirte, Deutschland sei ein reiches Land.

Wenn man das Privatvermögen aller Deutschen zusammenzählt, kommen 5 Billionen Euro zusammen (ohne Wertgegenstände wie Immobilien, Schmuck, Autos u.ä.). Na, bitte.

ABER: Dieser Reichtum konzentriert sich auf höchstens 10% der Gesamtbevölkerung. Jedes fünfte Kind gehört nicht dazu.

Fordern der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Linke, Teile der SPD einen Ausgleich dieses gewaltigen Ungleichgewichts, dann tönt es, das sei eine „Neiddebatte“. So z.B. die Bremer Bundestagskandidatin Steiner.

Dieser Vorwurf belegt nur profunde Unkenntnis. Es geht bei der geforderten Umverteilung – z.B. durch ein geändertes Erbschafts- oder Steuer-Recht – nicht um persönliche Bereicherung Einzelner, sondern um einen Ausgleich zwischen der öffentlichen Armut und dem privaten Reichtum.

Einzelne arme Kinder sollen sich nicht die Kittel-Taschen vollstopfen, sondern angemessene Bildungschancen durch Kitas und Schulen bekommen.

Stattdessen fordert die FDP eine Steuerentlastung um 30 000 000 €. Das macht nur die Reichen reicher, denn die Armen zahlen gar keine Steuern, die ihnen erlassen werden könnten. Stattdessen wird für Bildung und Infrastruktur noch weniger ausgegeben. Das droht uns, wenn die die Wirtschaftsliberalen in CDU, FDP und Grünen nach der Wahl die Oberhand gewinnen.

Deutschland, ein reiches Land? Nicht für 90% der Bevölkerung und die öffentlichen Kassen!

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Sonntag, 3. September 2017
Pfadfinder zwischen Tradition und Fortschritt
Kritik eines Lesers: "Ich habe Dein Buch in einem Rutsch – an ein paar freien Tagen – im Wendland gelesen.Das passt ja ganz gut zu dem Sommerlager-1977-Text. (....) Zum Buch: ich hatte erst Bedenken, jetzt noch ein Geschichtsbuch, da ich gar nicht so auf die BDP Geschichte heute mehr abonniert bin.



Ich fand das Buch gut lesbar – es hat mich positiv überrascht, zum einen, da Du Dich als Person in der Zeit gesehen und reflektiert hast – und zum anderen die Abhandlung der Professionalisierung durch moderne Pädagogik im Konflikt mit dem Ministerium für mich noch mal eine politisch passende Klarstellung war. Im Unterschied zu den Unterwanderungstheoretikern wird auch die Vielfältigkeit und Gleichzeitigkeit von Entwicklung sichtbar, die man so ja gar nicht selbst konstruieren kann, sondern die Veränderung in der Gesellschaft mitvollzieht.

Ich hatte [in einer Diskussion] darüber gesprochen, dass (…)die inhaltliche Einbeziehung von Initiativen und offenen Gruppen in der Provinz eine Art „systemische Organisationsentwicklung“ dargestellt hat. (…) so ist es in Deinem Buch auch gut sichtbar.

Mein einziger Mäkelpunkt ist die recht pauschale Ablehnung von Arbeitgebern als „Kapitalisten“. Das steht beim Thema Versprechen: ich bin kein Freund aller Menschen, da ich Kapitalisten nicht unterstütze. Na ja, das ist schon 70er Jahre Denke.

Also: Dein Buch ist gut lesbar und bringt eine Zusammenfassung der Modernisierung der Jugendarbeit im Kontext gesellschaftlicher Veränderung. Das hat mir gut gefallen!"

Meine Stellungnahme zu dem "Mäkelpunkt": Der Vorwurf, "70er-Jahre- Denke" trifft natürlich, denn so dachten wir in den 60er und 70er Jahren. Die Personalisierung von Kapitalismus war und ist unscharf. Aber: Natürlich ist der Kapitalismus auch heute noch kritikwürdig, ein Blick - nicht nur in den Wirtschaftsteil - jeder beliebigen Tageszeitung liefert den Beleg. Und ich könnte damals wie heute eine Reihe von Namen nennen, deren Freund ich nicht sein möchte. Es sind nicht immer "Kapitalisten" im klassischen Sinn, aber die Funktionäre des Kapitals, vulgo "Manager" zählen auch dazu.

Jürgen Fiege: Pfadfinder zwischen Tradition und Fortschritt. Zwanzig Jahre im Bund Deutscher PfadfinderInnen, Verlag AG SPAK, Neu-Ulm 2017, ISBN 978-3-945959-17-6, 200 Seiten, 14,50 EUR

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Donnerstag, 20. Juli 2017
Jane Austen – eine Feministin?
Die taz nimmt den 200. Todestag der britischen Autorin Jane Austen zum Anlass darüber zu spekulieren, ob diese eine Feministin war oder ihre Romane feministisch sind.

Die Werke von Jane Austen zählen zur großen Literatur des Abendlandes. Sie waren damals – in der Romantik – fortschrittlich, weil sie die Liebe zwischen Mann und Frau in ihren Mittelpunkt stellten. Liebe war die wichtigste Voraussetzung der Beziehung in einer Ehe.

Vorher waren die Motive für Ehen das Schmieden politischer Bündnisse (im Adel) oder eine Versorgungseinheit zur Reproduktion (im Bürgertum und Kleinbürgertum).

Und jetzt: die große Jane Austen überwand den Utilitarismus und stellte die Beziehungen der Geschlechter auf eine neue Basis.

Dabei nach Feminismus zu fragen, ist absurd: den Begriff oder die Vorstellung davon gab es einfach noch nicht! Es ist genauso absurd, wie wenn man Martin Luther vorwerfen würde, Max Weber („Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“) nicht gelesen zu haben. Oder Grimmelshausen („Simplizissimus“) darauf zu befragen, ob der 30-jährige Krieg ein imperialistischer Krieg gewesen sei.

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Samstag, 17. Juni 2017
Ein „großer“ Kanzler
Helmut Kohl ist tot. Der große Europäer, der Schmied der deutschen Einheit – so tönt es in den Nachrufen.

Die Schmährufe verstummen dagegen fast: Ein Kanzler, der sein „Ehrenwort“ höher stellt als die Einhaltung der Gesetze, die er in seinem Amtseid einzuhalten geschworen hat.

Eine sechzehn Jahre dauernde Stagnation der gesellschaftlichen Entwicklung. Die überstürzte „Wieder“-Vereinigung und das haltlose Versprechen auf „blühende Landschaften“. Statt dessen Entvölkerung und Verödung ganzer Landstriche im Osten.

Und er hetzte die "Treuhand" auf die ostdeutschen Betriebe, und die hauste dort wie der sprichwörtliche Heuschreckenschwarm. Industrie- und Dienstleistungs-Ruinen blieben auf der Strecke. Wie zu erwarten war, profitieren davon rechtsextreme Heilsverkünder.

Und auch das Persönliche hat Hautgout: Während seine Ehefrau allenfalls bei Staatsakten oder für das Foto "Heile Familie" posierte, ansonsten zu Hause in Oggersheim wegen ihrer Lichtallergie im Dunkeln saß, hielt er sich in Bonn eine Geliebte, die er auch noch ungerechtfertigt in die Position einer höheren Beamtin hievte. Diesem Martyrium entzog die Gattin sich schließlich durch Freitod. Auch die Söhne sind nicht gut auf den Vater zu sprechen.

Wahrlich ein „großer Kanzler“!

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Dienstag, 6. Juni 2017
Statistik lügt
Statistik ist schon eine merkwürdige Wissenschaft. „Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ So drückt der Volksmund seine Skepsis aus. Die Problematik wird scherzhaft auch in der Wissenschaft formuliert: Wenn ich mit einem Bein in Eiswasser, mit dem anderen in kochendem Wasser stehe, dann habe ich durchschnittlich ein angenehmes Bad.

Jetzt hat die Auseinandersetzung zwischen Naturschützern und Befürwortern der Windenergie eine seltsame Blüte getrieben.

Statistiker haben festgestellt, dass durchschnittlich pro Windrad im Jahr ½ Raubvogel getötet wird. Das ist offensichtlich Unsinn: Halbe Raubvögel sind bereits tot. Die Ursache muss wo anders liegen.

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Dienstag, 25. April 2017
Das schiefe Bild der Kriminalstatistik
Bundesinnenminister de Maiziere stellte die „Kriminalstatistik“ vor. Er vergaß dabei darauf hinzuweisen, dass alle Schlussfolgerungen aus dieser Statistik äußerst fragwürdig sind.

Die Kriminalstatistik ist eigentlich eine POLIZEI-Statistik; sie registriert lediglich ANZEIGEN, nicht aber gerichtlich festgestellte Vergehen oder Verbrechen. Viele der Anzeigen bei der Polizei kommen entweder gar nicht zur Anzeige oder werden niedergeschlagen oder enden mit Freispruch. Darunter sind auch viele Bagatell-Delikte.

Z.B. zwei Jugendliche werden wegen „Raubes“ angezeigt, angeklagt und zu einer „erzieherischen Maßnahme verurteilt“. Was war geschehen? Die Jugendlichen haben im Bus einen dritten bedrängt und aufgefordert, ihnen 50 Cent zu geben, um die Fahrkarte zu bezahlen. Der Dritte gibt das Geld heraus und erzählt seinen Eltern davon. Diese eilen flugs zur Polizei: Anzeige. Gerichtsverhandlung. Urteil. Maßnahme. So schnell wird die Kriminalstatistik um ein „Raub-Delikt“ angereichert.

Vor allem die gestiegene Anzeige-Bereitschaft der Bevölkerung führt dazu. Manchmal wundert man sich, um was Prozesse geführt werden!

Als ich Jugendlicher war, klauten wir im Vorbeigehen schon mal einen Apfel aus der Auslage des Osthändlers. Wurden wir erwischt: Schimpfe, Taschengeldentzug, Stubenarrest oder Ohrfeige (nicht gerade die optimale Maßnahme!), damit war die Sache erledigt.

Wenn heute ein Jugendlicher eine Tüte Bonbons im Supermarkt klaut, wird der „Diebstahl zur Anzeige gebracht“ (Aushang im Supermarkt). Wieder eine Anreicherung der Kriminalstatistik.

Um einen realistischen Überblick über die tatsächliche Kriminalität zu bekommen, wäre es sinnvoll, die gerichtlichen Urteile zu zählen. Das aber stößt auf Verwaltungsprobleme. Die allgemeine Justiz ist Ländersache. Man müsste also die Urteile aller sechzehn Bundesländer erfassen, zusammenführen und bewerten. Wird aber nicht gemacht. Und die „Kriminalstatistik“ macht sich u.a. für die Polizei gut, kann sie doch damit ihre personellen und finanziellen Forderungen untermauern.

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